Bundespatentgericht:
Beschluss vom 3. April 2007
Aktenzeichen: 8 W (pat) 49/03
(BPatG: Beschluss v. 03.04.2007, Az.: 8 W (pat) 49/03)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Nach Prüfung eines von den Einsprechenden zu 1 und 2 gemeinsam eingelegten Einspruchs hat die Patentabteilung 23 des Patentamts das unter der Bezeichnung "Ackerwalze" erteilte Patent (Anmeldetag: 12. November 1996) mit Beschluss vom 17. Juli 2003 in vollem Umfang aufrecht erhalten.
Die Patentabteilung ist zu dem Ergebnis gekommen, dass eine geltend gemachte widerrechtliche Entnahme nicht nachgewiesen werden konnte. Der aus dem Erteilungs- und Einspruchsverfahren insgesamt im Verfahren befindliche druckschriftliche Stand der Technik war aus der Sicht der Patentabteilung ebenfalls nicht geeignet, patenthindernde Wirkung zu entfalten. Einer geltend gemachten Benutzungshandlung bezüglich der Erprobung der Ackerwalze vor dem Zeitrang des Streitpatents war seitens der Patentabteilung nicht mehr nachgegangen worden, weil die von den Einsprechenden hierzu vorgelegten Zeichnungen (sog. Zeichnungssatz nach (D5)) nach Ansicht der Patentabteilung wesentliche Merkmale des Patentgegenstandes gemäß Patentanspruch 1 nicht erkennen ließen, was auch die Einsprechenden in ihrem Einspruchsschriftsatz bereits zugestanden hätten. Nach Auffassung der Patentabteilung war der Gegenstand dieser behaupteten Benutzungshandlung daher technisch nicht relevant, weil weder Neuheit noch erfinderische Tätigkeit des Patentgegenstandes hierdurch in Frage gestellt werden konnten.
Gegen den Beschluss der Patentabteilung richtet sich die Beschwerde des Einsprechenden zu 2., Herrn A...
Diese wird nur noch begründet mit der Behauptung einer neuheitsschädlichen Vorbenutzung durch den Patentinhaber am 10. August 1996 (vgl. Beschwerdeschriftsatz S. 2 ff.), wobei der Inhalt von Schriftsätzen aus Gebrauchsmusterverletzungsklagen vor dem LG München I und dem OLG München hierzu herangezogen (sog. Anlagenkonvolut E14) sowie Zeugenbeweis durch die Herren B... und A... angeboten werden. In einer weiteren schriftsätzlichen Einlassung führt der Beschwerdeführer aus, dass die mit der Testung der Ackerwalze befassten Personen, nämlich der Vater des Patentinhabers, Herr B... und er selbst (Einsprechender zu 2 und Beschwerdeführer), keiner Geheimhaltungspflicht unterlegen hätten. Die Erprobung der Test-Ackerwalze auf dem Feld, einem öffentlich zugänglichen Gelände, und der Transport dorthin seien eine offenkundige Benutzungshandlung gewesen insbesondere deshalb, weil die Walze auch nicht mit einem Sichtschutz (Plane) verdeckt gewesen sei. Dies alles zeige, dass ein Geheimhaltungsinteresse nicht bestanden hätte.
Der Beschwerdeführer trägt zudem vor, dass der Patentanspruch 1 als ein wesentliches Merkmal Scheiben beschreibe, die in ihren alternierenden Wellentälern eine radial nach außen schräg zum Rand der Scheibe hin im Wellental ansteigende Fläche ausbilden, während gemäß weiterer Anspruchsmerkmale die glatten Seitenflächen parallel zueinander verlaufen. Die "Konstruktionsanweisung" des Streitpatents sehe daher nach Auffassung des Beschwerdeführers vor, dass in den Wellentälern der Schneidrand bis ganz an die seitliche Begrenzungsfläche der Scheibe geführt werde und somit Seitenflächen verbleiben würden, die ungekrümmt und somit parallel zueinander sein müssten. Diese Merkmale hätte nach der diesbezüglichen Einlassung des Beschwerdeführers (Schriftsatz vom 23. März 2007, S. 16, Punkt 3.1) die vor dem Anmeldetag der Öffentlichkeit zugänglich gemachte Test-Ackerwalze aber nicht erhalten. Diese hätte vielmehr einen anderen nämlich beidseitig eingekrümmten Konturenverlauf ausgewiesen, was anhand von zeichnerischen Darstellungen veranschaulicht werde.
