Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 10. Dezember 1993
Aktenzeichen: 6 U 208/93
(OLG Köln: Urteil v. 10.12.1993, Az.: 6 U 208/93)
1. Unlautere Wettbewerbshandlungen rechnen zu den unerlaubten Handlungen; auf sie findet die Rechtsordnung des Tatortes Anwendung. Tat- bzw. Begehungsort ist der Ort der wettewerblichen Interessenkollision. Liegt dieser im Ausland, ist grundsätzlich das dort geltende (Wettbewerbs-) Recht heranzuziehen (hier: Recht des Staates Bahrein und der Vereinigten Arabischen Emirate).
2. Lassen sich über den Inhalt des durch eine Kollisionsnorm berufenen ausländischen Rechts - im einstweiligen Verfügungsverfahren - keine sicheren Feststellungen treffen, sind grundsätzlich die Sachnormen des deutschen Rechts anzuwenden.
3. Kommt es bei Anwendung deutschen Rechts (hier: § 3 UWG) auf bestimmte Verkehrsauffassungen im Ausland (hier: Bahrein und Vereinigte Arabische Emirate) an, können diese grundsätzlich nicht (schon) aufgrund der eigenen Sachkunde und Lebenserfahrung der angerufenen deutschen Richter festgestellt werden.
Tenor
Die Berufung der Antragstellerin gegen das am 6. Juli 1993 verkündete Urteil der 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 31 O 273/93 - wird zurückgewiesen. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, sie hat aber in der Sa- che keinen
Erfolg. Das Landgericht hat das Verfü- gungsbegehren der
Antragstellerin zu Recht und mit weitgehend zutreffender Begründung
zurückgewiesen. Die im Rechtsmittelverfahren ergänzend vorgetrage-
nen Umstände sowie die überreichten Unterlagen und
Glaubhaftmachungsmittel geben keine Veranlassung zu einer im
Ergebnis abweichenden Entscheidung.
Der Senat hat schon Bedenken, ob für den Erlaß einer
einstweiligen Verfügung ein Verfügungs- grund vorliegt, da die
Zigarettenpackungen mit der streitgegenständlichen Aufschrift
bereits seit 1986 in B. vertrieben werden. Zwar hat die Antrag-
stellerin unwidersprochen vorgetragen, sie habe erst im Laufe ihrer
Korrespondenz mit der engli- schen Tochterfirma der Antragsgegnerin
- der R.T. Limited, L. - am 2. April 1993 erfahren, daß der
Aufdruck auf der Zigarettenpackung "D. ", den sie mit dem
vorliegenden Antrag allein angreift, inhaltlich unrichtig sei; es
ist aber schon frag- lich, ob sie diese Erkenntnisse nicht schon
we- sentlich früher hätte erlangen können und müssen, da sie als
direkter Konkurrent der Antragsgegnerin bereits seit ca. 7 Jahren
Kenntnis davon hatte, daß die Zigaretten "D." in der Packung, die
den streitgegenständlichen Aufdruck enthält, in B. vertrieben
werden.
Der Senat brauchte über diese Frage jedoch nicht abschließend zu
entscheiden, da das Unterlassungs- begehren der Antragstellerin
unbegründet ist, weil jedenfalls im Rahmen des Verfügungsverfahrens
nicht festgestellt werden kann, daß die angespro- chenen
Verkehrskreise in B. und in den Vereinigten Arabischen Emiraten
durch den angegriffenen Auf- druck auf der Zigarettenpackung "D."
irregeführt werden.
I. Für die Beurteilung des von der Antragstelle- rin
geltendgemachten Unterlassungsanspruchs ist grundsätzlich vom Recht
des Staates B. und der Vereinigten Arabischen Emirate auszugehen.
Die Besonderheiten des Streitfalls lassen indes für das summarische
Verfahren die Anwendung deutschen Rechts zu, weil die nach
bahrainischem Recht und dem Recht der Vereinigten Arabischen
Emirate in Betracht kommenden Anspruchsnormen im Eilverfahren nicht
eindeutig festgestellt und der rechtlichen Prüfung zugrundegelegt
werden können.
1.) Dem Landgericht ist in seiner Auffassung zuzustim- men, daß
bei der Prüfung der geltendgemachten An- sprüche zunächst an sich
nicht deutsches Recht an- zuwenden ist.
