Landgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 17. Januar 2013
Aktenzeichen: 2-03 O 404/12

(LG Frankfurt am Main: Urteil v. 17.01.2013, Az.: 2-03 O 404/12)

Tenor

Der Beschluss der Kammer vom 01.10.2012 € einstweilige Verfügung € wird aufgehoben und der auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung gerichtete Antrag vom 26.09.2012 wird zurückgewiesen.

Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Eilverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Verfügungsklägerin kann die Vollstreckung durch die Verfügungsbeklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Verfügungsbeklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zulässigkeit von Äußerungen der Beklagten zu einer wirtschaftlichen Verstrickung der Klägerin mit der Rüstungsindustrie und dem australischen Militär sowie eines damit verbundenen Aufrufs, bei der Klägerin erst nach einem bestimmten Inhaberwechsel wieder zu kaufen.

Die Klägerin betreibt dem eigenen Verständnis nach einen Versand von ökologisch und fair hergestellten Naturtextilien und gilt als nachhaltiges Modeunternehmen. Besonderen Wert legt die Klägerin dabei auf die Einhaltung von Sozialstandards innerhalb ihres Unternehmens und bei ihren Lieferanten. Inhaberin aller GmbH-Geschäftsanteile der Klägerin, die bereits 2001 mehrheitlich vom X 1-Konzern übernommen worden waren, ist seit Juni 2012 der Fonds X 2, der von der schweizerischen Beteiligungsgesellschaft X 3 beraten wird. Im Jahr 2011 war ein Anteilsverkauf an eine Beteiligungsgesellschaft Y gescheitert, wobei sich auch eine von Mitarbeitern und Kunden der Klägerin gegründete Genossenschaft €Z€ um den Ankauf bemüht hatte. Satzungsmäßiges Ziel der Z ist (vgl. Anlage AS 6, Bl. 79 ff.), die Klägerin zu übernehmen und ihren Textilhandel im Sinne giftfreier und natürlicher Kleidung als unter anderem ökologisch und sozial-fair ausgerichtete Genossenschaft weiterzuführen.

Zu den Fonds-Investoren des Fonds X 2 gehört die Investmentgesellschaft X 3. Investor von X 3 wiederum ist unter anderem der Staat X 4, der bei X 3 Pensionsgelder angelegt hat, die zur Zahlung der Pensionen auch ehemaliger Militärangehöriger dienen. X 3 ist über eine andere Beteiligungsgesellschaft an dem italienischen Unternehmen Q beteiligt, das unter anderem Antriebe für militärische Flugzeuge und Schiffe herstellt.

Die Beklagten gestalten und betreiben den Internetauftritt unter www.xzy.de (vgl. Anlage AS 10, Bl. 93 ff. d.A.), wo sie sich unter dem Programmsatz €A-Kunden stoppen Spekulanten € Wir sind die Konsumenten von A€ mit der Klägerin und insbesondere deren Übernahme durch den Fonds X 2 befassen. Auf dieser Internetseite findet sich zum Download ein €Handzettel€ mit der Überschrift €A Verkauft € €Nicht mit uns Kunden!€ (vgl. Anlagen AS 11 und 12, Bl. 98 ff.), zu dessen Verteilung und Aushang aufgefordert wird und auf dem sich die Äußerung findet:

€Über X 3 fließen die Zahlungen des A-Kunden ab sofort dem internationalen Finanzkapital zu und gehen u.a. in die Rüstungsindustrie.€

Zugleich heißt es dort:

€Wir kaufen erst wieder, wenn die Arbeiter und Kunden, die sich zur Genossenschaft Z zusammengeschlossen haben, A weiterführen dürfen!€

Die Beklagten veröffentlichen auf der genannten Internetseite und zudem über links auf der Internetseite www.zzz.de den auf den 12.08.2012 datierenden Artikel €A: X 3 entlässt Geschäftsführer BBB und holt €Bonus-Boy€ CCC€ (vgl. Anlage AS 13, Bl. 103 ff. d.A.), in dem sich in Bezug auf die Klägerin und deren Anteilseignerin sowie unter Hinweis auf einen bereits begonnenen Boykott der Klägerin durch €tausende A-Kunden€ und unter einem Aufruf €Unterstützen Sie die Genossenschaft Z€ die Äußerungen finden:

€Der neue Eigentümer X 3 ist in die Rüstungsindustrie verstrickt€

und

€Das australische Militär ist somit einer der Auftraggeber, die ihr Kapital jetzt über jeden Einkauf bei A vermehren € sofern die Kunden weiter dort einkaufen.€

