Bundesgerichtshof:
Urteil vom 18. Oktober 2007
Aktenzeichen: I ZR 165/05
(BGH: Urteil v. 18.10.2007, Az.: I ZR 165/05)
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 30. August 2005 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Parteien bieten gewerbsmäßig im Internet pornographische Bilder an. Um zu verhindern, dass Minderjährige auf ihre Seiten Zugriff nehmen, benutzt die Klägerin das Altersverifikationssystem "xcheck", der Beklagte das System "ueber18.de".
Die Klägerin macht geltend, dass das System des Beklagten nicht den gesetzlichen Anforderungen genüge, da Minderjährige mit Hilfe falscher Personalausweisnummern trotz weiterer Sperren ohne weiteres auf das Angebot des Beklagten zugreifen könnten.
Der Beklagte hält das System "ueber18.de" dagegen für hinreichend sicher. Er hat dessen Funktionsweise in der Weise beschrieben, dass es zunächst die Eingabe einer Personalausweis- oder Reisepassnummer verlange. In der Version 1 sei außerdem die Angabe der Postleitzahl des Ausstellungsorts erforderlich, in der Version 2 zusätzlich zu den Angaben der Version 1 der Name, die Adresse und eine Kreditkartennummer oder Bankverbindung des Nutzers.
Das Landgericht hat den Beklagten nach dem ursprünglichen Antrag der Klägerin dazu verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr, insbesondere im Internet, Abbildungen mit pornographischem Inhalt, besonders solche mit der Freigabe FSK 18, zu verkaufen oder zu vertreiben, ohne vorher die Volljährigkeit des Bestellers/Erwerbers in ausreichender und zweifelsfreier Weise verifiziert zu haben.
Um Bedenken gegen die Bestimmtheit dieses Tenors auszuräumen, hat die Klägerin in der Berufungsinstanz beantragt, dem Beklagten zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr im Internet Abbildungen mit pornographischen Inhalten mit der Altersfreigabe FSK 18 anzubieten, wenn das Altersverifikationssystem nutzerseitig auf der Eingabe der Personalausweisnummer oder Reisepassnummer - auch in Kombination mit der Durchführung einer Kontobewegung und/oder der Abfrage einer Postleitzahl - sowie der hierauf beruhenden Verifikation des Alters basiert, ohne dass dabei die persönliche Identifikation des Nutzers, etwa im Rahmen des Post-Ident-Verfahrens, bei seiner Registrierung erfolgt.
Das Berufungsgericht hat die Berufung des Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es den Tenor des landgerichtlichen Urteils entsprechend dem Antrag der Klägerin in der Berufungsinstanz - allerdings unter Ersetzung der Worte "mit der Altersfreigabe FSK 18" durch "im Sinne des § 184 StGB, § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JMStV" - neu gefasst hat.
Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Klägerin war in der mündlichen Verhandlung des Senats trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten. Der Beklagte beantragt, über die Revision durch Versäumnisurteil zu entscheiden.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus § 8 Abs. 1 und 3 Nr. 1, §§ 3, 4 Nr. 11 UWG bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Das Altersverifikationssystem des Beklagten stelle einen Ausschluss Minderjähriger von pornographischen Darbietungen im Internet in beiden Versionen nicht i.S. des als Marktverhaltensregel aufzufassenden § 4 Abs. 2 JMStV und des § 184c StGB sicher, weil es keine effektive Barriere zwischen den Inhalten der pornographischen Internetseiten und einem potentiellen minderjährigen Nutzer bilde. Es bestehe die nicht fernliegende Möglichkeit, dass Jugendliche sich Ausweispapiere von Eltern oder erwachsenen Freunden beschafften und damit das System des Beklagten durch Eingabe "echter" Daten ohne weiteres überwänden. Auch die Version 2 stelle keine ausreichenden Zugangshindernisse auf. Insbesondere verfüge eine Vielzahl Jugendlicher über ein eigenes, von den Eltern nicht regelmäßig kontrolliertes Girokonto.
