Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 20. Februar 2008
Aktenzeichen: 41 O 54/06
(LG Düsseldorf: Urteil v. 20.02.2008, Az.: 41 O 54/06)
Tenor
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Die Nebeninterventionen der Nebenintervenientin zu 2) auf Seiten des Klägers wird zugelassen.
III.
Die Nebenintervention des Nebenintervenienten zu 3) auf Seiten der Beklagten und der Intervenientin zu 1) auf Seiten des Klägers werden nicht zugelassen.
IV.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.
V.
Die Nebenintervenienten zu 1), 2) und 3) tragen die durch ihre Nebenintervention verursachten Kosten selbst.
VI.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Mit seiner Anfechtungsklage wendet sich der Kläger gegen die Entlastung des Vorstandes der Beklagten in deren Hauptversammlung vom 18.05.2006.
Der Kläger, der nach 23-jähriger Tätigkeit bei der Beklagten 1994 als Mitglied der Generaldirektion der UHolding AG Baar/Schweiz ausschied, hält seit längerer Zeit 3.400 auf den Inhaber lautende Stammaktien der Beklagten. In dem Verfahren der Kammer 41 O 122/03 erhob er erfolglos Anfechtungsklage gegen die auf der Hauptversammlung der Beklagten vom 22.05.2003 beschlossene Entlastung des Vorstandes, wobei es in jenem Verfahren zentral auch auf den sogenannten A ging, dessentwegen auf die Seiten 4, 17 bis 28 und 33 des inzwischen rechtskräftigen Urteils der Kammer vom O Bezug genommen wird.
Die Beklagte veröffentlichte am 22.01.2004 im Zusammenhang mit dem A und dem Bekleidungsunternehmen B folgende Pressemitteilung:
Die Beendigung der C der Beklagten gemäß dieser Pressemitteilung war auch Gegenstand von Erörterungen in der Hauptversammlung der Beklagten des Jahres 2004, deren Vorstandsentlastung vom Kläger nicht angefochten wurde.
Ein die Vorstandsentlastung der Beklagten im Jahre 2005 betreffendes Anfechtungsverfahren ist bei der Kammer nicht anhängig geworden.
In der streitgegenständlichen Hauptversammlung vom 18.05.2006 war der Kläger mit 5.347 Stammaktien vertreten, nämlich 3.198 Stück für die Stimmkarte Nr. 1860, 199 Stück für die Stimmkarte Nr. 2836 und 1950 Stück für die Stimmkarte Nr. 3460. Mit der Stimmkarte Nr. 2836 nahm der Prozessbevollmächtigte des Klägers Professor Dr. Voges als Vertreter des Klägers an der Hauptversammlung teil. Der Kläger meldete sich mehrfach zu Wort und stellte Anträge. Sein Antrag, dem Vorstand keine Entlastung für das Geschäftsjahr 2005 zu erteilen, wurde abgelehnt. Bei einer Präsenz von 235.264.388 Stimmen entschieden sich 235.167.552 Berechtigte für die Entlastung des Vorstandes, 14.795 stimmten mit Nein und 82.041 enthielten sich der Stimme. Den Antrag des Klägers, den €Komplex B€ einer Sonderprüfung zu unterziehen, lehnte die Hauptversammlung mit einer Mehrheit von 214.734.548 Stimmen ab. Der Kläger legte Widerspruch zu notariellem Protokoll ein.
Der Kläger erhebt mit seiner jetzigen Klage im Wesentlichen folgende Vorwürfe gegen die Beklagte, deretwegen deren Vorstand seiner Auffassung nach nicht hätte entlastet werden dürfen:
Die Pflichtdokumente nach § 175 Aktiengesetz hätten im Original (und nicht wie geschehen in Abschrift) ausgelegt werden müssen. Er sei bei Anbringung seiner Gegenanträge, auch im Aktionärsforum, behindert worden und seine Gegenanträge seien nicht korrekt veröffentlicht worden. Die Präsenz von Mehrheitsaktionären sei wegen fortdauernder Verletzung von Meldepflichten nach dem Wertpapierhandelsgesetz fehlerhaft festgestellt worden. Der Vorstand habe pflichtwidrig daran mitgewirkt, dass nicht stimmberechtigte Aktien an der Hauptversammlung beteiligt gewesen seien. Der Vorstand habe es auch unterlassen, zu Unrecht an Mehrheitsgesellschafter gezahlte Dividenden in den Jahren 2001 bis 2005 einzufordern. Aufgrund dieser Unterlassung sei es zu einem falschen Jahresabschluss gekommen.
Der Vorstand habe in Sachen C zum Nachteil der Gesellschaft gehandelt und in der Hauptversammlung vom 18.05.2006 den Aktionären falsche Auskünfte erteilt. Außerdem habe er auch in Sachen E zum Nachteil der Gesellschaft gehandelt und ebenfalls falsche Auskünfte in der Hauptversammlung erteilt. Eine weitere Pflichtverletzung des Vorstandes liege darin, dass er es unterlassen habe, eine adhoc-Mitteilung zum Ausgang des Vorprozesses zu veröffentlichen. Der Vorstand hätte mitteilen müssen, dass nach dem Urteil der Kammer vom O der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 22.05.2003 zu TOP 5 für nichtig erklärt worden sei, mit dem die Hauptversammlung der Beklagten die F zum Abschlussprüfer der Gesellschaft für das Geschäftsjahr 2003 gewählt habe. Auch hätte mitgeteilt werden müssen, dass damit ein wirksam testierter Abschluss nicht vorgelegen habe.