Außerdem veröffentlichten die Beklagten auf die gleiche Weise bereits unter dem 13.07.2012 den aus Anlage AS 14 (Bl. 109 ff. d.A.) ersichtlichen Artikel €X 3: was hat A mit dem Militär zu tun€€, der sich bereits mit der Beziehung der Klägerin zu X 3 und X 3 befasste, der eine Vermehrung des Geldes des bei X 3 investierenden australischen Militärs mit jedem Einkauf bei der Klägerin zum Ausdruck brachte, die Verbindung von X 3 zum Unternehmen Q thematisierte und ausführte, dass das Geld der A-Kunden in Waffengeschäfte fließe, sofern die Kunden weiter bei der Klägerin einkauften und die Verfügung über die Leistung der Klägerin bei X 3 und nicht bei Z liege, was dabei alles als Verbindung der Klägerin zum australischen und italienischen Militär bezeichnet wurde; gleichzeitig erfolgte ein Hinweis auf einen Boykott der A-Kunden, für den noch mehr Kunden gewonnen werden müssten.

Die Klägerin ist der Auffassung, dass ihr wegen der vorgenannten Äußerungen ein Unterlassungsanspruch unter dem Gesichtspunkt des rechtswidrigen Eingriffs in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb zustünde. Es handele sich um falsche Tatsachenbehauptungen, die infolge der Boykottaufforderung für sie mit ihrer besonderen Unternehmensausrichtung und Kundenzielgruppe eine ganz erhebliche Bedrohung seien. Die Aussagen über ihre angebliche Verstrickung mit der Rüstungsindustrie sowie einen Geldfluss in die Rüstungsindustrie und das australische Militär seien angesichts der tatsächlichen Beteiligungsverhältnisse unzutreffend. Es hätten deshalb schon mehrere hundert Kunden mitgeteilt, nicht mehr bei ihr zu kaufen, auch sei der Umsatz stark zurückgegangen. Die von den Beklagten gewählten Mittel seien weder angemessen, noch verfassungsrechtlich zu billigen. Ihr Generalbevollmächtigter habe von den angeführten Äußerungen der Beklagten erstmals erfahren, als er bei einer privaten Wochenendveranstaltung Ende August 2012 darauf angesprochen worden sei, in der nachfolgenden Woche habe sie dann Nachforschungen angestellt und sei so auf die fraglichen Internetseiten gestoßen, wozu sie sich auf die eidesstattliche Versicherung in Anlage AS 7 (Bl. 88 f. d.A) bezieht. Eine angeblich flächendeckende Berichterstattung mit Bezug auf die fraglichen Internetseiten und die angeführten Äußerungen der Beklagten sei ihr nicht bekannt, eine Pressebeobachtungspflicht habe sie nicht. Auch über Aushänge ihres Betriebsrates an einem schwarzen Brett sei ihr nichts bekannt geworden. Der von den Beklagten für eine frühere Kenntnis angeführte Geschäftsführer sei ab dem 08.08.2012 nicht mehr Geschäftsführer gewesen; zuvor sei er den ganzen Juli im Urlaub und danach freigestellt gewesen sein, sein Wissen sei ihr daher ohnehin nicht zuzurechnen. Eine Pflicht zur Beobachtung von Internetseiten und etwaiger Blogs mit Bezug zu ihr bestehe nicht. Etwaige Massen-eMails von Kunden habe sie nicht durchsehen müssen. Die Pressemeldung ihrer Pressesprecherin vom 23.08.2012 markiere in etwa den Zeitpunkt, ab dem sie begonnen habe, den näheren Sachverhalt zu erforschen, wobei sie dann auf die fraglichen Äußerungen der Beklagten gestoßen sei.

Auf den Antrag der Klägerin vom 26.09.2012 hin hat die Kammer den Beklagten mit Beschluss vom 01.10.2012 € einstweilige Verfügung (Bl. 149 ff. d.A.) € unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,

folgende Äußerungen zu behaupten oder behaupten zu lassen:

a. Die Zahlungen der Kunden der A GmbH gingen in die Rüstungsindustrie,

- so geschehen wie in den Anlagen AS 11 und 12 zur Antragsschrift vom 26.09.2012 -

b. Die Anteilseignerin X 3 der A GmbH sei in die Rüstungsindustrie verstrickt,

- so geschehen wie in Anlage AS 13 zur Antragsschrift vom 26.09.2012 -

c. Das australische Militär vermehre sein Geld über jeden Einkauf bei der A GmbH,

- so geschehen wie in Anlage AS 14 zur Antragsschrift vom 26.09.2012 -

und mit einer oder mehrerer dieser Äußerungen Kunden oder potenzielle Kunden der Antragstellerin aufzufordern oder in sonstiger Weise dazu zu bestimmen, keine Produkte bei ihr zu beziehen, solange die Beteiligungsgesellschaft X 3 Anteilseignerin der Antragstellerin ist.

