Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 25. September 1992
Aktenzeichen: 6 U 29/92
(OLG Köln: Urteil v. 25.09.1992, Az.: 6 U 29/92)
1. Betriebliche Herkunftstäuschung durch die Gestaltung der Verpackung für Schokolinsen. 2. Jahrelange Präsenz eines wettbewerbswidrig gestalteten Produktes auf der Internationalen Süßwarenmesse allein begründet noch keinen beachtlichen Besitzstand, der den Verwirkungseinwand gegenüber einem Unterlassungsanspruch tragen könnte. Darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen ist vielmehr zusätzlich, in welcher Weise sich die Messepräsenz des betreffenden Produktes auf den geschäftlichen Erfolg des anbietenden Unternehmens, insbesondere auf seinen Umsatz, ausgewirkt hat. 3. Wird einem Wettbewerber generell untersagt, ein Produkt im Inland in einer Ausstattung auf den Markt zu bringen, die ihm im EG-Ausland erlaubt ist, ist dies mit Art. 30 EWGV vereinbart. Ein Verbot vermeidbarer Herkunftstäuschung entspringt zwingenden Erfordernissen des Verbraucherschutzes und der Lauterkeit des Handelsverkehrs. Ein solches allgemeines Verbot hindert den Anbieter grundsätzlich nicht, auf einer internationalen inländischen Messe in der beanstandeten Weise sein Produkt für ausländische Märkte zu präsentieren. Dabei ist es Sache des Anbieters, eine Angebots- bzw. Präsentationsform für den ausländischen Nachfrager zu finden, die außerhalb des Unterlassungsgebots liegt.
Tatbestand
Die Klägerin war Herstellerin von Süßwaren; seit dem 1. Januar
1989 hat sie ihr Unternehmen an die konzernverbundene N.
Deutschland AG verpachtet, auf die sich seitdem die Produktion
verlagert hat.
Zum Produktprogramm der Klägerin gehören unter anderem die seit
dem Jahre 1964 unter der Bezeichnung "s." auf den Markt gebrachten
Schokoladenlinsen mit buntem Zuckerüberzug. Seit 1965 werden "s."
in der charakteristischen weißgrundigen Rollenverpackung
vertrieben, auf der die Schokolinsen abgebildet sind. Diese Linsen
sind so angeordnet, daß der Eindruck entsteht, als seien sie
gestreut. Auf beiden Seiten der Rollenpackung befindet sich in
brauner Schrift die Bezeichnung "s.". Wegen der Einzelheiten der
Gestaltung der Rollenpackung wird auf die als Anlage A 2 zu der
Akte 31 O 47/91 LG Köln gereichten Produktmuster Bezug genommen.
Das Produkt "s." ist insbesondere für Kinder und Jugendliche
konzipiert. Die Gesamttonnage für die Jahre 1966 bis 1990 betrug im
Inland ca. 57.247 t, wobei die jährliche Tonnage von 1,037 t im
Jahr 1966 auf ca. 3,685 t im Jahre 1990 wuchs (dabei sind für das
letzte Jahr die Verkäufe in der ehemaligen DDR miterfaßt). An
"s."-Rollen wurden im Jahr 1990 ca. 2,825 t vertrieben, wovon ca.
1,459 t auf die 40 g-Rolle und ca. 1,386 t auf die 150 g-Rolle
entfielen.
Die in Italien ansässige Beklagte stellt ebenfalls farbige
Schokoladenlinsen her und vertreibt diese unter der Bezeichnung
"S." in Italien, und zwar unter anderem in der nachstehend in
Farbkopie wiedergegebenen Rollenpackung:
Ob die Beklagte "S." in dieser Rollenpackung auch in anderen
Ländern des EG-Marktes vertreibt, ist unter den Parteien streitig.
Die beanstandete "S."-Rollenpackung ist mit einer umlaufenden
Banderole versehen, auf der auf gelbem Untergrund bunte
Schokolinsen abgebildet sind. Die Warenbezeichnung erscheint in
brauner Schrift mit einem schmalen gelben Rand auf weißem Grund.
Die Rolle weist mit ca. 2,5 cm denselben Durchmesser wie die 40
g-"s. "-Rollenpackung auf; sie ist mit ca. 11,2 bis 11,4 cm etwas
kürzer als die ca. 13,5 cm lange 40 g-"s. "-Rolle. Wegen der
weiteren Einzelheiten der Gestaltung der angegriffenen "S."-Packung
wird auf die als Anlage A 7 der Akte 31 O 47/91 LG Köln
überreichten Original-"S."-Rollen Bezug genommen.
In dieser Ausstattung stellte die Beklagte das Produkt auf der
in der Zeit vom 3. bis zum 7. Februar 1991 stattfindenden
Süßwarenmesse in Köln aus und bewarb es im Messekatalog. Die
Klägerin erwirkte daraufhin gegen die Beklagte eine einstweilige
Verfügung (Az.: 31 O 47/91 LG Köln), welche dieser am 4. Februar
1991 zugestellt wurde.
Mit der vorliegenden Hauptsacheklage zum einstweiligen
Verfügungsverfahren 31 O 47/91 LG Köln verlangt die Klägerin von
der Beklagten hinsichtlich der beanstandeten "S."Rollenpackung
Unterlassung, Auskunft und - in der ersten Instanz auch noch -
Schadensersatzfeststellung.
Die Klägerin hat geltend gemacht, ihr - bzw. der N. Deutschland
AG - stehe aufgrund der überragenden Verkehrsbekanntheit der
"s."-Rollenverpackung ein Ausstattungsrecht gemäß § 25 WZG zu;
jedenfalls sei der Vertrieb des Produkts "S." in der beanstandeten
Aufmachung, die die "s."-Rollenverpackung nachahme, gemäß § 1 UWG
unzulässig.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel
zu verurteilen, es zu unterlassen, Schokolinsen mit der
Wortbezeichnung "S." in der Bundesrepublik Deutschland in
Rollenverpackungen entsprechend der nachstehend wiedergegebenen
Ausstattung feilzuhalten und/oder in Verkehr zu bringen, soweit die
Schokoladenlinsen in Rollen mit einer Länge von ca. 11,5 cm und
einem Durchmesser von ca. 2,5 cm und mit einer über die gesamte
Länge der Rolle gehenden, umlaufenden Banderole versehen sind, die
- von der Wortmarke abgesehen - auf hellem Untergrund willkürlich
und unregelmäßig gestreute verschiedenfarbene Linsen zeigen und
insbesondere, soweit die Packungen das folgende Aussehen haben:
2. die Beklagte ferner zu verurteilen, Auskunft darüber zu
erteilen, in welchem Umfang sie die gemäß Ziff. 1 zur Unterlassung
begehrten Handlungen begangen hat, insbesondere unter Angabe der
Umsätze und Werbemaßnahmen;
3. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihr - der
Klägerin - sämtlichen Schaden zu ersetzen, der ihr aus dem
unautorisierten Vertrieb von Schokoladenlinsen in der im Antrag zu
1) bezeichneten Verpackung durch die Beklagte entstanden ist und
noch entstehen wird.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Ansicht vertreten, durch die erlassene einstweilige
Verfügung habe die Klägerin im wesentlichen ihr Ziel erreicht.
