Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 18. Juli 2006
Aktenzeichen: 4 U 17/06

(OLG Hamm: Urteil v. 18.07.2006, Az.: 4 U 17/06)

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das am 5. Januar 2006 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten der Berufung.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin ist die Steuerberaterkammer Westfalen-Lippe, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Der Beklagte ist selbständiger Buchhalter. Er bot mit einem Angebotsschreiben vom 25.5.2004 Buchhaltungsleistungen an, ferner die Leistung "Ausdruck der USt-Voranmeldung".

Die Klägerin hat gemeint, mit der so bezeichneten Leistung biete der Beklagte geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen an, die nach dem Steuerberatungsgesetz den steuerberatenden Berufen vorbehalten sei. Das Angebot werde auch von potentiellen Interessenten dahingehend verstanden, dass nicht nur Hilfe bei Ausdruck und Übermittlung geleistet werde, sondern der Beklagte auch die Umsatzsteuervoranmeldung erstelle.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, zu Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu unterlassen,

1. geschäftsmäßig Hilfeleistung in Steuersachen durch die Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen auszuüben;

2. geschäftsmäßig

a) die Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen anzubieten,

b) neben der Verbuchung der laufenden Geschäftsvorfälle den Ausdruck der Umsatzsteuervoranmeldung anzubieten,

wobei hiervon unberührt bleiben die Tätigkeit und Kundmachung im Rahmen des § 6 Nr. 3 StBerG ("die Durchführung mechanischer Arbeitsgänge bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen, die für die Besteuerung von Bedeutung sind; hierzu gehören nicht das Kontieren von Belegen und das Erteilen von Buchungsanweisungen") oder im Rahmen des § 6 Nr. 4 StBerG ("das Buchen der laufenden Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechnung und das Fertigen der Lohnsteueranmeldung, soweit diese Tätigkeit verantwortlich durch Personen erbracht werden, die nach bestehender Abschlussprüfung in einem kaufmännischen Ausbildungsberuf oder nach Erwerb einer gleichwertigen Vorbildung zumindest 3 Jahre auf dem Gebiet des Buchhaltungswesens in einem Umfang von mindestens 16 Wochenstunden praktisch tätig gewesen sind").

sowie hilfsweise zu dem Antrag gemäß Ziffer 2b) den Beklagten zu verurteilen,

es zu unterlassen, die Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen anzubieten, wie in dem Schreiben vom 25.5.2004 (Anlage K 1) geschehen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat zunächst gemeint, die Klägerin sei als Körperschaft des öffentlichen Rechts kein Verband zur Förderung gewerblicher Interessen und daher nicht anspruchsberechtigt nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG. Die Klageanträge seien zudem zu unbestimmt, insbesondere zu allgemein am Gesetzeswortlaut orientiert. Ferner liege kein Verstoß gegen das StBerG vor. Hierzu hat der Beklagte vorgetragen, er führe lediglich erlaubtermaßen Finanzbuchhaltungsdienstleistungen aus. Soweit er Umsatzsteueranmeldungen ausdrucke, übernehme er lediglich die Funktion eines Datenlieferanten im Sinne des § 1 Abs. 1 der Verordnung zur elektronischen Übermittlung von Steuererklärungen (StDÜV, Bl. 12). Das Angebot solcher Dienstleistungen werde von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht dahin gehend verstanden, dass überdies auch die Erstellung vom Umsatzsteuervoranmeldungen angeboten werde. Auch sei sein Handeln nicht geeignet, den Wettbewerb wesentlich zu beeinträchtigen. Soweit die Verurteilung begehrt werde, auch das Erstellen von Vorsteueranmeldungen zu unterlassen, fehle es an der Darlegung einer Verletzungshandlung, so dass diesbezüglich auch keine Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr bestehe. Der Beklagte hat hierzu vorgetragen, soweit er Daten verbuche, werde die Umsatzsteuervoranmeldung automatisch durch die verwendete Software erstellt. Das Ergebnis dieses Datenverarbeitungsvorganges werde elektronisch an die Steuerbehörde übermittelt.

