Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. Mai 2004
Aktenzeichen: 33 W (pat) 375/02
(BPatG: Beschluss v. 11.05.2004, Az.: 33 W (pat) 375/02)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die Eintragung der Marke 396 56 461 Hacofür Kl. 19: Pflastersteine, nicht aus Metall; Bausteine; Betonbauteile; Schachtdeckel, nicht aus Metall; Figuren aus Stein, Beton oder Marmor; Kunststeine; Masten, nicht aus Metall; Betonformsteine; Pfosten, nicht aus Metall; Plattenbeläge, nicht aus Metall; Blumenkästen aus Beton, Rasengitterplatten; Filtersteine, Verbundsteine.
ist Widerspruch eingelegt worden aus der Wortmarke 1 069 642 ACO u.A. fürganz oder teilweise aus mineralischen Baustoffen wie Zementbeton, Kunststoff-Beton ... bestehende vorgefertigte Bauteile ... für den Tief-, Wasser-, Abwasser-, Straßen-, Gehweg-, Rollbahn-, Garten-, Landschafts-, Landwirtschafts-, ...-bau; ...
ganz oder teilweise aus mineralischen Baustoffen wie Zementbeton, Kunststoff-Beton und ganz oder teilweise aus synthetischen und natürlichen Materialien wie Kunststoff, ...und Metall bestehende ...Roste, Gitter, Deckel, Lochplatten, geschlossene Abdeckplatten für Kanäle und Rinnenteile sowie für Revisionsschächte, ... Keller- und Garagenfenster sowie ..., vorgefertigte Kellerlichtschächte mit zugehörigen Abdeckrosten, ...
sowie vorgefertigte Konstruktionsteile für den Hochbau, Tiefbau, ... in Form von Guß-, Preß-, Spritz und Extrudierteilen.
Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 1997 hat die Markeninhaberin die rechtserhaltende Benutzung der seit 1985 nicht mehr mit einem Widerspruchsverfahren behafteten Widerspruchsmarke gemäß "§ 43 Abs. 1 MarkenG" bestritten. Da die Widerspruchsmarke seit mehr als fünf Jahren eingetragen sei, habe die Widersprechende die Benutzung ihrer Marke "innerhalb der letzten fünf Jahre" glaubhaft zu machen. Die Widersprechende hat Unterlagen zur Glaubhaftmachung der Benutzung ihrer Marke vorgelegt. Daraufhin hat die Markeninhaberin mit Schriftsatz vom 19. Februar 1999 mitgeteilt, dass die Einrede mangelnder Benutzung weiterhin aufrechterhalten bleibe, "außer für die Waren "Abdeckroste" (für Rinnen) und "Keile" ... sowie "Lichtschächte".
Mit Beschluss vom 1. Juli 2002 hat die Markenstelle für Klasse 19 durch ein Mitglied des Patentamts unter Zurückweisung des Widerspruchs im Übrigen angeordnet, dass die angegriffene Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 1 069 642 teilweise gelöscht wird, nämlich für die Waren
"Betonbauteile, Schachtdeckel, nicht aus Metall; Betonformsteine"
Nach Auffassung der Markenstelle sind auf Seiten der Widerspruchsmarke neben den Waren "Abdeckroste (für Rinnen); Keile; Lichtschächte", für die die Nichtbenutzungseinrede nicht mehr aufrechterhalten werde, auch die Waren "Rinnen" zu berücksichtigen, da hierfür eine rechtserhaltende Benutzung glaubhaft gemacht worden sei. Insbesondere sei die aus den Benutzungsunterlagen ersichtliche Verwendung in Form der Bezeichnung "ACO DRAIN" keine Veränderung des kennzeichnenden Charakters, da "DRAIN" lediglich eine beschreibende Angabe darstelle und den sachlichen Zusammenhang mit Entwässerungssystemen verdeutliche. Im Übrigen sei eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht worden. Zwischen den benutzten Waren der Widerspruchsmarke und den Waren der angegriffenen Marke bestehe teilweise eine enge Ähnlichkeit. Die unter Anderem aus Beton hergestellten "Lichtschächte; Rinnen" seien mit "Betonbauteilen; Betonformsteinen" ähnlich. Wegen des vergleichbaren Verwendungszwecks seien trotz abweichender stofflicher Beschaffenheit auch "Abdeckroste" mit "Schachtdeckeln, nicht aus Metall", als ähnlich anzusehen. Die angegriffene Marke halte den erforderlichen weiten Abstand zur Widerspruchsmarke in klanglicher Hinsicht nicht ein. Es stünden sich zwei klanglich nahezu identische Wortmarken gegenüber, da sich die jüngere Marke nur durch den zusätzlichen Anfangskonsonanten "H" von der Widerspruchsmarke unterscheide, der das Gesamtklangbild nicht nennenswert beeinflussen könne. Dem Widerspruch sei damit teilweise stattzugeben, während er im Übrigen wegen fehlender Ähnlichkeit der Waren erfolglos bleibe.