Jedenfalls seien die geltend gemachten Annexansprüche unbegründet.
Die "S."-Produkte seien in der Bundesrepublik Deutschland weder
feilgehalten noch in den Verkehr gebracht oder beworben worden. Die
im Vorfeld der Kölner Süßwarenmesse vom Februar 1991
abgeschlossenen Verträge mit deutschen Abnehmern habe sie - die
Beklagte - nach Zustellung der einstweiligen Verfügung storniert
und den deutschen Abnehmern mitgeteilt, daß sie sich aus
Wettbewerbsgründen vom deutschen Markt zurückziehe. Im Gegensatz zu
ihr - der Beklagten - sei der Klägerin kein Schaden entstanden.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sachund
Streitstands wird auf den vorgetragenen Inhalt der vor dem
Landgericht gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen
verwiesen.
Durch Urteil vom 17. Dezember 1991 hat das Landgericht Köln der
Klage hinsichtlich des Klagebegehrens zu 1) unter Umformulierung
dieses Antrags ganz und hinsichtlich des Antrags zu 2) teilweise
stattgegeben und die Beklagte verurteilt,
1. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds bis zu 500.000,00 DM,
ersatzweise von Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer
von 6 Monaten zu unterlassen,
Schokoladenlinsen mit der Wortbezeichnung "S." in der
Bundesrepublik Deutschland in Rollenverpakkungen in der nachstehend
wiedergegebenen Ausstattung feilzuhalten und/oder in Verkehr zu
bringen:
2. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang
sie die unter Ziff. 1 bezeichneten Handlungen begangen hat,
insbesondere unter Angabe ihrer Werbemaßnahmen.
Im übrigen hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Das
Landgericht hat in der beanstandeten "S."-Packung eine gemäß § 1
UWG unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung
unlautere Nachahmung der "s. "-Rollenverpackung gesehen. Den
Auskunftsanspruch der Klägerin hat das Landgericht - soweit
zuerkannt - gemäß § 242 BGB in Verbindung mit § 1 UWG als begründet
erachtet. Wegen der Einzelheiten der Urteilsbegründung wird auf die
angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Gegen dieses ihr am 10. Januar 1992 zugestellte Urteil hat die
Beklagte am 10. Februar 1992 Berufung eingelegt und diese am 15.
April 1992 nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zu
diesem Tage rechtzeitig begründet.
Die Beklagte stellt mit ihrer Berufung das gesamte
erstinstanzliche Urteil zur Óberprüfung. Sie macht wie in der
ersten Instanz geltend, die angegriffene Verpakkungsform von "S."
sei keine gemäß § 1 UWG unzulässige Nachahmung der
"s."Rollenverpackung darstelle. Die sich gegenüberstehenden
Verpackungen unterschieden sich vielmehr in wesentlichen Details,
so zum Beispiel in der Länge der Rollenpackungen, in den Gewichten
des Packungsinhalts (40 g bei "s.", 28 g bei "S."), in dem Preis,
in der Gestaltung der Verschlüsse der Rollenpackungen sowie in der
textlichen und bildlichen Gestaltung der jeweils um die
Rollenpackungen angeordneten Banderolen. (Wegen der Einzelheiten
dieses Vortrags der Beklagten wird insbesondere auf Blatt 8 bis 11
der Berufungsbegründung vom 14. April 1992 - Blatt 84 bis 87 der
Akte - verwiesen). Angesichts dieser Unterschiede der Aufmachungen
könne von einer Verwechslungsgefahr bezüglich der Rollenpackungen
nicht ausgegangen werden, auch nicht bei dem relativ großen
Kundenkreis der Kinder bis 14 Jahre.
Darüber hinaus beruft sich die Beklagte gegenüber dem
Unterlassungsanspruch der Klägerin auf Verwirkung. Sie behauptet
hierzu, sie biete "S." bereits seit ca. 15 Jahren an, dabei stelle
sie dieses Produkt seit 1981 auf den Internationalen Süßwarenmessen
aus, unter anderem auch auf der Internationalen Süßwarenmesse in
Köln. In den Katalogen zu der Messe in Köln im Jahre 1989 und 1990
sei das Produkt "S." in der beanstandeten Rollen-Verpackung in
Anzeigen beworben worden. Bis zum Beginn der Internationalen
Süßwarenmesse in Köln im Jahre 1991 habe aber die Klägerin keine
Einwände gegen die nunmehr gerügte Verpackungsform oder deren
Bewerbung in den Anzeigen der Messekataloge erhoben. Die
Zulässigkeit des Vertriebs von "S." in dieser Rollenpackung sei
dabei nach ihrem - der Beklagten - Verständnis bereits in der am
31. Januar 1983 verkündeten Entscheidung des Amtsgerichts von
Ottaviano/Italien (A.Z.: 1/83) geklärt worden. In diesem von der
Klägerin eingeleiteten Rechtsstreit habe das Amtsgericht Ottaviano
- wie unter den Parteien unstreitig ist - den Vertrieb der
streitbefangenen Rollenpackung von "S." durch sie - die Beklagte -
als zulässig erachtet und den auf Untersagung dieses Vertriebs
gerichteten Antrag der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen. Da
aber die Klägerin in der Folgezeit keine Unterlassungsansprüche
bezüglich der Rollenpackung mehr erhoben habe, habe die Klägerin
aus ihrer - der Beklagten - Sicht die Entscheidung des Amtsgerichts
von Ottaviano akzeptiert. Erst 1991 habe die Klägerin überfallartig
im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens Unterlassung der
Rollenpackung begehrt.
Die Beklagte macht in diesem Zusammenhang weiterhin geltend,
ihre Vertriebstätigkeit sei seit jeher nicht auf Italien beschränkt
gewesen, wenn auch die Bundesrepublik Deutschland als
Vertriebsgebiet ausgeklammert gewesen sei. Da jedoch die Klägerin
bezüglich des Verkaufs von "S." in anderen Ländern Europas nicht
interveniert habe, sei sie - die Beklagte - auch aus diesem Grund
davon ausgegangen, daß die Klägerin nach der Entscheidung des
Amtsgerichts von Ottaviano grundsätzlich keine Einwände mehr gegen
den Vertrieb von "S." in der beanstandeten Rollenpackung erhebe.