Außerdem hat der Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben und hierzu ausgeführt, die Klägerin habe von dem Angebotsschreiben vom 25.5.2004 bereits Mitte Juli 2004 durch den Zeugen L Kenntnis erhalten (Bl. 78), bei Eingang der Klage am 17.2.2005 sei deshalb die sechsmonatige Verjährungsfrist bereits abgelaufen gewesen.

Die Klägerin hat diesbezüglich repliziert, erst am 27.8.2004 von dem Angebotsschreiben Kenntnis erhalten zu haben.

Das Landgericht hat zu den die Verjährungseinrede betreffenden Tatsachen Beweis erhoben durch Einholung einer schriftlichen Zeugenaussage der Zeugin T2, die am 31.8.2005 abgegeben wurde (Bl. 113). Auf die Vernehmung des Zeugen T haben die Parteien verzichtet.

Das Landgericht hat den Beklagten zur Unterlassung nach dem Antrag zu 1 und dem Hilfsantrag zu 2b verurteilt. In Bezug auf den Hilfsantrag ist die Verurteilung erfolgt, nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 8.12.2005 erklärt hat, der Hilfsantrag werde in Hilfsbeziehung gestellt zu dem Antrag zu Ziffer 2a (Bl. 164 Rücks.). Die Klage ist im Übrigen abgewiesen worden. Die Anspruchsberechtigung der Klägerin hat das Landgericht unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BVerfG und des BGH bejaht. Der Klageantrag zu 1 und der Hilfsantrag zu 2 seien hinreichend bestimmt. Der Unterlassungsanspruch folge aus §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG. Der Beklagte verstoße mit seinem Angebot gegen § 5 Abs. 1 StBerG. Im Rahmen der persönlichen Anhörung des Beklagten habe dieser selbst erklärt, Buchungen vorzunehmen, die vom verwendeten Programm zur Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen verarbeitet würden. Eine solche Tätigkeit falle nicht mehr unter die Privilegierungen des § 6 StBerG und sei damit einem Personenkreis vorbehalten, zu dem der Beklagte nicht gehöre. Das Landgericht hat hierzu den Standpunkt eingenommen, dass eine den steuerberatenden Berufen vorbehaltene kritische Überprüfung der Dateneingaben und Verarbeitungsergebnisse im Ergebnis nicht gewährleistet sei, wenn die Umsatzsteuervoranmeldung mittels automatischer Datenverarbeitung sozusagen nebenbei gefertigt werde. Hierbei handele es sich auch nicht um eine bloße Übermittlung von Steuerdaten nach der StDÜV. Ein Verstoß gegen § 5 StBerG sei ein Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung gem. § 4 Nr. 11 UWG und damit unlautere Wettbewerbshandlung. Der Verstoß sei schon aufgrund der Nachahmungsgefahr nicht nur unwesentlich im Sinne des § 3 UWG. Nach den Ausführungen des Beklagten in der persönlichen Anhörung sei die Wiederholungsgefahr anzunehmen. Die Einrede der Verjährung bleibe erfolglos, weil nach der schriftlichen Zeugenaussage der Zeugin T2 davon auszugehen sei, dass das Angebotsschreiben vom 25.5.2004 (Anlage K 1) der Klägerin erst am 27.8.2004 zur Kenntnis gelangt sei, so dass die Klage am 17.2.2005 noch in unverjährter Zeit anhängig gemacht worden sei.

