Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 29. Juli 1998
Aktenzeichen: 6 U 31/98
(OLG Köln: Urteil v. 29.07.1998, Az.: 6 U 31/98)
1. Apothekern ist neben der Arzneimittelabgabe nur die Abgabe von apothekenüblichen Waren i.S. von § 25 ApBetrO und nicht auch die Vornahme von "Nebengeschäften" gestattet.
2. Kompressionsstrümpfe zählen nicht zu den in § 25 ApBetrO aufgelisteten abgabefähigen Waren; ihre Abgabe durch eine Apotheke ist unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs unlauter i.S. von § 1 UWG.
Tenor
I.) Auf die Berufung des Beklagten wird das am 12.12.1997 verkündete Urteil des Landgerichts Köln - 81 O 61/96 - teilweise abgeändert und im Hauptausspruch insgesamt wie folgt neu gefaßt:1.) Die Klage wird abgewiesen. 2.) Auf die Widerklage des Beklagten wird die Klägerin unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten verurteilt, es zu unterlassen, in ihrer Apotheke medizinische Zweizugkompressionsstrümpfe und/oder medizinische Zweizugkompressionsstrumpfhosen anzubieten und/oder abzugeben. II.) Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen hat die Klägerin zu tragen. III.)Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann jedoch die Vollstreckung durch Sicher-heitsleistung in nachbenannter Höhe abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit jeweils in derselben Höhe leistet. Es ist Sicherheit in folgender Höhe zu leisten: Bei Vollstreckung des Anspruches aufa) Unterlassung: 50.000,00 DM;b) Kostenerstattung: 15.500,00 DM. Dem Beklagten wird auf seinen Antrag nachgelassen, die vorstehenden Sicherheiten durch Stellung einer selbst-schuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse zu leisten. IV.) Die Beschwer der Klägerin wird auf 50.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt in K.-Z. eine Apotheke. In der Nähe dieser Apotheke betreibt der Beklagte ein Sanitätshaus.
Mit der Klage hat die Klägerin bezüglich eines angeblichen Verstoßes des Beklagten gegen die ZugabeVO bei dem Verkauf von Kompressionsstrümpfen Unterlassung verlangt. Der Beklagte hat Widerklage erhoben, die allein noch im Streit ist und mit der er - gestützt auf § 1 UWG i.V.m. § 25 der Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) - die Unterlassung des Vertriebs von medizinischen Zweizugkompressionsstrümpfen und/oder Zweizugkompressionsstrumpfhosen (im folgenden: "Kompressionsstrümpfe") verlangt.
Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin vertreibt in ihrer Apotheke die erwähnten Kompressionsstrümpfe. Diese müssen in der Regel dem Kunden im Sitzen oder Liegen angemessen und angepaßt werden. Diesbezüglich verfügen zwei der bei der Klägerin angestellten Apothekerinnen über zertifizierte Kenntnisse und sind alle Mitarbeiter einschlägig geschult. In der Apotheke ist eine Meßkabine mit Liege vorhanden, in der die benötigte Größe ausgemessen und die Kompressionsstrümpfe anprobiert werden können.
In rechtlicher Hinsicht streiten die Parteien u.a. über den Einfluß der Bestimmungen der §§ 126 ff SGB V und von auf diesen Bestimmungen beruhenden Verlautbarungen bestimmter (Spitzen-) Verbände auf die Berechtigung des Vertriebs der Kompressionsstrümpfe durch die Klägerin. Dabei handelt es sich im wesentlichen um folgende Regelungen:
Für die Abgabe von sog. "Hilfsmitteln" an (Kranken-)Versicherte ist gem. § 126 Abs.1 SGB V eine Zulassung des "Leistungserbringers" erforderlich. Diesbezüglich hat - wie dies in § 126 Abs.2 SGB V vorgesehen ist - die Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen am 2.5.1991 eine gemeinsame Empfehlung über die Zulassung abgegeben, wegen deren Wortlautes auf die als Anlage K 6 vorgelegte Ablichtung (Bl.78 ff d. A.) Bezug genommen wird. In dieser Empfehlung sind die Hilfsmittel - abgestuft nach den Anforderungen besonderer Fähigkeiten und Kenntnisse bei ihrer Abgabe - in drei Gruppen eingeteilt worden. Bezüglich der Gruppe 2 ist ausdrücklich vorgesehen, daß unter bestimmten Voraussetzungen auch Apotheken diese Hilfsmittel liefern können sollen, sei es im Rahmen von Verträgen nach § 129 Abs.5 SGB V, sei es unabhängig davon (vgl. Bl. 86 d. A. unter e)).
Außerdem haben - wie aus Bl.93 ff d. A. ersichtlich ist - der Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V. (VdAK) und der Arbeiterersatzkassen-Verband e.V.(AEV) mit dem deutschen Apotheker-Verband e.V. am 4.5.1995 einen Hilfsmittellieferungsvertrag im Sinne des § 127 Abs.1 SGB V geschlossen. In § 3 Abs.3 i) dieses Vertrags ist vorgesehen, daß auch Apotheken die Kompressionsstrümpfe vertreiben dürfen. Sie benötigen dafür eine besondere Zulassung, wenn "am Hilfsmittel eine behinderten- und therapiegerechte Zurichtung notwendig ist". Im § 5 des Vertrages ist im einzeln geregelt, wie die Apotheken die sachgerechte Versorgung der Versicherten sicherzustellen haben.