In der mündlichen Verhandlung trägt der Beschwerdeführer erstmalig weitere Einzelheiten zu der bereits schriftsätzlich ausführlich dargelegten Benutzungshandlung vom 10. August 1996 vor. Die getestete Walze aus der vorgenannten Felderprobung sei auf dem Verkaufshof des Patentinhabers abgestellt und ausgestellt gewesen und zwar ab dem Zeitpunkt der Felderprobung für ca. drei Wochen. Er legt hierzu eine handgefertigte Lageskizze vor, aus der die räumliche Anordnung der Gebäude sowie der Hoffläche und der ausgestellten Maschinen und Geräte, einschließlich der maßgeblichen Walze, ersichtlich sei.
Ferner macht der Beschwerdeführer eine weitere Benutzungshandlung geltend, die darin bestehe, dass vor dem Zeitrang des Streitpatents weitere Walzen in dem Betrieb des Beschwerdeführers auf der dem Betrieb des Patentinhabers gegenüberliegenden Straßenseite gefertigt und mit einem Gabelstapler dann auf dessen Hof, also den Verkaufshof des Patentinhabers, geliefert worden seien, wodurch insbesondere eine nicht zu entfernte Möglichkeit der Kenntnisnahme sachkundiger Dritter bestanden habe, da der Verkaufs- und Ausstellungshof des Patentinhabers naturgemäß derartige interessierte Kreise gewissermaßen "anlocke".
Eine weitere Benutzungshandlung sieht der Beschwerdeführer noch in einer zeitweisen Lagerung und Aufstellung von fünf Walzen auf seinem Betriebshof vor Auslieferung an den Patentinhaber, wovon eine die Testwalze gewesen sei, so dass auch diese Handlung notwendigerweise vor der Erprobung auf dem Feld und damit vor dem Zeitrang des Streitpatents stattgefunden habe. Die zeitweise Unterbringung der Walzen auf dem öffentlich einsehbaren und zugänglichen Betriebshof des Beschwerdeführers sei durch die damals noch vorherrschende räumliche Enge bedingt gewesen, da der Betrieb des Beschwerdeführers im Jahre 1996 lediglich eine einzige Werkshalle zur Verfügung gehabt habe.
Nach allen diesen Handlungen sei Offenkundigkeit vor dem Zeitrang des Streitpatents aus der Sicht des Beschwerdeführers gegeben. Er legt ferner einen aus zwei Blättern bestehenden Ausschnitt aus einer technischen Zeichnung vor, die den maßgeblichen Benutzungsgegenstand, also die nach gleichem Muster gefertigten Walzen (Testwalze und vier weitere einer Vorserie) zeige und zwar hinsichtlich ihres Konturenverlaufs im Schnitt durch ein Wellental (1. Blatt) sowie als Draufsicht auf eine entsprechende Walzenscheibe (2. Blatt).
Zwar räumt der Beschwerdeführer ein, dass eine neuheitsschädliche Vorbenutzung durch diesen Stand der Technik nicht erfolgt sei, denn es gäbe "beträchtliche Unterschiede" zwischen der benutzten Ackerwalze und dem Patentgegenstand. Diese Unterschiede seien aber von einem Fachmann in Kenntnis des benutzten Gegenstandes ohne weiteres unter Zuhilfenahme seines Fachwissens zu überbrücken bzw. zu ergänzen gewesen.
Der Beschwerdeführer stellt den Antrag, den Beschluss der Patentabteilung 23 vom 17. Juli 2003 aufzuheben und das Patent 196 35 493 zu widerrufen.
Der Beschwerdegegner und Patentinhaber beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Seitens des Patentinhabers wird die behauptete Benutzungshandlung als solche sowie deren Zeitpunkt nicht bestritten, wohl aber deren Offenkundigkeit (vgl. Widerspruchsschriftsatz vom 30. Dezember 2003, S. 2, 4. Abs. ff.).
Die Umstände der Benutzungshandlung seien nicht geeignet gewesen, dass beliebige Sachverständige eine zuverlässige und ausreichende Kenntnis des Benutzungsgegenstandes hätten erlangen können, da weder beim Straßentransport noch bei der Felderprobung - dort haftet zudem Erdreich an den Scheiben - alle Merkmale des Benutzungsgegenstandes bei Betrachtung aus einem bestimmten Abstand heraus hätten augenfällig werden können. Zu den an dem Test auf dem Acker beteiligten Personen führt der Patentinhaber aus, dass beide, sowohl der Vater des Patentinhabers als auch der Einsprechende zu 2 und jetzige Beschwerdeführer, der kaufmännisch maßgeblich an der Vermarktung beteiligt werden sollte, ein Geheimhaltungsinteresse gehabt hätten. Auch hätten diese Personen den Patentgegenstand vor dem Anmeldetag tatsächlich geheim gehalten, so dass Offenkundigkeit auch deshalb ausscheide.
