Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 7. Januar 2009
Aktenzeichen: 5 O 383/07
(LG Düsseldorf: Urteil v. 07.01.2009, Az.: 5 O 383/07)
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche wegen einer nach ihrer Auffassung unrichtigen Pressemitteilung geltend. Die Beklagte zu 1) ist ein börsennotiertes Kreditinstitut in der Rechtsform einer AG. Ihr größter Aktionär ist die Kreditanstalt für Wiederaufbau, an der wiederum zu 80 % der Bund und zu 20 % die Bundesländer beteiligt sind. Etwa 50 % des Aktienkapitals befinden sich in Händen privater und institutioneller Anleger. Die Aktien werden dabei an verschiedenen Börsen gehandelt.
Der Beklagte zu 2) war in der Zeit von September 2004 bis zum 29.7.2007 Vorstandsvorsitzender der Beklagten zu 1).
Am 20. Juli 2007 veröffentlichte die Beklagte zu 1. eine Pressemitteilung aus Anlass des bevorstehenden Quartalsberichtes für das 2. Quartal 2007. Danach sollte das operative Ergebnis um 15 % auf 63 Mio. Euro gestiegen sein. Außerdem teilte sie darin mit, sie rechne für das Quartal April bis Juni 2007 insgesamt mit einer sehr guten Entwicklung und erwarte von den aufgetretenen Unsicherheiten im US-Immobilienmarkt praktisch keine Auswirkung auf ihre Engagements. Der vollständige Quartalsbericht werde am 14.08.2007 veröffentlicht. Wegen der Einzelheiten der Pressemitteilung wird auf die von den Klägern als Anlage K4 zu den Akten gereichte Ablichtung Bezug genommen.
Die Kläger erwarb am 24.07.2007 8.000 Stück Aktien der Beklagten zu 1. zu einem Gesamtpreis von 198.315,07
Ab dem 25.07.2007 gab der Kurs der Aktie erheblich nach und diese Entwicklung setzte sich bis in den August 2007 weiter fort.
€ .
Am 27. Juli 2007 sperrte ein langjähriger Geschäftspartner der Erstbeklagten im Interbankenhandel deren Kreditlinien, so dass diese sich nicht mehr refinanzieren konnte. In über das Wochenende des 28./29. Juli durchgeführten Krisensitzungen erarbeitete die Erstbeklagte unter maßgeblicher Beteiligung ihrer damaligen Hauptaktionärin ein Konzept zur Erhaltung ihrer Bonität und löste den Zweitbeklagten als Mitglied und Sprecher ihres Vorstandes ab. Am 30.07.2007 veröffentlichte die Beklagte zu 1. um 01:49 Uhr in einer Adhoc-Mitteilung,mit der sie eine Gewinnwarnung aufgrund ihres Engagements am US-Immobilienmarkt aussprach. Wegen deren weiterer Einzelheiten wird auf die als Anlage K7 zur Klage zu den Akten gereichte Ablichtung Bezug genommen. Am selben Tag schied der Beklagte zu 2. als Vorstand der Beklagten zu 1. bei dieser aus. Eine weitere Adhoc-Mitteilung der Beklagten zu 1. erfolgte am 02.08.2007. Hinsichtlich des genauen Inhalts wird auf die Anlage K8 zur Klageschrift verwiesen.
Im vorliegenden Verfahren begehrt der Kläger im Wege des Schadensersatzes die Rückerstattung des Kaufpreises Zugum-Zug gegen Übertragung der Aktien.
Er trägt hierzu im Wesentlichen Folgendes vor:
Er sei von einem Beschäftigten der X aufgrund der Pressemitteilung vom 20.07.2007 konkret auf die Anlagemöglichkeit durch einen entsprechenden Aktienerwerb aufmerksam gemacht worden. Die Beklagten hätten jedoch den Markt in der von dem Zweitbeklagten gebilligten Pressemitteilung vom 20. Juli vorsätzlich falsch unterrichtet. Außerdem hätten sie Informationen über die Betroffenheit der Erstbeklagten von der durch die Geschehnisse im US-Immobilienmarkt hervorgerufenen Krise früher als am 30. Juli bekannt machen müssen.