Schließlich ist der Klägerin unter dem 24.9.1996 von dem VdAK, also für Ersatzkassen, die Zulassung von Hilfsmitteln gemäß Gruppe 2 im Sinne der soeben erwähnten gemeinsamen Empfehlung erteilt worden. Über die Zulassung für die Abgabe an Patienten der gesetzlichen Krankenkassen verhält sich § 9 des aus der - gesondert gehefteten - Anlage K 10 ersichtlichen Arzneilieferungsvertrages für NW vom 6.12.1996.
Vor diesem Hintergrund hat der Beklagte zur Begründung der Widerklage vorgetragen:
Die Klägerin dürfe im Rahmen des § 25 ApBetrO nur "apothekenübliche Waren" vertreiben, wobei als Ausgleich für das Monopol der Apotheken bei der Abgabe von Arzneimitteln die Vorschrift restriktiv auszulegen sei. Die Abgabe der Kompressionsstrümpfe verstoße gegen § 25 ApBetrO, weil es sich nicht um apothekenübliche Ware handele. Die Kompressionsstrümpfe seien nämlich insbesondere weder Verbandmittel noch Gegenstände zur Krankenpflege noch Mittel zur Hygiene und Körperpflege, sondern "Hilfsmittel" im Sinne von § 126 SGB V. Dies folge schon aus der gesetzlichen Definition in § 33 Abs.1 i.V. m. § 128 SGB V und dem nach dieser Vorschrift erstellten Heilmittelverzeichnis. Außerdem ergebe es sich daraus, daß die Kompressionsstrümpfe nicht über die Theke verkauft werden könnten, sondern am Patienten angemessen und angepaßt werden müßten, wozu eine speziell vom Verkaufsraum abgetrennte Liegeeinrichtung erforderlich sei. Die Abgabe von Hilfsmitteln sei Apotheken indes untersagt. Die Klägerin verhalte sich damit durch den Verkauf gem. § 34 Ziff.2 Buchst. e ApBetrO ordnungswidrig.
Im übrigen sei der Klägerin die erwähnte Zulassung zu Unrecht erteilt worden. Eine Zulassung dürfe ihr nicht erteilt werden, weil diese den Hilfsmittellieferanten, also den Orthopädiemechanikern und Bandagisten, vorbehalten sei. Soweit der erwähnte Vertrag die Möglichkeit einer Zulassung vorsehe, sei das rechtswidrig. Es stehe im übrigen nach der Rechtsprechung des BSG gerade nicht im Belieben von Berufsverbänden von Leistungserbringern oder Krankenkassen, die Zulassung zu regeln.
Durch diese Gesetzesverstöße verschaffe sich die Klägerin unter Ausnutzung ihrer Vertrauensstellung als Apothekerin auf unlautere Weise einen Wettbewerbsvorteil, weswegen zugleich § 1 UWG erfüllt sei.
Der Beklagte, der den mit der Klage verfolgten Zugabeverstoß in Abrede gestellt hat, hat b e a n t r a g t,
die Klage abzuweisen;
die Klägerin auf die Widerklage unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu verurteilen,
es zu unterlassen, in ihrer Apotheke medizinische Zweizugkompressionsstrümpfe und/oder Strumpfhosen anzubieten und/ oder abzugeben.
Die Klägerin hat b e a n t r a g t,
Den Beklagten zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Kompressionsstrümpfe und Maßkompressionsstrümpfe zusammen mit Spezialhandschuhen zum Anziehen derartiger Strümpfe ohne Berechnung der Handschuhe anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren;
2.) die Widerklage abzuweisen.
Sie hat die Klage näher begründet und bezüglich der Widerklage die Auffassung vertreten, zur Abgabe der Strümpfe und Strumpfhosen berechtigt zu sein. Im übrigen seien für den geltendgemachten Anspruch gem. § 51 Abs.2 SGG die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit zuständig.
Ein Verstoß gegen § 25 ApBetrO liege nicht vor, weil die Kompressionsstrümpfe sowohl unter den Begriff der Verbandmittel, als auch der Mittel und Gegenstände zur Krankenpflege fielen. Zu Unrecht übertrage der Beklagte Begriffe aus dem SGB V auf die ältere ApBetrO. Der Gesetzgeber habe bei dem Erlaß der ApBetrO sich nicht an den Differenzierungen orientiert, die später von den Vorschriften des SGB V vorgenommen worden seien. Zudem sei die Zielrichtung beider Regelwerke auch ganz unterschiedlich.
Bezüglich der erforderlichen Zulassung gem. § 126 SGB V hat die Klägerin die Meinung vertreten, es sei nicht ersichtlich, aus welchem Grunde die Zulassung Apothekern nicht erteilt werden dürfe. Allein der Umstand, daß mit der Abgabe der Kompressionsstrümpfe auch eine Dienstleistung erbracht werde, stelle einen solchen Grund nicht dar, weil § 21 ApothekenG, auf dem § 25 ApBetrO basiere, auch "Nebengeschäfte" des Apothekers vorsehe. Zudem gebiete auch Art.12 GG diese Auslegung, weil eine gesetzliche bzw. auf einem Gesetz beruhende Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit der Apotheker diesbezüglich nicht vorhanden sei. Es handele sich im übrigen um eine apothekentypische Leistung, die seit Jahrzehnten üblicherweise von Apotheken erbracht werde, ohne daß es durch die erforderlichen Handhabungen zu Störungen des Apothekenbetriebes gekommen wäre.