Mit Schriftsatz vom 23.10.2012 haben die Beklagten gegen die ihnen zwischenzeitlich zugestellte einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt.

Die Klägerin beantragt,

den Beschluss vom 01.10.2012 € einstweilige Verfügung € zu bestätigen.

Die Beklagten beantragen,

unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung vom 01.10.2012 den Antrag der Klägerin vom 26.09.2012 zurückzuweisen.

Die Beklagten meinen, die Zusammenhänge so gut wie möglich dargestellt zu haben, wobei sie auf die Mittelbarkeit der Verbindungen und der Kapitalströme zwischen Klägerin und Rüstungsindustrie hingewiesen hätten. Sie hätten die wirtschaftlichen Verhältnisse mit Belegen zutreffend dargestellt, wobei sie €im Interesse der Allgemeinverständlichkeit€ die angegriffenen Äußerungen €untechnisch formuliert€ hätten. Die Kunden würden sich auch nicht aufgrund der fraglichen Äußerungen von der Klägerin abwenden, sondern weil das Private-Equity-Unternehmen X 3 nicht zu den Werten von A passe. Es widerspreche den Grundwerten der Klägerin und ihrer Kundschaft, wenn die Klägerin von einem Finanzinvestor gehalten werde, der Gewinn zugunsten der Rüstungsindustrie und von Private-Equity-Gesellschaften erwirtschafte. Die bisherige Kundschaft könne nicht mehr ohne Wertungswiderspruch bei der Klägerin kaufen. Von daher ginge es ihnen nicht um Nachteile für die Klägerin, sondern gerade um ihren Erhalt. Ihre Äußerungen seien von der Meinungsfreiheit gedeckt. Einen Boykottaufruf hätten sie nicht gemacht, sondern nur einen €Weckruf€ und €Absichtserklärungen€. Es fehle am Verfügungsgrund. Die eidesstattliche Versicherung XXXX sei inhaltlich falsch. Dieser habe die Internetseite www.xyz.de schon vor der Wochenendveranstaltung Ende August 2012 gekannt und sei nicht erst danach durch Nachforschungen darauf gestoßen. Die Auseinandersetzung reiche bis Anfang 2011 zurück, andere Investoren hätten sich aufgrund der Proteste zurückgezogen. In großen Tageszeitungen sei schon im Juni 2012 über www.wir-sind-die-konsumenten.de und die dort geäußerten Themen berichtet worden, die Wochenzeitung €Die Zeit€ habe von einem €Presserummel€ geschrieben, wozu sich die Beklagten auf die Veröffentlichungen in Anlage B 27 (Bl. 306 ff.) beziehen. Das alles sei einer breiten Öffentlichkeit bekannt gewesen. Die Geschäftsführung und die Mitarbeiter der Klägerin seien schon bei Gründung von Z für eine problematische Nähe von Investoren zur Rüstungsindustrie sensibilisiert gewesen. Schon in den Artikeln €X 3 zieht Millionen von A ab€ und €X 3 € Mit A in die Rüstung investieren€€ vom 23.06.2012 (Anlage B 3, Bl. 184) hätten sie unter www.xyz.de auf die Verbindung zu X 3 und Q hingewiesen. Die Seite www.xyz.de sei der Klägerin gut bekannt, sämtliche Kundenfeedbacks seien von dort täglich an die Klägerin weitergeleitet worden. Die Veröffentlichungen von www.xyz.de seien bei der Klägerin an einem schwarzen Brett in der Nähe der Toilette aufgehängt gewesen, die bereits hochgradig sensibilisierte Geschäftsführung der Klägerin habe hiervon Kenntnis nehmen müssen. Die Klägerin unterhalte auf der eigenen Internetseite außerdem einen Blog für Kunden; bereits im Juni 2012 seien dort Beiträge mit dem Rüstungsvorwurf zu finden gewesen und sei dort auf die Internetseiten www.xyz.de und www.yyy.de hingewiesen worden. Es komme zudem nicht nur auf das Wissen des Generalbevollmächtigten an. Der frühere Geschäftsführer ABC, der erst am 8.8.2012 ausgeschieden sei, habe dem Beklagten zu 1 telefonisch mitgeteilt, dass er von Anfang an über die Veröffentlichungen der Beklagten und deren Internetseiten informiert gewesen sei und alle Artikel € auch die mit den hier streitgegenständlichen Äußerungen € seit Juni 2012 stets unmittelbar nach der Veröffentlichung verfolgt habe, wozu sich die Beklagten auf die eidesstattliche Versicherung des Beklagten zu 1 in Anlage B 28 (Bl. 316 d.A.) beziehen. Auch der Geschäftsführer BCD habe bereits in einer gemeinsam mit dem früheren Geschäftsführer ABC verfassten eMail vom 23.06.2012 (Anlage B 29, Bl. 317) auf die Internetseite www.xyz.de und die Internetseite hingewiesen. Die Angabe des Herrn XXXX, bei der Klägerin sei man erst Ende August auf die fraglichen Internetseiten gestoßen, sei daher falsch. Das ergebe sich auch aus der Presseerklärung der Klägerin bereits vom 23.08.2012 (Anlage B8, Bl. 192 d.A.), die ebenfalls die fraglichen Internetseiten als €Störfeuer€ nenne. Und Herr XXXX habe ebenfalls bereits am 23.08.2012 auf einer Mitarbeiterversammlung der Klägerin erklärt, er habe die fraglichen Internetseiten der Beklagten besucht und deren Artikel dort gelesen, habe sich darüber amüsiert und aus den Artikeln zitiert, wobei er sich gerade auf den Artikel in Anlage AS 13 zu den Rüstungsverbindungen bezogen habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in der Sache gewechselten Schriftsätze mitsamt Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 17.01.2013 verwiesen.

