Bundespatentgericht:
Beschluss vom 25. November 2010
Aktenzeichen: 6 W (pat) 28/08
(BPatG: Beschluss v. 25.11.2010, Az.: 6 W (pat) 28/08)
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Einsprechenden und die Anschlussbeschwerde des Patentinhabers hin wird der Beschluss der Patentabteilung 25 des Deutschen Patentund Markenamts vom 14. August 2007 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Das Patent 10 2005 005 745 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten:
-Patentansprüche 1 bis 21, überreicht in der mündlichen Verhandlung, -Beschreibung Seiten 1 bis 14 sowie -Zeichnungen Fig. 1 bis 6, jeweils eingegangen am 14. August 2007.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Einsprechenden zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen das am 07.02.2005 angemeldete Patent 10 2005 005 745, dessen Erteilung am 14.06.2006 veröffentlicht wurde, ist am 14.09.2006 Einspruch erhoben worden. Die Patentabteilung 25 des Deutschen Patentund Markenamtes hat mit Beschluss vom 14.08.2007 das Patent beschränkt aufrecht erhalten. Die Patentabteilung hat in dem angefochtenen Beschluss den diesem zugrunde liegenden, nunmehr auf eine "Anordnung von Profilplatten" gerichteten und durch Hinzunahme weiterer Merkmale eingeschränkten bzw. klargestellten Patentanspruch 1 als gewährbar erachtet, da sein Gegenstand gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu sei und auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 25.02.2008 eingegangene Beschwerde der Einsprechenden. Sie führt aus, dass der Schutzumfang des Streitpatents gegenüber der erteilten Fassung in unzulässiger Weise erweitert worden sei. Im Übrigen sei der Gegenstand des geänderten Patentanspruchs 1 weiterhin nicht patentfähig.
Die Einsprechende stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent zu widerrufen, sowie hilfsweise die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Der Patentinhaber und Anschlussbeschwerdeführer stellt den Antrag, die Beschwerde der Einsprechenden zurückzuweisen undden angefochtenen Beschluss insoweit aufzuheben, als das angegriffene Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht erhalten wird:
-neue Patentansprüche 1 bis 21, übergeben in der mündlichen Verhandlung, -Beschreibung Seiten 1 bis 14 sowie -Zeichnungen Fig. 1 bis 6, jeweils eingegangen am 14. August 2007.
Die Einsprechende stützte sich in ihrer Einspruchsbegründung auf folgende Druckschriften:
D1: DE 102 17 190 A1 D2: US 3 733 767 D3: EP0634535 A2 D4: EP0530483 B1 D5: DE 27 27 840 A1 D6: DE-OS 1 784 160 D7: DE-AS 1 292 358 D8: DE-OS 2 256 584 D9: GB 817 238 D10: GB 2032987 A D11: GB 1018980 D12: GB 1249 673 D13: US 5038543 A D14: US 5737 894 A D15: US 3559359 D16: US 3394524 D17: FR 1 286 877 D18: FR 2 637 634 D19: FR 1 123 285 D20: JP 05086694 mit Abstract D21: JP 08042072 mit Abstract D22: JP 10110506 mit Abstract D23: JP 10102691 mit Abstract D24: JP 2001329662 mit Abstract D25: WO 89/08756 A1 D26: EP 1479843 A1 D27: AT 394 745 B D28: AU 255 260.
Davon waren die Druckschriften D1 bis D4 im Erteilungsverfahren berücksichtigt worden. Im vorliegenden Beschwerdeverfahren bezieht sich die Einsprechende nur noch auf die D1, D4, D9, D11 und D24.
