Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. April 2007
Aktenzeichen: 24 W (pat) 31/06

(BPatG: Beschluss v. 24.04.2007, Az.: 24 W (pat) 31/06)

Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 6. Februar 2006 aufgehoben und die Sache an die Markenstelle zurückverwiesen.

Gründe

I.

Die Wortmarke "PRAESTOSPEED" ist zur Eintragung in das vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet. Mit der Anmeldung wurde das folgende Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen eingereicht:

"Klasse 7:

Maschinen und Werkzeugmaschinen, insbesondere Maschinen und Anlagen der Energie-, Elektro- und Gebäude-, Kommunikations-, Umwelt- und Wassertechnik;

Maschinen, maschinelle Geräte, Apparate und/oder daraus zusammengestellte Anlagen für die Versorgungs-, Entsorgungs-, Verfahrens-, Umwelt- und Wassertechnik, insbesondere für die Abwasseraufbereitung, Wasserlieferung, Produktidentifikation, Wertstoffsortierung, Altölaufbereitung, Verbrennung, Vergasung, Pyrolyse, Altlastensanierung, Qualitätssicherung und das Recycling; Wasserabscheider; Bergbaumaschinen;

Maschinen und Geräte zum Mischen, Lösen, Homogenisieren, Emulgieren, Dispergieren, Naßvermahlen, Suspendieren, Strecken und Begasen von Mischungen aus festen, flüssigen bis hochviskosen und/oder gasförmigen Stoffen, insbesondere von natürlichen und/oder synthetischen Kunststoffen, Motoren und Motorenteile, soweit in Klasse 7 enthalten; Kupplungen und Vorrichtungen zur Kraftübertragung (ausgenommen solche für Landfahrzeuge), Maschinenteile, soweit in Klasse 7 enthalten; nicht handbetätigte landwirtschaftliche Geräte; Brutapparate für Eier.

Klasse 9:

Wissenschaftliche, Schiffahrts-, Vermessungs-, elektrische, photographische, Film-, optische, Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instrumente, insbesondere wissenschaftliche, elektrische und elektronische Apparate und Instrumente für die Forschung in Laboratorien und zur Prozeßkontrolle in der industriellen Fertigung; Dosiersysteme und/oder Dosiergeräte, insbesondere zur Verwendung in der Wasser- bzw. Trinkwasseraufbereitung sowie der Abwasser- und Schlammbehandlung, insbesondere für die Eindickung und Entwässerung von Schlämmen aus industriellen und kommunalen Abwasserreinigungsanlagen und zur Klärung von Sieb- und Fabrikabwässern in der Papierindustrie, zur Altölaufbereitung sowie zur Reinigung und Entölung, insbesondere industrieller öl- und fettbelasteter Abwässer, zur Naßaufbereitung mineralischer Rohstoffe wie Bauxit, Blei-, Zink-, Eisen-, Kupfer- und Uranerze und Phosphate, in der Erdölförderung, im Bergbau, in der chemische Industrie, der metallerzeugenden und metallverarbeitenden Industrie, der Papier- und Zellstoffindustrie und für die Zucker- und Nahrungsmittelindustrie, insbesondere in biotechnologischen Prozessen, Dosiersysteme und/oder Dosiergeräte zur Dosierung chemischer Mittel, insbesondere Belags- und Schleimverhinderungs- und Schleimbekämpfungsmittel, Wasserenthärtungsmittel, chemischer Mittel zur Kontrolle des mikrobiellen Wachstums Lagerkonservierung, chemischer Mittel zur Kühlwasserbehandlung und Meerwasserentsalzung Klasse 11:

Beleuchtungs-, Heizungs-, Dampferzeugungs-, Koch-, Kühl-, Trocken-, Lüftungs- und Wasserleitungsgeräte sowie sanitäre Anlagen; Maschinen, maschinelle Geräte, Apparate und/oder daraus zusammengestellte Anlagen zur Wasser- und Abwasserbehandlung; Wasserversorgungs- und -verteilungsanlagen; Filtriermaschinen und -geräte; Luftreinigungsapparate und -maschinen; Kläranlagen Klasse 42:

