Verwaltungsgericht Minden:
Beschluss vom 26. Januar 2007
Aktenzeichen: 11 L 615/05
(VG Minden: Beschluss v. 26.01.2007, Az.: 11 L 615/05)
Tenor
Der Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, wird abgelehnt.
Die Erinnerung wird zurückgewiesen. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
1. Die von der Antragstellerin begehrte Erklärung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, ist nicht möglich, weil das behördliche Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 6 VwGO - nur um dieses Verfahren geht es hier - kein Vorverfahren im Sinne des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist.
Vorverfahren im Sinne des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ist nur das als Sachurteilsvoraussetzung anzusehende Widerspruchsverfahren, das vor Erhebung der Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage erfolglos durchgeführt worden sein muss. Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 162 Abs. 1 VwGO sowie dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Die Kosten des Vorverfahrens sind als "Aufwendungen" zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung in die Gesamtkosten des Verfahrens einbezogen. Es handelt sich hierbei um Kosten im Vorstadium und zur Vorbereitung des Klageverfahrens. Dazu zählen die Kosten nicht, die im Zusammenhang mit der Stellung eines Antrags nach § 80 Abs. 6 VwGO entstehen. Auch aus der Neuregelung der Gebührentatbestände im RVG lässt sich nicht herleiten, dass § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO auf das behördliche Aussetzungsverfahren nach § 80 Abs. 6 VwGO anzuwenden ist. Nach früherem Recht (§ 119 Abs. 3 BRAGO) war das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung der Vollziehung oder auf Beseitigung der aufschiebenden oder hemmenden Wirkung unter anderem zusammen mit dem Verwaltungsverfahren, das dem Rechtsstreit vorangeht und der Nachprüfung des Verwaltungsakts dient (Vorverfahren), eine Angelegenheit. Nunmehr bestimmt § 17 Nr. 1 RVG zwar unter anderem, dass das Verwaltungsverfahren, das einem gerichtlichen Verfahren vorausgehende und der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende weitere Verwaltungsverfahren und das Verwaltungsverfahren auf Aussetzung oder Anordnung der sofortigen Vollziehung jeweils verschiedene Angelegenheiten sind. Aus dieser Aufspaltung in verschiedene gebührenrechtliche Angelegenheiten lässt sich aber nicht folgern, dass ein seinem bevollmächtigten Rechtsanwalt gebührenpflichtiger Antragsteller die jeweils entstandene Gebühr auch von einem unterlegenem Gegner erstattet verlangen kann. Ein solch weitreichender Regelungsgehalt lässt sich § 17 Nr. 1 RVG nicht entnehmen. Es gibt keinen Grundsatz, dass die einem Beteiligten in einem Verwaltungsverfahren entstandenen (Anwalts-) Kosten von der unterlegenen Behörden zu erstatten sind.
So OVG NRW, Beschluss vom 10.5.2006 - 14 E 252/06 -.
2. Der vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin im eigenen Namen gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung (sogenannte Erinnerung) über den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle ist nach § 165 VwGO i.V.m. § 151 VwGO zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Die Absetzung der Geschäftsgebühr Nr. 2402 (nicht 2400) VV RVG von 157,80 EUR nebst 20,- EUR Auslagenpauschale und anteiliger Mehrwertsteuer ist rechtmäßig. Sie entspricht - was auch die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin nicht bestreiten - den Vorschriften des RVG in der zum Zeitpunkt der Kostenfestsetzung geltenden Fassung, insbesondere der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG. Danach ist eine Geschäftsgebühr nach den Nrn. 2400 bis 2403 grundsätzlich zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen. Hintergrund dieser Regelung ist, dass eine bereits im außergerichtlichen Verfahren geleistete Einarbeitung des Rechtsanwalts in die Sach- und Rechtslage dann nicht nochmals voll vergütet werden soll, wenn es im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren in der Sache um denselben Gegenstand geht. Eine solche Gegenstandsidentität liegt hier hinsichtlich der Verfahren nach § 80 Abs. 6 VwGO und § 80 Abs. 5 VwGO vor.
Vgl. VG Minden, Beschluss vom 15.2.2005 - 9 L 677/04 -.
Der Einwand der Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, es werde damit eine Gebühr zur Hälfte angerechnet, die andererseits im Kostenfestsetzungsverfahren "in Abrede gestellt" werde, ist in der Sache zutreffend, greift aber nicht durch, weil diese Verfahrensweise der Rechtslage entspricht. Es gibt - wie bereits dargelegt - keinen allgemeinen Grundsatz, dass Kosten zu erstatten sind, die einem Beteiligten durch eine Antragstellung (hier nach § 80 Abs. 6 VwGO) oder im Verwaltungsverfahren bei der Ausgangsbehörde entstanden sind.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 10.5.2006 - 14 E 252/06 -; ferner für das Verfahren vor Erlass eines Verwaltungsakts ausführlich BVerwG, Beschluss vom 1.9.1989 - 4 B 17/89 -, NVwZ 1990, 59.
Der Gesetzgeber mutet dem Bürger zu, das erstinstanzliche Verwaltungsverfahren (auch nach § 80 Abs. 6 VwGO) auf eigene Kosten durchzuführen. Das bedeutet, dass ein in diesem Verwaltungsverfahren beauftragter Rechtsanwalt sich hinsichtlich der von ihm insoweit zu beanspruchenden Gebühren nur an seinen Mandanten halten kann, mit dem ein Geschäftsbesorgungsvertrag nach § 675 BGB besteht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
VG Minden:
Beschluss v. 26.01.2007
Az: 11 L 615/05
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