Das Patent betrifft nach dem Wortlaut des geltenden Patentanspruchs 1 eine 1 Profilplatte, insbesondere zum Eindecken von Gebäudedächern, 1.1 mit zwei jeweils entlang einer Plattenlängsseite (1', 1") sich erstreckenden Stehfalzen (2, 3), 1.2 von denen ein Stehfalz (2) ein erstes Stehfalzprofil und 1.3 ein zweiter Stehfalz (3) ein zweites Stehfalzprofil aufweist;
1.4 wobei bei im Verbund verlegten Profilplatten (1) der erste Stehfalz (2) einer Profilplatte (1.2) mit einem haubenartigen Profilabschnitt (2.1, 2.2, 2.3) den zweiten Stehfalz (3) einer benachbarten Profilplatte
(1.1) formschlüssig übergreift, 1.5 wobei sich im montierten Zustand zwischen dem ersten und zweiten Stehfalz (2, 3) ein Halter (5) mit einem hakenförmigen Abschnitt (5Ô) und einen parallel zur Plattenebene (xz-Ebene) verlaufenden Befestigungsabschnitt (5") befindet, 1.6 der (Halter) im ersten Stehfalz (2) der Profilplatte (1.2) aufgenommen ist und 1.7 der den zweiten Stehfalz (3) der benachbarten Profilplatte (1.1) an seinem oberen, von dem ersten Stehfalz (2) übergriffenen Ende hakenförmig übergreift, und 1.8 wobei der erste Stehfalz (2) einen an seinem haubenartigen Profilabschnitt (2.1, 2.2, 2.3) anschließenden und innerhalb dieses Profilabschnittes (2.1, 2.2, 2.3) eine erste Anlage bildenden Anlageprofilabschnitt (2.4) aufweist, 1.9 und zwar zur Anlage gegen einen durch den haubenartigen Profilabschnitt (2.1, 2.2, 2.3) umgriffenen Profilabschnitt (3.2) des zweiten Stehfalzes (3), 1.10 wobei jeweils eine Profilplatte (1.1, 1.2) mit dem ersten und zweiten Stehfalz (2, 3) durch Profilieren oder Biegen aus einem korrosionsbeständigen Flachmaterial, beispielsweise aus einem korrosionsbeständigen Metall hergestellt ist, dadurch gekennzeichnet, 1.11 dass der freie Profilrand des ersten Stehfalzes (2) durch einen an den Anlageprofilabschnitt (2.4) anschließenden weiteren Profilabschnitt (2.5) gebildet ist, 1.12 der in den durch den haubenartigen Profilabschnitt (2.1, 2.2, 2.3) und den Anlageprofilabschnitt (2.4) gebildeten Raum hineinragt und 1.13 dass der weitere Profilabschnitt (2.5) zur Anlage gegen eine gegenüberliegende Schrägfläche des im ersten Stehfalz (2) aufgenommenen Halters (5) ausgebildet ist, 1.14 wobei im montierten Zustand eine flächige Verbindung zwischen der Schrägfläche des Halters (5) und dem weiteren Profilabschnitt (2.5) des ersten Stehfalzes (2) hergestellt wird.
Nach dem nebengeordneten Patentanspruch 21 betrifft das Patent ferner ein Gebäudedach, hergestellt unter Verwendung von mehreren Profilplatten (1.1, 1.2) nach einem der vorhergehenden Ansprüche, wobei an Übergängen (4) zwischen zwei aneinander anschließenden Profilplatten (1.1, 1.2) jeweils eine Profilplatte (1.1) mit dem ersten Stehfalz (2) einen zweiten Stehfalz (3) der benachbarten Profilplatte (1.2) übergreift.
Wegen der Unteransprüche 2 bis 20 sowie zu weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
1.
Die fristund formgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Sie ist insoweit auch erfolgreich, als das Patent in dem beantragten beschränkten Umfang Bestand hat.
2.
Der geltende Patentanspruch 1 ist zulässig. Die nachfolgenden Ausführungen nehmen hinsichtlich des Offenbarungsgehalts auf die Streitpatentschrift Bezug, welche -bis auf die von der Prüfungsstelle mit Bescheid vom 28.11.2005 angeregten rein redaktionellen Änderungen -vollinhaltlich mit den ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen übereinstimmt.