Die Erstbeklagte habe spätestens am 28. Juni 2007 - voraussichtlich auch früher - bei gewissenhafter Prüfung der Geschäftslage im Wege einer Adhoc-Mitteilung bekannt geben müssen, dass eine massive Inanspruchnahme der von ihr an die X gegebenen Liquiditätszusage unmittelbar bevorstehe und zusätzlich, dass sie außerstande sein werde, die damit verbundenen finanziellen Aufwendungen zu tragen. Schon bei Veröffentlichung des Artikels im Handelsblatt Ende Juni 2007 seien den Beklagten die eingegangenen Risiken bewusst gewesen. Noch in einer Aufsichtsratssitzung am 27. Juni 2007 habe der Beklagte zu 2. wider besseres Wissen auf Fragen von Aufsichtsratsmitgliedern nach den Risiken amerikanischer Hypothekenberichte versichert, diese seien, sofern überhaupt vorhanden, unbedeutend. Dabei sei bereits 2005 in einer internen Studie der Erstbeklagten unter der Bezeichnung "X" vor einer Verschlechterung des amerikanischen Immobilienmarktes gewarnt worden. Außerdem habe die Erstbeklagte für nahezu 12 Milliarden € Risiken für Liquiditätslinien anderer Liquiditätsliniengeber an die Einkaufsgesellschaften von X übernommen, was nicht öffentlich bekannt gewesen sei und von dem nicht einmal der Aufsichtsrat der Erstbeklagten vor Ende Juli 2007 Kenntnis gehabt habe.
Der Kläger beantragt,
die Beklagten zu 1) und 2) als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 198.315,07 € Zug um Zug gegen Herausgabe von 8.000 Stück Aktien der X zu zahlen;
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie wenden im Wesentlichen Folgendes ein:
Die Pressemitteilung vom 20.07.2007 sei inhaltlich richtig gewesen. Sie habe die damaligen Verhältnisse und insbesondere die Risikoeinschätzungen richtig wiedergegeben. Eine interne Analyse hätte zuvor ergeben, dass die Beklagte zu 1. von den Ankündigungen auf den Märkten bezüglich einer Herabstufung einer Reihe von Portofolio-Tranchen mit Subprime-Anteilen kaum betroffen sei. Es habe zwar Gerüchte gegeben, die Beklagte zu 1) treffe im Hinblick auf den US-Subprime-Markt ein substantielles Risiko. Aus der damaligen Sicht hätten jedoch diese Gerüchte nicht den Tatsachen entsprochen, da sich diese bei ihrem Engagement auf gute bis sehr gute Ratings konzentriert habe. Erst aufgrund der weiteren Entwicklung nach dem 20.07.2007 hätten sodann langjährige Handelspartner deren Handelslinie gesperrt und daraufhin sei der APCP-Markt zusammengebrochen. Das sei aber am 20.07.2007 so nicht vorhersehbar gewesen. Erst hierdurch sei ihr eine Refinanzierung unmöglich geworden. Die Schieflage der Beklagten zu 1) sei erst nach dem 27.07.2007 entstanden.
Im Übrigen fehle es für die vorliegende Klage schon an der erforderlichen Ursächlichkeit der Presseinformation im Hinblick auf den Kauf der Aktien. Es sei insbesondere nicht ausreichend dargetan, dass die Anlageentscheidung des Klägers konkret auf dem Inhalt der Pressemitteilung beruht habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie auf die tatsächlichen Feststellungen in den nachfolgenden Entscheidungsgründen verwiesen.
Gründe
Die Klage ist unbegründet.
I.
Der Kläger kann unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Schadensersatz gegenüber den Beklagten zu 1) und 2) mit Erfolg geltend machen.
1.
Er kann seine Forderung nicht auf § 37b Abs. 1 WpHG stützen.
Diese Vorschrift begründet die Haftung eines Emittenten von Finanzinstrumenten, der ihn unmittelbar betreffende Insiderinformationen nicht unverzüglich veröffentlicht. Insiderinformation sind Informationen, die sich - u.a. - auf nicht öffentlich bekannte Umstände beziehen, wobei diese auch in der Zukunft liegen können, sofern ihr Eintritt hinreichend wahrscheinlich ist, § 13 Abs. 1 S. 1 und 3 WpHG. Mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind Umstände, mit deren Eintritt aufgrund konkreter Tatsachen mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist (vgl. BGH, NJW-RR 2008, 865/867). Dabei ist das Wahrscheinlichkeitsurteil aus einer exante-Sicht heraus zu prüfen.