Der Kläger beantragt,
den Beschluss der ordentlichen Hauptversammlung der Beklagten vom 18.05.2006, mit dem die Hauptversammlung der Beklagten dem Vorstand Entlastung erteilt, für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
Die Beklagte hält die Klage für verfristet € weil ihrer Ansicht nach zu spät zugestellt € und tritt in der Sache selbst allen Vorwürfen des Klägers umfassend entgegen. Sie sieht sich als Opfer einer seit Jahren andauernden Kampagne des Klägers, dessen Ziel es sei, sie und ihren Vorstand öffentlich in Misskredit zu bringen.
Die Nebenintervenienten zu 1) und 2) schließen sich dem Antrag des Klägers an.
Der Nebenintervenient zu 3) ist in der mündlichen Verhandlung unentschuldigt nicht erschienen.
Die Beklagte beantragt,
sämtliche Nebeninterventionen nicht zuzulassen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der wechselseitigen Schriftsätze und die zur Akte gereichten Unterlagen Bezug genommen.
Die Akte des Verfahren 41 O 122/03 Landgericht Düsseldorf lag vor und war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Gründe
A.
Die Klage ist zulässig.
Der Kläger hat als Aktionär der Beklagten an der Hauptversammlung teilgenommen und Widerspruch gegen den angefochtenen Beschluss eingelegt (§ 245 Nr. 1 AktG). Die Kammer hat auch keine Bedenken anzunehmen, dass der Kläger die Aktien, mit denen er auf der Hauptversammlung vertreten war, bereits vor Bekanntmachung der Tagesordnung erworben hatte (Vgl. § 245 Nr. 1 AktG in der hier anwendbaren Neufassung durch das UMAG vom 22.9.2005 BGBl. I S. 2802). Für eine zwischenzeitliche Veräußerung seiner Aktien fehlt jeder Anhalt.
Die am O per Telefax eingegangene und der Beklagten am O zugestellte Klage ist auch rechtzeitig innerhalb der einmonatigen Anfechtungsfrist des § 246 Abs 1 AktG erhoben worden. Die Zustellung hat Rückwirkung nach § 167 ZPO entfaltet, denn sie erfolgte "demnächst" im Sinne der Norm. Die Verzögerung der Zustellung beruhte nicht auf einem nachlässigen Verhalten des Klägers. Der Kläger hat die mit Kostenrechnung vom O angeforderten Gebühren am O unverzüglich eingezahlt. Das Unterbleiben einer früheren Gebühreneinzahlung gereicht dem Kläger nicht zum Nachteil, denn der Kläger konnte bei Einreichung seiner Klage noch nicht wissen, wie das Gericht den Streitwert bemessen würde. Der Kläger hatte mit der Klage um Festsetzung des Streitwertes gebeten, die am 5.7.2006 erfolgte. Dass er zunächst von sich aus keine Angaben zu dem nach § 247 AktG festzusetzenden Streitwert gemacht hat, gereicht ihm ebenfalls nicht zum Nachteil.
B.
In der Sache selbst bleibt die Klage aber ohne Erfolg, denn es kann auf der Grundlage des Klagevortrages nicht festgestellt werden, dass der Beschluss der
Hauptversammlung der Beklagten über die Entlastung des Vorstandes wegen Verletzung des Gesetzes oder der Satzung anfechtbar ist, § 243 AktG.
I.
Eine Verletzung der Vorlage der Pflichtdokumente nach §§ 176 Abs. 1, 175 Abs. 2 AktG ist nicht gegeben, denn aus diesen Vorschriften kann eine Pflicht zur Auslage der Originaldokumente nicht abgeleitet werden. Die Auslage von Abschriften ist ausreichend. Sie begegnet dem Risiko eines Abhandenkommens der Originalunterlagen. Nur über die Auslage von Abschriften kann auch sichergestellt werden, dass mehrere Aktionäre gleichzeitig vom Inhalt der Unterlagen Kenntnis nehmen können. Dass die Abschriften der Pflichtdokumente auslagen, bezweifelt auch der Kläger nicht.
II.
Der Kläger zeigt eine von der Beklagten ausgehende Behinderung bei Anbringung seiner Gegenanträge und eine gesetzwidrig fehlerhafte Veröffentlichung seiner Gegenanträge nach § 126 AktG nicht schlüssig auf. Sein Vortrag ist, wie die Beklagte zu Recht rügt, unklar und verwirrend. Die Kammer geht in tatsächlicher Hinsicht deshalb gem. § 138 ZPO von der detaillierten Darstellung der Beklagten aus deren Klageerwiderung zu Ziff. 4 (Seiten 14-23) aus, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.
Auch eine rechtswidrige Behinderung bei der Veröffentlichung seiner Gegenanträge im Aktionärsforum nach § 127 a AktG (eingeführt durch Art. 1 Nr. 7 des Gesetzes vom 22.9.2005 BGBl I 2802 mit Wirkung vom 1.11.2005) ist nicht gegeben. Der Kläger hat am 26.4.2006 eine Aufforderung zum Abstimmungsverhalten in das Aktionärsforum des elektronischen Bundesanzeigers zur ordentlichen Hauptversammlung 2006 der Beklagten einstellen lassen, dabei jedoch entgegen § 127 a Abs. 3 AktG zur Begründung dieser Aufforderung nicht auf seine eigene Internetseite, sondern auf die Internetseite der Beklagten verwiesen (Anlage B 16). Das ist nach § 127 a Abs. 3 AktG, der zur Begründung nur eine Verweisung auf die Internetseite des Auffordernden gestattet, unzulässig. Ein Einverständnis der Beklagten mit einem Hinweis des Klägers auf ihre, der Beklagten Internetseite, lag
und liegt nicht vor, weshalb die Beklagte zu Recht darauf bestanden hat, dass die Bezugnahme auf ihre Internetseite entfernt wird. Dass die Beklagte darüber hinausgehend die gänzliche Streichung der Aufnahme des Klägers in das Aktionärsforum betrieben hat, legt der Kläger nicht hinreichend dar.