2.1 Die geltende Fassung des Patentanspruchs 1 führt nicht zu einer Erweiterung des Schutzbereichs des erteilten Patents. Soweit nämlich erteilte Unteransprüche in Teilen oder gänzlich in den Anspruchswortlaut des Patentanspruchs 1 aufgenommen sind -wie der Anspruch 9 als geltendes Merkmal 1.5, der Anspruch 2 als geltende Merkmale 1.6 und 1.13, sowie der Anspruch 12 als geltendes Merkmal 1.14 -so wurde hierdurch der Schutzbereich des Patents auf eine Ausbildung zurückgeführt, welche aufgrund der mittelbaren oder unmittelbaren Rückbeziehung der erteilten Unteransprüche bereits identisch Gegenstand des erteilten Patents war. Insofern kann dessen Schutzbereich gegenüber der erteilten Fassung nicht erweitert sein. Soweit in den Patentanspruch 1 darüber hinaus ein Merkmal aus der Beschreibung aufgenommen wurde, ist dies dann unbedenklich, wenn dieses Merkmal nicht erweiternder Art und vom zuständigen Fachmann, hier einem Bauingenieur (FH) mit besonderer Erfahrung auf dem Gebiet der Dacheindeckungen, als zur Erfindung gehörend erkennbar ist (Schulte, PatG, 8. Aufl., § 34 Rn. 331). Dies ist nach Auffassung des Senats bezüglich des von der Einsprechenden gerügten Merkmals 1.7, wonach der Halter (5) den zweiten Stehfalz (3) der benachbarten Profilplatte (1.1) an seinem oberen, von dem ersten Stehfalz (2) übergriffenen Ende hakenförmig übergreift, der Fall. Denn zum einen schränkt diese in Abs. [0022] der Streitpatentschrift offenbarte spezielle Ausbildung des Hakens den Patentgegenstand zweifellos weiter ein, zum anderen erkennt der Fachmann in dem dort beschriebenen Ausführungsbeispiel ohne weiteres eine vorteilhafte Ausgestaltung beim Zusammenwirken zweier ineinander greifender Randprofile mit dem Halter.
2.2 Durch den Wortlaut des geltenden Patentanspruchs 1 ist auch eindeutig definiert, was mit dem angegriffenen Patent unter Schutz gestellt wird. Soweit sich der diesbezügliche Einwand der Einsprechenden darauf gründet, die beanspruchte Profilplatte sei auf widersprüchliche bzw. unklare Weise durch mehrere Gegenstände definiert, nämlich eine erste und eine zweite Profilplatte sowie einen damit zusammenwirkenden Halter, so verkennt sie, dass die im Mittelpunkt der Erfindung stehende besondere Ausbildung der Stehfalze der beanspruchten Profilplatte zweckmäßigerweise (auch) durch funktionelle Merkmale umschrieben ist, welche die einzelnen Abschnitte der Randprofile an den Anschlussstellen zweier (und beliebig vieler folgender) in sich gleichartiger Platten in ihrem gegenseitigen Zusammenwirken gegenständlich eindeutig definieren. Die diesbezüglich gerügte Angabe "im montierten Zustand" setzt den Fachmann darüber in Kenntnis, wie die einzelnen Befestigungsabschnitte gegenseitig zur Anlage kommen bzw. ineinandergreifen müssen, um die angestrebte feste Verbindung der Profilplatten untereinander und auf der Dachfläche zu erreichen und dennoch eine einfache Demontage zum Auswechseln defekter Platten zu ermöglichen. Der geltende Patentanspruch 1 lehrt hierzu den Fachmann in eindeutiger Weise, wie die beanspruchte Profilplatte in ihrem Randbereich auszubilden ist, um im Zusammenwirken mit benachbarten -in gleicher Weise ausgebildeten -Profilplatten und entsprechenden Haltern die zugrunde liegende Aufgabe zu lösen.
3.
Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist patentfähig.
3.1 Die zweifellos gewerblich anwendbare Profilplatte nach dem Patentanspruch 1 ist neu, wie auch von der Einsprechenden nicht bestritten wird. Dies ergibt sich schon daraus, dass bei keiner der im aufgezeigten Stand der Technik offenbarten Profilplatten ein dem "weiteren Profilabschnitt (2.5)" entsprechender Abschnitt der Profilplatte zur Anlage gegen eine gegenüberliegende Schrägfläche eines im ersten Stehfalz aufgenommenen Halters ausgebildet ist, um so im montierten Zustand eine flächige Verbindung mit einer Schrägfläche des Halters herzustellen (Merkmale 1.13 und 1.14).