Dass die Erstbeklagte Insiderinformationen nicht oder nicht rechtzeitig veröffentlicht hat, hat der Kläger nicht dargelegt.
Eine frühere Bekanntmachung der in der Adhoc-Mitteilung vom 30. Juli mitgeteilten Tatsachen war der Erstbeklagten nicht möglich. Die in ihr beschriebenen Ereignisse, insbesondere die Sperrung der Kreditlinie der Erstbeklagten und die dadurch hervorgerufene existenzbedrohende Krise, waren ja erst am 27. Juli - dem letzten vor der Veröffentlichung der Adhoc-Mitteilung liegenden Bankarbeitstag - eingetreten.
Eine Verlautbarung des Risikos, aus der dem X gewährten Liquiditätslinie in Anspruch genommen zu werden, war rechtlich nicht geboten.
Das allgemeine Risiko einer Inanspruchnahme war nicht publikationspflichtig, weil es aus den Geschäftsberichten der vergangenen Jahre bekannt war. In diesen ist die Tatsache der Garantie veröffentlicht worden (vgl. S. 106 des Geschäftsberichtes 2003/2004 [abrufbar über die Internetseite der Erstbeklagten, www.ikb.de], S. 119 des Geschäftsberichtes 2005/2006 und S. 81 des Geschäftsberichtes 2006/2007 - Alt). Aus der Tatsache, dass die Erstbeklagte X Liqiuditätslinien zur Verfügung gestellt hat, folgt als Selbstverständlichkeit das allgemeine Risiko, aus diesen Garantien in Anspruch genommen werden zu können.
Es ist nicht festzustellen, dass ein gesteigertes Risiko einer Inanspruchnahme der Erstbeklagten bestand, auf das der Kapitalmarkt hätte hingewiesen werden müssen.
Der Kläger hate keine konkreten Tatsachen aufgezeigt, aufgrund derer vor dem 27. Juli davon auszugehen war, dass sich das Risiko einer Inanspruchnahme aus den Liquiditätsgarantien so weit verdichtet hatte, dass die Inanspruchnahme der Erstbeklagten aus von ihr gewährten Liquiditätslinien in nennenswertem Umfang mit zumindest überwiegender Wahrscheinlichkeit drohte. Allein der Umstand, dass die kurze Spanne zwischen der positiven Pressemeldung vom 20. Juli und dem dramatischen Inhalt der Adhoc-Mitteilung vom 30. Juli auf den ersten Blick überrascht und möglicherweise den Verdacht aufkommen lässt, "schlechte Nachrichten" müssten im Hause der Erstbeklagten schon am 20. Juli bekannt gewesen sein, genügt hierzu nicht. Es handelt sich letztlich um eine bloße Mutmaßung, nicht aber um konkrete, eine bestimmte künftige Entwicklung mit Wahrscheinlichkeit nahelegende Tatsachen.
Anderes lässt sich nicht aus den Grundsätzen über die sekundäre Darlegungslast herleiten.
Danach trifft den Gegner der primär behauptungs- und beweisbelasteten Partei eine gewisse (sekundäre) Darlegungs- oder Behauptungslast, wenn die darlegungspflichtige Partei außerhalb des von ihr darzulegenden Geschehensablaufes steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, während ihr Gegner alle wesentlichen Tatsachen kennt oder kennen muss und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen (vgl. etwa BGH, NJW 2005, 2614 ff). Die materielle Beweislast bleibt hiervon unberührt. Kommt der Gegner seiner sekundären Darlegungslast nach, bleibt es Sache der beweisbelasteten Partei, den Vortrag des Gegner zu widerlegen (vgl. BGH, NJW-RR 2001, 396 ff).
Sollte die Erstbeklagte eine solche sekundäre Darlegungslast treffen, hätte sie ihr genügt. Sie hat im einzelnen vorgetragen, wie es zu der ihre Existenz bedrohenden Krise am 27. Juli gekommen ist und weshalb sie vorher nicht mit einem völligen Zusammenbruch des die Refinanzierung betreffenden ABCP-Marktes gerechnet hat und auch nicht rechnen konnte. Diesen Vortrag hat der Kläger nicht widerlegt.