Weder sei eine restriktive Auslegung der Anforderungen an ein Altersverifikationssystem geboten, weil eine jugendgefährdende Wirkung pornographischer Darstellungen nicht nachgewiesen sei, noch verstoße die vom Berufungsgericht vertretene Auslegung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, weil Jugendliche ohne jede Zugangsbeschränkung auf ausländische Angebote mit pornographischem Inhalt zugreifen könnten. Ebenso wenig werde die Informationsfreiheit Erwachsener unverhältnismäßig beschränkt.
Auch wenn der Einfluss des Beklagten auf das Marktgeschehen nur marginal sei, sei sein Gesetzesverstoß nicht unerheblich i.S. des § 3 UWG. Denn Jugendliche könnten ohne größere Umstände Kenntnis von der Website des Beklagten nehmen. Außerdem erleide die Klägerin jedenfalls unter den deutschen Anbietern einen Wettbewerbsnachteil.
II. Die Revision des Beklagten bleibt ohne Erfolg. Der Beklagte haftet nach den §§ 3, 4 Nr. 11 UWG, weil er pornographische Inhalte im Internet ohne ausreichende Altersverifikation und damit unter Verstoß gegen § 4 Abs. 2 JMStV zugänglich macht.
1. Die Klägerin war zwar im Verhandlungstermin vor dem Senat nicht vertreten. Gleichwohl ist über die Revision des Beklagten nicht durch Versäumnisurteil, sondern durch Endurteil (unechtes Versäumnisurteil) zu entscheiden, da sie sich auf der Grundlage des vom Berufungsgericht festgestellten Sachverhalts als unbegründet erweist (vgl. BGH, Urt. v. 10.2.1993 - XII ZR 239/91, NJW 1993, 1788).
2. Das Berufungsgericht hat zutreffend einen Verstoß des Beklagten gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V. mit § 4 Abs. 2 JMStV angenommen. Nach der zuletzt genannten Vorschrift sind Angebote pornographischer Inhalte in Telemedien unzulässig, wenn der Anbieter nicht sicherstellt, dass sie nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden. Der Beklagte bietet Telemedien i.S. der § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 2 Nr. 2 und 3 JMStV im Wettbewerb an. Telemedien sind insbesondere Online-Angebote, die im Internet abrufbar sind (vgl. Scholz/Liesching, Jugendschutz, 4. Aufl., § 3 JMStV Rdn. 2).
3. Das von dem Beklagten verwendete Altersverifikationssystem stellt nicht sicher, dass seine pornographischen Angebote nur Erwachsenen zugänglich gemacht werden. Dabei ist davon auszugehen, dass der Beklagte sowohl die Version 1 wie auch die Version 2 des Systems "ueber18.de" verwendet hat. Die Revisionsbegründung macht lediglich geltend, die Klägerin habe nicht dargelegt, dass der Beklagte "nur" die Version 1 genutzt habe.
a) Welcher Grad an Zuverlässigkeit für die Altersverifikation geboten ist und welche Mittel zur Sicherstellung einzusetzen sind, ergibt sich nicht unmittelbar aus § 4 Abs. 2 JMStV. Nach der Gesetzesbegründung muss sichergestellt sein, dass Kinder oder Jugendliche keinen Zugang haben, so dass die einschlägigen Angebote nur Erwachsenen zur Verfügung stehen; ein verlässliches Altersverifikationssystem muss die Verbreitung an oder den Zugriff durch Minderjährige hindern (Begründung zum Jugendmedienschutz-Staatsvertrag, Landtag von Baden-Württemberg, Drucks. 13/1551, S. 26, gleichlautend etwa Landtag des Saarlandes, Drucks. 12/793, S. 44). Dafür, wie ein verlässliches System beschaffen sein muss, ist der Zweck des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags maßgeblich. Dieser Zweck ist darauf gerichtet, für den Jugendmedienschutz im Internet wie in den traditionellen Medien ein einheitliches Schutzniveau zu gewährleisten (vgl. etwa Döring/Günter, MMR 2004, 231, 232). Es ist daher geboten, die Auslegung des § 4 Abs. 2 Satz 2 JMStV an den Maßstäben auszurichten, die für die Zugänglichkeit pornographischer Inhalte in anderen Medien entwickelt worden sind.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts liegt ein "Zugänglichmachen" i.S. des § 184 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht vor, wenn Vorkehrungen getroffen werden, die den Zugang Minderjähriger zu den pornographischen Inhalten regelmäßig verhindern. Dies erfordere, dass eine "effektive Barriere" zwischen der pornographischen Darstellung und dem Minderjährigen bestehe (BVerwGE 116, 5, 14 f.). Diese Entscheidung erging zwar im Jahr 2002 zur Ausstrahlung pornographischer Fernsehfilme, die nach dem Wortlaut des am 1. April 2003 in Kraft getretenen § 4 Abs. 2 JMStV inzwischen absolut verboten ist (zu verfassungsrechtlichen Zweifeln an der damit zwischen digitalem Fernsehen und Telemedien bestehenden Differenzierung etwa Scholz/Liesching aaO § 4 JMStV Rdn. 28 m.w.N.; Bandehzadeh, Jugendschutz im Rundfunk und in den Telemedien, 2007, S. 133 ff., 166 ff.). Es gibt aber keinen Grund anzunehmen, dass für Telemedien geringere Anforderungen an die Verhinderung des "Zugänglichmachens" zu stellen sind, als sie für das Fernsehen nach früherer Rechtslage bestanden haben (a.A. Berger, CR 2003, 775).
