Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. Oktober 2006
Aktenzeichen: 10 W (pat) 12/05
(BPatG: Beschluss v. 19.10.2006, Az.: 10 W (pat) 12/05)
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts (Patentabteilung 1.35) vom 17. Dezember 2004 aufgehoben.
Der Antragstellerin wird Wiedereinsetzung in die Frist zur Einreichung der deutschen Übersetzung der europäischen Patentschrift und der Zahlung der Veröffentlichungsgebühr gewährt.
Gründe
I Am 21. April 2004 wurde im Europäischen Patentblatt der Hinweis auf die Erteilung des europäischen Patents 0 834 750 veröffentlicht, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 697 28 728 geführt wird. Am gleichen Tag wies das DPMA den italienischen Vertreter der Patentinhaberin vor dem Europäischen Patentamt auf die Frist von 3 Monaten für die Einreichung der deutschen Übersetzung der Patentschrift und die Zahlung der Veröffentlichungsgebühr hin.
Erst am 24. September 2004 meldeten sich die Vertreter der Patentinhaberin für den deutschen Teil, reichten die Übersetzung der Patentschrift ein und erteilten Einzugsermächtigung für die Gebühr. Gleichzeitig beantragten sie Wiedereinsetzung in die versäumten Fristen, die wie folgt begründet wird:
Die Antragstellerin sei ohne Verschulden gehindert gewesen, die Frist gegenüber dem DPMA einzuhalten. Am 2. August 2004 habe deren koreanischer Vertreter den Erteilungsbeschluss vom italienischen Vertreter erhalten und damit erfahren, dass die Fristen versäumt worden seien. Für die Notierung und Überwachung ausländischer Fristen in Verfahren nach dem EPÜ sei Frau A... zuständig, die im Büro des koreanischen Vertreters seit 11 Jahren arbeite und seit 5 Jahren Leiterin der Abteilung für ausländische Patentangelegenheiten sei. Sie arbeite eigenverantwortlich und sei mit den relevanten Fristen gemäß EPÜ vertraut gemacht worden. Stichprobenartig werde ihre Arbeit vom zuständigen koreanischen Vertreter, Herrn Dr. B..., überprüft, wobei bisher keine Fehler aufgetreten seien.
Notierung und Überwachung von Fristen in den Vertragsstaaten des EPÜ laufe im koreanischen Büro wie folgt ab: Nach Erhalt des Erteilungsbeschlusses nach Art. 97 Abs. 2 EPÜ vom jeweils mit der Durchführung des europäischen Anmeldeverfahrens beauftragten europäischen Auslandsvertreter werde die 3-Monatsfrist nach Art. 65 Abs. 1 EPÜ im elektronisch und händisch geführten Fristenkalender notiert und überwacht. Die Vertreter in den jeweiligen Vertragsstaaten des EPÜ, in denen das EP-Patent Gültigkeit haben solle, würden sodann unter Beifügung des Erteilungsbeschlusses, der erteilten Unterlagen sowie unter Hinweis auf die Frist des Art. 65 Abs. 1 EPÜ mit der jeweils nationalen Vertretungsübernahme, der Übersetzung und Einreichung der erteilten Unterlagen sowie mit der Zahlung der nationalen Gebühr beauftragt. Seit dem Jahr 1991 sei in über hundert europäischen Patentanmeldungen auf diese Weise erfolgreich verfahren worden. In 5 Fällen sei das italienische Büro mit der Vertretung vor dem EPA beauftragt worden. Der koreanische Vertreter der Patentinhaberin stelle auf die Übersendung des Erteilungsbeschlusses ab, weil dies der frühestmögliche Zeitpunkt sei, an dem das EPA auf die Veröffentlichung der Erteilung nach Art. 97 Abs. 4 EPÜ hinweise, die die Dreimonatsfrist des Art. 65 Abs. 1 EPÜ in Gang setze. Der mit der Durchführung des europäischen Anmeldeverfahrens beauftragte Vertreter werde vom koreanischen Büro bereits nach Erhalt der Mitteilung gemäß Regel 51 Abs. 4 EPÜ gebeten, den Erteilungsbeschluss zu übersenden, um sicherzugehen, diesen zusammen mit dem Hinweis auf den Zeitpunkt der Veröffentlichung so schnell wie möglich zu erhalten und die entsprechende Frist möglichst bald notieren zu können. Die Patentschrift werde hingegen später übersandt und an den Mandanten für seine Akten übermittelt.
