Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Januar 2005
Aktenzeichen: 34 W (pat) 11/03
(BPatG: Beschluss v. 18.01.2005, Az.: 34 W (pat) 11/03)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse B65G des Deutschen Patent- und Markenamts vom 13. November 2002 aufgehoben und das Patent erteilt.
B e z e i c h n u n g : Transportkette für Kettenkratzförderer.
A n m e l d e t a g : 16. Juli 1998.
Der Erteilung liegen folgende Unterlagen zugrunde:
Patentanspruch 1, eingegangen am 14. Januar 2005-02-24, Patentansprüche 2 bis 6 gemäß Offenlegungsschrift DE 198 31 994 A1, Beschreibung Spalten 1-3, eingegangen am 14. Januar 2005, 3 Blatt Zeichnungen Figuren 1 bis 5, gemäß Offenlegungsschrift DE 198 31 994 A1.
2. Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.
Gründe
I.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Prüfungsstelle die Patentanmeldung mit dem damals geltenden Anspruch 1 mangels erfinderischer Tätigkeit zurückgewiesen und gleichzeitig das Verständnis der Anmelderin hinsichtlich der Begriffe "Nockenglied" und "Nockengliedbogen" als für den Fachmann nicht nachvollziehbar bewertet. Da die Anmelderin das Patentbegehren quasi in der ursprünglichen Fassung aufrecht erhalten habe, brauchte dem hilfsweise gestellten Antrag auf eine mündliche Verhandlung nicht stattgegeben zu werden.
Hiergegen wendet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Sie legt im Beschwerdeverfahren eine eingeschränkte Anspruchsfassung vor, worin der "Gelenkbogen (7) (der Nockengliedbögen) mit einer zwischen zwei benachbarten Vertikalgliedern (1) eingreifenden Befestigungsnase (8) eines Mitnehmers (9) korrespondiert und einen vorgegebenen Anstellwinkel begrenzt", und beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Unterlagen zu erteilen.
Darüber hinaus regt sie die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Transportkette für Kettenkratzförderer mit Vertikalgliedern (1) und Horizontalgliedern (2) aus jeweils Kettengliedschenkeln (3) und die Kettengliedschenkel (3) verbindenden Kettengliedbögen (4), wobei - die Vertikalglieder (1) abgeflachte Kettengliedschenkel (3) aufweisen,
- die Vertikalglieder (1) als Nockenglieder (1) mit Nockengliedbögen (4) ausgebildet sind,
- die Nackengliedbögen (4) eine dem Rinnenboden (5) des Kettenkratzförderers zugeordnete Schubkante (6) und einen sich an die Schubkante (6) anschließenden Gelenkbogen (7) aufweisen,
- und der Gelenkbogen (7) mit einer zwischen zwei benachbarten Vertikalgliedern (1) eingreifenden Befesti gungsnase (8) eines Mitnehmers (9) korrespondiert und einen vorgegebenen Anstellwinkelbereich begrenzt."
Hieran schließen sich 5 Unteransprüche gemäß DE 198 31 994 A1 an.
Im Verfahren befinden sich folgende Druckschriften:
(1) DE 32 34 137 C2
(2) DE 37 04 176 A1
(3) DE 195 20 673 A1
(4) DE 39 30 842 A1
(5) DE 196 10 935 A1
(6) DE 39 05 754 A1
(7) DE 29 39 283 A1
(8) DE-PS 735 715
(9) DD 122 238 sowie
(10) DE 32 35 474 A1.
Die Anmelderin ist der Meinung, der ermittelte Stand der Technik führe nicht auf die nunmehr beanspruchte Transportkette hin.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.
II.
A) Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
B) Zu formalen Bedenken gegen die geltenden Patentansprüche besteht kein Anlass. Anspruch 1 geht zurück auf den ursprünglichen Anspruch 1. Die kennzeichnenden Merkmale der Ansprüche 2 bis 6 entsprechen den ursprünglichen Ansprüche 2 bis 6.
C) Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt die Patentierungsvoraussetzungen.
1. Zum Verständnis des Beanspruchten:
Ein Maschinenbauingenieur (FH) - als vorauszusetzender Durchschnittsfachmann für die Entwicklung von Transportketten für Kettenkratzförderer - versteht bei Durchsicht der Anmeldungsunterlagen unter Nockengliedern (1) mit Nockengliedbögen (4), deren Gelenkbogen (7) mit einer zwischen zwei benachbarten Vertikalgliedern (1) eingreifenden Befestigungsnase (8) eines Mitnehmers (9) korrespondiert und einen vorgegebenen Anstellwinkelbereich begrenzt, den in Figur 2 der Unterlagen dargestellten (einen bestimmten maximalen Winkel vorgebenden) Wirkungszusammenhang zwischen den Gelenkbögen der Nockengliedbögen (4) der Vertikalglieder (1) mit den Befestigungsnasen (8) der Mitnehmer (9), der dort in einer Ausführungsform dargestellt ist. Dem letzten Merkmal/Absatz des Anspruchs 1 kommt somit in seiner funktionellen Aussage entscheidende Bedeutung zu.