Das L a n d g e r i c h t hat zunächst in einer Vorabentscheidung nach § 17 a GVG, die nicht angefochten worden ist, bezüglich der Widerklage den ordentlichen Rechtsweg als gegeben angesehen. Sodann hat es neben der Klage auch die Widerklage mit der Begründung abgewiesen, nachdem die Zulassung erteilt sei handele die Klägerin ungeachtet der Frage eines Verstoßes gegen § 25 ApBetrO jedenfalls nicht sittenwidrig im Sinne des § 1 UWG.
Zur Begründung seiner B e r u f u n g gegen dieses Urteil, mit der er weiterhin die Verurteilung der Klägerin erstrebt, trägt der Beklagte vor:
Entgegen der Auffassung des Landgerichts liege aus den bereits in erster Instanz dargelegten Gründen ein Verstoß gegen § 25 ApBetrO vor. Es bestehe hinsichtlich der Arzneimittelabgabe ein weitgehendes Monopol der Apotheker. Vor diesem Hintergrund müsse der Apotheker sein Nebensortiment strikt auf die in der Vorschrift genannten Waren beschränken. Hierunter fielen indes die Kompressionsstrümpfe aus den bereits in erster Instanz dargelegten Gründen nicht. Es sei insbesondere zwischen Verbandmitteln und Heil- und Hilfsmitteln zu unterscheiden. Die streitgegenständlichen Waren seien Hilfsmittel und dürften daher in Apotheken nicht abgegeben werden. Die Abgabe von Hilfsmitteln setze eine spezielle Ausbildung im Orthopädie- und Bandagistenhandwerk voraus, über die Apotheker nicht verfügten.
Der Klägerin sei auch der Unlauterkeitsvorwurf zu machen, weil ihr Verhalten nicht den redlichen Anschauungen der beteiligten Verkehrskreise entspreche. Vielmehr habe der Bundesinnungsverband der Innung für Orthopädietechnik gegen den Apothekenlieferungsvertrag geklagt. Auf Landesebene sei dies durch sämtliche Innungen des Landes NW ebenfalls geschehen.
In einem dieser Verfahren hat das Sozialgericht Köln durch Urteil vom 17.3.1998, wegen dessen Wortlauts auf die als Bl.298 ff bei den Akten befindliche Ablichtung Bezug genommen wird, inzwischen die Klage abgewiesen. Das Gericht hat angenommen, daß Hilfsmittel, die nach § 3 Abs.4 des beanstandeten Vertrages handwerklich individuell gefertigt oder handwerklich zugerichtet werden müssen, Mittel und Gegenstände zur Krankenpflege im Sinne des § 25 ApBetrO seien. Bezüglich der Bestimmungen des SGB V liege ein Verstoß deswegen nicht vor, weil aus ihnen nicht hergeleitet werden könne, daß Hilfsmittel der Gruppe 2 nur von Orthopädiemechanikermeistern und Bandagistenhandwerkern abgegeben werden könnten.
Der Beklagte b e a n t r a g t,
unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils die Klägerin unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu verurteilen,
es zu unterlassen, in ihrer Apotheke medizinische Zweizugkompressionsstrümpfe und/oder Zweizugkompressionsstrumpfhosen anzubieten und/oder abzugeben.
Die Klägerin b e a n t r a g t,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt im wesentlichen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Für ihre Behauptung, daß medizinische Kompressionsstrümpfe Mittel oder Gegenstände zur Krankenpflege im Sinne des § 25 ApBetrO seien, tritt sie Beweis an durch Einholung eines Gutachtens. Im übrigen habe der Gesetzgeber der §§ 126 SGB V ff durch die Verwendung des Begriffes "Leistungserbringer" deutlich gemacht, daß nicht auf ein bestimmtes Berufsbild abgestellt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Verwiesen wird darüber hinaus auf den erst nach dem Berufungstermin eingegangenen - nicht nachgelassenen - Schriftsatz der Klägerin vom 16.07.1998.
Gründe
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Die Klägerin ist auf die zulässige Widerklage des Beklagten antragsgemäß zu verurteilen, weil der Vertrieb der Kompressionsstrümpfe in der Apotheke gegen § 25 ApBetrO verstößt und aus diesem Grunde im Sinne des § 1 UWG unlauter ist.
Die Widerklage ist zunächst - was die Klägerin auch nicht in Zweifel zieht - zulässig.
Der Senat hat gem. § 17 a Abs.5 GVG nicht zu prüfen, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist, nachdem das Landgericht dies - mit im übrigen zutreffendem Ergebnis - in einer bestandskräftig gewordenen Entscheidung gem. § 17 a Abs.3 GVG bejaht hat.
Der Beklagte ist auch klagebefugt. Dabei kann offenbleiben, ob er sogar unmittelbarer Verletzter und damit ohne weiteres klagebefugt ist, wie dies hier angesichts der örtlichen Nähe der Parteien naheliegt. Denn jedenfalls liegen die Voraussetzungen einer Klagebefugnis aus § 13 Abs.2 Ziff.1 UWG vor, weil der Beklagte auf demselben örtlichen Markt in K.-Z. die Kompressionsstrümpfe vertreibt.