Dienstleistungen von Ingenieuren, Architekten, Biologen, Chemiker und Physiker;

Technische Beratung von Unternehmen und öffentlichen Organisationen, insbesondere Beratung über den Einsatz von chemischen Hilfsmitteln in der Wasser- und Energiewirtschaft, in der Erdölförderung, im Bergbau, in der Chemischen Industrie, der metallerzeugenden und metallverarbeitenden Industrie, der Papier- und Zellstoffindustrie und der Zucker- und Nahrungsmittelindustrie sowie in der Abwasserreinigung sowie den Betrieb von Dosiersystemen in den vorgenannten Industriezweigen;

Erstellung von technischen und geologischen Gutachten; Erfassung, Untersuchung, Bewertung sowie biologische, chemische und/oder physikalische Sanierung von Altlasten, schadstoffbelasteten Wassers sowie schadstoffbelasteter Luft und Abgasen, Umweltschutzberatung;

Wissenschaftliche und industrielle Forschung, insbesondere auf dem Gebiet der Reinigung kommunaler und industrieller Abwässer, der Wasser- und Trinkwasseraufbereitung, Ökobiologische Forschung und Erstellung von Ökobilanzen;

Dienstleistungen von chemischen Labors, Durchführung chemischer Analysen, insbesondere für Boden, Luft und Wasser, Erstellung von Analysen für die Erdölförderung, Abwasseranalytik, Planung, Erstellung, Errichtung, Betrieb von Geräten, Anlagen und Einrichtungen auf den Gebieten der Wasser-, Energie-, Elektro-, Gebäude-, Kommunikations- und Umwelttechnik sowie des Maschinen-, Anlagen- und Gerätebaus, insbesondere von Dosiersystemen in der Wassertechnik, Entwicklung, Planung, Projektierung, Durchführung von und Beratung bei Genehmigungsverfahren von Anlagen, Geräten und Verfahren auf dem Gebiet der Versorgungs-, Entsorgungs-, Verbrennungs-, Vergasungs-, Pyrolsyse-, Umwelt- und chemischen Verfahrenstechnik sowie technische Beratung im Zusammenhang mit der Entwicklung, Planung, Projektierung, Durchführung von und Beratung bei Genehmigungsverfahren von Anlagen, Geräten und Verfahren zur chemischen, physikalischen, thermischen, biologischen Wasser-, Abwasser-, Abfall- und Altwarenbehandlung sowie -aufbereitung und/oder -deponierung, Entwicklung, Planung, Projektierung, Durchführung von und Beratung bei Genehmigungsverfahren zur Erweiterung und Umbau von Verbrennungs-, Vergasungs-, Pyrolyse-, chemischer Produktions-, Wasserversorgungs- und Abwasserbehandlungsanlagen zur Anpassung an Umweltauflagen und Emissions- sowie Reststoffminimierung;

Erstellung von Konzepten und Umsetzung der Konzepte durch Entwicklung-, Planungs-, Projektierungsarbeiten für den Anlagenbau, insbesondere den Bau von Dosiersystemen, die Verfahrens-, Regelungs- und Sensortechnik; Entwicklung von Prototypen, insbesondere von Dosiersystemen für die Wassertechnik, von elektronischen und optischen Apparaten, Geräten und Leiterplatten;

Betrieb von Anlagen, Geräten und Verfahren, insbesondere Dosiersysteme auf dem Gebiet der Versorgungs-, Entsorgungs-, Verbrennungs-, Vergasungs-, Pyrolyse-, Umwelt-, Wasser- und chemischen Verfahrenstechnik für andere gegen Entgeld oder Vermietung der vorgenannten Anlagen, Geräte und Verfahren, insbesondere von Dosiersystemen für die Wassertechnik;

Konstruktionsplanung und technische Projektplanung, insbesondere Planung von Kanalisationen, Kläranlagen, Kraftwerken und Dosiersystemen für die Wassertechnik."