Hinsichtlich der weiteren behaupteten Benutzungshandlungen ist der Patentinhaber der Behauptung entgegengetreten, die Testwalze sei auf seinem Gelände nach der Erprobung ausgestellt gewesen. Diese sei vielmehr sofort in das Gelände seiner sog. "alten Werkstatt" etwa 500 bis 600 m entfernt vom Ort des neuen und u. a. auch als Verkaufsfläche genutzten Betriebsgeländes verbracht und dort für Dritte unzugänglich verwahrt worden, während an dem vom Beschwerdeführer angegebenen Ort seines Betriebsgeländes eine andere Ackerwalze gestanden habe. In seinem Hof hätten nur erprobte, serienreife Produkte, die zum Verkauf vorgesehen gewesen seien, gestanden und nicht etwa unlackierte Gerätschaften wie die Testwalze.
Auch mit der Lieferung entsprechender Walzen durch den Beschwerdeführer sei Offenkundigkeit nicht gegeben, denn der Patentinhaber habe die ihm per Gabelstapler gelieferten Walzen sofort in seine abgeschlossene Werkstatt, zu der Dritte keinen Zutritt hätten, verbracht. Ebenso hätten sich die im Betrieb des Beschwerdeführers vor dem Zeitrang des Streitpatents gefertigten Walzen nicht offen auf dessen Betriebsgelände befunden, sondern sie seien sofort nach Fertigstellung in die Werkstatt des Betriebes des Patentinhabers gebracht worden. Der Patentinhaber habe zur damaligen Zeit ein Zimmer im Hause seiner Eltern, gehabt von wo aus er das Betriebsgelände des Beschwerdeführers ungehindert übersehen konnte.
Darüber hinaus hätte ein unbefangener Betrachter durch alleiniges "Sehen" verschiedene Details der Walzen wie etwa deren Lagerung oder die Beschaffenheit der Seitenflächen erkennen können, ohne zu einer genaueren Prüfung Hand anzulegen. Gleichwohl komme es nach seiner Auffassung darauf nicht an, weil keine der behaupteten Benutzungshandlungen geeignet gewesen seien ausreichende Offenkundigkeit herzustellen.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:
"Ackerwalze mit einer in einem Rahmen (12) gelagerten Welle (22), auf der mit Abstand nebeneinander Scheiben (24) befestigt sind, von denen jede an ihrem Außenumfang einen in der Draufsicht wellenförmigen, im Radius (R) im Wesentlichen gleichbleibenden, als Schneide wirkenden Rand (30, 50) hat, dadurch gekennzeichnet, dass jede Scheibe (24)
glatte Seitenflächen (40, 42) aufweist, die in der Nachbarschaft der Welle (22) wenigstens im Bereich radial innerhalb von langen Wellengrundseiten (36) der alternierenden Wellentäler (28) parallel zueinander verlaufen, undim Bereich der alternierenden Wellentäler (28) eine radial nach außen abnehmende Breite derart hat, dass sich im Querschnitt der Scheibe (24) durch das Wellental (28) gesehen, eine radial nach außen schräg zum Rand (30, 50) der Scheibe (24) hin im Wellental (28) ansteigende Fläche (44) der Scheibe (24) ergibt."
Mit einem Gegenstand mit diesen Merkmalen soll gemäß Abs. [0005] der Streitpatentschrift eine Ackerwalze zur Verfügung gestellt werden, die auch bei nasser Erde eine einwandfreie und störungsfreie Bodenbearbeitung mit der vorgesehenen Tiefenführung durchführen kann, ohne dass der Bodenantrieb der Walze durch anhaftendes Erdreich eine Bremsung erfährt oder gar ein Stillstand der Walzenrotation eintritt.
Zu den auf Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüchen wird auf die Patentschrift sowie wegen der weiteren Einzelheiten auf die Akten verwiesen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. In der Sache ist sie jedoch nicht begründet, denn der Patentgegenstand stellt eine patentfähige Erfindung i. S. d. PatG § 1 bis § 5 dar.