Das Produkt "S." sei in den Gebieten des zukünftigen gemeinsamen
Marktes der EG mit Ausnahme der Bundesrepublik Deutschland bekannt.
Es sei ihr - der Beklagten - unzumutbar, das Produkt in der
Rollenpackung vom Markt zu nehmen, weil eine nennenswerte Nachfrage
nach dem Produkt in dieser Verpackungsform bestehe.
Die Beklagte ist darüber hinaus der Ansicht, das
Unterlassungsbegehren der Klägerin sei ebenfalls nicht aus § 25 WZG
begründet. Die von der Klägerin gewählte Ausstattung habe sich
nicht so im Verkehr durchgesetzt, daß sie zum Kennzeichen des
Geschäfts der Klägerin geworden sei. Zudem sei auch ein eventueller
Anspruch der Klägerin aus § 25 WZG verwirkt.
Schließlich wendet die Beklagte mit der Berufung ein, das
Landgericht habe Art. 30 EWGV nicht beachtet. Bestandteil des
freien Warenverkehrs im Sinne von Art. 30 EWGV sei auch der
Messebesuch und die Messewerbung. Aufgrund des in Art. 30 EWGV
normierten Verbotes der Beeinträchtigung des zwischenstaatlichen
Handels sei es dem bundesdeutschen Gesetzgeber untersagt, auf den
in der Bundesrepublik Deutschland stattfindenden internationalen
Messen Beschränkungen zu regeln, die das betreffende Unternehmen in
seinem Handel mit Teilnehmern des Marktes der übrigen
EGMitgliedsstaaten tangierten. Dementsprechend hätte das
Landgericht seine Entscheidungsfindung zumindest auf den deutschen
Markt beschränken müssen, wie in dem Berufungsantrag dargestellt.
Gegenwärtig "kollidiere" das angefochtene Urteil mit der
Entscheidung des Amtsgerichts von Ottaviano, denn nach dem Urteil
des Landgerichts sei es ihr - der Beklagten - untersagt, in
Deutschland auf internationalen Süßwarenmessen das Produkt "S."
Teilnehmern des italienischen Marktes anzubieten. Ein Großteil des
Umsatzes der Süßwarenproduzenten und Süßwarenverkäufer werde aber
durch die auf internationalen Süßwarenmessen getätigten
Vertragsabschlüsse bzw. als Folge der auf diesen Messen
durchgeführten Präsentationen der Produktpalette realisiert. Auch
sie - die Beklagte - erwirtschafte ihren Jahresumsatz zu einem
maßgeblichen Teil über die Messeausstellungen.
Hinsichtlich des vom Landgericht der Klägerin zuerkannten
Auskunftsanspruchs macht die Beklagte geltend, ein derartiger
Anspruch scheitere nicht nur daran, daß sie - die Beklagte - nicht
zur Unterlassung der beanstandeten Aufmachung verpflichtet sei,
sondern unter anderem auch daran, daß die Klägerin kein
berechtigtes Interesse an der begehrten Auskunft darlegen könne.
Das Landgericht habe zutreffend den Feststellungsantrag der
Klägerin als unbegründet abgewiesen. Da jedoch ein
Auskunftsanspruch lediglich der Vorbereitung eines
Schadensersatzanspruchs diene, sei unter diesem Gesichtspunkt auch
der Auskunftsanspruch unbegründet. Zudem hätte das Landgericht im
Hinblick auf Art. 30 EWGV die Auskunft auf Werbemaßnahmen und
Verkaufsverhandlungen mit Teilnehmern des deutschen Marktes
begrenzen müssen.
Wegen der Einzelheiten dieses Berufungsvorbringens der Beklagten
und wegen ihres weiteren Vortrags in der zweiten Instanz wird auf
die Schriftsätze der Beklagten vom 14. April 1992 und 17. Juni 1992
verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des am 17. Dezember 1991 verkündeten Urteils
des Landgerichts Köln - AZ. 31 O 348/91 - die Klage abzuweisen,
(zu I.1.) soweit sie - die Beklagte - verurteilt worden ist, bei
Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung
festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu DM 500.000,00,
ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft bis zur Dauer von 6
Monaten, zu unterlassen,
Schokoladenlinsen mit der Wortbezeichnung "S." auf den in der
Bundesrepublik Deutschland stattfindenden internationalen
Süßwarenmessen in der in dem Tenor des Urteils des Landgerichts
wiedergegebenen Ausstattung gegenüber Kunden bzw. Interessenten,
die bezüglich dieses Produkts nicht Teilnehmer des deutschen
Marktes sind und nicht Teilnehmer des deutschen Marktes werden
wollen, feilzuhalten und/oder in Verkehr zu bringen,
(zu I.2.) soweit sie - die Beklagte - verurteilt worden ist, der
Klägerin Auskunft zu erteilen, in welchem Umfang sie die unter
Ziff. I.1. des Urteils des Landgerichts bezeichneten Handlungen
begangen hat, insbesondere unter Angabe der Werbemaßnahmen,
hilfsweise ihr - der Beklagten - zu gestatten, die
Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung auch in Form einer
Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse abzuwenden.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung der Beklagten und Berufungsklägerin
zurückzuweisen;
hilfsweise - im Falle des vollständigen oder teilweise
Unterliegens - ihr - der Klägerin - und Berufungsbeklagten -
nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung,
die auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer deutschen
Großbank oder öffentlichen Sparkasse erbracht werden kann,
abzuwenden.
Die Klägerin wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen
Vortrag. Sie rügt zunächst das gesamte Berufungsvorbringen der
Beklagten als verspätet, soweit es nicht bereits in erster Instanz
vorgetragen worden ist. Im übrigen ist sie der Ansicht, das
Landgericht habe zutreffend das Unterlassungsbegehren gemäß § 1 UWG
als begründet erachtet. Die von der Beklagten herausgestellten
Unterschiede der "S."und "s."Rollenverpackungen seien nicht
geeignet, die Gefahr einer Verwechslung auszuschließen.
Die Tatbestandsmäßigkeit der beanstandeten Handlung der
Beklagten könne aber auch nicht im Hinblick auf deren übrigen
Vorbringen in Zweifel gezogen werden.