3.2 Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Die auf denselben Anmelder und Erfinder zurückgehende DE 102 17 190 A1 (D1) offenbart eine Profilplatte mit den wesentlichen Merkmalen des Oberbegriffs des geltenden Patentanspruchs 1 und kommt somit dessen Gegenstand am nächsten. Diese bekannte Profilplatte soll mit der streitgegenständlichen Lehre i. S. der zugrundeliegenden Aufgabe dahingehend verbessert werden, dass sie aufgrund der Profilform eine Eindeckungsweise sowohl als Unterdeckung als auch als Oberdeckung ermöglicht, einen nachträglicher Austausch von einzelnen Platten vereinfacht und eine erhöhte Festigkeit aufweist (s. Abs. [0005] der Patentschrift). Auf die zur Lösung dieser Aufgabe wesentlichen kennzeichnenden Merkmale
(1.11 bis 1.14) des geltenden Patentanspruchs 1 finden sich in dieser Druckschrift jedoch keinerlei Hinweise. So endet bei der dort offenbarten Profilplatte der letzte Profilabschnitt des ersten Stehfalzes (dort 2.4), ohne dass er in den durch einen haubenartigen Profilabschnitt des ersten Stehfalzes einer zweiten Profilplatte und den letzten Profilabschnitt gebildeten Raum hineinragt, und ohne dass er in irgend einen Kontakt mit dem im ersten Stehfalz der Profilplatte aufgenommen Halter (dort 5) tritt. Eine Anregung dahingehend, dem freien Profilrand des ersten Stehfalzes einen weiteren Profilabschnitt anzufügen, welcher im montierten Zustand zur Anlage gegen eine dem Halter ebenfalls anzufügende, gegenüberliegende Schrägfläche kommen soll, kann somit von dieser Druckschrift nicht ausgehen. Die GB 1018980 (D11), welche nach Auffassung der Einsprechenden die Lehre der D1 im Verständnis des Fachmanns um die ausschlaggebenden Merkmale 1.11 bis 1.14 des geltenden Patentanspruchs 1 ergänze, kann insofern nichts zum Gegenstand des Streitpatents beitragen, als dort der entsprechende Profilabschnitt gerade nicht wie beim Streitpatent von dem freien Profilrand (2.5) des ersten Stehfalzes gebildet ist, welcher an den Profilabschnitt (2.4) anschließt, sondern von einem randfernen Abschnitt (s. dort Pos. 15 in Fig. 2 bis 4). Demgemäß ragt dieser Profilabschnitt (15) nach der D11 auch nicht in einen durch einen haubenartigen Profilabschnitt und den Anlageprofilabschnitt gebildeten Raum hinein, und kann somit auch nicht die Funktion des Profilrandes (2.5) nach dem Streitpatent erfüllen. Soweit der Abschnitt (15) der Profilplatte nach der D11 überhaupt mit einer Fläche des Halters zur Anlage kommt, so ist dies jedenfalls keine Schrägfläche. In Zusammenhang mit der Gesamtanordnung der Profilplatten bezieht der Fachmann nämlich den Begriff "Schrägfläche" selbstverständlich auf die im Wesentlichen horizontale Dachausrichtung, wonach der Profilabschnitt (15) bei der D11 nicht schräg sondern angenähert horizontal verläuft. Auch in einer Zusammenschau mit der D1 kann somit die D11 dem Fachmann keine Anregung zu der streitpatentgemäßen Lehre vermitteln. Analog ist der Offenbarungsgehalt der EP 0 530 483 B1 (D4) zu sehen. Auch bei der dortigen Profilplatte ragt deren randseitiger Profilabschnitt (11) nicht in einen durch einen haubenartigen Profilabschnitt und den Anlageprofilabschnitt gebildeten Raum hinein (s. dort Fig. 2). Auch erfolgt dort kein flächiges Anliegen des Randabschnitts (11) an einen Abschnitt des Halters (8). Soweit sich nämlich die besagten Abschnitte überhaupt berühren, was weder die Zeichnung eindeutig erkennen lässt, noch in den übrigen Unterlagen der D4 explizit erwähnt ist, käme es allenfalls zu einem linienförmigen Kontakt entlang der Außenkante (12) des Halters mit der Fläche (11). Auch die D4 trägt somit weder für sich noch in Verbindung mit einer anderweitigen Entgegenhaltung zur Auffindung des Patentgegenstandes bei. Nicht näher kommen dem Gegenstand des Patentanspruchs 1 schließlich auch die GB 817 238 (D9) und der JP 2001329662 (D24), welche in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffen wurden. Der geltende Patentanspruch 1 ist daher gewährbar.
4.
Für den auf ein Gebäudedach gerichteten, formal nebengeordneten Patentanspruch 21, welcher aufgrund seiner Rückbeziehung auf den gewährbaren Patentanspruch 1 sämtliche dessen Merkmale mit umfasst, gilt bezüglich Zulässigkeit und Patentfähigkeit dasselbe wie oben unter den Punkten 2 und 3 zum Hauptanspruch ausgeführt. Auch der geltende Patentanspruch 21 ist daher gewährbar.