III.
Eine gesetzwidrig unrichtige Feststellung und Protokollierung der Präsenz in der Hauptversammlung ist nicht schlüssig dargelegt. Die Klage liefert keinen konkreten Anhalt dafür, dass der Vorstand der Beklagten "fortdauernd" Meldepflichten nach §§ 22, 28 Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) verletzt. Nach § 28 WpHG bestehen Rechte aus Aktien, die einem Meldepflichtigen gehören oder aus denen ihm Stimmrechte gem. § 22 Abs. 1 Nr.1 oder 2 WpHG zugerechnet werden, nicht für die Zeit, für welche die Mitteilungspflichten nach § 21 Abs. 1 oder 1 a WpHG nicht erfüllt werden. Der Kläger trägt in seiner Klage nicht einmal im Ansatz Tatsachen vor, die einen Verstoß gegen Meldepflichten nach diesen Vorschriften rechtfertigen. Es wird nicht mitgeteilt, wann, wodurch und durch welche Aktionäre im Einzelnen Mitteilungspflichten nach diesen Vorschriften verletzt worden sein sollen. Es bleibt gänzlich offen, welche Aktien den angeblichen Mehrheitsaktionären Fund G und den sog. I, genau zuzurechnen sein sollen, und es bleibt deshalb auch unklar, welche Aktionäre mit welcher unmittelbar gehaltenen Aktienbeteiligung (und nur diese kann von einem Rechtsverlust nach § 28 WpHG betroffen sein) vom Stimmrecht ausgeschlossen gewesen sein sollen. Ebenso unklar bleibt auch die Bewandnis der vom Kläger angeführten Nachmeldungen der J vom 7.3.3 und 26.5.2006, die einem konkreten meldepflichtigen Tatbestand nicht zugeordnet werden können und aus denen der Kläger ohne nähere Konkretisierung und Erläuterung nichts Greifbares für seinen Vorwurf gegen die Beklagte ableiten kann. Die Beklagte rügt den Vortrag des Klägers zu Recht als unsubtantiiert und derart rudimentär, dass sie darauf nicht erwidern kann.
Der Vortrag des Klägers aus seiner Replik vom 19.6.2007, wo er aus einem Vergleich der Geschäftsberichte der Beklagten der Jahre 2003 und 2004 angeblich nicht bekanntgemachte Veränderungen im Beteiligungsbesitz der Beklagten ableitet,
kann bei der Beurteilung nicht mehr berücksichtigt werden, weil die Tatsachen, die den geltend gemachten Anfechtungsgrund begründen sollen, wenigstens in ihrem wesentlichen tatsächlichen Kern innerhalb der Anfechtungsfrist des § 246 AktG in den Rechtsstreit eingeführt werden müssen (BGHZ 32, 318, 323; BGHZ 120, 141, 157). Einen konkreten, zeitlich und sachlich umrissenen Lebenssachverhalt zum Verlust von Stimmrechten nach § 28 WpHG trägt der Kläger in seiner Klage aber - wie ausgeführt - nicht vor, vielmehr beschränkt er sich darin auf die Wiedergabe von pauschalen Vorwürfen und Rechtsbewertungen.
IV.
Aus den Gründen zu vorstehend III. ist auch der Vorwurf unbegründet, der Vorstand der Beklagten habe nichts unternommen, angeblich zu Unrecht ausgezahlte Dividenden "von den betreffenden Gesellschaftern der K, F und L zurückzufordern. Da ein Rechtsverlust dieser "Gesellschaftergruppe" nach § 28 WpHG nicht schlüssig aufgezeigt ist und dieser Aspekt deshalb auch keinen Grund für einen Ausschluss vom Dividendenbezugsrecht abgeben kann, kann zugunsten der Beklagten auch kein Anspruch auf Dividendenrückzahlung "in Höhe von mehreren 100 Mio Euro" bestanden haben.
V.
Die Vorwürfe des Klägers zum Komplex C begründen eine Anfechtbarkeit der Entlastungsentscheidung nicht.
1.