2. Die gewerbliche Anwendbarkeit der beanspruchten Transportkette ist zweifellos gegeben. Diese Transportkette erweist sich gegenüber dem ermittelten Stand der Technik auch als neu, hierzu wird auf die nachfolgenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit hingewiesen.
3. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 beruht auch auf erfinderischer Tätigkeit.
3.1. Ein Teilaspekt der der Erfindung zugrunde gelegten Aufgabenstellung liegt in dem Problem, Verklankungen der Transportkette zu vermeiden und dadurch eine erhöhte Betriebssicherheit zu erreichen (vgl geltende Beschreibung Sp 1 Z 27-60). Die Lösung dieser Aufgabe erfolgt durch die Merkmale des Anspruchs 1, insbesondere durch das letzte Teilmerkmal.
3.2. Dem Anmeldungsgegenstand zweifellos am nächsten kommt der Stand der Technik, wie er aus der Druckschrift (2), der DE 37 04 176 A1, bekannt ist. Wie insbesondere aus der Figur 1 ersichtlich ist, greift auch dort zwischen zwei benachbarten Vertikalgliedern 1 eine nicht weiter bezeichnete und auch nicht näher beschriebene Befestigungsnase eines Mitnehmers ein. Durch die Geometrie von Befestigungsnase und Mitnehmer einerseits, und der im Zentrum der kreisrunden Kettengliedbögen 4 gelagerten Vertikalglieder 1 andererseits, ergibt sich ersichtlich keine Begrenzung des Anstellwinkelbereiches. Eine Verklankung der bekannten Rundgliederkette wird durch die Ausbildung von Anschlägen 6 an den Vertikalgliedern 1 im Übergangsbereich der auch im Querschnitt QB runden Kettengliedbögen 4 zu den im Querschnitt QS rechteckigen Kettengliedschenkeln 3 und deren Zusammenwirken mit den Horizontalgliedern 2 verhindert (vgl Anspruch 4 iVm Sp 4 Z 29-60 und Fig 5 bis 7 in (2)). Dies ist jedoch eine andere Lösung zur Verhinderung einer Verklankung. Ein Hinweis auf die patentgemäße Lösung ist daraus nicht abzuleiten.
3.3. Der restliche Stand der Technik liegt weiter ab. In der DE 195 20 673 A1 (3) wird nur kurz beschrieben (Sp 5 Z 24ff) und in Figur 4 auch angedeutet, dass Kratzeisen auf die horizontalen Kettenglieder aufgeklemmt werden können. Dazu wird dort auf die erforderliche Teilung t2 der horizontalen Kettenglieder gegenüber der Teilung t3 der vertikalen Kettenglieder hingewiesen. Die Problematik einer Verklankung, oder die Begrenzung eines Anstellwinkelbereiches wird in (3) nicht erwähnt.
Hinweise zur Begrenzung eines Anstellwinkelbereiches, im Sinne des letzten Teilmerkmals des geltenden Anspruchs 1, sind auch den übrigen Druckschriften, die sich im Verfahren befinden, nicht zu entnehmen.
Somit beruht der Gegenstand des Anspruchs 1 auf erfinderischer Tätigkeit.
Der Patentanspruch 1 ist daher gewährbar. Ihm können sich die Ansprüche 2 bis 6 anschließen, die auf nicht platt selbstverständliche Ausführungsformen gerichtet sind.
III.
Die angeregte Rückzahlung der Beschwerdegebühr (§ 80 Abs 3 PatG) entspricht hier der Billigkeit. Denn die hilfsweise beantragte Anhörung wäre im vorliegenden Fall sachdienlich gewesen, weil sie zur Beseitigung von fortbestehenden Verständnisproblemen zwischen dem Prüfer und der Anmelderin hinsichtlich der Begriffe "Nockenglied" und "Nockengliedbogen", insbesondere in ihrem funktionellen Zusammenwirken mit den Befestigungsnasen der Mitnehmer der Transportkette, hätte führen können.
Ipfelkofer Hövelmann Barton Pontzen Ja
BPatG:
Beschluss v. 18.01.2005
Az: 34 W (pat) 11/03
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/0214691d700d/BPatG_Beschluss_vom_18-Januar-2005_Az_34-W-pat-11-03