Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 2. Mai 1997
Aktenzeichen: 6 U 221/96

(OLG Köln: Urteil v. 02.05.1997, Az.: 6 U 221/96)

Tenor

1.) Die Berufung der Beklagten gegen das am 19.9.1996 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 81 O 9/96 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Hauptausspruch wie folgt neu gefaßt wird: a) Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 500.000 DM zu unterlassen, in Zeitungsanzeigen und Wurfsendungen zu Zwecken des Wettbewerbs wie nachstehend in verkleinerter Form wiedergegeben für Kraftfahrzeuge mit der Aussage: "sensationell: inklusive ... einem Fahrrad" zu werben: b) Im übrigen wird die Klage abgewiesen.2.) Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.4.) Die Beschwer der Beklagten wird auf 25.000 DM festgesetzt.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg,

weil die Klage zulässig und in dem von dem Landgericht zuerkannten

Umfange auch begründet ist. Soweit der Kläger im Verlaufe des

Verfahrens, zuletzt in der Berufungsinstanz, seinen Antrag mehrfach

neugefaßt hat, liegt darin auch keine - teilweise - Rücknahme der

Klage.

Die Klage ist zunächst zulässig, insbesondere ist der Kläger

gem. §§ 2 Abs.1 ZugabeVO, 13 Abs.2 Ziff.2 UWG

prozeßführungsbefugt.

Er ist ein rechtsfähiger Verband zur Förderung gewerblicher

Interessen. Ihm gehört auch eine erhebliche Zahl von

Gewerbetreibenden an, die auf demselben Markt, nämlich im Großraum

K., ebenso wie die Beklagte Pkw vertreiben. Diese Wettbewerber der

Beklagten sind - was ausreichend ist - mittelbare Mitglieder des

Klägers. Das ergibt sich ohne weiteres aus den in erster Instanz

vorgelegten Mitgliederlisten, auf die Bezug genommen wird.

Der Kläger ist auch nach seiner personellen, sachlichen und

finanziellen Ausstattung in der Lage, seine satzungsgemäßen

Aufgaben der Verfolgung gewerblicher Interessen tatsächlich

wahrzunehmen. Das folgt schon aus seinen Angaben im Schriftsatz vom

9.4.1996, deren Richtigkeit die Beklagte schon in erster Instanz

mit Schriftsatz vom 29.4.1996 ausdrücklich eingeräumt hat und in

zweiter Instanz ebenfalls nicht bestreitet. Im übrigen wird das

Vorhandensein einer ausreichenden Ausstattung dadurch bestätigt,

daß - wie der Kläger auf S.4 der Berufungserwiderung

unwidersprochen vorträgt - nach der Neufassung des § 13 UWG

verschiedene Oberlandesgerichte bereits in 7 Entscheidungen seine

Klagebefugnis bejaht haben. Es spricht nämlich eine tatsächliche

Vermutung für das Fortbestehen der Voraussetzungen der

Klagebefugnis, wenn ein Verband - wie dies der Kläger durch die

Vorlage der Entscheidungen in den soeben erwähnten Verfahren für

sich dargetan hat - über Jahre in Gerichtsverfahren als klagebefugt

angesehen worden ist (vgl. BGH GRUR 86,320,321). Diese Vermutung

gilt auch nach der Neufassung des § 13 UWG im Jahre 1994 (vgl.

Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19. Aufl., vor § 13 RZ 24)

und setzt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht voraus, daß

gerade das im vorliegenden Verfahren angerufene Gericht früher die

Klagebefugnis bejaht hat.

Die Klage ist in der obigen Fassung des Urteilstenors auch aus §

1 Abs.1 S.1 und 3, § 2 Abs.1 ZugabeVO i.V.m. § 13 Abs.2 Ziff. 2 UWG

begründet, weil die angegriffene Werbung eine unzulässige Zugabe

darstellt und dieser Verstoß gegen die ZugabeVO geeignet ist, den

Wettbewerb auf dem betroffenen Markt wesentlich zu

beeinträchtigen.

Eine Zugabe liegt vor, wenn zu einer Hauptware unentgeltlich

eine Nebenware abgegeben wird und die Abgabe der Nebenware vom

entgeltlichen Bezug der Hauptware abhängig ist (vgl. Baumbach/

Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19.Aufl., § 1 ZugabeVO Rz 1 m.w. N.).

Diese Kriterien sind erfüllt. Das bedarf hinsichtlich der

Abhängigkeit der Abgabe des Fahrrades von dem Kauf eines Pkw keiner

Ausführungen, weil diese Abhängigkeit von der Beklagten selbst

ausdrücklich bestätigt wird.

Entscheidend ist damit allein die Frage, ob es sich bei dem

Fahrrad um eine unentgeltliche Nebenleistung zu dem beworbenen Pkw

handelt. Diese Frage ist zu bejahen.