Das Bundesverwaltungsgericht hat ausgeführt, dass über die Verschlüsselung hinaus weitere Vorkehrungen zu treffen sind, um die Wahrnehmung pornographischer Fernsehfilme durch Minderjährige effektiv zu erschweren. Zunächst müsse sichergestellt sein, dass die Decodiereinrichtungen nur an Erwachsene abgegeben würden. Für den Nachweis der Volljährigkeit genüge es insbesondere nicht, Kopien von Dokumenten vorzulegen, weil dabei manipuliert werden könne. Es reiche aber aus, wenn beim Vertragsschluss persönlicher Kontakt mit dem Kunden bestehe und in diesem Zusammenhang eine zuverlässige Kontrolle seines Alters anhand amtlicher Lichtbildausweise erfolge. Andere Verfahrensweisen zur Feststellung des Alters müssten ebenso wirksam sein. Über den Einsatz der allgemeinen Decodiereinrichtungen hinaus sei noch zumindest ein weiteres wirkungsvolles Hindernis gegenüber Minderjährigen erforderlich, um durch das Zusammenwirken der Wahrnehmungshindernisse die Annahme einer "effektiven Barriere" zu rechtfertigen (BVerwGE 116, 5, 14 ff.).
Der Bundesgerichtshof hat diesen Maßstab der "effektiven Barriere" bei der Beurteilung einer Automaten-Videothek für pornographische Videokassetten übernommen. Eine zuverlässige Alterskontrolle hielt er für gewährleistet, wenn die zum Einlass in die Videothek erforderliche Chipkarte mit PIN erst nach persönlichem Kontakt mit dem Kunden und Überprüfung seines Alters ausgegeben und bei der persönlichen Anmeldung der Daumenabdruck des Kunden biometrisch erfasst wurde. Der Verleihautomat ermöglichte nur nach einem Abgleich von Chipkarte, PIN und Daumenabdruck die Ausleihe von Filmen (BGHSt 48, 278, 285 f.).
Beim Versandhandel mit jugendgefährdenden Trägermedien hat der Bundesgerichtshof erst jüngst ebenfalls eine zweistufige Altersverifikation für erforderlich gehalten. Zunächst ist vor dem Versand der Medien eine zuverlässige Alterskontrolle - etwa durch das Post-Ident-Verfahren - notwendig. Außerdem muss sichergestellt sein, dass die Ware nicht von Minderjährigen in Empfang genommen wird, was etwa bei einer Übersendung per "Einschreiben eigenhändig" gewährleistet ist (BGH, Urt. v. 12.7.2007 - I ZR 18/04, GRUR 2007, 890 Tz. 48 = WRP 2007, 1173 - Jugendgefährdende Medien bei eBay).