Der Unterlassungsanspruch nach dem Klageantrag zu 2) in der durch den Hilfsantrag modifizierten Form sei gleichfalls begründet, weil der Beklagte hierdurch die ihm verbotene Tätigkeit bewerbe und auch insoweit gegen §§ 8, 3, 4 Nr. 11 UWG verstoße. Die Kammer sei aufgrund § 114 GVG in der Lage, aufgrund eigener Sachkunde das Verständnis der einschlägigen Verkehrskreise zum Umfang des Leistungsangebots einzuschätzen, weil ihr auch Handelsrichter und damit typische Adressaten einer solchen Werbung angehörten. Zwar habe der Beklagte nicht ausdrücklich die "Erstellung" von Umsatzsteuervoranmeldungen beworben, doch gehe der Verkehr aufgrund der sonstigen in dem Angebotsschreiben enthaltenen Aussagen davon aus, dass eine solche Erstellung Leistungsbestandteil sei. Die Wiederholungsgefahr werde durch die Absendung des Angebotsschreibens an einen Adressaten indiziert. Der Beklagte habe diesbezüglich nicht dargelegt, dass eine entsprechende Einschränkung des Angebots mündlich erfolgt sei. Die Klageabweisung im Übrigen hat das Landgericht damit begründet, dass der ursprüngliche Klageantrag zu 2 zu allgemein gehalten worden sei und Verletzungshandlungen einbeziehe, für die es an einer Wiederholungs- oder Erstbegehungsgefahr fehle.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Beklagten. Er stellt das Urteil in vollem Umfang zur Überprüfung, vertieft und ergänzt seinen erstinstanzlichen Vortrag, was die seiner Meinung nach fehlende Aktivlegitimation der Klägerin und die Unbestimmtheit des Klageantrags angeht. Im übrigen trägt er vor, der Antrag zu 1 sei fehlerhaft, weil der Beklagte zu keinem Zeitpunkt geschäftsmäßige Hilfeleistungen in Steuersachen geleistet habe, der Unterlassungstenor sei zu umfassend formuliert, weil damit dem Beklagten auch die bloße Übertragung von Daten untersagt werde. Der Beklagte rügt ferner, dass das Landgericht das Verkehrsverständnis von der im Angebotsschreiben vom 25.5.2004 enthaltenen Passage aus eigener Anschauung beurteilt habe, denn der Vorsitzende der KfH gehöre nicht zu dem einschlägigen Verkehrskreis. Schließlich werde die Erheblichkeitsschwelle des § 3 UWG nicht überschritten, da streitgegenständlich ein einzelnes Anschreiben an einen einzigen Kunden sei. Überdies ist der Beklagte der Ansicht, das Steuerberatermonopol sei verfassungswidrig. Zur Begründung dieser Ansicht legt der Beklagte ein wissenschaftliches Gutachten des Rechtsanwalts Dr. L2 vor.

Der Beklagte beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Münster vom 5. Januar 2006 24 O 28/05 - die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angegriffene Urteil, wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Gründe

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet, weil das Landgericht den Unterlassungsanspruch im Ergebnis zu Recht für gegeben erachtet hat.

I. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Klage ist zulässig. Der Unterlassungsanspruch zu 1) ist in seiner konkreten Form ausreichend bestimmt, weil das Verbotsbegehren eindeutig und vollstreckungsfähig beschrieben wird, indem er sich auf das Erstellen von Umsatzsteuervoranmeldungen durch den Beklagten bezieht. Der Antrag bezieht sich auf das gesetzliche Verbot aus §§ 2, 5 StBerG, wonach die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen nur bestimmten Personen erlaubt, im Übrigen aber verboten ist. Der Antrag zu 1 nimmt zunächst sinngemäß auf diese Verbotsnormen Bezug, konkretisiert ihren Anwendungsbereich sodann allerdings auf eine bestimmte Handlung, nämlich das "Erstellen" von Umsatzsteuervoranmeldungen. Diese Handlung ist ihrerseits hinreichend konkretisiert, weil das "Erstellen" eine konkret bezeichnete Hilfeleistung in Steuersachen bezeichnet. Eine bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts liegt darin nicht. Sie läge nur vor, wenn für den Beklagten aufgrund bloßer Gesetzeswiederholung nicht klar ist, gegen welche konkreten Vorwürfe er sich verteidigen muss (BGH, GRUR 2000, 438, 440 - Gesetzeswiederholende Unterlassungsanträge; BGH, GRUR 2002, 77, 78 - Rechenzentrum), die Gesetzesauslegung also durch den Unterlassungsantrag noch nicht vorgenommen, sondern vollständig ins Vollstreckungsverfahren verlagert wird (vgl. BGH GRUR 2000, 438, 440).