Die seitenlangen Ausführungen des Klägers zur Rechtfertigung seiner Behauptung, der Vorstand der Beklagten habe angeblich in Sachen C Vermögensgegenstände im Wert von mehr als 5 Milliarden DM ohne Gegenleistung übertragen, sind unerheblich, weil sie sich auf den Zeitraum Ende 1998 bis 31.12.2003 beziehen und nicht auf den allein relevanten Entlastungszeitraum 2005. Die im Entlastungsbeschluss der Hauptversammlung ausgedrückte Billigung der Geschäftsführung durch den Vorstand bezieht sich auf das abgelaufene Geschäftsjahr, über dessen Gewinnverwendung auch von der Hauptversammlung
beschlossen worden ist. Der vom Kläger angefochtene Beschluss betrifft die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes für das abgelaufene Geschäftsjahr 2005. Eine Einbeziehung früherer Zeiträume ist ausgeschlossen, weil als Gegenstand der Tagesordnung unter TOP 2 die "Beschlussfassung über die Entlastung der Mitglieder des Vorstandes für das Geschäftsjahr 2005" gem. § 124 Abs. 1 S. 1 AktG bekannt gemacht worden ist (Vgl. Anlage B 20). Aus § 124 Abs. 4 Satz 1 AktG folgt, dass nur über Gegenstände der Tagesordnung, die ordnungsgemäß bekannt gemacht worden sind, Beschlüsse gefasst werden dürfen, woraus weiter folgt, dass der Entlastungsbeschluss in zeitlicher Hinsicht nur denjenigen Zeitraum umfasst, den der bekanntgemachte Tagesordnungspunkt definiert (Kubis, Münchener Komm. zum AktG, 2. Aufl. 2004 § 120 Rdn. 18). Das Thema C und die Beendigung der C der Beklagten waren nicht Gegenstand des angefochtenen Entlastungsbeschlusses. Der Kläger zeigt mit einer Ausnahme (dazu nachstehend 2) auch keine Vorfälle aus dem Aauf, die unmittelbare Auswirkungen auf das Geschäftsjahr 2005 und die Hauptversammlung vom 18.5.2006 gehabt haben. Die Entscheidung der Beklagten, sich im Rahmen des C-Komplexes von einigen ehemals zu ihrem Konzern gehörenden Gesellschaften zu trennen und diese Gesellschaften in die C-Gruppe einzubringen, ist bereits im Jahre 1998 gefallen. Es reicht für eine Anfechtbarkeit der das Geschäftsjahr 2005 betreffenden Entlastungsentscheidung des Jahres 2006 nicht aus, dass die bereits im Jahre 1998 getroffene Grundsatzentscheidung zur Ausgliederung der betroffenen Gesellschaften anschließend umgesetzt und in den Folgejahren wirtschaftliche Auswirkungen auf das Unternehmen und seine Ertragslage hat, nachdem der Kläger bereits erfolglos wegen des C-Komplexes die Vorstandsentlastung des Jahres 2003 angefochten hat und das Thema C und die Beendigung der C der Beklagten auch in der Hauptversammlung des Jahres 2004 ausführlich erörtert wurde. Solche allgemeinen wirtschaftlichen Folgen einer einmal getroffenen strategischen Entscheidung können nicht zur fortlaufenden Anfechtbarkeit der Vorstandsentlastungsentscheidungen der Folgejahre führen.
2.
Nach der Pressemitteilung der Beklagten vom 22.1.2004 (siehe Tatbestand) umfasst die Vereinbarung der Beklagten mit dem C-Management auch eine "Besserungsklausel", die von der Beklagten auch als "Besserungsschein"
bezeichnet. Der Kläger zitiert Äußerungen des Finanzvorstandes Unger der Beklagten auf den Hauptversammlungen 2004 und 2005 zu diesem Besserungsschein. Die Äußerungen Ungers auf diesen Hauptversammlungen mögen falsch oder unzureichend gewesen sein, sie sind aber aus den Gründen zu 1 präkludiert. Auf der in Rede stehenden Hauptversammlung 2006 hat der Kläger den (ehemaligen) Vorstandsvorsitzenden der Beklagten M aufgefordert, gemäß einem von ihm gegebenen Versprechen die Versammlung über den Stand der Veräußerungsbemühungen "im Rahmen des Besserungsscheines" zu informieren und die Gesellschaft, die Schuldnerin des Besserungsscheines sei, exakt auch mit ihrem Geschäftssitz zu benennen, da ihm vor einem Jahr (2005) der Name einer Firma ("N") genannt worden sei, die er nicht habe auffinden können. Der Kläger wirft der Beklagten mit seiner Klage nunmehr vor, die Beklagte habe seine Fragen zum Stand des Besserungsscheines nicht beantwortet. Nur dieser aktuell in die Hauptversammlung 2006 hineingetragene Vorwurf ist nicht präkludiert. Der Kläger hat diesen Vorwurf einer Auskunftsverweigerung, der nach § 131 Abs. 1 AktG bedeutsam sein könnte, allerdings nicht hinreichend konkretisiert und in geeigneter Weise unter Beweis gestellt. Die Beklagte wendet nämlich ein, sie habe die Frage des Klägers wie folgt beantwortet:
Antwort:
Der im Rahmen des MBO abgeschlossene Kaufvertrag sieht für den Fall eines Verwertungsüberschusses einen Besserungsschein für die Nvor, wohlgemerkt eine Verpflichtung zum Nachschuß im Verlustfall besteht seitens der N nicht.
Der Besserungsschein ist progressiv gestaffelt, d.h. der Anteil der N nimmt mit steigendem Verwertungsüberschuss zu. Die Erwerberin hat sich verpflichtet über den Stand der Verwertung, jeweils spätestens nach Vorliegen der Jahresabschlüsse, zu berichten. Soweit die Informationen seitens der N als nicht ausreichend angesehen werden kann P einen Wirtschaftsprüfer beauftragen den Stand der Verwertung zu prüfen.
Wie Sie wissen, sind die wesentlichen Assets der C-Gruppe noch nicht verwertet worden sind. Der Schwerpunkt der C-Aktivitäten hat nach Auskunft der C nach dem MBO darin bestanden, Mietverhältnisse vorzeitig aufzulösen und durch Umstrukturierungen und organisatorische Veränderungen die Verkaufsfähigkeit der wesentlichen Assets weiter zu erhöhen. Zu besserungsscheinpflichtigen Erlösen ist es dabei nicht gekommen.
Auch aus der übrigen Geschäftstätigkeit 2005 ergaben sich keine Ansprüche auf Bedienung des Besserungsscheins. Wann und in welcher Höhe mit einer Bedienung des Besserungsscheins zu rechnen ist, kann aus heutiger Sicht nicht abschließend beurteilt werden.
Schuldner des Besserungsscheins ist die Q mit heutigem Sitz in Langenburg.