Entsprechend wirksame Vorkehrungen sind auch von den Anbietern pornographischer Inhalte im Internet zu fordern (ebenso KG NStZ-RR 2004, 249, 250 und die überwiegende Meinung in der jugendschutzrechtlichen Literatur: vgl. Scholz/Liesching aaO § 4 JMStV Rdn. 36 ff.; Nikles/Roll/Spürck/Umbach, Jugendschutzrecht, 2. Aufl., § 4 JMStV Rdn. 34 ff.; Ukrow, Jugendschutzrecht Rdn. 426 ff.). Die Verlässlichkeit eines Altersverifikationssystems setzt danach auch voraus, dass es einfache, naheliegende und offensichtliche Umgehungsmöglichkeiten ausschließt (vgl. Döring/Günter, MMR 2004, 231, 234; Erdemir, MMR 2004, 409, 412). So hat es der Bundesgerichtshof beispielsweise für unzureichend gehalten, wenn Jugendliche trotz eines Verbotsschildes ungehindert in eine Videothek eintreten können, weil eine Alterskontrolle erst an der Kasse stattfindet (BGH, Urt. v. 7.7.1987 - 1 StR 247/87, NJW 1988, 272). Insbesondere sind die aufgrund der Anonymität des Mediums dem Internet immanenten Missbrauchsgefahren zu berücksichtigen.
b) Dem danach geforderten Zuverlässigkeitsstandard wird das von dem Beklagten verwendete Altersverifikationssystem nicht gerecht.
Ohne Rechtsfehler ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die nicht fernliegende Möglichkeit besteht, Jugendliche könnten sich Ausweispapiere von Eltern oder erwachsenen Freunden beschaffen und dann die Personalausweisnummernkontrolle im System des Beklagten mit echten Daten umgehen. Keinen Bedenken begegnet auch, dass das Berufungsgericht in dem in der Version 2 des Systems des Beklagten erforderlichen Zahlungsvorgang keine ausreichende weitere Sicherungsmaßnahme erkannt hat, weil viele Jugendliche über ein eigenes, von den Eltern nicht regelmäßig kontrolliertes Girokonto verfügen. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die zur Umgehung des Systems des Beklagten erforderlichen Informationen problemlos im Internet erhältlich sind (so Liesching, MMR 2004, 482; Döring/Günter, MMR 2004, 231, 233), und ob angesichts des relativ geringfügigen Betrags, der für den Zugang abgebucht wird, viele Kinder und Jugendliche darauf vertrauen werden, dass die Buchung auf einem von ihnen unberechtigt verwendeten elterlichen Konto nicht auffällt.
Richtig ist zwar, dass einem Altersverifikationssystem nicht deshalb die Effektivität abgesprochen werden kann, weil es von Jugendlichen aufgrund nicht vorhersehbarer besonderer Kenntnisse, Fertigkeiten oder Anstrengungen ausnahmsweise umgangen werden kann (Nikles/Roll/Spürck/Umbach aaO § 4 JMStV Rdn. 34 a.E.). Derartige Anforderungen stellt eine Überwindung des Altersverifikationssystems des Beklagten in beiden Versionen an Jugendliche aber nicht.
Da es vorliegend von vornherein an einer effektiven Barriere fehlt, kann offenbleiben, ob der von der Revisionsbegründung vorgelegten älteren Entscheidung des Oberlandesgerichts Karlsruhe zu folgen ist, wonach sich ein Anbieter pornographischer Schriften unter Umständen nicht strafbar macht, wenn Jugendliche die von ihm errichteten, an sich effizienten Zugangshindernisse (Verkauf pornographischer Hefte in abdeckenden Plastikfolien unter den Augen des Kassenpersonals) erst nach rechtswidrigen Handlungen überwinden können (vgl. OLG Karlsruhe NJW 1984, 1975, 1976). Ebenso ist unerheblich, ob die Jugendlichen zur Umgehung des Systems des Beklagten rechtswidrige Handlungen begehen müssen (verneinend KG NStZ-RR 2004, 249, 250 zu Version 1 des Systems des Beklagten) und ob der vom Oberlandesgericht Karlsruhe seinerzeit vertretenen Auffassung gegebenenfalls über den Bereich des Strafrechts hinaus auch für den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag Bedeutung zukommen kann.
Da für die Feststellung eines Verstoßes gegen § 4 Abs. 2 JMStV bereits die Möglichkeit der Kenntnisnahme ausreicht, kommt es schließlich für die Effektivität der Barriere nicht darauf an, ob und inwieweit sich in der Vergangenheit Jugendliche tatsächlich Zugang zu Erwachsenenangeboten verschafft haben, die mit dem Altersverifikationssystem "ueber18.de" geschützt waren.