Die Widerklage ist aus den genannten Vorschriften ebenfalls begründet. Der Vertrieb der Kompressionsstrümpfe in ihrer Apotheke durch die Klägerin verstößt gegen § 25 ApBetrO, weil sie keiner der dort aufgelisteten abgabefähigen Waren unterfallen. Entgegen ihrer Auffassung kann die Klägerin auch aus den oben erwähnten Vorschriften des SGB V und den auf ihnen beruhenden Regelungen sowie aus der ihr erteilten Zulassung ein Recht auf die Abgabe der Kompressionsstrümpfe nicht herleiten.
Bei der Auslegung des § 25 ApBetrO ist neben dessen Wortlaut der Sinn der auf § 21 Apothekengesetz (ApoG) beruhenden Vorschrift zu berücksichtigen. Sinn der Apothekenbetriebsordnung ist ausweislich deren § 1 Abs.1 S.2 die Festlegung, wie die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung der Bevölkerung sicherzustellen ist. Diese als Programmsatz zu verstehende Bestimmung (vgl. Pfeil,Pieck,Blume, Apothekenbetriebsordnung, 5. Aufl. 1997, § 1 RZ 33) ist als Leitlinie für die Auslegung der Bestimmungen der Apothekenbetriebsordnung anzusehen. Sie besagt, daß die Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln im Mittelpunkt der Aufgaben der Apotheken steht. Bereits aus diesem Grunde sind bei der Auslegung des Begriffes der "apothekenüblichen Waren" im Sinne des § 25 ApBetrO der gebotene Zusammenhang und die gebotene Nähe zu Arzneimitteln zu berücksichtigen. Es kommt hinzu, daß Apotheken im Interesse einer qualifizierten Versorgung der Bevölkerung das Monopol für die Abgabe von Arzneimitteln haben. Dies verbietet es, ihnen die Abgabe anderer, nicht im Zusammenhang mit der Arzneimittelversorgung stehender Waren zu gestatten, weil sie sonst auf diesem freien Markt, auf dem Anlaß für eine Monopolisierung nicht besteht, einen ungerechtfertigten gesetzlichen Wettbewerbsvorteil erhielten.
Vor diesem Hintergrund geht es entgegen der Auffassung der Klägerin auch nicht an, aus dem Umstand, daß in § 25 ApBetrO - und den übrigen etwa in Betracht kommenden Vorschriften der Verordnung - lediglich die Abgabe von apothekenüblichen Waren und nicht auch Nebengeschäfte des Apothekers einschränkend geregelt worden sind, das Recht auf die Abgabe abzuleiten. Es kann dabei offenbleiben, ob der Verkauf der streitgegenständlichen Kompressionsstrümpfe überhaupt als "Nebengeschäft" im Sinne des § 21 Abs.2 Ziff.8 ApoG anzusehen sein kann. Denn jedenfalls sind der Klägerin "Nebengeschäfte" nicht allein deswegen erlaubt, weil der Verordnungsgeber davon abgesehen hat, auf der erwähnten Ermächtigungsgrundlage den Apothekern auch bestimmte Nebengeschäfte zu gestatten. Der Verordnungsgeber hat es für sachgerecht angesehen, nur in dem Umfang, der in der Apothekenbetriebsordnung vorgesehen ist, von der Ermächtigung Gebrauch zu machen. Aus diesem Grunde ist den Apothekern neben der Arzneimittelabgabe nur die Abgabe von apothekenüblichen Waren im Sinne des § 25 ApBetrO und nicht auch die Vornahme von "Nebengeschäften" gestattet (vgl. Pfeil, Pieck, Blume, a.a.O., § 25 RZ 1,4,9). Die auf diese Weise durch den abschließenden Katalog des § 25 ApBetrO entstehende Beschränkung der Apotheker, nur bestimmte, eben "apothekenübliche" Waren zu vertreiben, stellt eine gesetzliche Regelung im Sinne des Art.12 Abs.1 S 2 GG dar und verstößt - wie bereits das OVG Münster entschieden hat (vgl. den Hinweis bei Pfeil, Pieck, Blume, a.a.O., § 25 RZ 5) - nicht gegen die grundrechtlich garantierte Berufsausübungsfreiheit.
Ebenfalls fehl geht die Auffassung der Klägerin, der Anwendungsbereich des § 25 ApBetrO werde durch die Vorschriften der §§ 126 ff SGB V erweitert und sie könne insbesondere aus der erwähnten Zulassung des VdAK vom 24.9.1996 das Recht herleiten, die Kompressionsstrümpfe zu vertreiben.