Daß die Beklagte "S." in der beanstandeten Ausstattung bereits
seit 1981 auf der Internationalen Süßwarenmesse in Köln ausgestellt
habe, werde bestritten. Von den Bewerbungen auf der ISM Köln in den
Jahren 1989 und 1990 habe sie - die Klägerin - keine Kenntnis
gehabt; ihr sowie der mit ihr konzernmäßig verbundenen N.
Deutschland AG sei bis zum Januar 1991, dem Zeitpunkt der Abmahnung
der Beklagten und des nachfolgenden Antrags auf Erlaß einer
einstweiligen Verfügung, auch unbekannt gewesen, daß die Beklagte
das Produkt "S." auf der Süßwarenmesse des Jahres 1991 ausstellen
und bewerben werde. Die Klageansprüche seien deshalb keineswegs
verwirkt. Die Beklagte habe aufgrund der Messeausstellungen bzw.
Katalogwerbungen weder entgegen den Interessen der Klägerin einen
schützenswerten Besitzstand erworben, noch seien objektive oder
subjektive Tatsachen gegeben, die für die Beklagte Anlaß hätten
sein können, gutgläubig darauf zu vertrauen, sie - die Klägerin -
werde die streitgegenständliche Verpackung im Wettbewerb auf dem
deutschen Markt dulden. Es habe ebenfalls kein Vertrauensschutz der
Beklagten im Hinblick auf das Anbieten an Verkehrsteilnehmer
bestanden, die nicht Teilnehmer des deutschen Marktes seien und
dies auch nicht werden wollten. Daran ändere auch eine Werbung in
den Katalogen zu den Süßwarenmessen der Jahre 1989 und 1990 nichts,
da ihr - der Klägerin - Verhalten im einstweiligen
Verfügungsverfahren im Februar 1991 angesichts der Kürze der
Bewerbung durch die Beklagte nicht gegen Treu und Glauben
verstoße.
Dem Urteil des Amtsgerichts Ottaviano/Italien komme für den
vorliegenden Rechtsstreit keine Präjudizwirkung zu. Zunächst könne
sich die Rechtskraftwirkung dieser Entscheidung allenfalls auf das
Territorium Italiens beziehen. Es könne auch keine Rede davon sein,
daß sie - die Klägerin - die Entscheidung des Amtsgerichts
Ottaviano in Italien oder anderswo akzeptiert habe. Die Beklagte
wisse, daß sie - die Klägerin - sich weiterhin gegen die
beanstandete Ausstattung der von der Beklagten hergestellten
"S."-Schokolinsen wie bisher mit allen prozessualen möglichen
Mitteln zur Wehr setze. Beispielhaft sei in diesem Zusammenhang auf
ein Gerichtsverfahren in Frankreich verwiesen, an dem unter anderem
auch sie - die Klägerin - beteiligt gewesen sei. Mit Urteil vom 25.
Januar 1990 habe der TRIBUNAL DE GRANDE INSTANCE DE PARIS (Anlage
BE 3 zur Berufungserwiderung der Klägerin) ihr hinsichtlich ihrer
wettbewerbsrechtlichen Ansprüche und ihres Ausstattungsschutzes
wegen der Verwendung nachgeahmter "s."Rollen durch die Beklagte in
diesem Verfahren, das Unternehmen M., Recht gegeben. Dieses Urteil
sei vom COUR D`APPEL DE PARIS mit Urteil vom 4. Oktober 1990
bestätigt worden (Anlage BE 2 zur Berufungserwiderung der
Klägerin). Durch diese Urteile werde auch die Behauptung der
Beklagten widerlegt, sie sei in den EG-Ländern mit Ausnahme der
Bundesrepublik Deutschland bekannt. Die durch dieses Urteil
konkretisierte Rechtslage in Frankreich stehe nämlich einem
Vertrieb der "S."-Rolle in diesem Land entgegen. Es könne daher
entgegen der unzutreffenden Behauptung der Beklagten keine Rede
davon sein, sie - die Klägerin - beziehe nunmehr einen Standpunkt,
den sie bereits seit Jahren aufgegeben habe.
Ihre - der Klägerin - Ansprüche seien entgegen der Meinung der
Beklagten aber auch nicht aus anderen Gründen verwirkt. Es werde
bestritten, daß die Beklagte das Produkt "S." in der
Rollenverpackung gegebenenfalls in anderen Ländern des EGMarktes in
unter Umständen ebenfalls wettbewerbswidriger Weise vertreibe. Dies
vermöge im übrigen auch den vorliegenden Rechtsstreit nicht zu
beeinflussen. Ihr - der Klägerin - gehe es in diesem Verfahren
weder darum, der Beklagten den Vertrieb in anderen europäischen
Ländern zu verbieten, noch entspreche ein derart weitreichendes
Verbot den hoheitlichen Befugnissen des mit der Sache befaßten
Gerichts.
Daß in anderen Ländern des zukünftigen gemeinsamen Marktes eine
nennenswerte Nachfrage nach dem Produkt "S." in der von der
Beklagten verwandten Rollenverpackung existiere, werde ebenfalls
bestritten.
Die Klägerin ist weiterhin der Ansicht, daß Art. 30 EWGV dem
Berufungsbegehren der Beklagten ebenfalls nicht zum Erfolg
verhelfen könne. Die Beklagte verkenne, daß die von ihr zitierte
Dassonville-Formel nicht einschränkungslos gelte. Art. 30 EWGV
bezwecke zwar die Sicherung des ungehinderten Warenverkehrs, nicht
aber auch die Beseitigung der grundsätzlichen Befugnis der
Mitgliedsstaaten, die im öffentlichen Interesse gebotenen und
gemeinschaftsrechtlich anerkannten Schutzziele selbständig zu
verfolgen. Einzelstaatliche Maßnahmen seien nach der
Cassisde-DijonEntscheidung des EuGH mit Blick auf Art. 36 EWGV als
Maßnahme gleicher Wirkung im Sinne von Art. 30 EWGV zulässig,
soweit die Maßnahmen und Bestimmungen notwendig seien, um
zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden, insbesondere den
Erfordernissen der Lauterkeit des Handelsverkehrs und des
Verbraucherschutzes. Die Beklagte sei auf der im Februar 1991 in
Köln abgehaltenen Internationalen Süßwarenmesse mit dem Ziel
angetreten, Händler und Verbraucher des gesamten EG-Marktes
anzusprechen. Sie habe außerdem Händler und Verbraucher aus
Nicht-EG-Ländern angesprochen, denn die ISM Köln sei eine
internationale Messe. Die angefochtene Entscheidung des
Landgerichts entspreche damit der Rechtslage und sei richtig
tenoriert.