Gegen diese Entscheidung richtet sich im Umfang der Löschungsanordnung die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. Nach ihrer Auffassung ist eine rechtserhaltende Benutzung in beschränktem Umfang allenfalls für die ebenfalls eingetragenen Marken DD 653 414 - "ACO DRAIN" und 998 782 - "ACO MARKANT", nicht aber für die Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht worden, da die in den vorgelegten Preislisten abgebildeten Waren mit "ACO DRAIN" bzw. mit "ACO MARKANT" (mit ¨) gekennzeichnet seien. Jedenfalls "MARKANT" sei ein phantasievoller Begriff mit großer Kennzeichnungskraft, der nicht als beschreibender Zusatz gelten könne. Da es sich bei den Marken "ACO DRAIN" und "ACO MARKANT" um Serienzeichen von "ACO" handele, scheide im Übrigen auch eine Zeichenähnlichkeit aus, weil der Verkehr bei zusammengesetzten Zeichen, die ein bekanntes oder für den Verkehr erkennbares Unternehmenskennzeichen aufwiesen, die eigentliche Produktkennzeichnung in dem anderen Bestandteil sehe. Darüber hinaus bestehe bei den Zeichen "ACO" und "Haco" auch ein hinreichender Abstand. Die beiderseitigen Waren begegneten sich nur bei Fachleuten, nämlich Straßenbauunternehmen und Baustoffhändlern, die Verwechslungen nur in einem geringeren Maß unterlägen, nicht aber beim Massenpublikum. Unter Berücksichtigung dieser Gegebenheiten sei der Abstand zwischen den Marken ausreichend. In schriftbildlicher Hinsicht stelle das am stärker beachteten Wortanfang befindliche "H" der angegriffenen Marke und der Unterschied in der Wortlänge einen ausreichenden Unterschied dar. In klanglicher Hinsicht seien die Unterschiede zwar geringer, genügten jedoch ebenfalls, zumal die Waren in erster Linie schriftlich beworben würden. Außerdem sei eine relative Warenferne festzustellen. Dabei seien auf Seiten der Widersprechenden nur die Waren heranzuziehen, deren Benutzung tatsächlich nachgewiesen worden sei. Dies seien unter der Marke "ACO DRAIN" Rinnenkörper aus Polymerbeton und zugehörige Zubehörelemente aus Polymerbeton und/oder Metall, Abdeckroste aus Metall und unter der Marke "ACO MARKANT" Leibungsrahmen aus Polymerbeton, Lichtschächte aus Kunststoff und Zubehörteile aus Metall. Damit würden für die beiderseitigen Waren unterschiedliche Materialien verwendet, nämlich einerseits Beton und andererseits Polymerbeton, Kunststoffe und Metalle, wobei auch unterschiedliche Maschinen zur Herstellung verwendet würden. Außerdem seien die Waren der jüngeren Marke für den Wegebau, die der Widersprechenden hingegen zur Oberflächenentwässerung im Tiefbau und für den Hochbau bestimmt.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß, den angegriffenen Beschluss aufzuheben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet worden ist, und den Widerspruch aus der Marke 1 069 642 zurückzuweisen.
Die Widersprechende hat sich auf die ihr zugestellte Beschwerde nicht geäußert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist nicht begründet.
1. Zugunsten der Widersprechenden geht der Senat davon aus, dass sie ihre Nichtbenutzungseinrede undifferenziert, also nach § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG erhoben hat. In der Beschwerdebegründung hat die Markeninhaberin die rechtserhaltende Benutzung jedoch für folgende Waren teilweise anerkannt, zumindest aber unstreitig gestellt:
- "Rinnenkörper aus Polymerbeton und zugehörige Zubehörelemente aus Polymerbeton und/oder Metall" (fällt unter die für die Widerspruchsmarke eingetragene Ware "aus mineralischen Baustoffen wie ... Kunststoff-Beton ... bestehende vorgefertigte Bauteile ... für den ...-bau");
- "Abdeckroste aus Metall" (fällt unter "Roste");
- "Leibungsrahmen aus Polymerbeton" (fällt unter "aus mineralischen Baustoffen wie ... Kunststoff-Beton ... bestehende vorgefertigte Bauteile ... für den ...-bau");
- "Lichtschächte aus Kunststoff und Zubehörteile aus Metall" (fällt unter "vorgefertigte Kellerlichtschächte mit zugehörigen ..."). Dabei ist es für die Markeninhaberin unschädlich, dass sie noch im Verfahren vor der Markenstelle die Benutzung in einem sachlich weitergehenden Umfang, d.h. ohne Materialeinschränkungen, anerkannt hat. Denn solange kein Verzicht auf die Nichtbenutzungseinrede vorliegt, was hier angesichts der strengen Voraussetzungen an den Verzicht (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl., § 43, Rdn. 49) nicht anzunehmen war, ist ihr ein Wiederaufgreifen bzw. eine erneute Ausdehnung der Nichtbenutzungseinrede jederzeit möglich (Ströbele/Hacker, a.a.O., Rdn. 47).