1. Gegenstand des Streitpatents ist nach Patentanspruch 1 eine Ackerwalze mit folgenden Merkmalen:
1. Die Ackerwalze weist eine in einem Rahmen gelagerte Welle auf.
2. Auf der Welle sind mit Abstand nebeneinander Scheiben befestigt.
2.1 Jede Scheibe hat an ihrem Außenumfang einen in der Draufsicht wellenförmigen, im Radius im Wesentlichen gleichbleibenden, als Schneide wirkenden Rand.
2.2 Jede Scheibe weist glatte Seitenflächen auf.
2.2.1 Die glatten Seitenflächen verlaufen in der Nachbarschaft der Welle wenigstens im Bereich radial innerhalb von langen Wellengrundseiten der Wellentäler parallel zueinander.
2.3 Jede Scheibe hat im Bereich der alternierenden Wellentälern eine radial nach außen abnehmende Breite derart, dass sich, im Querschnitt der Scheibe durch das Wellental gesehen, eine radial nach außen schräg zum Rand der Scheibe hin im Wellental ansteigende Fläche der Scheibe ergibt.
Mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 wird jedenfalls im Kern die äußere Geometrie der beanspruchten Walzenscheiben beschrieben, die auf einer Welle beabstandet zueinander befestigt zu einer Ackerwalze zusammengefasst werden sollen. Die äußere Geometrie der beschriebenen Walzenscheiben trägt dabei der aufgabengemäßen Forderung (vgl. Streitpatentschrift, Abs. [0005]) Rechnung, wonach auch bei nasser Erde eine einwandfreie und störungsfreie Bodenbearbeitung gewährleistet werden soll, ohne dass der Bodenantrieb der Walze durch anhaftendes Erdreich eine Bremsung oder gar einen Stillstand erfährt. Hierzu werden Scheiben vorgeschlagen, deren Schneidkante nicht einen in Draufsicht geraden, sondern einen wellenförmigen Verlauf nimmt. Dies führt neben einem besseren Traktionsverhalten der Walze, welche einer Stillsetzung auf nassen, schweren Böden entgegenwirkt, auch zu einer verbesserten Bodenbearbeitung, z. B. hinsichtlich der Krümelung und Rückverfestigung (Abs. [0008] der Streitpatentschrift). Der wellenförmige Verlauf des Scheiben-Schneidrandes führt ferner zur Einarbeitung zickzackartig verlaufender Furchen in das Erdreich, was einer Bodenerosion bei starkem Regen entgegenwirkt (Abs. [0009]).
Die Scheiben sind hinsichtlich ihrer äußeren Geometrie gemäß Merkmal 2.3 der obigen Merkmalsgliederung so beschaffen, dass sich im Querschnitt der Scheibe durch das Wellental gesehen, eine radial nach außen schräg zum Rand der Scheibe im Wellental ansteigende Fläche der Scheibe ergibt. Dieser konstruktive Zusammenhang ist in Fig. 5 der Streitpatentschrift, welche einen schematischen Querschnitt durch eine Scheibe in der Ebene V der Fig. 4 erkennen lässt, dargestellt. Die Ebene V in Fig. 4 verläuft - wie an der dort gestrichelt vorgenommenen Andeutung der Wellentäler erkennbar - mittig durch das Wellental. Somit lassen die einschlägigen Zeichnungsfiguren, welche zur Auslegung des Anspruchswortlauts heranzuziehen sind, zweifelsfrei erkennen, dass zumindest inmitten des Wellentales nur eine einzige radial nach außen ansteigende Fläche (diese trägt in Fig. 5 die Bezugsziffer 44) vorliegt, welche in einen Schneidrand (30) mündet, der letztlich auch in fluchtender Linie zu der der ansteigenden Fläche (44) gegenüberliegenden vertikalen Seitenfläche (42) liegt und eine Fortsetzung auch dieser Fläche bildet. Diese auch dem Wortlaut des Anspruchs entsprechende Ausgestaltung der Scheibe ist mit anderen Worten so beschaffen, dass der in Draufsicht wellenförmige Schneidrand der Scheibe über die gesamte Breite des Scheibenkörpers verläuft und nicht etwa nur in einem mittigen Bereich des Scheibenkörpers. Der wellenförmige Schneidrand nimmt also die jeweilige Richtungsänderung seiner Wellen erst am axialen Scheibenrand wieder ein, so dass es dort - also im Wellental - keine weitere, der ansteigenden Fläche im Wellental gegenüberliegende ansteigende Fläche jenseits des Schneidrandes am Scheibenkörper geben kann.