Hinsichtlich der geltendgemachten wettbewerbs- rechtlichen
Unterlassungsansprüche gilt, daß un- lautere Wettbewerbshandlungen
zu den unerlaubten Handlungen zu rechnen sind. Auf sie findet die
Rechtsordnung des Tatortes Anwendung, also des Ortes, an dem die
unerlaubte Handlung begangen wurde (BGHZ 35, 329, 333 = GRUR 1962,
242, 245 - "Kindersaugflasche"; BGHZ 40, 391, 394 - "Stahl-
export"; Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl.,
Einleitung UWG Rn. 176 m.w.N.).
Tatort bzw. Begehungsort ist der Ort der wett- bewerblichen
Interessenkollision. Dies ist im Streitfall das Gebiet des Staates
B. und das Gebiet des Emirates Du., auf denen die Parteien
miteinander im Anbieten von Zigaretten unmittelbar konkurrieren. Da
die Antragstellerin behauptet, durch die streitgegenständliche
Aufschrift auf der von der Antragsgegnerin hergestellten Ziga-
rettenpackung werde der Verkehr in B. und Du. irregeführt,
beurteilt sich die Frage, ob der An- tragstellerin deswegen ein
Anspruch auf Unterlas- sen zusteht, ausschließlich nach dem Recht
dieser Staaten.
2.) Die Anwendung deutschen Rechts ist im vorliegenden
Verfügungsverfahren gleichwohl zulässig und gebo- ten. Grund
hierfür ist, daß das Recht des Staates B. und das der Vereinigten
Arabischen Emirate im Rahmen des Eilverfahrens nicht ohne weiteres
er- mittelt werden können. Den von der Antragstellerin auszugsweise
in englischer Sprache vorgelegten Ge- setzestexten läßt sich nicht
entnehmen, daß in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder im Staat
B. ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch wegen
Irreführung der Verbraucher entsprechend § 3 UWG besteht.
Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin sowohl das Vorliegen
dieser Gesetze als auch die ordnungsge- mäße Óbersetzung aus dem
Arabischen in die eng- lische Sprache bestritten. Hierzu hat die
Antrag- stellerin weder die Original-Gesetzestexte noch eine
beglaubigte Óbersetzung vorgelegt, so daß es bereits an einer
Glaubhaftmachung des Inhaltes dieser Gesetze fehlt.
Auch das von der Antragstellerin vorgelegte Gut- achten von Dr.
E. vom 29.06.1993 (Bl. 106 ff d.A.) ist nicht geeignet, das
Vorliegen derartiger Normen im Recht des Staates B. und im Recht
der Vereinigten Arabischen Emirate hinreichend glaub- haft zu
machen. Zwar führt Dr. E. in seiner gut- achtlichen Stellungnahme
aus, daß es sich bei den streitgegenständlichen Zigarettenpackungen
sowohl nach dem Recht von B. als auch nach dem Recht der
Vereinigten Arabischen Emirate um Handelsmarken handele, so daß
durch Verwendung einer ähnlichen Verpackung ein unlauterer
Wettbewerbsverstoß vor- liege, der dem Geschädigten einen
Unterlassungsan- spruch gebe. Dieser Anspruch ist jedoch vorliegend
nicht geltendgemacht. Hinsichtlich des streit- gegenständlichen
Packungsaufdrucks führt Dr. E. selbst aus, daß nicht eindeutig
vorherzusagen sei, welche Wirkung die genannten wettbewerbsrechtli-
chen Vorschriften im konkreten Fall entfalten und wie weit ihr
Anwendungsbereich gefaßt sei. Eine derart vorsichtige Formulierung
im Gutachten von Dr. E. reicht zu einer hinreichenden Glaubhaftma-
chung nicht aus, daß ein dem § 3 UWG entsprechen- der
Unterlassungsanspruch auch nach dem Recht von B. oder der
Vereinigten Arabischen Emirate gegeben ist.
Lassen sich über den Inhalt des durch eine deut- sche
Kollisionsnorm berufenen ausländischen Rechts keine sicheren
Feststellungen treffen, so sind nach der jüngeren Rechtsprechung
des Bundesge- richtshofes grundsätzlich die Sachnormen des
deutschen Rechts anzuwenden. In der Entscheidung BGHZ 69, 387 hat
der Bundesgerichtshof zwar der Erklärung, die Anwendung der
Sachnormen des eigenen Rechts sei als die parktikabelste aller im
Schrifttum erwogenen Lösungen vorzuziehen, wenn die Bemühungen um
die Feststellung des ausländi- schen Rechts zu keinem Ergebnis
geführt hätte, ei- ne gewisse Einschränkung hinzugefügt. Er hat
näm- lich (a.a.O. Seiten 394, 395) weiter ausgeführt, jedenfalls in
dem damals zu entscheidenden Fall halte er es "angesichts der
gegebenen Inlandsbe- ziehungen" für angebracht, die deutschen
Sachnor- men anzuwenden. In einer späteren Entscheidung (NJW 1982,
1215, 1216) hat er jedoch unter Hinweis auf BGHZ 69, 387 für Fälle,
in denen sich über den Inhalt des berufenen ausländischen Rechts
keine sicheren Feststellungen treffen lassen, erklärt, es sei
"grundsätzlich" deutsches Recht anzuwenden. Eine Einschränkung hat
er insoweit lediglich für den Fall gemacht, daß die Anwendung
deutschen Rechts "äußerst unbefriedigend" wäre. Für das hier zur
Entscheidung stehende Verfügungsverfahren kann danach von der
Anwendbarkeit von Anspruchs- normen des deutschen sachlichen Rechts
ausgegangen werden.