Frage Nr. 1321 Status: Beantwortet
Frage:
Besserungsschein: Bitte berichten Sie darüber wie der Stand ist€ Wie heisst
die Gesellschaft exakt, die Schuldner des Besserungsscheins ist und wo genau
hat sie ihren Sitz€
Stichpunkte:
€
Der Kläger kann diesen Einwand nicht widerlegen. Er hat in diesem Punkt auch nicht zu notariellem Protokoll erklärt, ihm sei keine Auskunft zum Stand des Besserungsschein erteilt worden, was dafür spricht, dass er am Ende der Hauptversammlung noch selbst davon ausging, die gewünschten Auskünfte (auch wenn er sie inhaltlich anders bewertet) erhalten zu haben.
Der weitere Vorwurf des Klägers basiert auf der (unzutreffenden, s.o.) Annahme, die Beklagte habe eine Auskunft nicht erteilt, er habe aber selbst zwischenzeitlich (also im Zeitraum zwischen der Hauptversammlung und der Klageerhebung) in Erfahrung gebracht, dass es sich um dieQmit Sitz in Langenburg, 1weg O handele (Handelsregister HRB 588 - L AG Crailsheim), deren Stammkapital 26.000 € betrage und die im Geschäftsjahr 2003 einen Verlust von 105,50 € und im Jahre 2004 einen Gewinn von 3.767,72 € erwirtschaftet habe. Die Beklagte bestreitet diese Angaben nicht. Sie führt zur Erläuterung an, sie habe im Zusammenhang mit der Veräußerung ihrer Beteiligung an der C an die Q einen "Besserungsschein vereinbart", nach dem ihr ein Anteil an den Verwertungserlösen der R als neuer Inhaberin sämtlicher C-Anteile zustehe, wobei dieser Anteil progressiv mit den potentiellen Verwertungserlösen steige. Die R sei verpflichtet, ihr, der Beklagten, über den Stand der Verwertung, jeweils spätestens nach dem Vorliegen der
Jahresabschlüsse zu berichten. Außerdem könne die Beklagte einen Wirtschaftsprüfer damit beauftragen, den Stand der Verwertung zu überprüfen. Unter Hinweis auf die Verpflichtung der Q, einen Anteil eines eventuell von dieser erzielten Verwertungserlöses auszukehren, tritt sie der angeblichen Vermögenslosigkeit der Gesellschaft entgegen.
Dem Kläger ist zuzugeben, dass eine Gesellschaft dieser Struktur wenig geeignet erscheint, die Realisierung von Rückführungsansprüchen einer möglichen Größenordnung von mehreren Millionen Euro auf mehrere Jahre hin sicherzustellen. Die Bonität und Seriosität der R war indessen kein erst im Geschäftsjahr 2005 relevant gewordener Vorfall, denn die Beklagte hatte bereits Ende 2003 die Entscheidung einer Veräußerung ihrer C-Geschäftsanteile an diese offenbar dem C-Manager S zuzurechnende R(Vgl. Klaqe S. 15 zu einer Äußerung Ungers 2005) getroffen, weshalb der Vorgang nicht dem hier für die Entlastung des Vorstandes allein relevanten Zeitraum des Geschäftsjahres 2005 zuzuordnen ist.
Soweit der Kläger der Beklagten in diesem Zusammenhang weitergehend vorwirft, bei der R handele es sich um eine Schimäre, die in die Welt gesetzt worden sei durch den Vorstand, um die Aktionäre von der Verfolgung der Rechte der durch Untreue entreicherten Beklagten abzulenken, bleibt dieser Vorwurf pauschal und ohne Substanz.
VI.
Ein gesetzwidriges Handeln des Vorstandes der Beklagten zum Nachteil der Gesellschaft im Zusammenhang mit dem Rückerwerb der B- Modemärkte zeigt der Kläger nicht schlüssig auf. Die Beklagte hat im Rahmen des C-Komplexes durch notariellen Vertrag vom 30.12.1998 u.a. auch das Stammkapital an der B Modemärkte GmbH übertragen und als Einbringungswert 90,6 Mio DM angegeben. Sie hat diese Beteiligung am 24.3.2004 zurückerworben. Der ohnehin nicht durch fundierte Tatsachen untermauerte Vorwurf des Klägers, die Beklagte habe bei dem Rückerwerb einen um 200 Mio überhöhten Kaufpreis gezahlt (die Klage, dort insbes. S. 18, zeigt das nicht schlüssig auf), betrifft das Geschäftsjahr 2004 und ist aus den zu V 1 genannten Gründen kein relevanter Vorwurf für das Geschäftsjahr 2005 und der darauf allein bezogenen Entlastung des Vorstandes.