Mit Bescheid des DPMA vom 13. Juni 2005 ist das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen als umfangreich klärungsbedürftig beanstandet worden. Neben Vorschlägen für Umformulierungen bzw. Ergänzungen bei einigen Warenbegriffen in den Klassen 7 und 9 ist ein Teil der in der Klasse 42 angegebenen Dienstleistungsbegriffe als sowohl unter dem Gesichtspunkt der klassenmäßigen Zuordnung als auch der tatsächlichen und markenrechtlichen Gegebenheiten - teils in fragender Form, teils mit konkreten Formulierungsvorschlägen - als erläuterungsbedürftig gerügt und die Einreichung eines präzisierten Verzeichnisses verlangt worden. In zwei weiteren Bescheiden vom 25. August 2005 und 18. Oktober 2005 ist amtsseitig an der Notwendigkeit der Klärung des Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses festgehalten worden.

Die Anmelderin hat mit Schriftsätzen vom 18. August 2005, 30. September 2005 und 19. Dezember 2005 eine Präzisierung der angemeldeten Dienstleistungsbegriffe in der Klasse 42 abgelehnt, weil diese ihrer Ansicht nach unter Berücksichtigung der erläuternden Anmerkungen der Internationalen Klassifikation von Nizza zu der Klasse 42 sowie im Hinblick darauf, dass die Anmelderin ein weltweit führendes Spezialchemieunternehmen sei und das Patentamt ein vergleichbares Waren-/Dienstleistungsverzeichnis bereits in einer früheren Anmeldung akzeptiert habe, hinreichend bestimmt gefasst seien. In ihrem letzten Schriftsatz hat sie dann um den Erlass einer beschwerdefähigen Entscheidung gebeten.

Mit Beschluss vom 6. Februar 2006 hat die Markenstelle für Klasse 42 des DPMA, besetzt mit einem Beamten des höheren Dienstes, die Anmeldung zurückgewiesen, weil die Anmelderin den Amtsbescheiden vom 13. Juni 2005, 25. August 2005 und 18. Oktober 2005 nicht nachgekommen sei, die im Einzelnen dargelegt hätten, dass das Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Anmeldung in etlichen Punkten der Klärung bedürfe. Ohne diese Klärung sei eine eindeutige Klassifizierung nicht möglich und lasse sich der Schutzumfang der Marke nicht hinreichend feststellen, so dass insgesamt kein den Vorschriften der §§ 32 Abs. 2 Nr. 3 MarkenG i. V. m. 3 Abs. 1 Nr. 3, 14 MarkenV genügendes Waren-/Dienstleistungsverzeichnis vorliege. Die in den Amtsbescheiden geforderte Präzisierung weiterer Begriffe, insbesondere der Klasse 42, so z. B. "Erstellung von Konzepten" oder "Erfassung von Altlasten", könne auch nicht deshalb unterbleiben, weil die Anmelderin ein weltweit führendes Spezialchemieunternehmen sei. Denn die Formulierung des Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses müsse aus sich selbst heraus verständlich sein und könne nicht von der Person des Markeninhabers abhängig gemacht werden. Da somit ein sonstiger Mangel der Anmeldung i. S. v. § 36 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht beseitigt worden sei, erfolge die Zurückweisung der Anmeldung gemäß § 36 Abs. 4 MarkenG. Eine Zurückweisung der Anmeldung nur für die klärungsbedürftigen Waren- und Dienstleistungsbegriffe komme nach dem Wortlaut des § 36 Abs. 4 MarkenG nicht in Betracht, der anders als § 37 Abs. 5 MarkenG eine teilweise Zurückweisung der Anmeldung nicht vorsehe. Die Einreichung eines ordnungsgemäßen, hinreichend konkreten Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses sei auch als solche eine dem Anmelder obliegende Mitwirkungspflicht, die das jeweilige Waren-/Dienstleistungsverzeichnis der Anmeldung in seiner Gesamtheit zum Gegenstand habe.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, dass ihr das Erfordernis eines im Hinblick auf den Schutzumfang der Marke und die eindeutige Klassifizierung hinreichend bestimmten Verzeichnisses der Waren- und Dienstleistungen bekannt sei. Sie wehre sich aber gegen eine schematisierende Beurteilung der in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen anhand von vorgefertigten Listen der Nizzaer Klassifikation und einer schematischen Beanstandung von solchen Begriffen, die keinen Eingang in diese Listen gefunden hätten. In der vorliegenden Anmeldung sei, wie bereits vor der Markenstelle dargelegt, dem Bestimmtheitserfordernis im vollen Umfang nachgekommen worden. Eine weitere Klärung sei von der Anmelderin auch nicht deshalb abgelehnt worden, weil sie ein führendes Spezialchemieunternehmen betreibe, sondern weil dem angesprochenen, durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher der einschlägigen Waren und Dienstleistungen die beanspruchten Begriffe hinreichend klar seien.