Gründe

Auf den Widerspruch der Beklagten war die Rechtmäßigkeit der einstweiligen Verfügung zu überprüfen, §§ 936, 925 ZPO. Dies führte zu ihrer Aufhebung und zur Zurückweisung des auf ihren Erlass gerichteten Antrags. Dabei kann dahinstehen, ob der Klägerin in der Sache der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zusteht. Denn nach dem Sach- und Streitstand fehlte es jedenfalls an der für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nötigen Dringlichkeit.

Der Verfügungsgrund der Dringlichkeit entfällt nach allgemeinen Grundsätzen, wenn der Verfügungskläger im Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung bereits seit längerer Zeit Kenntnis von den den Verfügungsanspruch begründenden Tatsachen hatte, von einer so gegebenen Möglichkeit, gerichtlichen Rechtsschutz zu begehren, aber schon länger keinen Gebrauch gemacht und durch dieses Zuwarten zu erkennen gegeben hat, dass es €ihm nicht eilig ist€ (sogenannte Selbstwiderlegung der Dringlichkeit, vgl. etwa BGH GRUR 2000, 151 m.w.N.). Auch wenn insoweit keine starren Fristen bestehen, entspricht es ständiger Rechtsprechung der Kammer, bei einem Zuwarten von mehr 2 Monaten regelmäßig von einer Selbstwiderlegung der Dringlichkeit auszugehen. Ansatzpunkte dafür, im vorliegenden Fall noch längere Zeiträume bis zur Selbstwiderlegung der Dringlichkeit anzunehmen, weil etwa die Sachverhaltsaufklärung und die rechtliche Beurteilung des Falles besonders zeitintensiv gewesen wären, sind nicht ersichtlich. Bei juristischen Personen wie der Klägerin sind deren gesetzliche Vertreter zugleich Wissensvertreter, weshalb sich die juristische Person das Wissen ihrer gesetzlichen Vertreter in aller Regel zurechnen lassen muss, wobei bei Gesamtvertretung Kenntnis eines Vertreters genügt (vgl. Köhler/Bornkamm, § 11 UWG, Rn. 1.27) und auch die Kenntnis bereits ausgeschiedener Organmitglieder weiter zugerechnet wird (vgl. Palandt/Ellenberger, § 166 BGB, Rn. 8 m.w.N.).

Darlegungs- und glaubhaftmachungsbelastet für das Bestehen des Verfügungsgrundes in Eilverfahren ist grundsätzlich der Verfügungskläger.

