Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. November 2002
Aktenzeichen: 27 W (pat) 309/00
(BPatG: Beschluss v. 12.11.2002, Az.: 27 W (pat) 309/00)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I Gegen die international registrierte und am 9. April 1998 in Les Marques Internationales veröffentlichte Marke 687 178 siehe Abb. 1 am Endefür die in der Bundesrepublik Deutschland ua Schutz beansprucht wird für die Waren
"25 Vêtements et combinaisons de sport, en particulier pour le cyclisme, le ski, le surfing et le ski nautique; brodequins, chaussures de ski et de snowboard; chaussures de sport, en particulier pour le cyclisme, le surfing et le ski nautique"
ist Widerspruch erhoben worden aus der am 4. Juni 1986 für die Waren 25 Vêtements pour femmes, hommes et enfantsinternational registrierten Marke 501 770 siehe Abb. 2 Auf die von der Inhaberin der angegriffenen Marke erhobene Nichtbenutzungseinrede hat die Widersprechende eine eidesstattliche Versicherung ihres Verkaufsleiters, Lieferscheine aus dem Jahr 1996, Rechnungen aus den Jahren 1996 und 1997, die Kopie der Deckseite eines Prospekts 1998-99 und das im folgenden wiedergebende Blatt mit Einnähetikett und Warenanhänger eingereicht.
In der eidesstattlichen Versicherung ist für die in Deutschland unter der Marke "SINTESIS" vertriebenen Bekleidungsstücke ein Umsatz von DM ... für die Jahre 1996 und 1997 angegeben worden. Die Umsätze für 1998 seien noch nicht ermittelt.
Die Markeninhaberin hat die Nichtbenutzungseinrede aufrechterhalten, weil die Widerspruchsmarke mit einem völlig anderen Bildbestandteil benutzt worden sei, wodurch sie in ihrem kennzeichnenden Charakter gegenüber der registrierten Form grundlegend verändert sei. Außerdem gehe aus der eidesstattlichen Versicherung nicht hervor, ob sich der behauptete Umsatz auf Waren beziehe, die mit den Einnähetiketten versehen gewesen seien. Auch die Rechungen und Lieferscheine ließen eine Benutzung der Widerspruchsmarke nicht erkennen.
Mit Beschluß vom 28. Juni 2000 hat die Markenstelle für Klasse 25 IR den Widerspruch gemäß § 43 Abs 2 MarkenG zurückgewiesen, weil eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht worden sei. Die eingereichten Unterlagen bezögen sich auf eine Benutzungsform, bei der das Bildelement der registrierten Marke gegen ein völlig anderes ausgetauscht sei. Dadurch trete eine wesentliche Veränderung des kennzeichnenden Charakters der Marke ein, denn dem Bildbestandteil komme im Rahmen der Gesamtgestaltung keine untergeordnete Bedeutung zu. Aufgrund seiner beachtlichen Größe und seiner räumlichen Anordnung über dem Wortbestandteil "SINTESIS" präge er den Gesamteindruck mit, zumal das Publikum dem Wort "SINTESIS" einen beschreibenden Anklang an Synthese oder synthetisch entnehme. Es habe aus diesem Grund keinen Anlaß, die benutzte Form der eingetragenen IR-Marke gleichzusetzen.
Mit der hiergegen gerichteten Beschwerde macht die Widersprechende geltend, daß die Widerspruchsmarke durch den Wortbestandteil "SINTESIS" geprägt werde, dem entgegen der Ansicht der Markenstelle kein irgendwie gearteter beschreibender Bezug zu Bekleidungsstücken zu entnehmen sei. Der geänderte Bildbestandteil trage lediglich dem Wandel des geschmacklichen Empfindens der beteiligten Verkehrskreise Rechnung, ohne daß diese Abweichung für den Verkehr aber Anlaß sei, in der benutzten Form eine andere Kennzeichnung zu sehen als die eingetragene IR-Marke.