Auch die übrigen gezeichneten Darstellungen in der Patentschrift lassen keinen anderen als diesen Sachverhalt erkennen. So ist z. B. aus Fig. 1 eine aus einzelnen Scheiben (24) zusammengesetzte Walze (10) erkennbar, bei der die Scheibenkörper glatte ansteigende und senkrecht zur Welle verlaufende Seitenflächen aufweisen, wobei der wellenförmige Schneidrand (30) der Scheiben (24) über deren gesamte Breite geschwungen verläuft. Gleiches zeigen auch die anstatt eines wie in Fig. 1 dargestellten geschwungenen Verlauf einen trapezförmigen Verlauf des Schneidrandes (30, 50) darstellenden Fig. 2 und Fig. 7 der Streitpatentschrift, denn auch bei dieser Ausführungsform findet man wieder einen Verlauf des Schneidrandes (hier Fig. 7 Ziff. 50), der sich über die gesamte Breite der Scheibe erstreckt.
Eine derartige Schneidrandführung über die gesamte Scheibenbreite hinweg hat zum einen den technischen Vorteil, dass die Traktionswirkung der einzelnen Scheiben hier optimiert ist, denn diese hängt wesentlich davon ab, wie viel "Schneidrandlänge" sich quer zur Fahrt- bzw. Schlepprichtung der Walze befindet. Des Weiteren bewirkt eine größere Gesamtlänge des Schneidrandes, bedingt durch seine Führung über die gesamte Scheibenbreite hinweg, eine effektivere Verdichtung des Saathorizontes im Boden. Darüber hinaus gewährleistet die hier in Rede stehende Scheibengeometrie auch eine optimale Selbstreinigung der Walze, weil anhaftendes Erdreich von den senkrechten Seitenflächen der Scheibe leicht abfallen kann. Einen zusätzlichen Reinigungseffekt können dabei optional einsetzbare Abstreiferelemente (52) zwischen den Scheiben bieten (vgl. Fig. 3, 4, 8 und 9). Diese Abstreiferelemente können dabei, wie ersichtlich in allen maßgeblichen Zeichnungsfiguren, einfache rechteckförmige Metallstreifen sein, denn die eingangs näher erläuterte Scheibengeometrie (senkrechte Seitenflächen, Schneidrand verläuft nacheinander hin und her über die gesamte axiale Erstreckung (Breite) des Scheibenkörpers) ermöglicht den Einsatz solcher einfach ausgestalteten Abstreifer. Die Geometrie der Abstreiferelemente gibt aber indirekt wieder Aufschluss darüber, wie der Scheibenkörper beschaffen sein muss, um von den als einfache rechteckige Streifen ausgeführten Abstreiferelementen wirksam gereinigt werden zu können.
Nach alledem ist festzustellen, dass alle Zeichnungsfiguren der Streitpatentschrift (ausgenommen Fig. 6, diese zeigt eine Halbschale (26) für einen Scheibenkörper mit trapezförmigem Schneidkanten-Verlauf (wie aus Fig. 7 ersichtlich) in Seitenansicht) direkt oder indirekt für einen kundigen Leser ausschließlich die eingangs erläuterte Scheibengeometrie erkennen lassen.
Auch in der Beschreibung des Streitpatents - diese ist ebenso wie die Zeichnung und zusammen mit dieser zur Auslegung des Erfindungsgedankens in den Ansprüchen heranzuziehen - findet sich wieder nur die Beschreibung dieser Scheibengeometrie, denn im Abs. [0031] ist unter Verweis auf Fig. 5 ausgeführt, dass die "schrägen Flächen 44 in ihrem oberen Bereich an der jeweils benachbarten Halbschale 26 mit einem ebenen Flächenabschnitt 46 anliegen, der flach auf der gegenüberliegenden Seitenfläche 42 aufliegt".
Nachdem die gesamte Offenbarung (Beschreibung, Zeichnung) der Streitpatentschrift keine andere als die eingangs erläuterte Scheibengeometrie angibt oder erkennen lässt, sieht sich der Senat veranlasst, den Anspruchswortlaut an der Stelle "eine radial nach außen ... ansteigende Fläche ..." derart auszulegen, dass der Ausdruck "eine" in diesem Kontext als Zahlwort zu verstehen ist und der Konturenverlauf im Querschnitt durch das Wellental prinzipiell demjenigen entspricht, wie er in Fig. 5 der Streitpatentschrift dargestellt ist.