Auch die Verletzung von Auskunftsrechten nach § 131 AktG und eine Falschinformation der Öffentlichkeit und der Aktionäre über den Zeitpunkt der "Rücknahme" zeigt der Kläger im Zusammenhang mit dem Rückerwerb der B Modemärkte nicht schlüssig auf. Der Kläger trägt zwar 6 Fragen vor, die er in der Hauptversammlung gestellt habe, er trägt aber nicht hinreichend vor, dass die Beklagte diese Fragen nicht, nicht richtig oder nicht vollständig beantwortet hat. Der Kläger zieht aus den in seinen Fragen enthaltenen Zahlenangaben nur den Schluss, dass die Beklagte für die B-Modemärkte rund 200 Mio € zuviel bezahlt habe (Vgl. S. 18 der Klage unten "Mit anderen Worten:..."). Dieser Schluss ist sachlich aber nicht gerechtfertigt, wie die Beklagte unter 8 b ihrer Klageerwiderung (dort Seiten 38-41) wie folgt überzeugend dargetan hat:
Korrekter Wertansatz in Konzernbilanz 2005 - kein überhöhter Kaufpreis
Der Kläger meint nun, aus der unstreitigen Tatsache, dass die B-Modemärkte im Rahmen der Erstkonsolidierung im Geschäftsjahr 2005 mit einem Geschäfts- oder Firmenwert in Höhe von €312 Mio. im Konzernabschluss der Beklagten 2005 angesetzt wurden und das in 2005 in den Konzernabschluss einbezogene Ergebnis der B-Modemärkte € 14 Mio. betrug, eine Bestätigung seiner Behauptung ableiten zu können, dass die Beklagte für die B-Modemärkte einen um rund € 200 Mio. überhöhten Kaufpreis gezahlt habe. Insbesondere die im Konzernanhang (Seite 114) genannten €Kapitalisierungsrichtwerte" von 8,5 % bis 11,6 % p. a. könnten bei einem Ergebnis der B-Modemärkte von € 14 Mio. angeblich nur zu einem Firmenwert von € 140 Mio. führen.
Dieser Vortrag des Klägers ist unschlüssig. Die vom Kläger angestellte Betrachtung ist schlichtweg ungeeignet, seinen Schluss auf die Zahlung eines überhöhten Kaufpreises für die B-Modemärkte zuzulassen.
(1) Wertansatz und Impairment Test
Die B-Modemärkte wurden zu einem Kaufpreis von € 60 Mio. übernommen. Im Rahmen der auf Basis der Wertverhältnisse zum Erwerbszeitpunkt (25. März 2004) vorgenommenen Kaufpreisallokation ergab sich unter Berücksichtigung der neben einer Bankverbindlichkeit in Höhe von € 280 Mio. übernommenen Vermögenswerte und Schulden der B-Modemärkte der Geschäfts- oder Firmenwert in Höhe von € 312 Mio. (siehe Konzernanhang zum Konzernabschluss 2005 der Beklagen, Seite 94, eingereicht in Kopie als Anlage B 26).
Bei sog. zahlungsmittelgenerierenden Einheiten (cashgenerating units) mit zugeordnetem Geschäfts- oder Firmenwert ist mindestens einmal jährlich ein sog. Wertminderungstest {impairment test) durchzuführen (IFRS 3 i.V.m. IAS 36.90). Wird dabei ein niedrigerer erzielbarer Betrag im Vergleich zum Buchwert der Einheit einschließlich Geschäfts- oder Firmenwert festgestellt, so ist eine aufwandswirksame Wertberichtigung vorzunehmen (impairmentonly approach). Der Differenzbetrag ist dabei vorrangig dem Geschäfts- oder Firmenwert zuzuordnen (IAS 36.104 (a)).
Nach diesen Grundsätzen wird die Werthaltigkeit der Geschäfts- oder Firmenwerte der Beklagten mindestens einmal jährlich überprüft. Dabei wird der Buchwert der zahlungsmittelgenerierenden Einheit dem erzielbaren Betrag gegenübergestellt. Der erzielbare Betrag wird in Form des Nutzungswerts als Barwert (present value) ermittelt auf der Grundlage der in der jeweiligen Unternehmensplanung prognostizierten künftigen Cashflow-Überschüsse des Planungszeitraums. Diese Cashflow-Größen berücksichtigen keine Zinsen und Steuern, stellen also allein auf die operative Tätigkeit des Unternehmens ab. Der Detailplanungszeitraum umfasst drei bis fünf Jahre. Die im Anschluss an den Detailplanungszeitraum berücksichtigten Wachstumsraten lagen für das Jahr 2005 wie im Vorjahr grundsätzlich bei 1 % (siehe im Einzelnen Konzernanhang zum Konzernabschluss 2005 der Beklagten, Seite 114, beigefügt in Kopie als Anlage B 26).
Die auf diese Weise ermittelten Planwerte der B-Modemärkte wurden in 2005 mit einem Kapitalisierungszinssatz vor Steuern in Höhe von rund 10 % zur Ermittlung des Barwerts abdiskontiert. Der sich ergebende Barwert wurde mit dem nach IAS 36 ermittelten Buchwert der B-Modemärkte, der u. a. den Firmen- oder Geschäftswert in Höhe von insgesamt € 312 Mio. enthält, verglichen. Der Barwert der erwarteten künftigen Cashflow-Überschüsse überstieg den Buchwert der B-Modemärkte einschließlich Firmenwert deutlich. Eine Abwertung war deshalb nicht geboten.
Beweis: Zeugnis Herr T, bereits benannt.
(2) Ungeeignetheit des Jahresüberschusses für Impairment Test
Das im Jahr 2005 in den Konzernabschluss einbezogene Ergebnis der B-Modemärkte in Höhe von € 14 Mio. (siehe Konzernanhang zum Konzernabschluss 2005, Seite 94, beigefügt in Kopie als Anlage B 26) ist entgegen der Auffassung des Klägers ungeeignet, auch nur einen überschlägigen Werthaltigkeitstest des Firmenwertes der B-Modemärkte vorzunehmen. Denn bei diesem Ergebnis/Jahresüberschuss handelt es sich um den Gewinn nach Zinsen und nach Steuern. Der Jahresüberschuss kann, wenn überhaupt, höchstens in eine Relation zum Eigenkapital gesetzt werden, nicht jedoch zum Nutzungswert, der ein unverschuldeter Unternehmenswert ohne Berücksichtigung von Steuern und Zinsen ist. Eher geeignet für einen überschlägigen Werthaltigkeitstest wäre deshalb das EBIT (Eamings Before Interest and Taxes = Gewinn vor Zinsen und Steuern) der B-Modemärkte. Dieses betrug in 2005 rund € 41 Mio. und lässt unter Berücksichtigung seiner zukünftigen Entwicklung leicht erkennbar werden, dass der Firmen- oder Geschäftswert der B-Modemärkte werthaltig ist.