Auch der Antrag zu 2. ist ausreichend bestimmt. Er nimmt auf die als Verletzung angegriffene Handlung, nämlich das Angebot in Form des Schreibens vom 25.4.2004 konkret Bezug. Soweit das Verbum "anbieten" seinerseits auslegungsbedürftig ist, wurde mit der Bezugnahme auf die konkrete Handlung eine ausreichende Bestimmung des Antrags vorgenommen. Die Frage, ob der Antrag auch ohne diese Bezugnahme schon bestimmt war, musste nicht beantwortet werden, da insoweit keine Anschlussberufung erhoben worden ist.

II. Die Klagebefugnis der Klägerin ergibt sich aus § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, weil die klagende Steuerberaterkammer zu den dort genannten rechtsfähigen Verbänden zur Förderung gewerblicher oder selbständiger beruflicher Interessen gehört. Der Senat folgt nicht der Ansicht des Beklagten, wonach berufsständische Kammern nur zur Einhaltung von Standsregeln unter ihren Mitgliedern, nicht aber zur Überwachung der Einhaltung von Wettbewerbsregeln durch Außenseiter berufen seien. Mit der ganz herrschenden wettbewerbsrechtlichen Meinung ist der Senat der Ansicht, dass den Kammern auch diese Aufgabe zukommt (BGH GRUR 1998, 835, 836 - Zweigstellenverbot; BGH GRUR 2001, 348 - Beratungsstelle im Nahbereich; GRUR 2002, 77, 78 - Rechenzentrum). Das BVerfG hat diese Rechtsprechung von Verfassungs wegen nicht beanstandet (BVerfGE 111, 366 = NJW 2004, 3765, 3766), weil hierdurch die Befugnis zur Überwachung von Berufsausübungsregeln nicht materiell erweitert, sondern lediglich ihre Durchsetzung auf das Instrument der Unterlassungsklage erstreckt werde. Die Gegenauffassung in der Literatur (Pietzcker, NJW 1982, 1840; Grunewald, NJW 2002, 1359) hat sich nicht durchsetzen können. Für den Standpunkt der wettbewerbsrechtlichen Judikatur spricht insbesondere, dass die Aufsichtstätigkeit gegenüber nicht berufsständisch Gebundenen versagen würde. Würde man die Klagebefugnis allein auf Konkurrenten beschränken, so würde die Effektivität des Wettbewerbsschutzes leiden.

III. Die Berufung ist unbegründet, weil das Landgericht zu Recht entschieden hat, dass der Klägerin ein Unterlassungsanspruch gem. §§ 8 Abs. 1, 3, 4 Nr. 11 UWG zusteht. Das Berufungsvorbringen führt zu keiner abweichenden Entscheidung.

1. Der Unterlassungsantrag zu 1 ist begründet, weil der Beklagte geschäftsmäßig Hilfe in Steuersachen leistet durch die Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen und diese Tätigkeit gegen eine Marktverhaltensnorm im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG verstößt, ferner diese Handlung den Wettbewerb nicht nur unerheblich beeinträchtigt.

a) Das Landgericht hat die Äußerung des Beklagten in der persönlichen Anhörung vom 14.4.2005 zu Recht dahingehend verstanden, dass der Beklagte Umsatzsteuervoranmeldungen nicht nur ausdruckt, sondern diesen Ausdruck durch vorhergehende Eingaben vorbereitet und damit die Voranmeldung vom Beklagten auch erstellt wird. Diese Auslegung unterliegt keinen Bedenken. Es ist nicht vorstellbar, dass der Beklagte seine Dienste auf die bloße elektronische Übermittlung von durch andere Personen eingegebenen und damit "erstellten" Datensätzen beschränkt.