Die Klägerin hatte hierzu dem am 28.09.2012 bei Gericht eingereichten Verfügungsantrag die eidesstattliche Versicherung ihres damaligen €Generalbevollmächtigten€ XXXX (AS 7, Bl. 88 f.) beigefügt, der von seiner Stellung als umfassender Generalbevollmächtigter der Klägerin her jedenfalls geeigneter Wissensvertreter war. Dieser hatte dabei angegeben, dass er erst Ende August 2012 am Wochenende € dem Kalender zufolge also am 25. oder 26.08.2012 € über Dritte schockiert von den hier angegriffenen Äußerungen erfahren habe. Daraufhin habe man in der darauffolgenden Woche bei der Klägerin nachgeforscht, wie es zu einer solchen Fehlinformation habe kommen können, wobei man auf die fraglichen Internetauftritte €gestoßen€ sei. Hierbei hatte die Kammer dem Wortsinn folgend unter €darauf stoßen€ die erstmalige Kenntnisnahme der Internetseiten verstanden. Ausgehend von dem Grundsatz, dass keine allgemeine Pflicht besteht, das Internet prophylaktisch auf schädigende Äußerungen hin zu überwachen, war auch der mit dem Verfügungsantrag vorgelegte frühere Artikel vom 13.07.2012 für sich genommen nicht geeignet, eine frühere Kenntnisnahme der Klägerin von den angegriffenen Äußerungen anzunehmen, zumal der angeblich zunächst kenntnislose Generalbevollmächtigte Ende August 2012 erst eine gesonderte Nachprüfung bei der Klägerin habe veranlassen müssen, bevor man bei der Klägerin überhaupt auf die beiden Internetseiten der Beklagten €gestoßen€ sei. Aufgrund dieser Glaubhaftmachungslage bestand für die Kammer im Erlasszeitpunkt keine Veranlassung, der Klägerin die Vorlage eidesstattlicher Versicherungen auch der formellen Geschäftsführer oder sonstiger Mitarbeiter, zu deren Aufgabenbereich die Wahrnehmung und Verfolgung geschäftsschädigender Äußerungen gehörte, zu deren möglicherweise noch früherer Kenntniserlangung aufzugeben. Bei einem Zeitraum von rund einem Monat zwischen der so glaubhaft gemachten Kenntniserlangung Ende August 2012 und der Einleitung des Verfügungsverfahrens Ende September 2012 war der Verfügungsgrund der Dringlichkeit hinreichend glaubhaft gemacht.

Im Laufe des Widerspruchsverfahrens haben die Beklagten mit ihrem Tatsachenvortrag und den von ihnen vorgelegten Glaubhaftmachungsmitteln die Überzeugungskraft der eidesstattlichen Versicherung des früheren Generalbevollmächtigten XXXX vom 26.09.2012 dahin, dass die Klägerin nicht vor Ende August 2012 Kenntnis von den angegriffenen Äußerungen der Beklagten hatte, jedoch erschüttert.

So ergibt sich aus der von den Beklagten vorgelegten Pressemeldung der Pressesprecherin der Klägerin vom 23.08.2012 (Anlage B 8, Bl. 192 d.A.), dass dort bereits vor der Wochenendveranstaltung, auf die sich der Generalbevollmächtigte XXXX als erste Kenntnisquelle bezogen hatte, die Internetseite www.xzy.de bekannt war, wobei das Management der Klägerin nach der Pressemeldung diese Internetseite als €Störfeuer€ angesehen haben soll. Dann aber war die eidesstattliche Versicherung des früheren Generalbevollmächtigten XXXX vom 26.09.2012 jedenfalls in Bezug auf den Zeitpunkt, zu dem dort die Internetseiten, auf denen sich dann die kritischen Äußerungen gefunden hätten, bekannt geworden sein sollen, inhaltlich objektiv unzutreffend.

Für eine frühere Kenntnis der fraglichen Internetseiten entgegen der eidesstattlichen Versicherung XXXX sprach auch, dass die Beklagten nachvollziehbar dargelegt haben, dass in dem €Presserummel€, den die Übernahme der Geschäftsanteile an der Klägerin durch den Fonds X 2 bereits im Juni 2012 nach sich gezogen hatte, diese Internetseiten bereits genannt wurden, auf denen sich später die hier angegriffenen Äußerungen fanden. Es liegt nach den gewöhnlichen Umständen nahe, dass ein Unternehmen, dessen Anteile gerade erst auf einen neuen Inhaber übertragen wurden, den Inhalt solcher Artikel, die genau die Übernahme thematisieren, zeitnah zur Kenntnis nimmt. Dies gilt erst recht dann, wenn ein Unternehmen € so wie die Klägerin € sogar eine eigene Pressesprecherin hat, deren Aufgabengebiet für gewöhnlich das enge Verfolgen auch der kritischen Artikel zum eigenen Unternehmen umfasst. Dass der Klägerin vermittelt über das Wissen ihrer Geschäftsführer die Internetseite www.xyz.de und diejenige des Instituts viel früher als vom Generalbevollmächtigten XXXX versichert bekannt war, ergibt sich nun auch aus der von den Beklagten vorgelegten eMail vom 23.06.2012 (Anlage B 29, Bl. 317 d.A.) der beiden Geschäftsführer, die sich dort auf beide Internetseiten beziehen.