Dem steht freilich nicht entgegen, dass eine Fertigung derartiger Walzenscheiben aus Halbschalen auf der Grundlage von Metallblechen einerseits durch die notwendige Formpressung und andererseits durch eine starke thermische Einwirkung durch Verschweißung der beiden Halbschalen an den Rändern - jedenfalls unter produktionstechnischen Gesichtspunkten, die eine kostengünstige reibungslose Serienfertigung z. B. ohne nachträgliches thermisches Richten o. Ä. ermöglichen sollen - zu anderen Ergebnissen führen kann.
Darauf kommt es jedoch bei der Beurteilung des Offenbarungsgehalts des Streitpatents und damit der Interpretation seiner Ansprüche nicht an. Entscheidend ist hierzu ausschließlich das, was die Streitpatentschrift selbst insgesamt an Information und Erklärung gibt.
2. Gegenstand aller vor dem Zeitrang des Streitpatents geltend gemachten Benutzungshandlungen ist eine Ackerwalze, deren Scheibenkörper im Querschnitt durch das Wellental denjenigen Kurvenverlauf zeigt, der in dem vom Beschwerdeführer übergebenen Ausschnitt aus einer Konstruktionszeichnung (dort Blatt 1 mit der Überschrift "Schnitt A - B, umlaufend geschweißt) ersichtlich ist. Diese Schnittdarstellung lässt zum einen erkennen, dass die Seitenflächen keinen parallelen Verlauf miteinander einnehmen, denn beidseitig ist eine jeweils nach innen zur Mitte hin ausgerichtete Winkelabweichung zur Vertikalen - diese ist auf der linken Seite mit 1¡ und auf der rechten Seite mit 2¡ beziffert - angegeben. Ferner ist erkennbar, dass die Querschnittskontur nach oben hin zu dem ballig ausgeführten Scheibenrand beidseitig einen nach innen geneigten Verlauf nimmt, so dass sich im Schnitt durch das Wellental zwei radial nach außen schräg zum Rand der Scheibe hin ansteigende Flächen der Scheibe ergeben, nämlich eine links und eine rechts vom oberen Scheibenrand (Schneidrand). Dies führt zwangsläufig zu einem Verlauf des Scheibenrandes, wie er aus dem 2. Blatt der überreichten Zeichnung - dieses trägt die Überschrift "Draufsicht auf Walzenscheibe gemäß B 40" - ersichtlich ist. Aus dieser Draufsicht auf den Scheibenkörper ist ein im mittleren Bereich des Scheibenkörpers verlaufender hin und her gewundener Schneidrand erkennbar, der seine jeweilige Richtung jedenfalls in deutlichem Abstand von den jeweiligen Seitenflächen der Scheiben ändert. So befindet sich die Biegung der Schneidkante (hier als "Schweißraupe" eingezeichnet) jeweils in einem bemaßten Abstand zu der jeweiligen Seitenfläche, der auch im linken oberen Teil dieser Darstellung noch einmal durch eine geschweifte Klammer mit der Bezeichnung "Abstand vom linken Scheibenrand" kenntlich gemacht wird.
Die Präexistenz derartiger Walzen, wie aus dieser zeichnerischen Darstellung ersichtlich, vor dem Zeitrang des Streitpatents ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Zwischen den Beteiligten steht auch die Tatsache einer Benutzung eines derartigen Gegenstandes, der sich durch den Umstand ergibt, dass solche Scheiben vor dem Zeitrang des Streitpatents im Betrieb des Beschwerdeführers gefertigt und dem Patentinhaber geliefert sowie einer Erprobung auf dem Feld unterzogen wurden, nicht im Streit.
Dagegen wird vom Patentinhaber und Beschwerdegegner die Offenkundigkeit der geltend gemachten Benutzungshandlungen vor dem Zeitrang des Streitpatents bestritten.