Im vorliegenden Fall sei den koreanischen Vertretern der Patentinhaberin vom italienischen Büro mit Schreiben vom 4. Mai 2004 lediglich eine Kopie der europäischen Patentschrift und nicht wie gewünscht des Erteilungsbeschlusses zugegangen. Zwar enthalte das Deckblatt der Patentschrift auch das Datum der Veröffentlichung der Patenterteilung, Frau A... sei es jedoch nicht zumutbar gewesen, hieraus die Frist zu berechnen, zumal die veröffentlichte Patentschrift hinsichtlich dieses Datums keine Verbindlichkeit besitze. Mit Schreiben vom 10. Juni 2004 habe das koreanische Büro um Zusendung des "Original Certificate of Grant" gebeten, woraufhin ein Tag später lediglich das Original der Patentschrift aus Italien übermittelt worden sei. Die koreanischen Vertreter hätten mit Schreiben vom 29. Juli 2004 erneut den Erteilungsbeschluss angefordert. Sie nahmen dabei Bezug auf die vom italienischen Büro angefragte Vollmacht für die Validierung des Patents in Italien vom 6. Juli 2004.
Zur Glaubhaftmachung des Sachverhalts ist eine eidesstattliche Versicherung von Herrn Dr. B... vorgelegt worden.
Mit Beschluss vom 17. Dezember 2004 hat die Patentabteilung 1.35 den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen. Aus den übersandten Anlagen gehe hervor, dass den koreanischen Vertretern eine Kopie des "Certificate of Grant" übermittelt worden sei. Spätestens am 10. Juni 2004 habe daher Kenntnis von der einzuhaltenden Frist bestanden. Eine Überprüfung der Fristen an Hand der später veröffentlichten Patentschrift hätte abweichend vom beschriebenen Organisationsablauf erfolgen müssen.
Dem tritt die Antragstellerin mit der Beschwerde entgegen. Sie beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattzugeben.
Entgegen der Ansicht des Patentamts sei das "Certificate of Grant" gerade nicht übersandt worden, sondern lediglich die Kopie der Patentschrift. Zwar wäre auch hieraus der Beginn der 3-Monatsfrist erkennbar gewesen, doch liege kein Verschulden vor, da die koreanischen Vertreter diese Frist nicht hätten erkennen müssen. Deren geschilderter Organisationsablauf sei nicht zu beanstanden. Er stelle auf den Zeitpunkt der frühest möglichen Notierung der Frist ab, was auch die Rechtsauskunft Nr. 17/90 des EPA bestätige. Es könne nicht zum routinemäßigen Handeln des koreanischen Vertreters gehören, die Frist zusätzlich der Patentschrift zu entnehmen, zumal die Angabe dort nicht rechtsverbindlich sei.
II Die zulässige Beschwerde ist begründet, der Antragstellerin ist Wiedereinsetzung in die versäumten Fristen zu gewähren.
1. Die Antragstellerin hat die Frist zur Einreichung der deutschen Übersetzung der europäischen Patentschrift sowie zur Zahlung der Veröffentlichungsgebühr nach Art. II § 3 Abs. 1 und 2 IntPatÜG i. V. m. Art. 65 Abs. 1 und 2 EPÜ versäumt. Die Frist begann am 21. April 2004, dem Tag, an dem unstreitig die Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents im Amtsblatt des EPA erfolgte. Sie endete nach den genannten Bestimmungen mit Ablauf von 3 Monaten am 21. Juli 2004.
2. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zulässig. Am 2. August 2004 hatten die koreanischen Vertreter den Erteilungsbeschluss in Händen und damit positive Kenntnis vom Ablauf der Frist am 21. Juli 2004, deren Versäumung wiedereinsetzungsfähig ist. Der am 24. September 2004 eingegangene Antrag ist somit rechtzeitig (§ 123 Abs. 2 Satz 1 PatG). Er enthält die die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen sowie die Glaubhaftmachung. Die versäumten Handlungen sind am selben Tag und somit rechtzeitig nachgeholt worden.
3. Die Antragstellerin hat in glaubhafter Weise dargelegt, dass sie die Frist zur Einreichung der deutschen Übersetzung und zur Zahlung der Veröffentlichungsgebühr ohne Verschulden versäumt hat.
Die vorgetragene Bearbeitungsweise europäischer Anmeldeverfahren durch den koreanischen Vertreter der Patentinhaberin ist nicht zu beanstanden. Um die Einhaltung der Fristen in den benannten Vertragsstaaten nach Erteilung des europäischen Patents (hier: Art. II § 3 IntPatÜG) sicherzustellen, war deren Notierung zum frühest möglichen Zeitpunkt vorgesehen, d. h. mit Übersendung des europäischen Erteilungsbeschlusses, der das Veröffentlichungsdatum des Hinweises auf die Erteilung im Europäischen Patentblatt erstmals und verbindlich nennt. Bereits nach Eingang des die Erteilung vorbereitenden Bescheids des EPA nach Regel 51 Abs. 4 EPÜ wurde der europäische Vertreter nach dem organisatorischen Ablauf zur Übersendung des Erteilungsbeschlusses erstmals aufgefordert. Dass sich das so praktizierte Verfahren bisher bewährt hatte, belegt die glaubhaft gemachte fehlerlose Durchführung von über einhundert europäischen Anmeldungen.
Die Überwachung und Notierung der relevanten Fristen im koreanischen Büro durch eine Angestellte, Frau A..., begegnet ebenfalls keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Bei ihr handelt es sich nach den glaubhaft gemachten Angaben des koreanischen Vertreters um eine bewährte Hilfsperson, die seit 1994 im koreanischen Büro beschäftigt ist und bereits vor ihrem Aufstieg zur Leiterin der Abteilung für ausländische Patentangelegenheiten im Jahr 1999 mit den relevanten Fristen nach dem EPÜ vertraut gemacht worden war, die sie selbständig notiert und überwacht, was in der Vergangenheit noch nie Anlass zu Beanstandungen gab. Die aufgrund der langjährigen Erfahrungen von Frau A... nur stich- probenhafte Kontrolle ihrer Arbeit durch den koreanischen Vertreter lässt eine mangelnde Sorgfalt seinerseits ebenfalls nicht erkennen.
Die Versäumung der Fristen stellt sich nach allem als einmaliger Fehler einer gut ausgewählten und stichprobenhaft kontrollierten Hilfskraft in einem funktionierenden Fristenüberwachungssystem dar, der der Antragstellerin nicht zuzurechnen ist. Folglich ist es für die Verschuldensfrage unerheblich, ob - wie die Patentabteilung im angefochtenen Beschluss ausführt - Frau A... den Beginn der rele- vanten Fristen dem Deckblatt der vom italienischen Büro bereits im Juni 2004 übersandten, später veröffentlichten europäischen Patentschrift hätte entnehmen können.
Die angefochtene Entscheidung war daher aufzuheben und Wiedereinsetzung in die Fristen nach Art. II § 3 IntPatÜG zu gewähren.
BPatG:
Beschluss v. 19.10.2006
Az: 10 W (pat) 12/05
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