Maßgeblich für die Frage, ob einzelne Waren, die - wie die Kompressionsstrümpfe - keine Arzneimittel darstellen, in Apotheken abgegeben werden dürfen, ist allein die Apothekenbetriebsordnung. Das ergibt sich ohne weiteres aus der Systematik zwischen § 21 ApoG einerseits und der Apothekenbetrienbsordnung und speziell ihrem § 25 andererseits. Demgegenüber regeln die von der Klägerin angeführten Vorschriften aus dem sechsten Abschnitt des Sozialgesetzbuches Teil V nicht die Frage, ob bestimmte Waren (auch) in Apotheken vertrieben werden dürfen. Vielmehr betreffen diese Bestimmungen - wie dies schon die Überschrift des sechsten Abschnittes des SGB V besagt - die "Beziehungen (der gesetzlichen Krankenkassen) zu Leistungserbringern von Hilfsmitteln". Sie regeln mithin die Frage, unter welchen Voraussetzungen einzelne Leistungsträger im Rahmen der Leistungspflicht der Krankenkassen Hilfsmittel abgeben dürfen. Ein Anhaltspunkt dafür, daß der Gesetzgeber - in Erweiterung der einschlägigen Bestimmungen des Apothekengesetzes und der Apothekenbetriebsordnung - durch diese Regelung generell auch den Vertrieb von Hilfsmitteln durch Apotheken gestatten wollte, besteht nicht. So ist zunächst in der Bestimmung des § 126 SGB V von Apotheken nicht die Rede. Daß der Gesetzgeber den weiten Begriff des "Leistungsträgers" gewählt hat, spricht allerdings für das Bestreben, alle in Betracht kommenden berechtigten Abgabestellen zu erfassen. Das besagt aber nicht auch, daß der Gesetzgeber die Apotheken in diesen Kreis einbeziehen wollte, obwohl die einschlägigen Bestimmungen des Apothekengesetzes und der Apothekenbetriebsordung der Abgabe von Hilfsmitteln entgegenstehen. Es kommt hinzu, daß der Kreis der Hilfsmittel, wie er z.B. in der erwähnten gemeinsamen Empfehlung der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen und Ersatzkassen im einzelnen dargestellt ist, sehr weit gezogen ist. Es ist aber schon kaum vorstellbar, daß der Gesetzgeber etwa Hilfsmittel der Stufe 3 wie Prothesen in den Bereich der potentiell in Apotheken abgabefähigen Waren einbeziehen wollte. Schließlich ist zu berücksichtigen, daß der Verordnungsgeber, obwohl er in der Zwischenzeit durch die erste Änderungsverordnung vom 9.8.1994 eine Reihe von Bestimmungen der Apothekenbetriebsordnung neugefaßt hat, weder bei dieser noch bei einer anderen Gelegenheit die von § 126 SGB V erfaßten Hilfsmittel, oder einige von ihnen, in den Wortlaut des § 25 ApBetrO aufgenommen hat.
Vor diesem Hintergrund ist es für die Entscheidung des Rechtsstreites ohne Bedeutung, daß in der erwähnten gemeinsamen Empfehlung vom 2.5.1991 vorgesehen ist, daß Hilfsmittel der Gruppe 2 unter bestimmten Voraussetzungen von Apotheken geliefert werden dürfen. Dasselbe gilt für den Umstand, daß im § 3 Abs.3 i des oben angesprochenen Hilfsmittellieferungsvertrages vom 4.5. 1995 der Vertrieb der Kompressionsstrümpfe durch Apotheken sogar ausdrücklich vorgesehen ist. Auch verhelfen die Zulassung des VdAK und § 9 des ebenfalls oben schon angesprochenen Arzneimittellieferungsvertrages für NW der Klägerin nicht zu dem Recht, die Kompressionsstrümpfe in ihrer Apotheke zu vertreiben. Auf alle diese Regelungen kann sich die Klägerin deswegen nicht mit Erfolg berufen, weil sie weder Gesetzes- noch Verordnungsqualität besitzen und deswegen eine Änderung der Apothekenbetriebsordnung nicht bewirken können. So kann aus systematischen Gründen - was keiner näheren Begründung bedarf - weder durch eine gemeinsame Empfehlung von Spitzenverbänden, noch durch einen Hilfsmittellieferungsvertrag der Krankenkassenverbände mit dem deutschen Apotheker-Verband, noch durch eine Einzelzulassung des VdAK in Abweichung von der Apothekenbetriebsordnung die Abgabe der Kompressionsstrümpfe durch Apotheken wirksam gestattet werden.
Aus den vorstehenden Gründen kommt es für die Frage der Berechtigung der Klägerin, auch in Zukunft in ihrer Apotheke die Kompressionsstrümpfe abzugeben, allein darauf an, ob diese unter eine der in Betracht kommenden Ziffern des § 25 ApBetrO fallen. Diese Frage ist unter Berücksichtigung der oben dargelegten Auslegungsgrundsätze indes zu verneinen.
Es handelt sich bei den Kompressionsstrümpfen zunächst nicht um "Verbandmittel" im Sinne von § 25 Ziff.1 ApBetrO.
Hierunter fallen u.a. "Erzeugnisse, die ... als Stütz-, Entlastungs, Starr- und Kompressionsverbände ... zu dienen bestimmt sind" (vgl. Pfeil,Pieck,Blume,a.a.O. § 25 RZ 16). Zu diesen Erzeugnissen gehören die Kompressionsstrümpfe nicht. Im Gegensatz zu Verbänden und insbesondere auch zu den ihnen am nächsten kommenden Kompressionsverbänden werden die Kompressionsstrümpfe nicht von dem Apotheker - wenn auch möglicherweise nach Beratung - lediglich verkauft und dann von dem Kunden selber oder einer Hilfsperson angelegt. Sie werden vielmehr bei der Abgabe von dem Abgebenden in der Regel angemessen und angepaßt. Es kommt hinzu, daß Verbände regelmäßig für einen einmaligen Gebrauch bestimmt sind, während Kompressionsstrümpfe während der ganzen - oftmals langen - Dauer der Behandlung getragen werden, weswegen der erwähnten Anpassung auch eine besondere Bedeutung zukommt.