Beweis: Zeugnis Herr T, bereits benannt.
VII.
Die Beklagte hat zwar gegen § 15 Abs. 1 WpHG verstoßen, das rechtfertigt jedoch eine Anfechtbarkeit der Entlastungsentscheidung nicht.
1.
Die Beklagte hat dadurch gegen § 15 Abs. 1 WpHG verstoßen, dass sie es unterlassen hat, den Inhalt des Urteilsausspruches der Kammer vom O im Verfahren 41 O 122/03 zu dem damaligen Klageantrag 2 unverzüglich zu veröffentlichen. Mit diesem Urteilsausspruch wurde der Beschluss der Hauptversammlung der Beklagten vom 22.5.2003 für nichtig erklärt, mit welchem die F zum Abschlussprüfer für das Geschäftsjahr 2003 gewählt worden war. Die Beklagte hatte diese Entscheidung als Inlandsemittentin von Finanzinstrumenten (nämlich Aktien) unverzüglich zu veröffentlichen, weil es sich bei der Entscheidung um eine sie unmittelbare betreffende Insiderinformation handelte. Es handelt sich bei dieser Entscheidung um eine konkrete Information über einen bis dahin öffentlich nicht bekannten Umstand, der sich auf die Beklagte als Emittentin von Insiderpapieren bezog und der geeignet war, im Falle seines öffentlichen Bekanntwerdens den Börsen- oder Marktpreis ihrer Aktien erheblich zu beeinflussen. In dem damaligen Rechtsstreit ging es um die Rechtmäßigkeit der von der Beklagten verteidigten Entscheidung, die langjährig für sie tätig gewesene T trotz der vom Kläger und anderen Aktionären vorgetragenen Kritik ein weiteres Mal zum Abschlussprüfer der Gesellschaft bestimmen zu dürfen, wobei diese Entscheidung in engem Zusammenhang mit der vom Kläger vorgetragenen Kritik an der Bilanzierungspraxis der Beklagten hinsichtlich des C-Komplexes (nämlich der von ihm geforderten und der Beklagten und ihrem Wirtschaftsprüfer abgelehnten Konsolidierung der in die C-Gruppe eingebrachten Beteiligungen und der von ihm gerügten Befangenheit der Abschlussprüfer) stand. Diese Fragen hatten bereits im Vorfeld der damaligen Hauptversammlung öffentliches Interesse auf sich gezogen (Vgl. z.B. Bericht der Süddeutschen Zeitung vom 20.5.2003 "Kritik an Bilanzmethoden der U- Früherer Konzern-Justiziar hält Wirtschaftsprüfer für befangen und verlangt Sonderprüfung der letzten Jahresabschlüsse" sowie Bericht der Financial Times Deutschland vom 22.5.2003 "U weist Kritik an Bilanzen zurück"). Es gab im damaligen Verfahren bei der Kammer eine Vielzahl von
Presseanfragen und sogar Anfragen von Wirtschaftsprüferkammern, durch die das öffentliche Interesse am Ausgang jenes Verfahrens ebenfalls dokumentiert wird. Die erst durch ein Wirtschaftsprüfertestat besonders wichtige Bilanz sowie die Bilanzierungspraxis eines Großhandelskonzerns in einem Vorgang von herausragender wirtschaftlicher Bedeutung wie dem des C-Komplexes sind geeignet, den Börsenkurs
dieses Unternehmens erheblich zu beeinflussen. Dann aber muss auch einer Gerichtsentscheidung darüber diese Eignung zukommen, jedenfalls wenn sie - wie hier - die Unzulässigkeit einer erneuten Tätigkeit der Abschlussprüfer bestätigt und deren Wahl für nichtig erklärt. Ein verständiger Anleger würde die ihm durch die Gerichtsentscheidung gegebene Information bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen, was nach § 13 Abs. 1 Satz 2 WpHG für die Eignung zur Kursbeeinflussung ausreicht. Auf den Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung kommt es dabei entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten nicht an, denn der kann Jahre dauern, während der Anleger rasch informiert werden will und nach der ratio des Gesetzes auch soll. Der damals noch fehlende Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung der Kammer stand einer Veröffentlichungspflicht schon deshalb nicht entgegen, weil die Beklagte die Öffentlichkeit auch mit Bekanntgabe der Entscheidung über die noch nicht eingetretene Rechtskraft und ihre (eventuelle) Absicht einer Anfechtung der Entscheidung hätte informieren können. Die Informationspflicht der Beklagten bestand von daher auch im Entlastungszeitraum des Jahres 2005, in dem die Entscheidung erging, und nicht erst bei Eintritt der Rechtskraft in Frühjahr 2007, wie die Beklagte meint.
Die Beklagte kann ihrer Veröffentlichungsverpflichtung auch nicht entgegenhalten, dass die Nichtigerklärung der Abschlussprüferwahl 2003 nicht auf die Wirksamkeit des testierten und festgestellten Jahresabschlusses selbst durchschlage. Auch ohne festgestellte Nichtigkeit des Jahresabschlusses hätte ein verständiger Anleger eine Gerichtsentscheidung zu der hier in Rede stehenden Frage bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigt. Das bestätigt letztlich auch der von der Beklagten selbst herangezogene Emittentenleitfaden der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin), der zwar den hier in Rede stehenden Fall nicht explizit erwähnt, der aber einen überraschenden Wechsel des Wirtschaftsprüfers, Rechtsstreitigkeiten von besonderer Bedeutung sowie einen Verdacht auf Bilanzmanipulationen beispielhaft als Fallkonstellationen beschreibt, in
denen konkreter Anlass zur Frage der Veröffentlichung einer Ad-Hoc-Meldung besteht (Vgl. Anlage B 28 S. 43).