4. Durch die danach bestehenden Anforderungen an die Verlässlichkeit eines Altersverifikationssystems wird der Zugang Erwachsener zu pornographischen Angeboten im Internet nicht unverhältnismäßig beschränkt. Es bestehen zahlreiche Möglichkeiten, ein System zuverlässig auszugestalten. Hinzuweisen ist zunächst auf die von der Kommission für Jugend- und Medienschutz (KJM) positiv bewerteten Konzepte (abrufbar unter www.jugendschutz.net), die eine persönliche Identifizierung der Nutzer durch einen Postzusteller oder in einer Postfiliale (Post-Ident-Verfahren), in einer Verkaufsstelle oder mittels des "Identitäts-Check mit Q-Bit" der Schufa Holding AG (Rückgriff auf eine bereits erfolgte persönliche Kontrolle durch ein Kreditinstitut) voraussetzen. Außerdem wird eine Authentifizierung des Kunden bei jedem einzelnen Abruf von Inhalten oder Bestellvorgang verlangt. Dafür kommt insbesondere ein Hardware-Schlüssel (etwa USB-Stick, DVD oder Chip-Karte) in Verbindung mit einer PIN in Betracht, die dem Kunden persönlich (etwa per Einschreiben eigenhändig) zugestellt werden.
Wie § 1 Abs. 4 JuSchG beim Versandhandel mit pornographischen Trägermedien lässt auch § 4 Abs. 2 JMStV eine rein technische Altersverifikation zu, wenn sie den Zuverlässigkeitsgrad einer persönlichen Altersprüfung erreicht. Grundsätzlich denkbar erscheint etwa, die Altersverifikation durch einen entsprechend zuverlässig gestalteten Webcam-Check durchzuführen (vgl. etwa die Beschwerdeentscheidung Nr. 03656 der Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter (FSM), abrufbar unter www.fsm.de) oder unter Verwendung biometrischer Merkmale.
Erwachsenen ist es zuzumuten, sich im Interesse des Jugendschutzes einer den dargelegten Anforderungen genügenden Altersverifikation zu unterziehen, bevor ihnen Zugang zu pornographischen Telemedien gewährt wird. Dafür spricht bereits entscheidend, dass nach der bis zum 31. März 2003 geltenden Rechtslage der Vertrieb indizierter jugendgefährdender Medien im Versandhandel gemäß § 4 Abs. 1 GjSM generell verboten und nach § 21 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 3 GjSM unter Strafe gestellt war. Demgegenüber stellt die nunmehr - ebenso wie der Fernabsatz pornographischer Trägermedien (vgl. § 1 Abs. 4 JuSchG) - nach Altersverifikation zulässige Nutzung entsprechender Telemedien bereits eine erhebliche Zugangserleichterung für Erwachsene dar.
Die als zuverlässig anzuerkennenden Verfahren der persönlichen Identifizierung errichten für Erwachsene keine höheren Zugangshürden als im Offline-Bereich. So muss der Erwachsene bei Betreten oder Verlassen eines einschlägigen Geschäfts sogar eher mit der Peinlichkeit rechnen, als Interessent für Pornographika erkannt zu werden, als dies etwa bei einer Altersüberprüfung durch den Postzusteller oder in einer Postfiliale im Rahmen des Post-Ident-Verfahrens der Fall ist (vgl. Döring/Günter, MMR 2004, 231, 235 Fn. 49). Dafür spricht insbesondere, dass das Post-Ident-Verfahren ebenso wie die Versendungsform "Einschreiben eigenhändig" im Geschäftsverkehr und in der Öffentlichkeit nicht oder jedenfalls nicht zwangsläufig mit dem Vertrieb pornographischer Inhalte in Verbindung gebracht wird.
5. Aus verfassungsrechtlichen Vorgaben folgen ebenfalls keine geringeren Anforderungen an ein Altersverifikationssystem, als sie sich aus dem dargelegten Konzept der "effektiven Barriere" ergeben.