Dafür, dass die Klägerin hiernach nicht nur längst beide Internetseiten kannte, bevor der Generalbevollmächtigte davon auf der Veranstaltung Ende August 2012 erfahren haben will, sondern auch schon länger Kenntnis konkret der dort gemachten und hier angegriffenen Äußerungen hatte, sprach weiter die eidesstattliche Versicherung des Beklagten zu 1 (Anlage B 28, Bl. 316 d.A.), wonach ihm der Geschäftsführer während eines Telefonats gesagt habe, stets alles von den Internetseiten erfahren und auch die Interneteinträge der Beklagten mit den streitgegenständlichen Äußerungen dort regelmäßig gelesen zu haben. Das erscheint vor dem Hintergrund des €Presserummels€ und der früheren eMail der Geschäftsführer auch ohne weiteres plausibel.

Eine solche Kenntnis ihres früheren Geschäftsführers müsste sich die Klägerin gegebenenfalls bei der Frage der Dringlichkeit zurechnen lassen. Dass der Geschäftsführer ab Juli 2012 bis zu seiner formellen Abberufung zum 08.08.2012 in Urlaub und freigestellt gewesen sein soll, ließe eine Wissenzurechnung nicht entfallen.

Damit haben die Beklagten eine Reihe von Tatsachen vorgetragen und glaubhaft gemacht, die den Schluss darauf zulassen, dass die Klägerin weitaus früher Kenntnis, nämlich zeitnah zum Erscheinen des Artikels vom 13.07.2012, von den hier angegriffenen Äußerungen hatte. Denn schon der Artikel vom 13.07.2012 beinhaltete dem Kern nach die hier angegriffenen Äußerungen. Bereits dort befassten sich die Beklagten mit der Beziehung der Klägerin zu X 3 und X 3, behaupteten eine Vermehrung des Geldes des bei X 3 investierenden australischen Militärs mit jedem Einkauf bei der Klägerin, thematisierten die Verbindung der Klägerin über X 3 zum Rüstungsunternehmen Q und führten aus, dass das Geld der A-Kunden in Waffengeschäfte fließe, sofern die Kunden weiter bei der Klägerin einkauften und die Verfügung über die Leistung der Klägerin bei X 3 und nicht bei Z liege; gleichzeitig wiesen die Beklagten auf einen Boykott der A-Kunden, für den noch mehr Kunden gewonnen werden müssten, hin. Dass die Beklagten diese Äußerungen später auch noch in dem Artikel vom 12.08.2012 und dem Handzettel dem Kern nach gleich, aber ohne besondere Vertiefung wiederholten, ließ die Dringlichkeit auch nicht wieder aufleben.

Ausgehend vom 13.07.2012 wären danach im Zeitpunkt des Verfügungsantrags vom 26.09.2012 bereits mehr als die zur Selbstwiderlegung der Dringlichkeit führenden 2 Monate vergangen gewesen. Hiernach wäre es nun € wie im Widerspruchstermin ausführlich erörtert € an der Klägerin gewesen, ihrerseits jedenfalls weiter darzulegen und glaubhaft zu machen, dass auch der frühere Geschäftsführer Lüdge den Artikel vom 13.07.2012 nicht oder aber erst so spät kannte, dass der Verfügungsantrag nicht mehr als 2 Monate danach bei Gericht einging. Das aber hat die Klägerin nicht getan.

Da die Klägerin hiernach unterlegen war, hat sie die Kosten des Eilverfahrens zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO. Der Vollstreckbarkeitsausspruch ergibt sich aus den §§ 708 Nr. 6, 711 S. 1 und 2, 709 S. 2 ZPO.






LG Frankfurt am Main:
Urteil v. 17.01.2013
Az: 2-03 O 404/12


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