Von allen geltend gemachten Benutzungshandlungen, in denen nach Auffassung des Beschwerdeführers auch Offenkundigkeit hergestellt worden sei, es scheint dem Senat am ehesten die Art und Weise der Übergabe der vom Beschwerdeführer gefertigten Walzen an den Patentinhaber als Möglichkeit zur Erlangung von Offenkundigkeit in Frage zu kommen. Durch die Anlieferung mit dem Gabelstapler über die Straße in das Gelände des Patentinhabers, dessen Hof auch Ausstellungs- und Verkaufsfläche darstellt, besteht am ehesten die nicht zu entfernte Möglichkeit der Anwesenheit sachkundiger Dritter wie Kunden bzw. Interessenten für die ausgestellten Maschinen, so dass diese zu diesem Zeitpunkt auch die Möglichkeit zur Kenntnisnahme der angelieferten Walzen gehabt hätten. Aus den nachfolgend dargelegten Gründen braucht indes den Umständen dieser und anderer geltend gemachter Benutzungshandlungen, insbesondere auch der Tatsache, inwieweit z. B. Kunden des Patentinhabers tatsächlich Zeit und Gelegenheit gehabt hätten, die angelieferten Walzen eingehend in Augenschein zu nehmen, nicht mehr nachgegangen zu werden, denn der Gegenstand der behaupteten Benutzungshandlungen konnte die patentgemäße Lehre nach Anspruch 1 weder vorwegnehmen noch nahelegen.
3. Der Patentgegenstand nach Anspruch 1 ist gegenüber dem Gegenstand der vorgetragenen Benutzungshandlungen neu.
Selbst wenn zu Gunsten des Beschwerdeführers unterstellt wird, dass die Lagerung der Ackerwalze gemäß Merkmal 1. nach der im Punkt II.1. aufgeführten Merkmalsgliederung auch bei den Benutzungsgegenständen in dieser Weise identisch vorweggenommen war, ebenso wie Merkmal 2. - die hierzu vorgelegte technische Zeichnung lässt dies nicht erkennen - so unterscheidet sich die patentgemäße Walze von den Benutzungsgegenständen im parallelen Verlauf der glatten Seitenflächen der Walzenscheiben zueinander, wenigstens im Bereich radial innerhalb von langen Wellengrundseiten der Wellentäler (Merkmal 2.2.1). Zudem weist der Patentgegenstand nach Anspruch 1 im Querschnitt der Scheibe durch das Wellental gesehen lediglich eine radial nach außen schräg zum Rand der Scheibe hin im Wellental ansteigende Fläche der Scheibe auf, während bei der entgegengehaltenen benutzten Scheibenform zwei derartige nach außen schräg verlaufende Flächen erkennbar vorhanden sind.
4. Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruht gegenüber dem Gegenstand der vorgetragenen Benutzungshandlungen auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Durch die Betrachtung der Scheibenkörper der benutzten Ackerwalzen kann ein Fachmann, ein Diplomingenieur des allgemeinen Maschinenbaus mit Fachhochschulausbildung und mehrjähriger Erfahrung in der Entwicklung landtechnischer Geräte, insbesondere zur Bodenbearbeitung, zwar einen aus Halbschalen zusammengesetzten, an seinem äußeren wellenförmig verlaufenden Rand verschweißten Hohlkörper erkennen, bei dem die jeweilige Richtungsänderung des Schneidrandes (Schweißraupe) jedoch nicht in Höhe der jeweiligen Seitenwand (Seitenfläche) des Scheibenkörpers erfolgt, sondern schon viel weiter innen. Dadurch ergibt sich in Draufsicht auf den Scheibenkörper ein nur im mittleren Bereich der Scheibenbreite verlaufender wellenförmiger Schneidrand, wobei die jeweiligen Wellenamplituden noch vom Walzenkörper, der sich unter dem wellenförmigen Rand fortsetzt, in axialer Richtung überragt werden. Ebenso kann der Fachmann zwar glatte aber mit einer leichten Biegung nach innen, also zur Mittelebene des Scheibenkörpers hin verlaufende Seitenflächen erkennen, die jedenfalls nicht parallel verlaufen. Diese Unterschiede zum patentgemäßen Scheibenkörper nach Anspruch 1, welche der Beschwerdeführer selbst als "beträchtlich" einstuft, vermag ein Fachmann jedoch auch unter Zuhilfenahme seines Fachwissens in Unkenntnis des Patentgegenstandes nicht auszugleichen. Die Kenntnis des Gegenstandes der geltend gemachten Benutzungshandlungen