II. Auch auf dieser Rechtsgrundlage ist das Begehren der
Antragstellerin jedoch nicht gerechtfertigt. Die Antragstellerin
hat es nicht vermocht, eine für § 3 UWG relevante Irreführung der
Verbraucher in dem Staat B. und in dem Emirat Du. glaubhaft zu
machen.
Der Senat sieht sich - wie auch schon die Kammer des
Landgerichts - nicht in der Lage eine relevan- te Irreführung der
angesprochenen Verkehrskreise in B. und Du. aus eigener Sachkunde
und Lebens- erfahrung festzustellen, da die Mitglieder des Senats -
wie auch die Mitglieder der Kammer des Landgerichts - nicht Teile
dieser angesprochenen Verkehrskreise sind.
Soweit die Antragstellerin mit ihrer Berufungs- begründung vom
20. September 1993 eine Umfrage (Survey) bei Zigarettenhändlern in
den genannten Staaten vorgelegt hat, ist dies kein ausreichendes
Mittel zur Glaubhaftmachung. Dieser Befragung läßt sich nicht
entnehmen, ob den befragten Personen überhaupt die entsprechenden
Packungen der unter- schiedlichen Zigarettenmarken mit dem
streitgegen- ständlichen Aufdruck vorgelegen haben. Schließlich
handelt es sich lediglich um ausgefüllte Fragebö- gen, die nicht
erkennen lassen, wer die Befragung durchgeführt hat, wie die
befragten Personen aus- gesucht worden sind und nach welcher
Methodik eine derartige Befragung durchgeführt worden ist. Damit
entsprechen die vorgelegten Fragebögen nicht den
Minimalanforderungen einer derartigen Verkehrsbe- fragung.
Auch die mit Schriftsatz vom 9. Dezember 1993 vor- gelegten
Fragebögen (Bl. 193 ff d.A.) stellen kein hinreichendes Mittel zur
Glaubhaftmachung der von der Antragstellerin behaupteten
Irreführung dar. Bei den 19 in Sh. (VAE) und den 20 in B. befragten
Personen handelt es sich nach dem Vortrag der An- tragstellerin um
Verbraucher, den Fragebögen läßt sich jedoch nicht entnehmen, daß
es sich um eine repräsentative Umfrage oder um eine zulässige Be-
fragungsmethodik handelt. Abgesehen davon, daß nur ein sehr
beschränkter Personenkreis befragt worden ist, handelte es sich bei
den Befragten in Sh. ausschließlich um in diesem Lande lebende
Auslän- der, nämlich aus Indien und Bangladesh. Den Befra- gungen
läßt sich weiter entnehmen, daß die Befrag- ten ausdrücklich nur
auf die streitgegenständliche Aufschrift hingewiesen und dann
befragt worden sind, in welchem Land diese Zigaretten hergestellt
worden sind. Dies ergibt sich schon daraus, daß bei mehreren der
Befragten, die mit "G." oder "L." anworteten, diese Aussage damit
begründet wurde, daß dies doch auf dem Aufdruck stehe. Die übrigen
Befragten gaben an, daß sie ohnehin nicht lesen könnten.
Schließlich ergibt sich aus diesen Frage- bögen auch nicht, wer
diese Befragung durchgeführt hat und welche weitere
Befragungsmethodik angewen- det worden ist. Anhand derartiger
Fragebögen läßt sich somit auch nicht die von der Antragstellerin
behauptete relevante Irreführung der Verkehrskrei- se in B. und in
Du. (Vereinigte Arabische Emirate) feststellen, so daß auch die
Voraussetzungen einer Irreführung nach § 3 UWG nicht hinreichend
glaub- haft gemacht worden sind.
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechts- kräftig, § 545 Abs.
2 ZPO.
OLG Köln:
Urteil v. 10.12.1993
Az: 6 U 208/93
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