b) Sofern der Beklagte Daten nicht nur übermittelt, sondern sie auch eingibt, nimmt er eine Tätigkeit vor, die nicht nur mechanische Buchung, sondern auch Wertung und Gestaltung ist. Das Erstellen der Umsatzsteuervoranmeldung geht insoweit über die Ausnahmevorschriften des § 6 Nr. 3 und 4 StBerG hinaus. Die Frage, ob und in welchem Umfang Umsätze bei der Umsatzsteuervoranmeldung gebucht werden, entscheidet nicht das Datenverarbeitungsprogramm, sondern derjenige, der die Daten zur Buchung eingibt. Insofern ist mit jedem Buchungsvorgang auch eine steuerrechtlich relevante planerische Auslegungsentscheidung verbunden. Darin aber liegt eine steuergestaltende Tätigkeit im Sinne des § 5 StBerG, denn der Umfang des verbuchten Betrages hat liquiditätsbeeinflussende Wirkung beim Steuerpflichtigen. Aus diesem Grunde ist die Erstellung der Vorsteueranmeldung den steuerberatenden Berufen vorbehalten, weil es auf eine besondere Sachkunde ankommt und die bloße unkritische Übernahme der Ergebnisse der Buchführung ohne eigene Prüfung den umsatzsteuerrechtlichen Anforderungen nicht genügt (zutreffend LG Regensburg, Urt. v. 29.10.2004 - 2 S 204/04 (3), Bl. 98, 101 d.A.; OLG Köln, Urt. v. 28.5.1982 - 6 U 5/82, DStR 1982, 596; OLG Frankfurt/M., Urt. v. 1.10.1990 6 W 126/90, StB 1992, 93). Buchhaltern ist nur die "Durchführung mechanischer Arbeitsgänge bei der Führung von Büchern und Aufzeichnungen" (§ 6 Nr. 3 StBerG) sowie das "Buchen laufender Geschäftsvorfälle, die laufende Lohnabrechnung und das Fertigen der Lohnsteuer-Anmeldungen" (§ 6 Nr. 4 StBerG) erlaubt. Der BGH hat diesbezüglich klargestellt, dass die Ausnahme nur für diese eng umschriebenen Bereiche, nicht aber für darüber hinausweisende selbständige Hilfstätigkeiten, wie die "laufende Buchführung" oder die "Lohnbuchhaltung" gilt (BGH GRUR 2002, 77, 79).

Gegen diese Wertung spricht im Ergebnis auch nicht das im Berufungsverfahren vorgelegte Gutachten des Rechtsanwalts Dr. L2. Der Gutachter kommt zwar zu dem Ergebnis, dass das Steuerberatermonopol des StBerG verfassungswidrig, weil unverhältnismäßig ist. Doch gesteht auch er zu, dass dieses Monopol jedenfalls seine Berechtigung hat, wenn "nach dem Willen der Parteien, dem Inhalt des Auftrags bzw. Vertrags die steuerrechtliche Seite im Vordergrund der Auftragstätigkeit stehen soll", also "soweit es sich um den Kernbereich steuerberatertypischer Aufgaben handelt, welche … eine besondere berufliche Qualifikation … erfordern" (Gutachten. S. 49). Zwar kommt der Gutachter auch zu dem Schluss, dieser Kernbereich sei nicht betroffen bei der Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen (S. 49). Doch sieht der Senat dies anders, weil die genaue Verbuchung von Umsätzen gestaltenden Charakter hat und die Kenntnis und Anwendung der verschiedenen steuergesetzlichen Verbuchungsalternativen erfordert, also im Kern steuerberatende Tätigkeit ist. Insoweit kann die Frage, ob das Steuerberatungsmonopol insgesamt restriktiv auszulegen ist, dahingestellt bleiben.

