Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 15. Oktober 2012
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 45/12

(BGH: Beschluss v. 15.10.2012, Az.: AnwZ (Brfg) 45/12)

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs in Berlin vom 25. April 2012 wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Kläger ist seit 1974 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Am 9. Juli 2010 wurde das Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet. Am 9. Februar 2011 beschloss die zuständige Abteilung IV der Beklagten, die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls zu widerrufen. Dem Kläger wurde am 17. Februar 2011 ein Schreiben der Beklagten vom 16. Februar 2011 zugestellt, welches mit dem sich an die Höflichkeitsformel anschlie-1 ßenden Satz beginnt: "... die zuständige Abteilung IV hat auf der Sitzung am 09.02.2011 beschlossen, Ihre Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO wegen Vermögensverfalls zu widerrufen"; das Wort "widerrufen" ist durch Einrücken und Fett- und Sperrdruck hervorgehoben. Es folgen die Überschrift "Begründung", ein längerer Text, eine Rechtsmittelbelehrung, der Vermerk "gez. RA Dr. v. K. , RAin Z. , RAin H. (Beschlossen am 09.02.2011, ausgefertigt am 16.02.2011)" sowie die Unterschrift des Vorsitzenden der Abteilung IV. Die Klage des Klägers gegen den Widerruf ist erfolglos geblieben. Nunmehr beantragt er die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft. Er bleibt jedoch ohne Erfolg.

1. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291; BVerfG, NVwZ 2009, 515, 518; BVerwG, NVwZ 2005, 709). Zur schlüssigen Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung gehören Ausführungen zur Klärungsbedürftig-2 keit und Klärungsfähigkeit der aufgeworfenen Rechtsfrage sowie ihrer Bedeutung für eine unbestimmte Vielzahl von Fällen oder ihre Auswirkung auf die Allgemeinheit; begründet werden muss auch, warum ein korrigierendes Eingreifen des Berufungsgericht erforderlich ist.

Der Kläger hat keine klärungsbedürftige Rechtsfrage dargelegt. Er meint, die Bundesrechtsanwaltsordnung enthalte keine Regelungen über die Form und das Verfahren des Widerrufs. Daher müsse nachprüfbar und verbindlich festgelegt werden, wie die Entscheidung über den Widerruf zu treffen ist und welche Anforderungen an die Mitteilung des Widerrufs an den jeweils Betroffenen sowohl formell als auch materiell zu stellen seien.

Diese Ansicht des Klägers trifft nicht zu. Die von ihm aufgeworfenen Rechtsfragen sind geklärt:

Die Vorschrift des § 32 BRAO verweist für Verwaltungsverfahren nach der Bundesrechtsanwaltsordnung auf das Verwaltungsverfahrensgesetz, soweit nichts anderes bestimmt ist. Nach § 34 BRAO sind Verwaltungsakte, durch welche die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft oder die Mitgliedschaft in einer Rechtsanwaltskammer begründet oder versagt wird oder erlischt, zuzustellen. Damit wird zugleich der Verwaltungsakt als Handlungsform vorgeschrieben, für den die allgemeinen Vorschriften des (jeweiligen) Verwaltungsverfahrensgesetzes gelten (§§ 35 ff. VwVfG). Auch die Zuständigkeit der Rechtsanwaltskammern ist gesetzlich geregelt. Nach § 33 Abs. 1 BRAO sind die Rechtsanwaltskammern für die Ausführung der Bundesrechtsanwaltsordnung und der auf deren Grundlage erlassenen Rechtsverordnungen zuständig, soweit nichts anderes bestimmt ist. Durch welche Organe die Rechtsanwaltskammern handeln, folgt aus §§ 63 ff. BRAO. Jede Rechtsanwaltskammer hat einen Vorstand (§ 63 5 Abs. 1 BRAO). Diesem obliegen die der Rechtsanwaltskammer in der Bundesrechtsanwaltsordnung zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse (§ 73 Abs. 1 Satz 2 BRAO). Der Vorstand kann mehrere Abteilungen bilden (§ 77 Abs. 1 Satz 2 BRAO), die innerhalb ihrer Zuständigkeit die Rechte und Pflichten des Vorstandes besitzen (§ 77 Abs. 5 BRAO).

2. Der Kläger beanstandet allerdings auch, das ihm zugestellte Schreiben der Beklagten vom 16. Februar 2011 stelle keinen Bescheid im Sinne der §§ 35 ff. VwVfG dar. Es enthalte keine Regelung, sondern unterrichte nur über einen Beschluss einer Abteilung der Beklagten, welchem keine Außenwirkung zukomme. Damit wirft er keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, sondern beanstandet die Anwendung des Rechts - hier: der §§ 35 ff. VwVfG i.V.m. § 32 Abs. 1 Satz 1 BRAO - im konkreten Einzelfall.

Auch ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) hat der Kläger damit nicht aufgezeigt. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 3; BVerfGE 110, 77, 83; BVerfG, NVwZ 2000, 1163, 1164; NVwZ-RR 2008, 1; NJW 2009, 3642; vgl. ferner BVerwG, NVwZ-RR 2004, 542 f.; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, § 112e BRAO Rn. 77). Daran fehlt es hier. Das Schreiben der Beklagten vom 16. Februar 2011 erfüllt sowohl der äußeren Form nach als auch inhaltlich alle Merkmale eines Verwaltungsaktes. Es lässt die Beklagte als die erlassende Behörde erkennen, unterscheidet zwischen dem Widerruf als dem verfügenden Teil des Verwaltungsaktes und seiner Begründung (§ 39 Abs. 1 VwVfG), trägt die Unterschrift des Abteilungsleiters (§ 37 Abs. 3 VwVfG, § 77 Abs. 5 BRAO), 8 ist mit einer Rechtsmittelbelehrung versehen und wurde zugestellt (§ 34 BRAO). Eine weitergehende sprachliche Unterscheidung zwischen dem Beschluss als dem Abschluss der behördeninternen Willensbildung und dem Widerrufsbescheid als dem Verwaltungsakt mit Außenwirkung ist nicht erforderlich. Einzelheiten der Beschlussfassung brauchten nicht mitgeteilt zu werden. Die Beschlussfassung als solche ist nicht Bestandteil des Widerrufs, sondern nur dessen Grundlage. Mit dem Schreiben vom 16. Februar 2011 hat die Beklagte die Anwaltszulassung des Klägers widerrufen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Tolksdorf Lohmann Fetzer Quaas Braeuer Vorinstanz:

AGH Berlin, Entscheidung vom 25.04.2012 - I AGH 4/11 - 10






BGH:
Beschluss v. 15.10.2012
Az: AnwZ (Brfg) 45/12


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