Die Anmelderin beantragt (sinngemäß), den angefochtenen Beschluss der Markenstelle aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin hat in der Sache insoweit Erfolg, als sie zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung an die Markenstelle zur Prüfung und Entscheidung über die Zulässigkeit der angemeldeten Waren- und Dienstleistungsbegriffe, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Bestimmtheit und eindeutigen Klassifizierbarkeit gemäß §§ 32 Abs. 3, 65 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i. V. m. 3 Abs. 1 Nr. 3, 20 MarkenV, führt. Diesbezüglich hat das Patentamt noch nicht bzw. noch nicht abschließend in der Sache selbst entschieden (§ 70 Abs. 3 Nr. 1 MarkenG). Weiterhin leidet das Verfahren des Patentamtes insoweit an wesentlichen Mängeln (§ 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG), als die Anmeldung vollständig zurückgewiesen worden ist, obwohl das Amt Mängel nur hinsichtlich eines Teils der angemeldeten Waren und Dienstleistungen gerügt hat, und der angefochtene Beschluss außerdem in entscheidungserheblichen Punkten keine bzw. eine ungenügende Begründung aufweist.

In dem angefochtenen Beschluss ist nicht darüber entschieden worden, welche der angemeldeten Waren- und Dienstleistungsbegriffe aus welchen Gründen nicht den formellen Anforderungen entsprechen (§§ 32 Abs. 3 i. V. m. 65 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, 3 Abs. 1 Nr. 3, 20 MarkenV) und weshalb insoweit eine Zurückweisung gemäß § 36 Abs. 4 MarkenG geboten ist. Im Tenor des Beschlusses wird die Anmeldung insgesamt zurückgewiesen und auch die Gründe des Beschlusses lassen nicht mit der erforderlichen Klarheit erkennen, welche Waren und Dienstleistungen konkret und aus welchen Erwägungen von dem Prüfer in der angemeldeten Form für unzulässig angesehen werden. Es sind im Wesentlichen nur allgemeine Ausführungen über die an die Fassung eines Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses zu stellenden Anforderungen enthalten, während auf die einzelnen angemeldeten Waren und Dienstleistungen nicht bzw. lediglich beispielhaft anhand zweier gerügter Begriffe der Klasse 42 in Zusammenhang mit der Erwiderung auf ein von der Anmelderin dagegen vorgebrachtes Argument eingegangen wird.

Soweit in dem Beschluss im Übrigen auf die ergangenen patentamtlichen Vorbescheide verwiesen wird, kann dies eine eigene Entscheidung und Begründung durch den Prüfer schon deshalb nicht ersetzen, weil die Anmelderin sich gegen die in den Bescheiden vertretene Auffassung, jedenfalls soweit die Klasse 42 betroffen ist, gewandt und diese für unzutreffend erachtet hat. Auch wenn vor allem in dem ersten Bescheid vom 13. Juni 2005 einzelne Waren- und Dienstleistungsbegriffe als unzulässig bzw. klärungsbedürftig benannt sind, befand sich die Anmeldung in Bezug auf das Waren-/Dienstleistungsverzeichnis zudem noch in einem Vorklärungsstadium und ließ noch keine entscheidungsreife Beurteilung der Sach- und Rechtslage seitens des Patentamts erkennen.