Die Kompressionsstrümpfe sind auch keine Mittel und Gegenstände zur Krankenpflege im Sinne des § 25 Ziff.2 ApBetrO.
Dabei handelt es sich um "Gegenstände, welche die mit einer Krankheit verbundenen Behinderungen des Körpers ausgleichen und auf der anderen Seite die wegen einer solchen Behinderung erforderliche Pflege durch andere Personen erleichtern" (vgl. Pfeil,Pieck,Blume, a.a.O., § 25 RZ 18). Hierunter fallen die Kompressionsstrümpfe ebenfalls nicht. Gegen ihre Einordnung als Mittel der Krankenpflege spricht bereits, daß sie in aller Regel nicht von einem Dritten, der den Patienten pflegt, sondern - mit Hilfe von Handschuhen - von dem Patienten selber angezogen werden. Sie dienen damit nicht - wie dies die vorstehende Definition vorsieht - der Pflege eines Kranken, sondern dessen Selbstversorgung. Überdies sollen die Kompressionsstrümpfe nicht eine mit der Krankheit verbundene Behinderung ausgleichen, sondern eine Heilung oder doch zumindest Linderung der Krankheit herbeiführen. In der bereits mehrfach zitierten Kommentierung bei Pfeil,Pieck,Blume sind in der ausführlichen beispielhaften Aufzählung (a.a.O., RZ 20) dementsprechend Kompressionsstrümpfe nicht aufgeführt. Die dortige Erwähnung von "Gummistrümpfen" belegt nichts anderes. Diese (heute ungebräuchlichen) Strümpfe dienen nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten nämlich nicht der Heilung oder gar dem Ausgleich einer Behinderung, sondern lediglich dazu, einen Verband zu halten.
Der Umstand, daß das Sozialgericht Köln in seiner erwähnten Entscheidung vom 17.3.1998 - S 9 Kr 41/96 - angenommen hat, daß "Hilfsmittel, die nach § 3 Abs.4 des Vertrages (gemeint ist der oben erwähnte Hilfsmittellieferungsvertrag vom 4.5.1995) handwerklich individuell angefertigt oder handwerklich zugerichtet werden müssen und für deren Abgabe es einer besonderen Zulassung bedarf", Mittel oder Gegenstände der Krankenpflege seien (S.14 des Urteils), veranlaßt den Senat nicht zu einer anderen Wertung, denn das Gericht hat sich auf den vorstehend zitierten Satz beschränkt und ist auf die dargestellte Problematik nicht eingegangen. Welche Erwägungen dieser Entscheidung des Sozialgerichts Köln zugrundeliegen, ist damit nicht ersichtlich.
Es kommt schließlich nicht näher in Betracht, auf die Anregung der Klägerin ein Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob die streitgegenständlichen Kompressionsstrümpfe Mittel und Gegenstände zur Krankenpflege im Sinne des § 25 Ziff.2 ApBetrO darstellen. Es handelt sich bei der vorzunehmenden Subsumtion unter die Bestimmung der Apothekenbetriebsordnung um eine typische, dem Gericht vorbehaltene Rechtsfrage, die der - nur auf Tatsachenfragen zu beschränkenden - Beweiserhebung nicht zugänglich ist.
Die im Rahmen von § 25 Ziff.1 ApBetrO bereits angesprochene regelmäßig bestehende Notwendigkeit einer Anpassung der Kompressionsstrümpfe belegt im übrigen auch aus einem anderen Grunde, daß es sich bei ihnen nicht um "apothekenübliche Waren" handelt, wie dies § 25 ApBetrO voraussetzt. Es ist nämlich in Apotheken gerade nicht üblich, daß dort Waren vor der Abgabe den Körperformen des Kunden angepaßt werden. Überdies ist die Notwendigkeit, die Kompressionsstrümpfe dem einzelnen Patienten anzupassen, zumindest bei älteren Kunden mit einem nicht geringen Zeitaufwand zu veranschlagen. Auch dies steht einer Einordnung der Kompressionsstrümpfe als apothekenübliche Ware entgegen. Denn der Apotheker soll durch sein Nebensortiment nicht in seiner Hauptaufgabe der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung beeinträchtigt werden (vgl. Pfeil,Pieck, Blume, a.a.O., § 25 RZ 5 m.w.N.).
Schließlich vermag der Umstand, daß nach der Behauptung der Klägerin bereits "seit Jahrzehnten" auch Kompressionsstrümpfe in Apotheken vertrieben werden, den Vertrieb nicht zu rechtfertigen. Kompressionsstrümpfe werden üblicherweise nicht in Apotheken abgegeben und insbesondere ist die - für den Vertrieb indes notwendige - Einrichtung von Apotheken mit gegen Einsicht abgeschirmten Liegeplätzen für die Anpassung der Kompressionsstrümpfe sogar unüblich. Dies vermögen die Mitglieder des Senats, die zu den Kunden von Apotheken gehören, aus eigener Lebenserfahrung festzustellen. Ungeachtet dessen vermag auch eine etwaige gewisse Verbreitung der Abgabe von Kompressionsstrümpfen in Apotheken, selbst wenn die Aufsichtsbehörden hiergegen nicht eingeschritten sein sollten, an der Rechtswidrigkeit dieses Vertriebs nichts zu ändern. Denn eine Ware wird nicht dadurch "zu einer solchen" im Sinne des § 25 ApBetrO, daß sie tatsächlich eine Weile lang in Apotheken abgegeben wird, sondern allein dadurch, daß der Verordnungsgeber sie in den Katalog des § 25 ApBetrO aufnimmt (vgl. Pfeil,Pieck,Blume, a.a.O., § 25 RZ 6).