Außerdem sei bereits die Ausstellung einer verwechslungsfähig
gekennzeichneten Ware auf einer internationalen Messe im Inland
grundsätzlich eine zeichenrechtlich relevante Benutzungshandlung,
auch wenn der Vertrieb der Ware im Inland nicht vorgesehen sei (BGH
GRUR 1990/361 f. "Kronenthaler"). Dies gelte auch im Rahmen des
hier einschlägigen § 1 UWG. Die Beklagte trage zudem nicht vor, daß
sie den Großteil ihres Umsatzes bezogen auf den europäischen Markt
außerhalb der Bundesrepublik Deutschland speziell als Folge der
Teilnahme an der Internationalen Süßwarenmesse in Köln realisiere.
Vorsorglich werde dies bestritten, ebenso daß dies gegebenenfalls
bei anderen im Ausland stattfindenden internationalen
Süßwarenmessen der Fall sei; dies wäre im übrigen zudem
unerheblich.
Die Klägerin stützt darüber hinaus auch in der zweiten Instanz
ihr Unterlassungsbegehren neben § 1 UWG ebenfalls auf § 25 WZG, da
sich die von ihr - der Klägerin - gewählte Ausstattung von "s." in
ihrer charakteristischen Art im Verkehr der Bundesrepublik
Deutschland durchgesetzt habe.
Hinsichtlich des Auskunftsanspruchs ist die Klägerin der
Ansicht, die angefochtene Entscheidung sei insoweit ebenfalls
zutreffend. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei ihr - der
Klägerin - erstinstanzlicher Schlußantrag zu Ziff. 2
(Auskunftsantrag) nicht mit dem Feststellungsantrag zu Ziff. 3
identisch gewesen. Der Feststellungsantrag sei lediglich auf den
durch den Vertrieb entstandenen oder entstehenden Schaden bezogen
gewesen, wohingegen der Auskunftsantrag einer weitergehenden
Schadensfeststellung dienen solle. Insoweit sei auch der
Auskunftsantrag zur Vorbereitung eines Schadensersatzanspruchs, der
gegebenenfalls in einem Nachfolgeprozeß im Wege der Leistungsklage
geltend zu machen wäre, geeignet.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Klägerin in der
zweiten Instanz wird auf deren Schriftsätze vom 11. Juni 1992 und
22. Juni 1992 verwiesen.
Sämtliche von den Parteien in beiden Instanzen überreichten
Anlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Weiterhin lag
die Akte 31 O 47/91 LG Köln vor und war Gegenstand der mündlichen
Verhandlung.
Gründe
Die zulässige Berufung der Beklagten bleibt in der Sache ohne
Erfolg.
Die Klägerin kann von der Beklagten gemäß §§ 1 UWG, 242 BGB
Unterlassung und Auskunft verlangen, wie in der angefochtenen
Entscheidung zuerkannt.
I.
1. Durch das Feilhalten und Inverkehrbringen von "S." in der
angegriffenen Ausstattung auf dem deutschen Markt verstößt die
Beklagte gegen § 1 UWG, denn diese Ausstattung stellt eine
Nachahmung der "s."-Rollenpackung dar, die unter dem Gesichtspunkt
der vermeidbaren Herkunftstäuschung unlauter ist. (Dabei sind sich
die Parteien darüber einig, daß Gegenstand des Unterlassungstenors
des Landgerichts wie schon im vorausgegangenen einstweiligen
Verfügungsverfahren die im Tatbestand dieses Urteils in Farbkopie
abgebildete und als Anlage A 7 zur Akte 31 O 47/91 LG Köln
überreichte Original"S."-Rollenpakkung in ihrer farbigen Gestaltung
ist.) Es kann deshalb auch in der Berufungsinstanz dahinstehen, ob
die Klägerin für die "s."-Rollenpackung Ausstattungsschutz gemäß §§
25, 31 WZG in Anspruch nehmen kann.
Die Nachahmung eines fremden Erzeugnisses ist gemäß § 1 UWG
grundsätzlich nur dann unzulässig, wenn besondere Umstände
hinzutreten, die die Nachahmung als sittenwidrig erscheinen lassen.
Solche Umstände sind aber vorliegend gegeben: Die "s."Rollenpackung
weist wettbewerbliche eigenartige Merkmale auf, mit denen der
angesprochene Verkehr Herkunftsvorstellungen verbindet; durch die
Nachahmung dieser Produktaufmachung seitens der Beklagten entstehen
bei den umworbenen Verkehrskreisen auch unrichtige Vorstellungen
über die betriebliche Herkunft der "S."-Rollenpackung, die die
Beklagte durch geeignete und zumutbare Maßnahmen hätte vermeiden
können (vgl. zu den Voraussetzungen der betrieblichen
Herkunftstäuschung Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 16. Aufl.,
§ 1 UWG Rdnr. 450 m.w.N.). Dies können die Mitglieder des Senats
als Teil der von den sich gegenüberstehenden Produkten der Parteien
angesprochenen Endverbraucher aus eigener Sachkunde und Erfahrung
beurteilen.
Wettbewerbliche Eigenart eines Gegenstands ist unter anderem
dann zu bejahen, wenn seine konkrete Ausgestaltung oder bestimmte
Merkmale geeignet sind, für die interessierten Verkehrskreise auf
die betriebliche Herkunft hinzuweisen (vgl. von Gamm,
Wettbewerbsrecht, 5. Aufl., Kap. 21 Rdnr. 10 m.w.N.). Dabei ist
ohne Bedeutung, ob es um die Gestaltung der Ware selbst oder - wie
im Streitfall - um deren Verpackung geht, denn gerade die
Verpackung einer Ware kann nach Form, Farbe und grafischer
Gestaltung geeignet sein, im Verkehr als Hinweis auf die Herkunft
einer Ware zu dienen (BGH GRUR 1969/541, 543 "grüne
Vierkantflasche"). Die Aufmachung der "s. "-Rollenpackung ist
jedoch in dieser Weise geeignet, als betrieblicher Herkunftshinweis
zu dienen. Ihre wettbewerbliche Eigenart wird allerdings nicht
durch ein einzelnes Element begründet, sondern liegt in der
Kombination von Merkmalen, die der Ausstattung in ihrer
Gesamtwirkung eine ausreichend einprägsame Besonderheit gegenüber
den vergleichbaren Konkurrenzprodukten verleihen.
