Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 21. November 2008
Aktenzeichen: 1 AGH 68/08 AGH NW

(AGH des Landes Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 21.11.2008, Az.: 1 AGH 68/08 AGH NW)

Tenor

Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin werden dem Antragsteller auferlegt.

Der Gegenstandswert wird auf 25.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Der im Jahr 1979 geborene Antragsteller, der das Zweite juristische Staatsexamen Mitte 2007 abgelegt hat, ist seit dem 10.08.2007 als Rechtsanwalt bei der Antragsgegnerin zugelassen. Seit dem 01.02.2008 ist er als Juniorprofessor für Bürgerliches Recht mit Schwerpunkt Transportrecht an der Universität N in einem Beamtenverhältnis auf Zeit tätig.

Mit Schreiben vom 18.01.2008 hat der Antragsteller bei der Antragsgegnerin beantragt, ihm für den Zeitraum ab Eintritt in das Beamtenverhältnis auf Zeit die Ausübung des Berufes als Rechtsanwalt zu gestatten.

Diesen Antrag hat die Antragsgegnerin durch den angefochtenen Beschluss vom 26.05.2008 abgelehnt. Den Antragsteller treffe ein grundsätzliches Berufsausübungsverbot nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BRAO; die Voraussetzungen der Ausnahme nach § 47 Abs. 1 Satz 2 2. Alt. BRAO, nämlich die Nichtgefährdung der Interessen der Rechtspflege, seien nicht gegeben. Denn zu den dem Antragsteller zugewiesenen Aufgaben gehöre auch die Benotung von Studienleistungen, bei der es sich um eine hoheitliche Tätigkeit mit Außenwirkung handele, die die Unabhängigkeit des Antragstellers beeinträchtige. Die Belange der Rechtspflege seien jedoch auch dann gefährdet, wenn bei dem Rechtsuchenden die Vorstellung entstehen könne, der Rechtsanwalt könne wegen seiner "Staatsnähe" mehr als andere Rechtsanwälte für sie bewirken. Da es sich bei der Universität N um eine staatliche Hochschule handele, könne bei gleichzeitiger Ausübung des Anwaltsberufes sowie der Tätigkeit als Juniorprofessor bei den Rechtsuchenden die Vorstellung entstehen, dass er bei Streitigkeiten mit der Universität aufgrund seiner dortigen Tätigkeit als Juniorprofessor mehr als andere Rechtsanwälte für seine Mandanten, z.B. bei der Anfechtung von Prüfungs- und anderen Studienleistungen, erreichen könne. Die Tätigkeit als Juniorprofessor werde auch nicht etwa nur für kurze Zeit ausgeübt. Schließlich habe der Antragsteller keine uneingeschränkte und unwiderruflich erteilte Einverständnis- und Freistellungserklärung seines Dienstherrn vorgelegt; deshalb läge eine unvereinbare Tätigkeit nach § 7 Nr. 8 BRAO vor, die ebenfalls zu einer Gefährdung der Interessen der Rechtspflege führe.

Gegen diesen Bescheid wendet sich der Antragsteller mit dem vorliegenden Antrag.

Er steht auf dem Standpunkt, dass der Begründungsansatz, dass es sich bei der Benotung von Studienleistungen um eine hoheitliche Tätigkeit handele, die ihn in seiner Unabhängigkeit beeinträchtige, nicht trage, da BRAO und JAG ausdrücklich die Verwendung von Rechtsanwälten als Prüfer vorsähen. Auch der Hinweis auf eine angeblich in Betracht zu ziehende Vertretung durch ihn bei Streitigkeiten mit der Universität überzeuge nicht. Zum einen träfe dieses Argument auch bei Anwälten mit Lehraufträgen und Honorarprofessuren zu; zum anderen könne dies allenfalls zu einer Versagung der Betätigung als Rechtsanwalt nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 Var. 4 BRAO führen.

Dem Leitbild einer verantwortungsvollen Anwaltschaft entspreche es, möglichen Interessenkonflikten nicht pauschal mit Berufsverboten zu begegnen, sondern dem Anwalt die Konfliktvermeidung und -beseitigung im Einzelfall zur Aufgabe zu machen. Er verhalte sich ersichtlich so, dass es keinen oder kaum einen Zeitbeamten gebe, bei dem sich die Besorgnis, er könne bei Vertretung gegen seinen Dienstherrn "mehr erreichen" nicht konstruieren ließe. Mit einer solchen Sicht, die entsprechend nicht richtig sein könne, laufe die Genehmigungsmöglichkeit nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BRAO leer. Außerdem sei er bereits aufgrund der beamtenrechtlichen Pflichtenlage gehindert, überhaupt Mandate gegen seinen Dienstherrn anzunehmen; der Antragsgegnerin sei auch bekannt, dass er eine anwaltliche Betätigung in Sachen für oder gegen seinen Dienstherrn oder in Prüfungssachen nicht im Entferntesten beabsichtige, was er auch verbindlich nochmals erkläre. Seit dreieinhalb Jahren sei er für die Kanzlei T T2 als Of Counsel tätig; er bearbeitet ausschließlich zivilrechtliche Mandate, die größtenteils dem Bank- und allgemeinen Wirtschaftsrecht zuzuordnen seien. Es könne deshalb weder davon die Rede sein, dass sich die Gefahr einer Interessenkollision deutlich abzeichne noch dass ihr in geeigneter Weise nur mit einer Berufswahlschranke begegnet werden könne. Die Versagung der begehrten Genehmigung erweise sich deshalb als unverhältnismäßig.