Die Widersprechende beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und der IR-Marke unter Anerkennung der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke den Schutz in Deutschland zu verweigern.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den Beschluss der Markenstelle für zutreffend und macht außerdem erneut geltend, daß auch nicht nachvollziehbar dargelegt worden sei, ob die Widerspruchsmarke im fraglichen Benutzungszeitraum auf den in den Rechnungen und Lieferscheinen aufgeführten Waren in ernsthaftem Umfang benutzt worden sei.
II.
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Markenstelle hat den Widerspruch zu Recht gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückgewiesen, weil eine nach §§ 43 Abs 1, 26 MarkenG rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke nicht glaubhaft gemacht worden ist.
In Anbetracht der möglichen Identität der durch die Marken erfaßten Waren und der starken klanglichen Ähnlichkeit der Wortbestandteile "SINTESI/SINTESIS", nach denen der Verkehr die Marken in der Regel benennen wird (stRspr, vgl BGH GRUR 1996, 198 - Springende Raubkatze; 1999, 241, 244 - Lions; 2001, 1158, 1160 - Dorf Münsterland), könnte eine klangliche Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG kaum verneint werden.
Der Geltendmachung des Rechts aus der Widerspruchsmarke steht jedoch entgegen, daß sie nicht gemäß §§ 43 Abs 1, 26 MarkenG rechtserhaltend benutzt worden ist. Es fehlt bereits an der Benutzung der Widerspruchsmarke in der registrierten Form, denn der Austausch des Bildbestandteils gegen ein anderes Bildelement und seine abweichende räumliche Anordnung in der Gesamtkombination stellen eine Abwandlung dar, die den kennzeichnenden Charakter der Marke im Sinne des § 26 Abs 3 Satz 1 MarkenG verändert.
Eine Veränderung des kennzeichnenden Charakters liegt vor, wenn die angesprochenen Verkehrskreise in der eingetragenen und der benutzten Form nicht ein und dasselbe Kennzeichen sehen (vgl BGH GRUR 1975, 135, 138 - KIM-Mohr; 1997, 744, 746 - ECCO; 1999, 167 - Karolus-Magnus; 2002, 167, 168 - Bit/Bud). Bei der Beurteilung, ob diese Voraussetzung in dem Fall der Abwandlung einer Wort-Bildmarke durch Austausch eines Bildbestandteils erfüllt ist, kommt es - ebenso wie bei der Abwandlung durch Weglassen oder Hinzufügen von Bestandteilen (vgl BGH aaO - ECCO; 1999, 54 - Holtkamp; 1999, 995, 996 - HONKA; 1999, 167 - Karolus-Magnus; 2000, 1038 - Kornkammer; 2002, 167, 168 - Bit/Bud) - in erster Linie auf die Kennzeichnungsfunktion an, die dem ausgetauschten Bildbestandteil im Rahmen der eingetragenen Gesamtkombination zukommt (vgl auch BGH GRUR 1979, 468, 469 - audio 1; GRUR 1999, 498 - Achterdiek). Handelt es sich um ein markenmäßig völlig bedeutungsloses Element, wird der Austausch im allgemeinen keinen Einfluß auf den kennzeichnenden Inhalt der Marke haben. Nimmt der Bildbestandteil dagegen eine eigenständig kennzeichnende Stellung ein, kann dies dazu führen, daß der Verkehr in der benutzten Form nicht die ihm bekannte eingetragene Marke sieht. Dabei ist eine Wechselwirkung in der Weise anzunehmen, daß der Austausch des Bildbestandteils gegen einen anderen um so eher zu einer Veränderung des kennzeichnenden Charakters der eingetragenen Wort-Bildmarke führt, je stärker die kennzeichnende Wirkung des Bildbestandteils im Verhältnis zu der Kennzeichnungskraft des Wortbestandteils ist und umgekehrt.