Der mit diesem Konzept verbundene Eingriff in die Informationsfreiheit ist nach Art. 5 Abs. 2 GG aus Gründen des Jugendschutzes gerechtfertigt. Die Annahme, dass pornographische Medien jugendgefährdende Wirkung haben können, liegt im Bereich der Einschätzungsprärogative des Gesetzgebers. Diesen hätte der Gesetzgeber nur dann verlassen, wenn eine Gefährdung Jugendlicher nach dem Stand der Wissenschaft vernünftigerweise auszuschließen wäre (BVerfGE 83, 130, 140 ff.). Davon kann weiterhin nicht ausgegangen werden. So hält ein Autor, auf den sich der Beklagte bezieht, die Frage der Jugendgefährdung durch Pornographie für "objektiv bislang ungeklärt" (Berger, MMR 2003, 773, 775; vgl. Bandehzadeh aaO S. 21 ff.).
Das Erfordernis einer verlässlichen Altersverifikation ist geeignet, das gesetzgeberische Ziel zu fördern, einen Zugriff von Kindern und Jugendlichen auf pornographische Inhalte zu verhindern. Das reicht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts aus, um die Eignung einer gesetzgeberischen Maßnahme zu begründen (BVerfGE 30, 292, 316; 90, 145, 172; 110, 141 Tz. 81).
Der Gesetzgeber ist auch nicht verpflichtet, den deutschen Jugendschutzstandard im Hinblick auf großzügigere Regelungen im Ausland zu lockern. Für die Forderung, von Altersverifikationssystemen deutscher Anbieter dürften nur Voraussetzungen verlangt werden, die keinen größeren Umgehungsaufwand erforderten als der Zugriff auf ausländische Angebote pornographischen Inhalts, gibt es daher keine Grundlage (a.A. Berger, MMR 2003, 773, 775).
Ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Beklagten (Art. 12 Abs. 1 GG) liegt nicht vor, weil ihm ohne weiteres zuzumuten ist, eines der anerkannten Systeme anzuwenden.
Es wird auch nicht unverhältnismäßig in das durch Art. 6 Abs. 2 GG verbürgte Erziehungsprivileg der Eltern eingegriffen, wenn höhere Anforderungen an ein Altersverifikationssystem gestellt werden, als sie das System des Beklagten erfüllt (vgl. Köhne, NJW 2005, 794). Durch verlässliche Altersverifikationssysteme wird gerade das Erziehungsprivileg gewahrt, weil ein unkontrollierter Zugang Jugendlicher zu pornographischen Inhalten ohne Kenntnis der Eltern verhindert wird.
Schließlich liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG unter dem Aspekt der Inländerdiskriminierung vor. Unter Inländerdiskriminierung sind Sachverhalte zu verstehen, in denen das deutsche Recht aus gemeinschaftsrechtlichen Gründen gegenüber EU-Ausländern nicht angewendet werden darf, so dass diese gegenüber Inländern begünstigt werden (vgl. Pache in Schulze/Zuleeg, Europarecht, 2006, § 10 Rdn. 16; Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 9. Aufl., Art. 3 Rdn. 74). Hier gelten die Regelungen des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags aber für alle pornographischen Angebote in Deutschland. Sie erfassen grundsätzlich auch die Angebote aus dem Ausland, die im Inland abgerufen werden können, und gelten nach § 3 Abs. 5 Nr. 1 TMG insbesondere auch für Angebote aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Die in Art. 3 Abs. 4 und 5 der Richtlinie 2000/31/EG über den elektronischen Geschäftsverkehr vorgesehenen Mitteilungs- und Konsultationspflichten sind nicht Geltungsvoraussetzung der innerstaatlichen jugendschutzrechtlichen Gebote, sondern erst dann zu beachten, wenn deutsche Behörden gegen ein konkretes Angebot eines Diensteanbieters aus einem anderen Mitgliedstaat einschreiten wollen. Die faktische Möglichkeit der Umgehung einer für im Inland abrufbare in- und ausländische Internetangebote unterschiedslos geltenden deutschen Bestimmung durch den Aufruf ausländischer Internetseiten bewirkt keine rechtlich relevante Inländerdiskriminierung. Es bedarf deshalb weiterhin keiner Entscheidung, ob und inwiefern es wettbewerbsrechtlich geboten ist, eine Inländerdiskriminierung zu vermeiden (vgl. dazu auch BGH, Urt. v. 4.7.1996 - I ZR 105/94, NJWE-WettbR 1996, 266, 267).