gibt dem Fachmann nämlich keinen Anlass, von der dort gewählten Querschnittsform des Scheibenkörpers abzuweichen, denn der gewellte Schneidrand führt für den Fachmann erkennbar zu einem verbesserten Traktionsverhalten, während die beidseitig vorgesehenen schrägen Flächen am jeweiligen Wendepunkt des wellenförmigen Schneidrandes aus der Sicht des betrachtenden Fachmanns ein besseres Eindringen des Scheibenkörpers in das Erdreich gewährleisten können. Weitere Anregungen zur Durchführung der notwendigen Schritte zum Umkonstruieren des benutzten Scheibenkörpers derart, dass die patentgemäße Scheibengeometrie erreicht wird, nämlich die Schaffung parallel verlaufender Seitenwände sowie das Heranführen des "Wellenberges" ganz an die Seitenwand des Walzenkörpers, vermag ihm der benutzte Scheibenkörper von sich aus nicht zu vermitteln. Vielmehr wird ein einschlägiger, auch in der Metallbearbeitung kundiger Fachmann an dem benutzten Scheibenkörper dessen Herstellbarkeit mit vertretbarem Aufwand erkennen, was letztlich auch zu dessen tatsächlicher Formgebung geführt hat. Schon das am benutzten Scheibenkörper sichtbare Zusammenfügen der beiden Halbschalen durch eine umlaufende Schweißnaht lässt den Fachmann eher von einer anderen stärker gekrümmten Form als der ihm vorliegenden Formgebung Abstand nehmen, da ihm die verwerfende und verzerrende Wirkung beim Schweißvorgang mit hohen punktuellen Temperaturen, aufgrund seines allgemeinen Fachwissens bekannt ist.
5. Der sich noch im Verfahren befindliche druckschriftliche Stand der Technik, auf den der Beschwerdeführer im vorliegenden Beschwerdeverfahren weder schriftsätzlich noch im Rahmen der mündlichen Verhandlung Bezug genommen hat steht dem Gegenstand nach Patentanspruch 1 nicht patenthindernd entgegen.
Im Verfahren befinden sich die folgenden, von den Einsprechenden zu 1. und 2. im Einspruchsverfahren genannten Druckschriften EP 0 373 711 A1 US 1 782 201 US 809 888 US 371 051 sowie die im Erteilungsverfahren noch in Betracht gezogenen Patentdokumente DE 37 23 616 A1 DE 36 26 271 A1 DE 27 47 535 A1 DE 17 57 136 A DE 88 11 755 U1 DE 341 595 C EP 0 191 871 A1.
Hinsichtlich der Würdigung des Offenbarungsgehalts dieser Druckschriften besteht für den Senat kein Anlass, von der Beurteilung, wie sie durch die Patentabteilung vorgenommen wurde, abzuweichen.
Die dem Patentgegenstand nächstkommenden Druckschriften offenbaren zwar auch hohle Scheibenkörper mit einem gewellten Schneidrand (US 1 782 201) bzw. ein ballig ausgeführtes Bodenrad mit gewelltem Schneidrand (US 809 888), jedoch haben auch diese vorbekannten Geometrien einen Konturenverlauf, der prinzipiell ähnlich dem der benutzten Scheibengeometrie nur symmetrisch ausgestaltet ist, jedenfalls mit zwei zum Scheibenrand hin ansteigenden schräg geführten Flächen. Parallele glatte Seitenwände - so überhaupt Seitenwände vorgesehen sind - weisen die entgegengehaltenen Bodenbearbeitungskörper ebenfalls nicht auf.
Somit können schon die Gegenstände der nächstkommenden Druckschriften weder für sich genommen noch in einer Zusammenschau betrachtet einem Fachmann Hinweise zum Auffinden der patentgemäßen Scheibengeometrie geben. Auch in zusätzlicher Kenntnis eines Gegenstandes der geltend gemachten Benutzungshandlungen wird der Fachmann nicht zu der patentgemäßen Scheibengeometrie hingeführt, denn die genannten nächstkommenden Entgegenhaltungen gehen in ihrem Offenbarungsgehalt zumindest nicht über das hinaus, was auch die Kenntnis der benutzten Scheibengeometrie lehrt.
Auch die verbleibenden vom Patentgegenstand noch weiter abliegenden Entgegenhaltungen führen nicht zur patentgemäßen Lehre, wie eine Überprüfung durch den Senat ergeben hat.
Patentanspruch 1 hat daher Bestand.
Damit haben auch die auf diesen unmittelbar oder mittelbar rückbezogenen Ansprüche 2 bis 11 Bestand.
BPatG:
Beschluss v. 03.04.2007
Az: 8 W (pat) 49/03
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