Betrachtet man die Widerspruchsmarke unter diesen Gesichtspunkten, kann ihr Wortbestandteil "SINTESIS" (= span. Synthese) in Verbindung mit Bekleidungsstücken zwar wohl nicht als besonders kennzeichnungsschwach eingestuft werden. Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, ist aber doch von einer gewissen Originalitätsschwäche auszugehen, weil der Begriff "Synthese" (= Verknüpfung von Teilen zu einem Ganzen), den ein erheblicher Teil der deutschen Verkehrskreise dem ähnlichen Wort "SINTESIS" ohne weiteres entnehmen wird, gerade im Modebereich auf die als Gestaltungsmittel übliche Verbindung verschiedener oder gegensätzlicher Elemente (Stile, Stoffe, Muster) in einem Modell oder einer Kollektion hindeutet, zB Sportlichkeit und Eleganz, Verspieltheit und Strenge, Folklore und Klassik usw. Es handelt sich also nicht um eine reine Phantasiebezeichnung, die der Verkehr von Haus aus nur mit einem Unternehmen in Verbindung brächte. Unter diesen Umständen kommt dem Bildbestandteil, der aus der Darstellung eines zweifach verknoteten Bandes besteht und größenmäßig dominierend über dem Wort angeordnet ist, eine für die kennzeichnenden Inhalt der Gesamtmarke wesentliche eigenständige Bedeutung zu. Aufgrund seines originellen, leicht faßbaren Motivs geht er über eine einfache Gebrauchsgrafik deutlich hinaus und bleibt in der Regel im Gedächtnis des Betrachters haften. Das gilt erst recht, wenn der Verkehr, womit in einem erheblichen Umfang zu rechnen ist, das verknotete Band in einen gedanklichen Bezug zu dem durch das Wort "SINTESIS" erkennbar verkörperten Begriff "Synthese" setzt (= Verknüpfung von Teilen zu einem Ganzen) und sich Wort und Bild daher nicht nur optisch, sondern auch als begriffliche Einheit einprägt (vgl dazu BGH GRUR 1999, 241, 244 liSp - Lions).
Im Gegensatz zu dem Bildbestandteil der eingetragenen Marke erweckt das Bildelement der benutzten Form den Eindruck eines bloßen Zierelements. Dieser Eindruck drängt sich nicht nur wegen der ornamental - arabesken Gestaltung auf, sondern vor allem auch wegen der relativ unauffälligen Anordnung des Bildelements unter dem durch zwei Balken optisch stark hervorgehobenen Wortbestandteil. Es erhält damit ein im Verhältnis zu der bildlichen Darstellung der eingetragenen Marke völlig unterschiedliches kennzeichnendes Gewicht. Im Hinblick auf die starke Abwandlung wird der Verkehr die eingetragene und die benutzte Form daher nicht als ein und dasselbe Zeichen werten.
Der Ansicht der Widersprechenden, der Verkehr sehe in der Abwandlung des Bildbestandteils eine bloße Modernisierung, kann nicht gefolgt werden. Die Anpassung einer als überholt betrachteten grafischen Form an den Zeitgeschmack, entspricht zwar einem berechtigten Bedürfnis der Markeninhaber und ist daher schon nach der Rechtsprechung zu § 5 Abs 7 WZG als unschädlich angesehen worden (vgl BGH GRUR 1991, 53 - Arthrexforte). Auch bei der im Verhältnis zu den früheren strengen Beurteilungsgrundsätzen gebotenen großzügigen Anerkennung von abgewandelten Benutzungsformen nach § 26 Abs 3 MarkenG (vgl Begründung zum Regierungsentwurf, BlPMZ 1994, Sonderheft, S 77) muß eine Modernisierung - etwa durch Änderung des gewählten Schrifttypus oder durch modernere grafische Gestaltung - jedoch nach wie vor als solche objektiv erkennbar sein, um eine zulässige Abwandlung nach § 26 Abs 3 MarkenG annehmen zu können. Der Austausch eines den Gesamteindruck der eingetragenen Marke mitprägenden Bildbestandteils gegen ein Bildelement, das nicht nur ein völlig anderes Aussehen hat, sondern aufgrund seiner unterschiedlichen räumlichen Anordnung auch eine andere Stellung in der benutzten Gesamtkombination einnimmt, erfüllt diese Voraussetzung jedenfalls nicht.