6. Verstöße gegen das aus § 4 Abs. 2 JMStV folgende Verbot, pornographische Inhalte in Telemedien ohne verlässliche Altersverifikation anzubieten, beeinträchtigen wettbewerbsrechtlich geschützte Interessen der Verbraucher i. S. des § 3 UWG ebenso wie Verstöße gegen das Verbot des Versandhandels mit jugendgefährdenden Medien (vgl. BGH GRUR 2007, 890 Tz. 34 - Jugendgefährdende Medien bei eBay). Die Beschränkung des Zugangs zu Telemedien pornographischen Inhalts dient insbesondere dem Schutz der Kinder und Jugendlichen, bei denen es sich um besonders schutzwürdige Verbraucher handelt. Die erhebliche Bedeutung dieses Jugendschutzes findet Ausdruck in der strafrechtlichen Ahndung von Zuwiderhandlungen gegen die Zugangsbeschränkungen.
Die Vertriebsbeschränkungen des Jugendschutzrechts für Waren und Dienstleistungen sind zudem Marktverhaltensregelungen i.S. des § 4 Nr. 11 UWG (Köhler in Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht, 25. Aufl., § 4 UWG Rdn. 11.35 a.E. und 11.180; Link in Ullmann, jurisPK-UWG, § 4 Nr. 11 Rdn. 159; vgl. auch MünchKomm.UWG/Schaffert, § 4 Nr. 11 Rdn. 181 f.; a.A. Scherer, WRP 2006, 401, 405 f.).
7. Die Verwendung eines unzureichenden Altersverifikationssystems durch den Beklagten beeinträchtigt den Wettbewerb mehr als nur unerheblich. Dies ergibt sich bereits aus der Bedeutung des Jugendschutzes. Außerdem sind die Interessen der Wettbewerber des Beklagten, die den gesetzlichen Anforderungen genügende Systeme anwenden, erheblich betroffen. Denn geringere Zugangshürden sind ein spürbarer Vorteil im Wettbewerb um die Kunden von Telemedien pornographischen Inhalts. Den daraus resultierenden Wettbewerbsnachteil erleiden alle inländischen Anbieter einschlägiger Angebote, die eine ausreichende Altersverifikation verlangen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass eine Vielzahl ausländischer Anbieter ohne Altersverifikation erreichbar ist. Ob die Klägerin wegen des Wettbewerbsverstoßes des Beklagten Kunden an ihn verliert, ist für die Frage der Erheblichkeit ebenfalls ohne Belang.
8. Gegen die Tenorierung des Berufungsurteils bestehen keine Bedenken. Die negative Voraussetzung des Unterlassungstitels "ohne dass dabei die persönliche Identifikation des Nutzers ... bei seiner Registrierung erfolgt" ist für künftige technische Entwicklungen hinreichend offen und schließt insbesondere eine Identifikation unter Nutzung einer Eingabe zuverlässiger biometrischer Merkmale oder im Rahmen einer Webcam-Sitzung nicht generell aus. Persönliche Identifikation ist daher nicht notwendig gleichbedeutend mit persönlichem Kontakt im Sinne einer physischen Begegnung (facetoface-Kontrolle), sondern kann unter Umständen auch über bildschirmgestützte oder andere technische Mittel erfolgen. Damit unterwirft das Berufungsurteil Altersverifikationssysteme entgegen der Revisionsbegründung keinen strengeren Anforderungen als das Bundesverwaltungsgericht.
Gegen die vom Berufungsgericht im Tenor vorgenommene Klarstellung des Antrags durch Ersetzung der Worte "mit der Altersfreigabe FSK 18" durch "im Sinne des § 184 StGB, § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JMStV" erhebt die Revisionsbegründung zu Recht keine Einwände.
Bornkamm RiBGH Dr. v. Ungern-Sternberg Büscherist ausgeschieden und kann da-
her nicht unterschreiben.
Bornkamm Schaffert Kirchhoff Vorinstanzen:
LG Duisburg, Entscheidung vom 13.01.2005 - 21 O 120/04 -
OLG Düsseldorf, Entscheidung vom 30.08.2005 - I-20 U 58/05 -
BGH:
Urteil v. 18.10.2007
Az: I ZR 165/05
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