Soweit der Kläger vorgebracht hat, eine weitere zu veröffentlichende Insiderinformation sei gewesen, dass die Erstbeklagte für nahezu € 12 Milliarden weitergehende Risiken für die Liquiditätslinien anderer Liquiditätsliniengeber an die Einkaufsgesellschaften von X übernommen habe, hat er auf ausdrückliches Bestreiten der Beklagten hin schon nicht näher dargelegt, auf welche Grundlage er diese Behauptung stütze.
2.
Auch die Voraussetzungen eines Anspruchs des Klägers gegen die Erstbeklagte aus § 37c Abs. 1 WpHG - der Zweitbeklagte ist dem Kläger nach dieser Anspruchsgrundlage von vorneherein nicht eintrittspflichtig, weil die §§ 37b f. WpHG nur Ansprüche gegen den Emittenten von Finanzinstrumenten gewähren - liegen nicht vor. Die Pressemeldung vom 20. Juli 2007 ist keine Adhoc-Mitteilung i.S.d. § 15 WpHG, so dass der Anwendungsbereich des § 37c WpHG nicht eröffnet ist.
3.
Es besteht auch kein Schadensersatzanspruch des Klägers nach § 823 Abs. 2 BGB iVm. § 400 Abs.1 AktG. Die Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 erfüllt nicht den Tatbestand des § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG, weil sie keine "Darstellungen oder Übersichten über den Vermögensstand" der Erstbeklagten beinhaltet. Hierunter sind nur solche Verlautbarungen zu verstehen, die entweder mittels einer Zusammenstellung von Zahlenmaterialien einen Gesamtüberblick über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens geben oder in Berichtsform den Vermögensstand des Unternehmens so umfassend darstellen, dass sie ein Gesamtbild über die wirtschaftliche Lage der Aktiengesellschaft ermöglichen und den Eindruck der Vollständigkeit erwecken (vgl. BGHZ 160, 134-149 ). Diesen Anforderungen genügt die Pressemitteilung vom 20. Juli 2007 nicht. Sie nennt nur wenige Eckdaten zu dem von der Erstbeklagten erwarteten Ertrag und zeichnet kein den Eindruck der Vollständigkeit erweckendes Gesamtbild.
4.
Die Klage kann auch nicht mit Erfolg auf § 826 BGB gestützt werden. Es ist nicht ausreichend dargetan, dass die Beklagten durch sittenwidriges Verhalten der Klägerseite den geltend gemachten Schaden zugefügt haben. Sittenwidrig ist ein Verhalten, das gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Hierfür genügt im allgemeinen die bloße Tatsache, dass der Täter gegen eine gesetzliche Vorschrift verstoßen hat, ebenso wenig wie der Umstand, dass sein Handeln bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss sich die besondere Verwerflichkeit des Verhaltens aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zu Tage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben (vgl. BGH, NJW 2004, 2668 ). Besteht die schädigende Handlung in einem Unterlassen, sind die guten Sitten nur verletzt, wenn das geforderte Tun einem sittlichen Gebot entspricht. Die Nichterfüllung allgemeiner oder vertraglicher Pflichten reicht nicht aus; es müssen besondere Umstände hinzutreten, die das schädigende Verhalten wegen seines Zwecks, des angewandten Mittels oder mit Rücksicht auf die dabei gezeigte Gesinnung nach den Maßstäben der allgemeinen Geschäftsmoral und des als "anständig" Geltenden verwerflich machen (vgl. BGH, NJW 2001, 3702 ).
Ein entsprechend dieser Grundsätze als sittenwidrig einzustufendes Verhalten des Zweitbeklagten oder eines Mitarbeiters der Erstbeklagten, dessen Verhalten sie sich gemäß § 31 oder § 831 BGB zurechnen lassen müsste, kann nicht festgestellt werden.
Mit den von der Erstbeklagten getätigten Verlautbarungen, insbesondere ihrer Pressemitteilung vom 20. Juli 2007, wurde dem Kläger nicht sittenwidrig ein Schaden zugefügt.