5.
Mit dem gewährbaren Patentanspruch 1 haben auch die hierauf rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 20 Bestand.
6.
Die Einsprechende hat hilfsweise Zulassung der Rechtsbeschwerde gem. § 100 Abs. 2 PatG zu der Rechtsfrage beantragt, ob es eine unzulässige Erweiterung des Schutzumfangs des erteilten Patents ist, wenn durch Hinzufügung eines weiteren finalen Merkmals als konstruktives Merkmal in den Gegenstand des Hauptanspruchs Verbietungsrechte insbesondere wegen mittelbarer Patentverletzung entstehen. Nach dieser Vorschrift ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen, wenn eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert und diese Frage entscheidungserheblich ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Der Senat stellt nicht in Frage, dass -wie wohl allgemein anerkannt ist -der Schutzbereich eines erteilten Patents dann erweitert ist, wenn eine Handlung nach dem geänderten Patentanspruch eine Patentverletzung wäre, die nach dem erteilten Anspruch keine Verletzung war, wobei der Schutzbereich durch den Inhalt der geänderten Patentansprüche bestimmt wird, zu deren Auslegung die geänderte Beschreibung und die Zeichnungen heranzuziehen sind. (vgl. Schulte, Patentgesetz, 8. Aufl., § 22 Rn. 14, 16). Der Senat zweifelt auch nicht daran, dass auch die Einfügung von Zweck-, Wirkungsoder Funktionsangaben in den Patentanspruch zulässig sein kann (vgl. etwa zuletzt BGH X ZB 9/09 Urteil vom 31. August 2010 -Bildunterstützung bei Katheternavigation, veröffentlich in juris Das Rechtsportal) und dass der Schutzbereich eines Patents durch Einfügung von Merkmalen -ganz gleich welcher Art -erweitert werden kann. Der Senat bestimmt weiterhin entsprechend der höchstrichterlichen Rechtsprechung durch Bewertung des Wortlauts aus der Sicht des Fachmanns, was sich aus den Merkmalen des Patentanspruchs im Einzelnen und in ihrer Gesamtheit als Lehre zum technischen Handeln ergibt, für die Schutz beansprucht wird bzw. die unter Schutz gestellt ist (vgl. BGHZ 172, 298 Tz. 38 -Zerfallszeitmessgerät).
Hierbei berücksichtigt der Senat, dass das mit der Patentauslegung erstrebte Erkenntnisziel nach ständiger Rechtsprechung verlangt, dass kein Unterschied gemacht wird, ob die Auslegung zur Beurteilung der Patentfähigkeit oder zur Prüfung vorgenommen wird, ob das Patent verletzt wird (z. B. BGHZ 156, 179 Tz. 38 -blasenfreie Gummibahn I; Benkard/Rogge, Patentgesetz, 10. Aufl., § 22 PatG Rdn. 55). und dass in beiden Fällen maßgeblich ist, wie der Patentanspruch nach objektiven Kriterien aus fachlicher Sicht zu bewerten ist (vgl. BGH GRUR 2010, 214 -Kettenradanordnung II). Der Senat gelangt jedoch bei seiner Auslegung des Streitpatents zum Ergebnis, dass eine solche unzulässige Schutzbereichserweiterung nicht vorliegt. Die Auslegung eines Patents im Einzelfall an sich kann aber keine Rechtsbeschwerde bzw. deren Zulassung begründen. Zwar ist das Patent hinsichtlich seiner Auslegung wie ein Rechtssatz zu behandeln (vgl. BGHZ 180, 215 Tz. 16 -Straßenbaumaschine m. w. N.; Busse/Keukenschrijver, Patentgesetz, 6. Aufl., § 14 Rdn. 48). Da die Auslegung eine unmittelbare Aussage nur hinsichtlich des betreffenden Schutzrechts erlaubt, liegt hierin jedoch an sich lediglich eine Rechtsanwendung in einem konkreten Einzelfall. Solche Fragen haben regelmäßig keine grundsätzliche Bedeutung und erfordern regelmäßig auch nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH GRUR 2010, 858 ff. -Crimpwerkzeug III).
Dr. Lischke Guth Hildebrandt Küest Cl
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