Der Gesamteindruck der in Rede stehenden Aufmachung von "s."
wird einmal durch die Rollenform der Verpackung geprägt, und zwar
nicht nur durch die Rolle an sich, sondern auch durch deren
besondere Ausgestaltung, nämlich als eine (aufgrund ihres geringen
Durchmessers zur Länge - bei der 40 g-"s."-Rolle ca. 2,5 cm zu 13,5
cm) schmal und handlich wirkende Rolle. Weiterhin wird die von der
"s."-Rollenpackung ausgehende Gesamtwirkung beeinflußt von den auf
der Rolle abgebildeten Schokolinsen, die unregelmäßig über die
Rolle verteilt (gestreut) sind und sich deutlich als einzelne
Linsen von dem hellen Untergrund der Rolle abheben.
Charakteristisch für die Ausstattung sind darüber hinaus die Farben
der Linsen sowie die Gestaltung der Produktbezeichnung "s." in
großen, zum hellen Untergrund kontrastierenden braunen Buchstaben,
wobei der Produktname in Längsrichtung auf der Rolle angebracht
ist.
Auf dem deutschen Markt befinden sich zwar außer den
Erzeugnissen der Parteien auch Schokolinsen-Produkte anderer
Anbieter, wie zum Beispiel m & m's der Firma M., "Bunte Linsen"
der Firma L. sowie die Schokolinsen der Firma van N.. Unstreitig
gab und gibt es jedoch bis auf das beanstandete Produkt der
Beklagten kein vergleichbares Erzeugnis, dessen Ausstattung in
dieser Kombination ähnliche Gestaltungsmerkmale wie die "s.
"-Rollenpackung aufweist, so daß dahinstehen kann, ob man als
Zeitpunkt des Marktzutritts der Beklagten das Jahr 1981 nimmt, in
dem sie nach ihrer bestrittenen Behauptung erstmals auf der Kölner
Süßwarenmesse ausgestellt haben will, oder auf den Januar 1991
abstellt, den Zeitpunkt der Abmahnung der Beklagten durch die
Klägerin. Die Aufmachungen der Konkurrenzprodukte waren und sind
vielmehr völlig anders gestaltet, wie auch von der Beklagten nicht
in Zweifel gezogen wird. Insbesondere gibt es kein
Konkurrenzprodukt, das wie "s." in einer Rollenpackung, geschweige
denn in einer derartig schmal und handlich wirkenden Rolle wie "s."
angeboten wird. Zu Recht hat daher das Landgericht die "s.
"-Rollenpackung in ihrer besonderen Gestaltung als einzigartig
bezeichnet.
Es kann dahinstehen, ob die der "s."-Rollenpackung danach von
Hause aus zukommende wettbewerbliche Eigenart allenfalls schwach
ist. Die Eigenart und Kennzeichnungskraft dieser Produktausstattung
ist jedenfalls dadurch gefördert und gestärkt worden, daß sich "s."
seit über 25 Jahren in derselben - noch dazu einzigartigen -
Ausstattung auf dem Markt befindet, das Produkt bis heute
unstreitig intensiv beworben wird (vgl. dazu den unbestrittenen
Vortrag der Klägerin in dem Verfügungsantrag, Blatt 12 der Akten)
und mit ihm die im Tatbestand dieses Urteils angeführten
erheblichen Verkaufszahlen erzielt wurden, wobei der weitaus
überwiegende Teil auf die charakteristische Rollenpackung entfällt.
Die Ausstattung der "s."-Rolle hat heute daher jedenfalls
durchschnittliche Kennzeichnungskraft.
Die beanstandete Aufmachung von "S." stimmt jedoch mit der
Aufmachung der "s."-Rolle, und zwar insbesondere mit der 40 gRolle,
nach dem Gesamteindruck der Verpackungen derart überein, daß die
Gefahr von Verwechslungen besteht.
Die streitbefangene "S."-Verpackung weist sämtliche Merkmale
auf, die die Ausstattung der "s."-Rolle kennzeichnen und in ihrer
Gesamtwirkung bei den Endverbrauchern betriebliche
Herkunftsvorstellungen auslösen. So hat sie zunächst ebenfalls die
Form einer festen Rolle, die wie die "s."-Rolle aufgrund des
Verhältnisses ihres (mit der 40 g-"s."-Rolle gemeinsamen)
Durchmessers von ca. 2,5 cm zur Rollenlänge schmal und handlich
wirkt. Auch sind auf der um die Rolle verlaufenden Banderole bunte
Schokolinsen "ungeordnet" abgebildet, wobei die einzelnen Linsen
vor dem hellen Hintergrund deutlich erkennbar sind (wenn auch
dieser Hintergrund bei den "S."-Linsen eine andere Farbe als bei
"samrties" hat). Óbereinstimmung besteht ferner im wesentlichen -
zumal bei flüchtiger Betrachtungsweise - bei den Farben der
abgebildeten Linsen und der Art und Weise der Produktkennzeichnung
mit "S.", nämlich wie bei "s." in großen, braunen, zum hellen
Untergrund kontrastierenden und in Längsrichtung auf der Rolle
angebrachten Buchstaben.
Zwar gibt es daneben auch Unterschiede in der Gestaltung der
Ausstattungen. So ist der Grundton der "S."-Packung bei den
Linsenabbildungen gelb und nur bei der Produktbezeichnung weiß,
während die "s."-Rolle insgesamt einen weißen Hintergrund hat. Der
Warenname "S." ist auch in einem etwas dunkleren Braun als die
Bezeichnung "s." gehalten, die Buchstaben sind zudem mit einem
schmalen gelben Rand versehen, weiterhin ist die Produktbezeichnung
durch ihren weißen Hintergrund mit der dunkelbraunen Umrandung von
der Banderole labelartig hervorgehoben. Darüber hinaus sind die
Linsen bei der "S."Rolle etwas anders angeordnet, nämlich flächiger
als bei den teilweise in Schrägstellung abgebildeten "s."-Linsen,
ohne daß die "S."-Linsen dabei allerdings deutlich größer als die
"s."Linsen wirken, wie die Beklagte meint. Die "S."-Rolle ist auch
lediglich ca. 11,2 bis 11,4 cm lang mit nur 28 g Füllgewicht
gegenüber der Länge von ca. 13,5 cm der 40 g-"s."-Rolle. Hinzu
kommen die von der Beklagten in der Berufungsbegründungsschrift
angeführten Abweichungen bei der Gestaltung der Verschlüsse der
Rollenpackungen. Unterschiedlich sind schließlich ebenfalls die
Produktzeichnungen der sich gegenüberstehenden Erzeugnisse.