c) Der Beklagte hat auch tatsächlich gegen das Verbot verstoßen. Der Beklagte trägt hierzu zwar vor, eine entsprechende Verletzungshandlung sei nicht nachgewiesen. Dagegen steht aber zum einen, dass der Beklagte in der Anhörung vom 14.4.2005 selbst bekundet hat, seine Tätigkeit bestehe darin, die einzelnen Belege mit dem vorhandenen Programm zu verbuchen. Eine solche Verbuchung ist allerdings - wie bereits ausgeführt - auch dann bereits eine "Erstellung" der Voranmeldung, wenn der eigentliche Rechenvorgang der automatischen Datenverarbeitung überlassen bleibt, denn die Eingabe der Buchungsbeträge setzt ihrerseits eine wertende Entscheidung desjenigen voraus, der die Eingaben vornimmt. Dass der Beklagte die Eingaben nach exakten Vorgaben des Kunden nur noch mechanisch ausführt, ist nicht dargelegt worden, hätte aber dargelegt werden müssen, um die insoweit erhobene Behauptung zu entkräften. Dass der Beklagte gegen Entgelt tätig wird, also auch geschäftsmäßig im Sinne von § 2 StBerG handelt, ist nicht zu bezweifeln.

d) Ein Verstoß gegen § 5 StBerG ist auch ein Verstoß gegen eine Marktverhaltensregelung im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG, da das steuerberatungsgesetzliche Verbot eine Tätigkeit im Interesse des Beratung suchenden Publikums auf einen bestimmten Anbieterkreis beschränkt (Baumbach/Hefermehl/Köhler, § 4 UWG Rn 11.72).

e) In dem Umfang, in dem der Vorwurf der Erstellung von Umsatzsteuervoranmeldungen zugestanden wurde, liegt kein nur unerheblicher Verstoß (§ 3 UWG) vor. Zutreffend hat das Landgericht auf die durch das Verbot zu vermeidende Nachahmungsgefahr hingewiesen. In der Sache geht es dabei um die Ausgrenzung von Bagatellfällen. Ein solcher Fall kann nicht mehr angenommen werden, wenn - wie hier - der Beklagte grundsätzlich seine Berechtigung behauptet, die angegriffene Handlung vornehmen zu dürfen. Dann nämlich ist nicht mehr auszuschließen, dass das grundsätzliche Verbot der §§ 2, 5 StBerG durch eine Gruppe von Handlungen, mögen sie auch im Grenzbereich liegen, gänzlich ausgehöhlt wird. Auch eine solche Gefahr soll durch die Bagatellgrenze des § 3 UWG vermieden werden.

2. a) Der Unterlassungsantrag zu 2. in der durch den Hilfsantrag modifizierten Form ist begründet, weil der Beklagte die geschäftsmäßige Hilfe in Steuersachen in seiner Werbung angeboten hat und auch die Werbung für nach §§ 2, 5 StBerG verbotene Handlungen steuergesetzlich verboten ist (§ 8 Abs. 2 StBerG). Ein Verstoß gegen das Werbeverbot ist auch ein Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG, weil das Werbeverbot marktverhaltensregulierenden Charakter hat.