Zwar hat die Markeninhaberin eine rechtserhaltende Benutzung nur für die Parallelmarken DD 653 414 - "ACO DRAIN" und 998 782 - "ACO MARKANT", nicht aber für die Widerspruchsmarke selbst anerkannt, hierbei handelt es sich jedoch um eine rechtliche Frage der Benutzungszurechnung nach § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG. Solche rechtlichen Würdigungen unterliegen nicht dem für Benutzungsfragen maßgebenden Beibringungs- und Verhandlungsgrundsatz, sondern sind vom Patentamt bzw -gericht zu beurteilen. Dabei geht der Senat entgegen der Auffassung der Markeninhaberin von einer Benutzungszurechnung für die Widerspruchsmarke aus. Denn in den benutzten Formen "ACO DRAIN" und "ACO MARKANT" wird die Widerspruchsmarke "ACO" als Haupt- bzw. Firmenmarke verwendet, der wechselnde Produkt- bzw. Spezialkennzeichnungen nachgestellt sind. Hierbei kann es dahingestellt bleiben, ob der Verkehr, wie die Markeninhaberin meint, innerhalb der benutzten Mehrwortkombination die eigentliche Produktkennzeichnung nicht in der Firmenmarke sondern im jeweils anderen Bestandteil sieht. Abgesehen davon, dass der Senat angesichts der offensichtlichen Kennzeichnungsschwäche des jeweils zweiten Bestandteils hieran Zweifel hat (wobei auch "MARKANT" mit der Bedeutung "stark ausgeprägt" einen durchaus werblichen Charakter aufweist), kommt es für die Frage der rechtserhaltenden Benutzung nicht auf eine prägende Stellung an. Solange die Erstmarke noch so herausgestellt ist, dass sie als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden wird und nicht etwa völlig zurücktritt oder nur als Firmen- oder Sachhinweis wirkt, ist sie benutzt (vgl. Ströbele/Hacker, a.a.O., § 26, Rdn. 132 ff.). Angesichts der aus den Benutzungsunterlagen ersichtlichen markenmäßigen Verwendung des Worts "ACO" liegt hier eine solche typische Erstmarkenbenutzung vor. Dass die benutzten Formen ebenfalls als Marken eingetragen sind und die Gesamtbezeichnungen teilweise mit dem Hinweis "¨" versehen sind, ist nach § 26 Abs. 3 Satz 2 MarkenG unschädlich.
2. Zwischen den Marken besteht die Gefahr von Verwechslungen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Frage einer markenrechtlichen Verwechselungsgefahr i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Dabei ist von einer Wechselwirkung zwischen den Beurteilungsfaktoren der Warenidentität oder -ähnlichkeit, der Markenidentität oder -ähnlichkeit und der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke in der Weise auszugehen, dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder der Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2001, 544, 545 = WRP 2002, 537 - BANK 24, m.w.N.; GRUR 2002, 1067 - DKV/OKV).
a) Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte als normal einzustufen.
b) Die noch streitgegenständlichen Waren der angegriffenen Marke sind mit den als benutzt anerkannten Waren der Widerspruchsmarke teilweise identisch, im Übrigen zumindest mittelgradig ähnlich. Die für die jüngere Marke eingetragenen "Betonbauteile" sind mit den von der Widersprechenden benutzten "Rinnenkörpern aus Polymerbeton" und "Leibungsrahmen aus Polymerbeton" identisch. Außerdem sind die für die jüngere Marke eingetragenen "Schachtdeckel, nicht aus Metall" trotz Materialverschiedenheit mit "Abdeckrosten aus Metall" im Hinblick auf die beiderseitige Abdeckfunktion der Waren zumindest mittelgradig ähnlich. Schließlich sind die "Betonformsteine" der jüngeren Marke mit "Leibungsrahmen aus Polymerbeton, Rinnenkörper aus Polymerbeton" ebenfalls zumindest mittelgradig ähnlich, da es sich beiderseits um Betonformteile für Bauzwecke handelt.
c) Die angegriffene Marke hält den damit erforderlichen größeren Abstand zur Widerspruchsmarke jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht ein. Die Worte "Haco" und "ACO" unterscheiden sich lediglich durch den in der angegriffenen Marke vorhandenen Anfangskonsonanten "H", der als nur gehauchter Laut sehr unauffällig ist und - gerade bei Phantasieworten - häufig überhört werden kann. Ansonsten stimmen die Markenwörter in ihrem Gesamtklangcharakter völlig überein, da sie sich nach Vokalfolge, Silbengliederung, Betonung und Sprechrhythmus entsprechen. Selbst für Fachverkehrsteilnehmer liegt daher eine Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG vor, so dass die Beschwerde zurückzuweisen war.
Vorsitzender Richter Winkler ist wegen Urlaubs an der Unterschriftsleistung gehindert Dr. Hock Dr. Hock Kätker Cl
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Az: 33 W (pat) 375/02
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