Diese Unterschiede sind jedoch ohne Einfluß darauf, daß die
Produktaufmachungen nach ihrem maßgeblichen Gesamteindruck aus der
Sicht der Endverbraucher übereinstimmen. Die Gefahr von
Verwechslungen der Produkte vermögen sie nicht auszuschalten, denn
sie werden entweder bei flüchtiger Betrachtungsweise nicht
wahrgenommen oder aber zwanglos damit erklärt, daß es sich bei "S."
in der beanstandeten Aufmachung angesichts der großen
Óbereinstimmung mit der "s."-Rollenpackung um eine Zweitmarke von
"s." handelt oder zumindest geschäftliche oder organisatorische
Beziehungen zwischen den Herstellern beider Produkte bestehen.
Dabei kann dahinstehen, ob und ab welchem Alter Kinder und
Jugendliche, an die sich die "s."-Werbung besonders wendet,
derartigen unrichtigen Vorstellungen hinsichtlich der "S."Rolle
unterliegen. Eine Verwechslungsgefahr im dargelegten unmittelbaren
oder mittelbaren Sinn besteht jedenfalls bei den erwachsenen
Endverbrauchern, die "s." entweder selbst verzehren oder aber die
Kinder und Jugendlichen als Eltern, Verwandte oder Besucher eine
Süßigkeit mitbringen möchten, welche sie bei den Kindern und
Jugendlichen bereits gesehen haben oder die sie aufgrund der
Werbung in den Printmedien und im Fernsehen als besonders für diese
Altersgruppe konzipierte Süßigkeit kennen und von der sie
dementsprechend vermuten, daß sie als Mitbringsel willkommen ist.
Bei diesen Gruppen der erwachsenen Endverbraucher ist aber die
Gefahr der unmittelbaren oder zumindest mittelbaren Verwechslung
der sich gegenüberstehenden Produkte erheblich.
Die große Óbereinstimmung der Aufmachungen beider Produkte nach
ihrem Gesamteindruck begründet zunächst die Gefahr, daß diese
Verbraucher die "S."-Rolle für die 40g-"s."-Rolle halten. Dies gilt
insbesondere dann, wenn man berücksichtigt, daß derartige
geringwertige Süßigkeiten häufig nicht erst nach reiflichem
Óberlegen und Prüfen der Ware, sondern beim Vorbeigehen an den
Regalen der Kaufhäuser und Supermärkte nach nur flüchtiger
Betrachtung der Produkte erstanden werden bzw. kurz vor dem
eigentlichen Abrechnungsvorgang bei der Kasse dieser Geschäfte aus
den unmittelbar vor der Kasse stehenden Verkaufsboxen nach raschem
Entschluß noch schnell in den Einkaufswagen oder auf das Laufband
zur Kasse gelegt werden.
Präsentiert sich die "S."-Rolle dem Verbraucher liegend in einem
Display-Karton, wie dies unstreitig häufig bei derartigen
Süßigkeiten geschieht (und wie auch die Werbeanzeigen der Beklagten
für die "S."-Rolle in den Katalogen zur ISM 1989 bis 1991 zeigen),
sind die Rollen nicht stets mit dem Produktnamen zum Kunden
ausgerichtet, zumal sich die Rollen bei Entnahme eines Produkts
jeweils etwas bewegen werden. Entsprechendes gilt auch dann, wenn
die Rollen in einem Karton stehend angeboten werden. Verdreht man
aber die "S."-Rolle leicht nach links oder rechts, ist der
Produktname nicht mehr zu erkennen (was im übrigen ebenfalls auf
die "samrties"-Rolle zutrifft). Man sieht vielmehr nur eine Rolle,
die ebenso schmal und auch in etwa so lang wie die 40 g-"s."-Rolle
ist und bei der ebenfalls bunte Schokolinsen über die ganze Fläche
der Banderole unregelmäßig gestreut sind, wobei die Farbe dieser
Linsen mit den Linsenfarben von "s." insbesondere bei flüchtiger
Betrachtungsweise korrespondieren. Daß der durch die Linsen kaum
sichtbare Untergrund bei "S." eine andere Farbe als bei der
"s."-Rolle hat und sich auch die Anordnung der Linsen etwas
unterscheidet, die "S."-Rolle zudem ca. 2 cm kürzer als die
"s."-Rolle ist und ein geringeres Gewicht hat, fällt dem
Interessenten - vor allem bei flüchtiger Betrachtungsweise und der
oben geschilderten Einkaufssituation - nicht auf, insbesondere
nicht den Verbrauchern, die "s." nur ab und zu verzehren oder die
"s."-Rollen lediglich aus der Werbung kennen bzw. nur bei ihren
Kindern gesehen haben.
Die von der Beklagten angeführten Unterschiede bei der
Gestaltung des Deckels, mit der die Rolle geöffnet und verschlossen
wird, werden von diesen Endverbrauchern ebenfalls nicht bemerkt.
Zum einen sind diese Unterschiede der Deckel, wenn die Rollen im
Karton liegen, nicht erkennbar. Zum andern fallen aber diese
Unterschiede selbst dann nicht auf, wenn die Rollen stehend - mit
dem Deckel nach oben - angeboten werden. Unstreitig ist nämlich der
"s."-Deckel in unterschiedlichen Farben gehalten und kann daher aus
der Sicht des Verbrauchers ohne weiteres auch weiß sein, wie dies
bei der "S."Rollenpackung der Fall ist. Die anderen Details, in
denen sich der Verschluß der "S."-Rolle von dem Deckel der
"s."-Rolle unterscheidet (nach der Schilderung der Beklagten hat
der Deckel bei "s." die Form eines nach außen konkaven
"Schüsselchens" mit perimetralen Lippchen und einem vorstehenden
Zünglein zum Hochschieben, während der Deckel bei der "S."-Rolle
außen diskoidal, d.h. ohne schüsselförmige Niederung in der Form
eines nach innen gewölbten Verschlusses ohne ein vorstehendes
Zünglein gestaltet ist; darüber hinaus weist der Deckel bei "S."
die in weißer Farbe gehaltene reliefartige Aufschrift "C. S.N.C."
auf) fallen bei Draufsicht auf die liegende Rolle ohnehin nicht auf
und sind selbst dann, wenn die Rolle stehend präsentiert wird, so
marginal, daß sie bei flüchtiger Betrachtung nicht ins Auge fallen.
Diese wie alle anderen zuvor genannten Unterschiede werden vielmehr
allenfalls dann bemerkt, wenn beide Produkte unmittelbar
nebeneinander angeboten werden und der Verbraucher Gelegenheit zum
Vergleich hat. Eine solche Situation kann aber in den Kaufhäusern
und Supermärkten regelmäßig nicht vorausgesetzt werden.
Eine Verwechslungsgefahr besteht jedoch auch dann, wenn der
"erwachsene" Endverbraucher den Produktnamen "S." liest und dadurch
erkennt, daß es sich dabei nicht um "s." handelt.