Maßgeblich ist dabei die Auffassung der angesprochenen

Verkehrskreise (vgl. z.B. Baumbach/Hefermehl a.a.O., RZ 3, 8 jew.

m.w.N.), hier also der potentiell an einem Autokauf interessierten

Verbraucher. Diese werden die Anzeige angesichts der täglichen Flut

von Werbeanzeigen auch in Tageszeitungen zu einem Großteil nur

flüchtig zur Kenntnis nehmen. Zu beurteilen ist daher, ob ein

Durchschnitt der so beschriebenen Verbraucher die Anzeige in dem

von dem Kläger dargestellten Sinne versteht

(Baumbach/Hefermehl,a.a.O., Einl. UWG, RZ 250 m.w.N.). Das ist

indes der Fall.

Dieser durchschnittliche Leser der Werbung, auf den diese

regelmäßig trifft und der einen nicht zu vernachlässigenden Teil

des Verkehrs repräsentiert, wird die Anzeige nicht dahin auffassen,

daß auch für das ausgelobte Fahrrad ein - in den beworbenen Preis

bereits eingerechneter - Preis zu zahlen ist, sondern er wird

annehmen, daß er das Fahrrad bei dem Kauf eines Pkw umsonst,

nämlich eben als Zugabe erhält.

Hierfür spricht in erster Linie die Tatsache, daß es sich bei

dem Fahrrad um ein Produkt handelt, das weder zum Zubehör eines PKW

gehört, noch üblicherweise bei einem Kfz-Händler zu erwerben ist.

Das gilt auch dann, wenn der Pkw - wie dies bei den mit der

angegriffenen Anzeige beworbenen Autos der Fall war - mit der

Bezeichnung "Radler" versehen ist und über eine Vorrichtung zur

Befestigung eines Dachgepäckträgers verfügt, der auch zum Transport

von Fahrrädern geeignet ist. Es gibt keine typischen Käuferkreise,

die bei dem Erwerb eines PKW zugleich auch ein Fahrrad erwerben

möchten, auch wenn der Pkw von dem Verkäufer als "Radler"

bezeichnet wird und eine Möglichkeit zum Transport von Fahrrädern

aufweist. Ist es indes völlig unüblich, bei einem KFZ-Händler ein

Fahrrad käuflich angeboten zu bekommen, so wird ein Kunde, der mit

dem angegriffenen Angebot konfrontiert wird, bereits deswegen nicht

annehmen, ein Teil des verlangten Preises entfalle auf das

Fahrrad.

Es kommt hinzu, daß die Werbung keinerlei Angaben über die

Qualität und Ausstattung des Fahrrades enthält. Auch dies läßt es

dem Leser der Anzeige ganz unwahrscheinlich erscheinen, daß es sich

um einen entgeltlichen Teil des Angebotes handeln könnte. Denn er

sieht sich nicht in der Lage, den Wert des Rades einzuschätzen und

auf dieser Grundlage zu bewerten, ob das Gesamtangebot lohnend ist.

Insbesondere läßt sich wegen des Fehlens jeglicher technischen

Angaben zu dem Fahrrad - etwa bei einem Vergleich mit anderen

Angeboten - nicht realistisch kalkulieren, ob und inwieweit das

Gesamtangebot der Beklagten günstig ist. Zumindest hierdurch

unterscheidet sich der vorliegende Fall von demjenigen, der der

Entscheidung "Saustarke Angebote" des BGH (WRP 96,286,287 f)

zugrundelag.

Der Leser wird der Anzeige auch entnehmen, daß er die beworbenen

Pkw nicht, zumindest nicht zu einem niedrigeren als dem angegebenen

Preis, ohne ein Fahrrad erwerben kann. Denn hierfür ergibt sich aus

der Werbung kein Anhaltspunkt. Der Leser wird also nicht annehmen,

er erhalte den gewünschten Pkw zu einem niedrigeren als dem

angegebenen Preis, wenn er auf das Fahrrad verzichte. Werden indes

mehrere Gegenstände, die üblicherweise einzeln käuflich angeboten

werden, in der Weise als Gesamtheit zu einem Gesamtpreis angeboten,

daß der Kunde nur alle Gegenstände zusammen kaufen kann bzw. bei

dem Verzicht auf eine der angebotenen Waren für die übrigen

unverändert der volle Preis gezahlt werden muß, so spricht auch das

nach der Vorstellung des Verkehrs deutlich dafür, daß es sich bei

dem fraglichen Gegenstand um eine unentgeltliche Zuwendung, eben

eine Zugabe, handelt.

Von nicht unerheblicher Bedeutung ist auch die von der Beklagten

eingeräumte Tatsache, daß der angebotene Preis - im Falle des C. ..

um immerhin 1.690 DM - noch unter der damaligen unverbindlichen

Preisempfehlung des Herstellers lag. Es ist nämlich davon

auszugehen, daß ein nicht unerheblicher Teil der an einem

Neuwagenkauf aktuell interessierten Verbraucher diese

Herstellerempfehlung kennen wird. Diese Kenntnis wird ihn indes

nicht zu der Annahme veranlassen, ein Teil des beworbenen Preises

entfalle auf das Fahrrad, weil damit der Preis für den Pkw noch

weiter unter die Herstellerempfehlung sinken würde.