Aus den vorstehenden Gründen fallen die streitgegenständlichen Kompressionsstrümpfe nach den oben näher dargelegten Auslegungsgrundsätzen weder unter § 25 Ziff.1, noch unter § 25 Ziff.2 ApBetrO. Da auch die übrigen - aus diesem Grunde von der Klägerin auch gar nicht angeführten - Ziffern der Apothekenbetriebsordnung die Kompressionsstrümpfe ersichtlich nicht erfassen, verstößt deren Vertrieb durch die Klägerin in ihrer Apotheke gegen § 25 ApBetrO und ist damit rechtswidrig.
Dieser Verstoß gegen § 25 ApBetrO ist unter dem Gesichtspunkt des Rechtsbruchs im Sinne des § 1 UWG sittenwidrig und begründet damit den geltendgemachten Unterlassungsanspruch des Beklagten.
Bei der Bestimmung des § 25 ApBetrO handelt es sich um eine wertbezogene Norm (vgl. dazu allgemein Köhler/Piper, UWG, § 1 UWG, RZ 323 f; Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 19.Aufl., § 1 UWG RZ 613 ff), deren Mißachtung regelmäßig ohne weiteres zugleich einen Wettbewerbsverstoß darstellt.
Die Bestimmung ist deswegen wertbezogen, weil sie über einen lediglich ordnenden wertneutralen Charakter hinaus selbst Ausdruck einer sittlichen Anschauung ist. Sie dient nämlich zumindest mittelbar der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln und damit der Volksgesundheit, also einem besonders wichtigen Gemeinschaftsgut. Dies ergibt sich aus der bereits angesprochenen, in ihrem § 1 Abs.1 S.2 ausdrücklich festgelegten Zweckrichtung der Apothekenbetriebsordnung. Die die Berufsausübungsfreiheit der Apotheker betreffende Beschränkung der Abgabefreiheit von Waren in Apotheken dient nämlich der Aufrechterhaltung einer qualifizierten Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln. Der Verordnungsgeber hat - basierend auf der Ermächtigungsnorm des § 21 ApoG - die in Apotheken abgabefähigen Waren auf den sich aus § 25 ApBetrO ergebenden Katalog apothekenüblicher Waren beschränkt, um zu verhindern, daß der Apotheker durch ein zu umfangreiches Nebensortiment in der Erfüllung seiner Hauptaufgabe der Sicherstellung der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung beeinträchtigt wird (vgl. VGH München NJW 92, 931 f; BVerwG NJW 92,994 f). Dieses Ziel ergibt sich nicht nur aus dem bereits erwähnten § 1 Abs.1 S.2 ApBetrO, sondern auch aus § 2 Abs.4 ApBetrO, in dem ausdrücklich festgelegt ist, daß der Apothekenleiter "die in § 25 ApBetrO genannten Waren in der Apotheke nur in einem Umfang anbieten oder feilhalten darf, der den ordnungsgemäßen Betrieb der Apotheke und den Vorrang des Arzneimittelversorgungsauftrages nicht beeinträchtigt".
Ungeachtet dessen wäre der Anspruch auch dann begründet, wenn die Vorschrift des § 25 ApBetrO als lediglich wertneutrale Norm anzusehen wäre. Denn die Klägerin setzt sich - was für den Unterlassungsanspruch wegen Verstoßes gegen eine wertneutrale Norm genügt (vgl. Baumbach/Hefermehl, a.a.O. RZ 662; Köhler/Piper, § 1 RZ 344, jew. m.w.N.) - bewußt und planmäßig über die Bestimmung hinweg und verschafft sich so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber ihren rechtstreuen Mitbewerbern. Sie nimmt nämlich für sich in Anspruch, berechtigt zu sein, die Kompressionsstrümpfe weiter zu vertreiben.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts steht dem Unlauterkeitsvorwurf schließlich nicht entgegen, daß die Spitzenverbände einschließlich des Apotheker-Verbandes in den oben im einzelnen dargelegten Äußerungen und Regelungen die Abgabe von Kompressionsstrümpfen in Apotheken vorsehen und damit offenbar für rechtmäßig halten. Dies vermag schon deswegen die Entscheidung nicht zu beeinflussen, weil der Verstoß gegen wertbezogene Vorschriften ungeachtet der Handhabung durch Dritte regelmäßig als sittenwidrig anzusehen ist. Im übrigen bleibt der bewußte und planmäßige Verstoß gegen eine wertneutrale Vorschrift, um die es sich indes aus den dargelegten Gründen bei § 25 ApBetrO nicht handelt, auch dann unlauter, wenn hinter dem Einzelnen stehende Verbände davon ausgehen, daß ein Normverstoß nicht vorliege. Ebenso wie durch den faktischen, auch längeren Vertrieb von Waren, die nicht unter den Katalog des § 25 ApBetrO fallen, diese nicht zu "apothekenüblichen" Waren werden, wird der an sich unlautere Verstoß gegen die Apothekenbetriebsordnung nicht dadurch lauter, daß auch die beteiligten Spitzenverbände den Vertrieb der Kompressionsstrümpfe in Apotheken für rechtmäßig halten. Aus denselben Gründen ist es ebenfalls ohne Bedeutung, daß nach der Behauptung der Klägerin auch in anderen Apotheken, angeblich sogar bereits seit langem, Kompressionsstrümpfe angeboten werden.