b) Die in dem Angebotsschreiben enthaltene Formulierung "Ausdrucken der UST-Voranmeldung" wird von dem angesprochenen Verkehr dahingehend verstanden, dass hierunter auch das Erstellen der Erklärung fällt. Es ist nicht zu beanstanden ist, dass das Landgericht diesbezüglich kein Verkehrsgutachten eingeholt hat. Zu Recht hat das Landgericht bereits darauf verwiesen, dass an der Entscheidung Handelsrichter mitgewirkt haben. Hinzu kommt, dass sich das Angebotsschreiben auch an Kleingewerbetreibende wie etwa eine Tischlerei richtete. Dieser Adressatenkreis ist regelmäßig an einer Komplettlösung interessiert, benötigt also genaue Aussagen darüber, ob eine Buchhaltung zu Zwecken der Umsatzsteuervorauszahlung nochmals mit einem Steuerberater abgesprochen werden muss. Bei diesen Adressaten kann zudem nicht vorausgesetzt werden, dass sie näher darüber informiert sind, welche gestaltenden Entscheidungen bereits bei der Umsatzsteuervoranmeldung getroffen werden können. In solchen Fällen darf sich daher der nicht zum einschlägigen Verkehrskreis gehörende Richter bereits auf die allgemeine Lebenserfahrung verlassen (BGH GRUR 2002, 77, 79). Danach aber muss damit gerechnet werden, dass der angesprochene Verkehr das inhaltlich nicht beschränkte Angebot nicht nur dahingehend versteht, dass lediglich ein mechanisches Buchen nach Vorgaben des selbst in steuerlichen Fragen oft nur mäßig erfahrenen Kleingewerbetreibenden oder Handwerkers angeboten wird. Verstanden wird das Angebot nach der Lebenserfahrung vielmehr als weitergehende Tätigkeit, die auch gestaltende Aspekte enthält. Will der Werbende diesen Eindruck vermeiden, so hat er eine entsprechende Einschränkung in seinem Angebot selbst zu formulieren. Das aber ist nicht geschehen.

c) Der Unterlassungsanspruch war zum Zeitpunkt der Klageeinreichung am 17.2.2005 noch nicht verjährt. Das wäre nur der Fall, wenn der Beklagte bewiesen hätte, dass das vorgelegte Angebotsschreiben der Klägerin nicht erst am 27.8.2004 zur Kenntnis gebracht wurde. Den Beweis dafür, dass eine frühere Kenntniserlangung vorlag, hat der Beklagte aber nicht erbracht. Zwar hat der Beklagte erstinstanzlich einen Herrn L zum Beweis der Tatsache benannt, dass die Klägerin bereits Mitte Juni 2004 Kenntnis von dem streitgegenständlichen Angebotsschreiben vom 25.5.2004 hatte. Doch hat der Beklagte nicht näher dargelegt, auf welche Weise diese Kundgabe stattgefunden haben soll. Der als Zeuge Benannte war nach Darlegung des Beklagten zwar Adressat des Angebotsschreibens. Daraus allein lässt sich aber nicht entnehmen, dass dieser Adressat das Schreiben auch an die Klägerin weitergeleitet hat. Zudem hat die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 22.6.2005 dargelegt, das betreffende Schreiben sei nicht an einen Herrn L, sondern an eine Tischlerei T gegangen und ihr von dort am 27.8.2004 per Telefax übermittelt worden. Hierzu hat das Landgericht eine schriftliche Aussage der Zeugin T2 eingeholt. Diese Aussage hat die Darlegung der Klägerin bestätigt. Der Wahrheitsgehalt dieser Aussage ist auch von der Beklagten nicht angegriffen worden. An die überzeugende Tatsachenfeststellung durch das Landgericht ist der Senat gemäß § 529 ZPO gebunden.

IV. Die Wiederholungsgefahr bezüglich beider Unterlassungsbegehren ist durch die Verletzungshandlungen indiziert. Im Falle des Herrn L hat der Beklagte sogar eingestanden, dass diesem Adressaten das Werbeschreiben zugestellt wurde. Ob dieses Schreiben nur oder auch an eine Tischlerei T ergangen ist, wie die Klägerin repliziert, ist insofern ohne Belang, denn jedenfalls steht fest, dass ein entsprechendes Angebotsschreiben mindestens einmal versandt wurde.

V. Der Unterlassungsanspruch ist auch dem Umfang nach zutreffend tenoriert. Entgegen der Auffassung des Beklagten wird ihm nicht auch diejenige Tätigkeit untersagt, die er nach § 6 StBerG vornehmen darf. Der Unterlassungstenor erfasst jeweils nur die "Erstellung" von Umsatzsteuervoranmeldungen, mithin nicht die bloße elektronische Datenübermittlung oder das bloße Verbuchen von Kontopositionen.

VI. Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 709 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 18.07.2006
Az: 4 U 17/06


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