Schließlich wird auch die Verwendung des Wortes "inklusive" den

Verbraucher in der Annahme bestärken, es mit einer kostenlosen

Nebenware zu tun zu haben. Denn durch dieses Wort wird das Fahrrad

gerade nicht als gleichwertiger Bestandteil des - entgeltlichen -

Angebotes, sondern als zusätzlich gewährte Leistung

beschrieben.

Ein beachtlicher Durchschnitt der angesprochenen Verkehrskreise

wird das Fahrrad aus den vorstehenden Gründen im Sinne des § 1

Abs.1 ZugabeVO als unentgeltliche Nebenleistung zu den beworbenen

Fahrzeugen ansehen. Diese Feststellung kann der Senat selbst

treffen, weil seine Mitglieder als Autofahrer und -käufer zu den

angesprochenen Verkehrskreisen zählen. Es wird zwar so sein, daß

die Leser der Zeitung teilweise das Angebot auch so verstehen

mögen, wie die Beklagte die Werbung verstanden wissen will. Hierauf

allein kann indes nicht abgestellt werden, weil der Verkehr

insgesamt gesehenen, nämlich der eingangs beschriebene

durchschnittliche Leser, der die Anzeige nur flüchtig zur Kenntnis

nimmt, aus den dargelegten Gründen annimmt, er erhalte bei dem Kauf

eines der beworbenen beiden Pkw ein Fahrrad unentgeltlich und damit

als Zugabe.

Der mithin vorliegende Verstoß gegen § 1 Abs.1 ZugabeVO ist auch

im Sinne der §§ 2 Abs.1 ZugabeVO, 13 Abs.2 Ziff.2 UWG geeignet, den

Wettbewerb auf dem KFZ-Markt im Raum Köln wesentlich zu

beeinträchtigen. Er verschafft der Beklagten und den von ihr

vertretenen Händlern einen deutlichen Vorsprung vor ihren

Wettbewerbern. Óberdies ist angesichts des großen Händlernetzes mit

einer weiten Verbreitung zu rechnen, zumal die Anzeige in der

Vergangenheit mit Einverständnis der Beklagten bereits von mehreren

Händlern - oder sogar von der Beklagten für diese - geschaltet

worden ist.

Das Verhalten der Beklagten rechtfertigt das Verbot in der oben

tenorierten Fassung.

Der angegriffene Verstoß stellt allerdings aussschließlich eine

Zeitungsanzeige dar. Trotzdem besteht aber auch die Gefahr, daß die

Beklagte durch Wurfsendungen auf die beanstandete Weise gegen die

Zugabeverordnung verstößt. Der Kläger hat erstinstanzlich

unwidersprochen vorgetragen, daß die Werbung - wenn auch in leicht

abgewandelter Fassung - auch als Wurfsendung verteilt worden sei,

und so auch diese Begehungsform zum Gegenstand des Verfahrens

gemacht. Außerdem entspricht es der Lebenserfahrung, daß eine

solche, für verschiedene Händler zentral vorbereitete Werbung nicht

nur in Tageszeitungen inseriert, sondern auch als Postwurfsendung

verteilt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs.1 ZPO.

Die Neufassung des Antrags im Berufungsverfahren stellt keine

teilweise Klagerücknahme dar, weil der Kläger - wie sich aus seinem

Vorbringen in beiden Instanzen ergibt - trotz der insoweit

substanzlosen Formulierung: "... in der ... Werbung,

insbesondere in Zeitungsanzeigen und Wurfsendungen..." mit

seinem Antrag von Anfang an nur die Zeitungswerbung und

Wurfsendungen verfolgen wollte.

Ebenfalls enthalten die verschiedenen Fassungen der in erster

Instanz angekündigten bzw. gestellten Anträge keine teilweisen

Rücknahmen der Klage. Der Kläger wollte ersichtlich von Anfang an

die Werbung nur in der Form untersagen lassen, wie sie sich in der

Anzeige darstellt. Seine verschiedenen Antragsfassungen stellen

lediglich den Versuch dar, dem in prozessual geeigneter Weise zu

entsprechen.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§

708 Nr.10, 713 ZPO.

Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festzusetzende Beschwer der Beklagten

entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt, wie bereits

in der mündlichen Verhandlung endgültig festgesetzt worden ist,

25.000 DM. Der Senat schätzt das für den Streitwert maßgebliche

Interesse des Klägers gem. §§ 12 Abs.1 GKG, 3 ZPO auf diesen

Betrag, nachdem der Kläger sein Interesse an beiden mit der Klage

geltend gemachten Ansprüchen unwidersprochen mit 50.000 DM

angegeben hat und die Parteien der vorläufigen Festsetzung des

Streitwertes auf 25.000 DM, die ausweislich seiner

Kostenentscheidung der Bewertung des Landgerichts entspricht, durch

den Senatsbeschluß vom 29.11.1997 nicht widersprochen haben.






OLG Köln:
Urteil v. 02.05.1997
Az: 6 U 221/96


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