2.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 153, 147) ist ein Entlastungsbeschluss indessen nur anfechtbar, wenn Gegenstand der Entlastung ein Verhalten ist, das eindeutig einen schwerwiegenden Gesetzes- oder Satzungsverstoß darstellt. Dies kann bereits deshalb ausgeschlossen werden, weil die Frage einer Pflicht des Vorstandes der Beklagten zur Veröffentlichung der Entscheidung der Kammer vom 28.9.2005 nach § 15 WpHG in der Hauptversammlung vom 18.5.2006 - aus welchen Gründen auch immer - ersichtlich keine Rolle gespielt hat und sie deshalb den Willen der Mehrheit bei ihrer Entlastungsentscheidung auch nicht beeinflusst haben kann. Selbst der Kläger ist auf diese Frage im Rahmen seiner Wortbeiträge - soweit aus dem notariellen Protokoll zu ersehen - nicht mehr eingegangen, nachdem die Beklagte ihm bereits zuvor auf seinen Gegenantrag vom 24./25.4.2006 mitgeteilt hatte, die "gesetzlichen Voraussetzungen für eine Adhoc-Veröffentlichung der nicht rechtskräftigen Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf" lägen nicht vor (Anlage B 13). Von Bedeutung für die Vorstandsentlastung konnte bei verständiger Würdigung allenfalls die Frage sein, ob der Entscheidung über die Nichtigerklärung der Abschlussprüferwahl 2003 selbst ein eindeutiges und schwerwiegendes gesetzliches Fehlverhalten des Vorstandes zugrundelag - was zu verneinen ist -, nicht aber die Frage, ob die Voraussetzungen einer Veröffentlichungspflicht nach § 15 WpHG gegeben waren.
VIII.
Gänzlich pauschal und ohne jede Substanz ist der Vortrag der Klägers unter Ziff. 10 seiner Klage, es habe eine gesetzwidrig unzulässige Zusammenarbeit zwischen dem Vorstand der Beklagten und ihrem Aufsichtsrat gegeben.
IX.
Nicht gerechtfertigt ist schließlich auch der Vorwurf des Klägers, die Beklagte habe unter Verstoß gegen § 20 ihrer Satzung einen sachlich falschen Jahresabschluss deshalb aufgestellt, weil sie Rückforderungsansprüche der Gesellschaft aus § 28 WpHG
wegen unberechtigter Dividendenzahlungen "in den Vorjahren" nicht berücksichtigt habe. Solche Rückforderungsansprüche bestanden nicht (s.o. zu III und IV).
C.
Die Nebeninterventionen der Intervenientin zu 2 ist gem. §§ 66 ff. ZPO zuzulassen. Sie hat ihren Beitritt am 11.6.2006 rechtzeitig innerhalb eines Monats nach der am 11.8.2006 erfolgten Bekanntmachung der Klage erklärt (§ 246 Abs. 4 Satz 2 AktG n.F.). Sie hat auch ihre Aktionärseigenschaft hinreichend nachgewiesen durch Vorlage einer Depotbescheinigung ihrer Bank (Anlage Nl 2 Bl. 157 GA) sowie einer Eintrittskarte (Bl. 156 GA). Nicht erforderlich ist der Nachweis der Voraussetzungen, unter denen die Anfechtungsklage selbst zulässig ist. Ein derartiges Erfordernis kann dem Gesetz nicht entnommen werden. Entscheidend für das rechtliche Interesse an einer Nebenintervention ist die Gestaltungswirkung eines in einem Anfechtungsverfahren ergehenden stattgebenden Urteils gem. § 248 AktG. Wenn der Gesetzgeber bei seiner Beschlussfassung über das UMAG die Voraussetzungen einer Nebenintervention an die Voraussetzungen einer Anfechtungsklage hätte ankoppeln wollen, hätte er dies klar zum Ausdruck bringen müssen, was nicht geschehen ist.
Die Nebenintervention der Intervenientin zu 1 ist zurückzuweisen. Sie ist zwar ebenfalls am 11.9.2006 rechtzeitig erfolgt, die Nebenintervenientin zu 1 hat ihre Aktionärseigenschaft jedoch nicht schlüssig dargelegt und auch nicht in vergleichbarer Weise wie die Intervenientin zu 2 unter Beweis gestellt. Obwohl ihr dies ein leichtes hätte sein müssen, hat sie dem Gericht keine Depotbescheinigung oder sonstige aussagekräftige Unterlagen zum Nachweis ihrer Aktionärseigenschaft vorgelegt. Eine Zeugenvernehmung zu der pauschalen Behauptung, sie sei seit 1996 ununterbrochen Aktionärin der Beklagten, kommt nicht in Betracht.
Ebenfalls zurückzuweisen ist die Nebenintervention zu 3, denn der Nebenintervenient V hat ungeachtet seines unentschuldigten Erscheinens im Verhandlungstermins auch die Frist des § 246 Abs. 4 Satz 2 AktG n.F. versäumt, weil er seinen Beitritt erst am 21.5.2007 erklärt hat.
D.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 101 Abs. 1, 2. Fall ZPO.
Die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergibt sich aus § 709 ZPO.
LG Düsseldorf:
Urteil v. 20.02.2008
Az: 41 O 54/06
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