Aus den vorstehenden Gründen ist - ausgehend von dem Vortrag der Parteien bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung - der verschuldensunabhängige Unterlassungsanspruch des Beklagten und damit seine Berufung begründet. Das gilt auch dann, wenn man den Beklagten nicht als unmittelbar durch den Normverstoß Verletzten ansehen will. Denn es handelt sich bei dem Vertrieb der Kompressionsstrümpfe durch die Klägerin um eine Handlung, die im Sinne des § 13 Abs.2 Ziff.1 UWG geeignet ist, den Wettbewerb auf dem örtlichen Markt in K. erheblich zu beeinträchtigen. Dies ergibt sich ohne weiteres aus dem Umstand, daß die Klägerin nur auf Grund des Verstoßes in der Lage ist, als Wettbewerberin des Beklagten aufzutreten.
Der - ihr nicht gem. §§ 283,523 ZPO nachgelassene - Schriftsatz der Klägerin vom 16.7.1998 gibt keinen Anlaß, gem. § 156 ZPO die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen. Soweit darin neue Behauptungen aufgestellt und Beweise angetreten werden, stehen dem bereits die Verspätungsvorschriften der §§ 527,296 Abs.1 ZPO entgegen, weil eine Beweiserhebung die Erledigung des Rechtsstreites verzögern würde und die Klägerin die Verspätung nicht entschuldigt hat. Im übrigen würde der neue Vortrag aber auch in der Sache an der Begründetheit der Berufung nichts ändern können, wenn er berücksichtigungsfähig wäre.
So vermag der angebliche Umstand, daß bei den zuständigen Landesbehörden und der Apothekerkammer sowie den Verfassern des oben mehrfach zitierten Kommentars kein Zweifel daran bestehen soll, daß die Kompressionsstrümpfe als Mittel zur Krankenpflege im Sinne des § 25 Ziff.2 ApBetrO anzusehen seien, nichts daran zu ändern, daß sie tatsächlich aus den oben dargelegten Gründen nicht unter diese Bestimmung fallen. Aus demselben, oben erörterten Grund, der der Einholung eines Sachverständigengutachtens entgegensteht, kommt diesbezüglich, eben weil es sich nicht um eine tatsächliche Frage handelt, die Vernehmung von - auch sachverständigen - Zeugen nicht in Betracht.
Ebenso vermag die zitierte Auffassung des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit, auch wenn sie von den betreffenden Fachministerien der übrigen Bundesländer geteilt werden sollte, nichts daran zu ändern, daß § 25 ApBetrO bei der gebotenen Auslegung die Kompressionsstrümpfe nicht erfaßt. Im übrigen wird aus dem Schreiben des Ministeriums vom 1.2.1996 schon nicht deutlich, welche Ziffer der Bestimmung durch die Kompressionsstrümpfe erfüllt sein soll. Die bloße Annahme, diese würden "traditionell zu den apothekenüblichen Waren gem. § 25 ApBetrO gerechnet" besagt dies nicht. Es kommt hinzu, daß das Schreiben nicht deutlich macht, von wem und seit wann diese angebliche Zurechnung erfolgen soll, sowie in welchem Umfang tatsächlich Kompressionsstrümpfe in Apotheken vertrieben werden. Angesichts des bereits mehrfach erwähnten Umstandes, daß die rein normative Kraft des Faktischen vor einer Änderung des Kataloges des § 25 ApBetrO durch den Verordnungsgeber eine Ware nicht zu einer solchen machen kann, die im Sinne der Verordnung als apothekenüblich anzusehen ist, vermag auch die zitierte Auffassung des erwähnten Ministeriums an der Rechtslage nichts zu ändern.
Aus denselben Gründen ändert es schließlich an dem Bestehen des Anspruches nichts, daß die Abgabe der Kompressionsstrümpfe nach dem neuen Vortrag der Klägerin seit Jahren von den Aufsichtsbehörden im Rahmen der Apothekenrevisionen nicht beanstandet worden ist, zumal sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht ergibt, in welchem Umfange der Vertrieb der Kompressionsstrümpfe tatsächlich stattgefunden haben und von den Behörden geduldet worden sein soll. Auch wenn die Aufsichtsbehörden im übrigen in nennenswertem Umfange die Abgabe der Kompressionsstrümpfe nicht beanstandet haben sollten, ändert dies nichts daran, daß die Klägerin durch diesen Vertrieb gegen § 25 ApBetrO und damit eine wertbezogene Norm verstößt und so den Unterlassungsanspruch begründet.
Gegen dieses Urteil wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Auseinandersetzung gem. § 546 Abs.1 S.1 und 2 Ziff.2 ZPO die Revision zugelassen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs.1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
Die gemäß § 546 Abs.2 ZPO festzusetzende Beschwer der Klägerin entspricht dem Wert ihres Unterliegens im Rechtsstreit.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 50.000,00 DM.
OLG Köln:
Urteil v. 29.07.1998
Az: 6 U 31/98
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