Die Veränderung des kennzeichnenden Charakters der Widerspruchsmarke kann auch nicht im Hinblick auf den in ständiger Rechtsprechung anerkannten Grundsatz verneint werden, daß bei einer Wort-Bildkombination in der Regel das Wort als einfachste Benennungsform den Gesamteindruck prägt (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, § 9 Rdn 194 mwNachw), denn die Frage der Prägung einer Kombinationsmarke durch einen Einzelbestandteil dient ausschließlich der Bestimmung ihres Schutzumfangs bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr. Dagegen ist Gegenstand der Prüfung nach § 26 Abs 3 Satz 1 MarkenG allein die Frage, ob Verkehr die konkret eingetragene und die benutzte Form als ein und dasselbe Zeichen ansieht (vgl BGH GRUR 2000, 1038, 1039 - Kornkammer; 1999, 995, 996 reSp - HONKA). Das Ergebnis dieser Prüfung mag zwar häufig mit der Beurteilung des (visuellen) Gesamteindrucks einer Marke nach der "Prägetheorie" übereinstimmen (vgl BGH aaO - Lions), die anhand der Gestaltung der Marke selbst ohne Berücksichtigung des Gegenzeichens zu erfolgen hat (vgl BGH GRUR 1996, 198, 199 - Springende Raubkatze; 2000, 233, 234 - RAUSCH/ELFI RAUCH). Da für die Prüfung der Veränderung des kennzeichnenden Charakters nach § 26 Abs 3 Satz 1 MarkenG aber grundsätzlich die konkret eingetragene und die benutzte Form zu vergleichen sind, darf in keinem Fall ein Bildbestandteil deshalb außer Betracht bleiben, weil er der bei mündlichen Benennung erfahrungsgemäß nicht wiedergegeben wird, ebenso wie umgekehrt bei der Beurteilung des Gesamteindrucks nach der "Prägetheorie" die Marke nicht in der abgewandelten Benutzungsform zugrundegelegt, also etwa ein weggelassener oder hinzugefügter Bestandteil berücksichtigt werden darf.
Fehlt es nach alledem schon an der Benutzung der Widerspruchsmarke in der eingetragenen Form kann die weitere Frage dahingestellt bleiben, ob aus den eingereichten Unterlagen glaubhaft hervorgeht, daß die Widerspruchsmarke in den Benutzungszeiträumen des § 43 Abs 1 Satz 1 und Satz 2 MarkenG (April 1993 bis April 1998 und November 1997 bis November 2002) ernsthaft benutzt worden ist (vgl dazu BGH GRUR 1999, 54, 55 - Holtkamp). Zweifelhaft erscheint dies - abgesehen von der fehlenden Aufschlüsselung des für 1996 und 1997 eidesstattlich versicherten Inlandsumsatzes in Höhe von ... DM auf die einzelnen Jahre - vor allem deshalb, weil es gerade dann, wenn der Umsatz - wie hier - auffallend niedrig ist, der Glaubhaftmachung bedarf, daß und auf welche Weise die mit der Marke gekennzeichneten Waren tatsächlich in den Verkehr gekommen sind. Die Vorlage von Auslieferungsdokumenten an eine deutsche Niederlassung kann hierfür kaum als ausreichend erachtet werden, weil daraus nicht hervorgeht, ob die Waren die innerbetriebliche Sphäre verlassen haben.
Die Beschwerde der Widersprechenden konnte nach alledem keinen Erfolg haben.
Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf § 71 Abs 1 Satz 2 MarkenG verwiesen.
Dr. Schermer Friehe-Wich Dr. van Raden Pü
Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/27W(pat)309-00.1.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/27W(pat)309-00.2.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 12.11.2002
Az: 27 W (pat) 309/00
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