Der Umstand, dass die Anmelderin den in den patentamtlichen Bescheiden geforderten Klarstellungen nicht nachgekommen ist, rechtfertigt als solcher nicht die - vollständige - Zurückweisung der Anmeldung, auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer der Anmelderin obliegenden Mitwirkungspflicht. Denn das Gesetz sieht eine Zurückweisung in § 36 Abs. 4 MarkenG nur für den Fall vor, dass sonstige Mängel (i. S. d. § 32 Abs. 3 MarkenG) nicht beseitigt werden. Dies aber setzt voraus, dass überhaupt solche Mängel vorliegen. Nur dann und nur im Umfang von bestehenden Mängeln ist eine Mitwirkungspflicht der Anmelderin zu deren Beseitigung begründet. Hierzu aber fehlen, wie bereits dargelegt, die erforderlichen Feststellungen in dem angefochtenen Beschluss.

Ein weiterer wesentlicher Verfahrensfehler ist im Folgenden darin zu sehen, dass die Markenstelle die Anmeldung insgesamt zurückgewiesen hat, obwohl nach den Vorbescheiden nur ein Teil der angemeldeten Waren- und Dienstleistungsbegriffe als unzulässig bzw. klärungsbedürftig gerügt worden und offensichtlich auch der Prüfer in dem angefochtenen Beschluss von einer allenfalls in Teilen unzulässigen Fassung des Waren-/Dienstleistungsverzeichnisses ausgegangen ist. Der von der Markenstelle hierfür vorgebrachten Begründung, eine teilweise Zurückweisung der Anmeldung komme nach dem Wortlaut des § 36 Abs. 4 MarkenG - im Gegensatz zu § 37 Abs. 5 MarkenG - nicht in Betracht, vermag der Senat nicht zu folgen. So erlauben die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbots, die sich als übergreifende Leitlinien allen staatlichen Handelns zwingend aus dem Rechtsstaatsprinzip ergeben und deshalb Verfassungsrang haben, nur die Ablehnung eines Rechtsanspruchs ausschließlich in dem Umfang bestehender rechtlicher Verbote oder seitens des Anspruchstellers nicht erfüllter Voraussetzungen; eine darüber hinausgehende, nicht mehr zwingend gebotene Rechtsverweigerung hat dagegen zu unterbleiben (vgl. zum Verhältnismäßigkeitsgrundsatz u. a. Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 8. Aufl. 2006, Art. 20 Rdn. 80 f.; BverfGE 19, 342, 348 f.; 23, 127, 133). Dass diese allgemein verbindlichen Grundsätze im Markengesetz teilweise noch zusätzlich ausdrücklich formuliert worden sind (so in §§ 37 Abs. 5, 43 Abs. 2 Satz 1, 49 Abs. 3, 50 Abs. 4, 51 Abs. 5 MarkenG), beruht lediglich auf der erforderlichen Umsetzung der obligatorischen Vorschrift des Art. 13 der Markenrechtsrichtlinie vom 21. Dezember 1988. In dieser Vorschrift wird ausdrücklich hervorgehoben, dass die Zurückweisung einer Markenanmeldung oder die Löschung einer Marke aufgrund von in der Markenrechtsrichtlinie enthaltenen Rechtsgründen nur für den Teil der Waren oder Dienstleistungen gerechtfertigt ist, für den diese Gründe vorliegen. Soweit die Markenrechtsrichtlinie absolute und relative Schutzhindernisse sowie Löschungsgründe abschließend regelt, musste deshalb für diese Bereiche Art. 13 Markenrechtsrichtlinie durch die genannten Bestimmungen des Markengesetzes entsprechend umgesetzt werden. Nachdem verfahrensrechtliche Probleme in der Markenrechtsrichtlinie grundsätzlich nicht geregelt wurden (vgl. den dritten und fünften Erwägungsgrund der Richtlinie), bestand dagegen keine Notwendigkeit für den deutschen Gesetzgeber, in Vorschriften, welche - wie § 36 Abs. 4 MarkenG - die Zurückweisung einer Markenanmeldung wegen verfahrensrechtlicher Mängel bestimmen, den (in Art. 13 Markenrechtsrichtlinie explizit formulierten) allgemeinen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausdrücklich aufzunehmen. Das bedeutet jedoch nicht, dass dieser Grundsatz bei der Anwendung verfahrensrechtlicher Vorschriften keine Gültigkeit hat. So ist nicht nachvollziehbar, dass eine Markenanmeldung, die lediglich hinsichtlich eines Teil der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen formelle Mängel aufweist, vollständig zurückgewiesen wird; vielmehr ist eine solche Zurückweisung lediglich hinsichtlich des mängelbehafteten Teils des Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen gerechtfertigt (vgl. auch Ströbele/Hacker, Markengesetz. 8. Aufl., § 32 Rdn. 86 und § 36 Rdn. 5).

Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass das Verzeichnis der Waren- und Dienstleistungen i. S. d. § 32 Abs. 1 Nr. 3 MarkenG, anders als die Marke, respektive ihre prioritätsbegründende Wiedergabe i. S. d. § 32 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG, keine untrennbare Einheit darstellt, die stets nur in ihrer Gesamtheit beurteilt werden könnte. So sieht das Gesetz - außer der bereits genannten teilweisen Zurückweisung einer Anmeldung wegen absoluter Schutzhindernisse - die jederzeitige Einschränkung des angemeldeten Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses (§ 39 Abs. 1 MarkenG) sowie die Teilung der Anmeldung hinsichtlich eines Teils der angemeldeten Waren oder Dienstleistungen (§ 40 MarkenG) vor.

Schließlich kann die vollständige Zurückweisung der vorliegenden Anmeldung auch nicht mit dem Prinzip der Bindung an den Antrag begründet werden. Zwar entspricht es allgemein anerkannten Grundsätzen, dass ein angemeldetes gewerbliches Schutzrecht nur im Rahmen der Anmeldung erteilt werden darf (vgl. z. B. Schulte, Patentgesetz, 7. Aufl., Einleitung Rdn. 7). Dementsprechend ist auch das DPMA nicht berechtigt, selbst Korrekturen an dem eingereichten Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen vorzunehmen; vielmehr stehen solche Änderungen ausschließlich der Anmelderin zu (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 37 Rdn. 13; vgl. auch BGH GRUR 2005, 326, 327 "il Padrone/Il Portone"; GRUR 2005, 513, 514 "MEY/Ella May" für die entsprechende Problematik im Widerspruchsverfahren). Das bedeutet aber lediglich, dass eine als unzulässig erkannte Waren- oder Dienstleistungsangabe nicht von Amts wegen, sondern nur auf entsprechenden Antrag der Anmelderin umformuliert werden darf, bzw. dass die Anmeldung hinsichtlich dieser konkreten Ware oder Dienstleistung zurückzuweisen ist, sofern die erforderliche Klarstellung seitens der Anmelderin nicht erfolgt. Eine Zurückweisung der Markenanmeldung für sämtliche beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist dagegen grundsätzlich nicht gerechtfertigt. Sie wäre nur für den Ausnahmefall in Betracht zu ziehen, dass die Anmelderin unzweideutig zum Ausdruck gebracht hätte, sie begehre den Markenschutz ausschließlich für die von ihr benannten Waren oder Dienstleistungen in ihrer Gesamtheit und sei zu keinerlei Veränderung des eingereichten Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen bereit. Für die Annahme eines derartigen Willens der Anmelderin fehlen im vorliegenden Fall aber jegliche begründete Anzeichen.






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Az: 24 W (pat) 31/06


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