Die oben geschilderte große Óbereinstimmung der sich
gegenüberstehenden Produktaufmachungen nach ihrer Gesamtwirkung
grenzt beide Ausstattungen deutlich von den vergleichbaren
Produkten der übrigen Wettbewerber ab und stellt bei flüchtiger wie
bei aufmerksamer Betrachtungsweise eine unübersehbare Gemeinschaft
("Verwandtschaft") zwischen der "S."und der "s."Rollenpackung her.
Zusätzlich finden sich selbst bei der Gestaltung der als solche
nicht verwechslungsfähigen Produktnamen noch Gemeinsamkeiten der
beiden Produktausstattungen. Wie die Bezeichnung "s." ist "S."
ebenfalls in dunkelbrauner Schrift vor weißem Hintergrund gehalten
und in Längsrichtung auf der Rolle angebracht. Der schmale gelbe
Rand um die Buchstaben von "S." vermag - auch wenn er bemerkt
werden sollte - daran nichts zu ändern, sondern trägt allenfalls
dazu bei, daß das gegenüber der "s."-Beschriftung eigentlich
dunklere Braun der "S."-Buchstaben heller wirkt und sich auf diese
Weise stärker dem Schokoladenbraun der "s."Buchstaben nähert. Beide
Produktbezeichnungen haben sogar denselben Anfangsbuchstaben, ohne
daß es aber hierauf ankommt. Nach alledem nähert sich die
Ausstattung der "S."-Rollenpackung der Aufmachung der 40
g-"s."-Rollenpackung derart, daß die Verbraucher, die den
Produktnamen "S." sehen, in diesem Produkt entweder eine Zweitmarke
von "s." vermuten oder die frappierenden Óbereinstimmungen der
beiden Aufmachungen jedenfalls mit wirtschaftlichen oder
organisatorischen Beziehungen der Parteien erklären und hierauf
zwanglos auch die von ihnen eventuell bemerkten sonstigen
Abweichungen der beiden Produktaufmachungen, wie insbesondere die
unterschiedliche Länge der Rollen einschließlich des
unterschiedlichen Gewichts und Preises sowie des anderen
Herstellernamens, zurückführen.
Der Senat hat daher keine Zweifel, daß zumindest ein nicht
unbeachtlicher Teil der erwachsenen Endverbraucher der Gefahr der
Verwechslung der sich gegenüberstehenden Produkte - sei es im
unmittelbaren oder mittelbaren Sinne - unterliegt.
Vergeblich macht die Beklagte hiergegen geltend, in der sehr
vielfältigen Palette der Süßwarenprodukte, deren Verpackungen
häufig lediglich in Nuancen abwichen, könne eine Vielzahl der
Produkte wie z.B. Schokoladentafeln und Schokoladenriegeln
lediglich anhand des Namens identifiziert werden. Die von der
Beklagten behauptete Situation trifft jedenfalls nicht für den hier
maßgeblichen Bereich der Schokolinsen und die "s."Rollenpackung zu,
denn die "s."-Rollenpackung weist - wie bereits ausgeführt - eine
wettbewerblich eigenartige - einzigartige - Gestaltung auf, mit
denen der angesprochene Verkehr Herkunftsvorstellungen verbindet
und die die "s."Rollenverpackung deutlich von den völlig anders
gestalteten Aufmachungen der konkurrierenden
Schokolinsenerzeugnisse unterscheidet. Eine die in Rede stehende
"s."-Verpackung nachahmende Ausstattung wie das beanstandete
Erzeugnis der Beklagten kann deshalb trotz anderslautender
Produktbezeichnung und selbst bei Lesen dieser Bezeichnung die
aufgezeigten Fehlvorstellungen über die betriebliche Herkunft
dieses Produkts hervorrufen.
Das von der Beklagten in der Berufungsinstanz vorgelegte
Gutachten des Sachverständigen Dr. M. vom 19.01.1983 (Anlage BB 3
und 4 zur Berufungsbegründung der Beklagten) steht der
festgestellten Verwechslungsgefahr ebenfalls nicht entgegen.
Unabhängig davon, daß es sich dabei ausweislich der
Eingangsbemerkungen des Gutachtens ersichtlich um eine von der
Beklagten im Rechtsstreit mit der Klägerin vor dem Amtsgericht
Ottaviano/Italien in Auftrag gegebene Begutachtung handelt, gilt
dies bereits deshalb, weil der Sachverständige M. in dem Gutachten
über die Verwechslungsgefahr befindet, die als Rechtsfrage nach
deutschem Recht einem Sachverständigenbeweis nicht zugänglich
ist.
Das Gutachten M. überzeugt darüber hinaus aus anderen Gründen
nicht: Der Sachverständige führt darin zwar ausführlich an, in
welchen Details sich die gegenüberstehenden Ausstattungen der
"S."und der "s."-Rollenpackung unterscheiden, und beschäftigt sich
mit der Frage, ob die einzelnen Ausstattungsmerkmale technisch
notwendig oder zumindest im Hinblick auf das zu verpackende
Erzeugnis zweckmäßig sind. Die von den Ausstattungen ausgehende
ästhetische Gesamtwirkung und die dabei gegebenen erheblichen
Gemeinsamkeiten der Produktaufmachungen werden jedoch völlig
vernachlässigt. Insbesondere bleibt auch unberücksichtigt, daß der
Endverbraucher bei Produkten - zumal bei flüchtiger
Betrachtungsweise - regelmäßig zunächst die ihm von einem anderen
Produkt bereits bekannten Merkmale registriert und sich daran und
nicht an den Unterschieden orientiert, es sei denn, diese
Unterschiede sind unübersehbar und führen zu einer anderen
Gesamtwirkung der Produkte. Die beanstandete "S."Rollenpackung
weist aber gerade die charakteristischen Merkmale der "s.
"-Rollenpackung auf, so daß die Aufmachungen nach ihrer
Gesamtwirkung verwechselbar sind, während die Unterschiede der
Ausstattungen entweder vom flüchtigen durchschnittlichen
Verbraucher nicht wahrgenommen werden oder sich jedenfalls ohne
weiteres aus dem Gesichtspunkt der Zweitmarke bzw. der
geschäftlichen oder organisatorischen Beziehungen zwischen den
Herstellern dieser Produkte erklären lassen und deshalb nicht
geeignet sind, die Verwechslungsgefahr auszuräumen.
OLG Köln:
Urteil v. 25.09.1992
Az: 6 U 29/92
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/028378d4c096/OLG-Koeln_Urteil_vom_25-September-1992_Az_6-U-29-92