Im Kapitalmarktinformationsrecht wurde das Handeln von Verantwortlichen börsennotierter Kapitalgesellschaften in Fällen als sittenwidrig qualifiziert, in denen grob unrichtige Mitteilungen über die Verhältnisse der Gesellschaft wider besseres Wissen verbreitet worden waren. So hatten sich Vorstände bewusst über warnende Hinweise von Mitarbeitern hinweggesetzt oder frei erfundene Inhalte publiziert. Das Medium der Adhoc-Mitteilung war letztlich zu Werbezwecken missbraucht worden. Dabei verfolgten die Handelnden zumindest teilweise höchst eigennützige Ziele. Sie verfügten als Gründer der Gesellschaft über beträchtlichen Aktienbesitz, waren so Nutznießer des mit ihren Mitteilungen hervorgerufenen Kursanstiegs und konnten aus Verkäufen zu Zeiten hoher Kurse Gewinne in Millionenhöhe erlösen (vgl. etwa BGH, NJW 2004, 2668; NJW 2005, 3137; NJW 2008, 76 ff).
Vergleichbares ist hier nicht geschehen. Falsche Kapitalmarktinformationen im Sinne unrichtiger Adhoc-Mitteilungen haben die Beklagten nicht verbreitet. Inwieweit eine sittenwidrige Manipulation durch sonstige Verlautbarungen begangen werden kann, kann offen bleiben. Denn die Pressemitteilung der Erstbeklagten vom 20. Juli 2007 war nicht grob unrichtig. Vielmehr war ihr Inhalt als solcher zutreffend. Gegenteiliges hat der Kläger nicht nachvollziehbar dargelegt. Soweit er pauschal behauptet hat, die Pressemitteilung sei falsch gewesen und dies unter anderem mit einer angeblich veralteten X-Analyse begründet hat, haben sich die Beklagten im Einzelnen mit diesem Einwand auseinandergesetzt und näher dargelegt, dass und weshalb die Pressemitteilung aus damaliger Sicht korrekt war. Danach beruhte die mitgeteilte Gewinnprognose schlicht auf den Ergebnissen des ersten Quartals 2007/2008. Die in Bezug genommene X-Analyse datierte vom 11. Juli 2007, die Analyse von X vom 19. Juli 2007. Darüber hinaus haben die Beklagten detailliert aufgeführt, in welchem Umfang eine Betroffenheit der Erstbeklagten bezüglich der von X auf die Watchlist gesetzten Tranchen vorlag. Dem ist der Kläger nicht mehr entgegen getreten.
Unabhängig von der Frage der Richtigkeit der Pressemitteilung hat der Kläger nicht dargelegt, dass dem Zweitbeklagten oder einem anderen Mitarbeiter der Erstbeklagten, für den diese einzustehen hat, ein eigennütziges Handeln zur Last fällt, so dass auch unter diesem Gesichtspunkt ein sittenwidriges Handeln nicht festzustellen ist.
Durch Unterlassen von Kapitalmarktinformationen ist dem Kläger ebenfalls nicht sittenwidrig ein Schaden zugefügt worden. Dabei kann an dieser Stelle dahinstehen, inwieweit den Beklagten vor dem 30. Juli 2007 Tatsachen bekannt waren, die sie nach § 37b WpHG hätten veröffentlichen müssen. Jedenfalls ist kein zu Veröffentlichungen drängendes sittliches Gebot erkennbar, welches über die Pflichten des § 37b WpHG hinausgeht, so dass nach den vorstehend aufgezeigten Grundsätzen die Verwirklichung des Tatbestandes des § 826 BGB durch ein Unterlassen seitens der Beklagten ausscheidet.
Schließlich ist der Kläger nicht durch die unternehmerische Tätigkeit der Erstbeklagten vorsätzlich sittenwidrig geschädigt worden. Dies gilt unabhängig davon, ob und ggf. inwieweit dem Zweitbeklagten oder anderen Verantwortlichen der Erstbeklagten Versäumnisse oder Fehleinschätzungen unterlaufen sind, die schließlich in die schwere Krise der Erstbeklagten mündeten oder für diese zumindest mit verantwortlich waren. Selbst wenn man dies unterstellt, liegt darin kein die Aktionäre der Erstbeklagten vorsätzlich schädigendes Verhalten.
Zwar beschränkt sich der Kreis der nach § 826 BGB Ersatzberechtigten nicht auf die unmittelbar Verletzten. Schäden Dritter Personen fallen allerdings nur in den Schutzzweck der Haftungsnorm, wenn sie dem in sittlich anstößiger Weise geschaffenen Gefahrenbereich entstammen bzw. wenn sie sich nicht nur als Reflex des dem unmittelbar Verletzten entstandenen Schadens darstellen, sondern wenn im Verhältnis zwischen dem Schädiger und dem Dritten die Vermögensverletzung ebenfalls sittenwidrig ist (vgl. BGH, NJW 1979, 1599 , NJW 1986, 837. Dies wird meist zu bejahen sein, wenn die sittenwidrige Handlung den Schaden des Dritten, und sei es auch erst über die Schädigung des von ihr unmittelbar Betroffenen, mitverursacht, ohne dass eine Handlung oder Unterlassung des geschädigten Dritten hinzutritt, die erst zu dem Vermögensschaden führt. Macht hingegen der Geschädigte geltend, durch die sittenwidrige Handlung des Täters zu schädlichen Vermögensdispositionen veranlasst worden zu sein, trifft den Täter der haftungsbegründende Vorwurf der sittenwidrigen Schädigung nur dann, wenn der Geschädigte die ihn schädigende Handlung gerade deswegen vorgenommen hat, weil er dazu sittenwidrig veranlasst worden ist (vgl. BGH, NJW-RR 2008, 1004).
Entsprechend dieser Grundsätze ist die Haftung für eine falsche Bankauskunft verneint worden, wenn der Geschädigte deren Inhalt gar nicht kannte (vgl. BGH NJW 1979, 1599), gleiches gilt für die Haftung einer den Konkurs eines Unternehmens verschleppenden Bank gegenüber den Personen, die nach dem Einsetzen der konkursverschleppenden Maßnahmen Aktien des Unternehmens erwarben und dafür einen zu hohen Preis zahlten (so der dem Urteil des BGH NJW 1986, 837 ff zugrunde liegende Fall).
Nichts anderes gilt für den Kläger. Durch etwaiges Missmanagement der Unternehmensleitung der Erstbeklagten unmittelbar geschädigt worden wäre nur die Erstbeklagte selbst. Der Schaden des Klägers - für Anteile an einem infolge Missmanagements ungesunden Unternehmen einen zu hohen Preis gezahlt zu haben - wäre nur ein außerhalb des Schutzzwecks des § 826 BGB liegender Reflex des Missmanagements.
5.
Schließlich ist der Erstbeklagten auch nicht gemäß § 142 Abs. 1 ZPO die Vorlage ihr vorliegender, ihr Engagement ggf. kritisch wertender Berichte aufzugeben.
Nach § 142 Abs. 1 ZPO kann das Gericht einer Partei die Vorlage in ihrem Besitz befindlicher Unterlagen anordnen, auf die sich eine Partei bezogen hat. Durch diese Möglichkeit wird die Partei, die sich auf eine Urkunde bezieht, allerdings nicht von ihrer Darlegungs- und Substantiierungslast befreit. Das Gericht darf die Urkundenvorlegung deshalb nicht zum bloßen Zwecke der Informationsgewinnung, sondern nur bei Vorliegen eines schlüssigen, auf konkrete Tatsachen bezogenen Vortrags der Partei anordnen (vgl. BGH, NJW 2007, 2989 ff).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Konkreter Vortrag des Klägers zu der Frage, weshalb die von ihnen bezeichneten Unterlagen auf eine Verletzung von Kapitalmarktinformationspflichten der Erstbeklagten schließen lassen sollen, fehlt. Dabei kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, dass der Erstbeklagten auch kritische Äußerungen zu ihrem Engagement vorgelegen haben. Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang aus einer Studie aus dem Jahr 2005 zitieren, gibt das Zitat nur das allgemeine Risiko für den Fall einer Verschlechterung der Lage am Immobilienmarkt wieder. Hieraus lässt sich aber nichts zugunsten des Klägers herleiten. Unternehmerisches Handeln besteht unter anderem darin, zwischen verschiedenen Einschätzungen abzuwägen und mitunter Risiken einzugehen. Die Folgen unternehmerischer Fehlentscheidungen auszugleichen ist jedoch nicht Zweck der Kapitalmarktinformationshaftung. Ebenso wenig verpflichtet das Kapitalmarktinformationsrecht, vorbereitende Überlegungen unternehmerischer Entscheidungen und dazu eingeholte Stellungnahmen offen zu legen.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1 S. 1, 100 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.
Streitwert: 198.315,07 EUR.
LG Düsseldorf:
Urteil v. 07.01.2009
Az: 5 O 383/07
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