Der weitere Begründungsansatz der Antragsgegnerin, es fehle an einer uneingeschränkten und unwiderruflichen Einverständnis- und Freistellungserklärung des Dienstherrn, lasse unbeachtet, dass beamtenrechtlich eine unwiderrufliche Nebentätigkeitsgenehmigung nicht rechtmäßig erteilt werden könne und dass die erteilte Genehmigung keine anderen Einschränkungen aufweise, als sie sich zwingend aus den für Zeitbeamte geltenden Bestimmungen ergäben. Würde man die beantragte Genehmigung mit einer Begründung versagen, die sich auf allgemein an Zeitbeamte gestellte beamtenrechtliche Anforderungen stütze, so könnte keinem Zeitbeamten eine Genehmigung nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BRAO rechtmäßig erteilt werden. Die zentrale Schwäche des angegriffenen Bescheides sei es, dass die Antragsgegnerin bislang schlicht nicht anerkennen wolle, dass in den Fällen der Zeitbeamten, Zeitrichter und Zeitsoldaten eine Sondersituation vorliege, die aber als solche nicht genüge, um ausnahmslos nicht mehr als Anwalt praktizieren zu dürfen. Beispielsweise könne es einem Zeitsoldaten ganz offensichtlich nicht gestattet sein, sich aus einem Gefecht zurückzuziehen, um in dieser Zeit eine erbrechtliche Beratung seiner Großmutter durchzuführen. Verlange man von ihm eine der Syndikuserklärung entsprechende Freistellungserklärung, so wäre er berechtigt, sich während der Dienststunden von seinem Dienstplatz zu entfernen; die richtige Lösung könne nur darin liegen, die allgemeinen Einschränkungen, denen der Rechtsanwalt als Zeitbeamter oder Zeitsoldat unterliege, nicht als Gründe zu nehmen, ihm die Genehmigung nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BRAO zu versagen.

Schließlich vermöge auch die Dauer der Tätigkeit des Antragstellers als Juniorprofessor einer positiven Bescheidung seines Antrags entgegenstehen. Er sähe die dreijährige Befristung des Beamtenverhältnisses als Möglichkeit, sich zu orientieren und zu einer Entscheidung zu gelangen, ob nicht eine anwaltliche Betätigung seinen Vorstellungen eher entspreche. Er sei deshalb gegenwärtig keinesfalls schon fest entschlossen, seine Zustimmung zu einer Verlängerung des Zeitbeamtenverhältnisses über den Zeitraum von drei Jahren zu erteilen. Da die wirtschaftlichen Folgen einer Berufssperre gerade gegenüber Berufsanfängern zu berücksichtigen seien, gelte es auch zu berücksichtigen, dass eine zwanghaft einseitige Orientierung während des der Entscheidungsfindung dienenden Zeitraums eine Abschätzung der Perspektiven, die sich aus der Wahl des dauerhaften Berufes ergäben, unmöglich mache. Auch könne er sich überhaupt nicht sicher sein, nach drei Jahren positiv evaluiert zu werden. Ihm müsse das "Standbein" Anwaltschaft erhalten bleiben ungeachtet der Frage einer eventuellen Verlängerung des Zeitbeamtenverhältnisses.

Er habe einen Anspruch auf Entscheidung gemäß seinem Hauptantrag, weil die Entscheidung nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BRAO nicht im Ermessen der Antragsgegnerin stehe. Die Antragsgegnerin habe für den Fall, dass die begehrte Zulassung nicht bereits zwingend zu erteilen sein sollte, ihr Ermessen nicht ausgeübt. Daher werde vorsorglich gerügt, dass die Antragsgegnerin die gesetzlichen Ermessensgrenzen überschritten und von ihrem Ermessen in einer nicht dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht habe.

Der Antragsteller hat seinen Antrag, soweit er sich zunächst auch gegen den Vorstand der Antragsgegnerin richtete, zurückgenommen.

Der Antragsteller beantragt,

den angefochtenen Bescheid aufzuheben, die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm die beantragte Gestattung zu erteilen, hilfsweise diesen unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des erkennenden Senats erneut zu bescheiden.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie verteidigt die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Ergänzend macht sie geltend, dass sich aus der Antragsschrift ergebe, dass der Antragsteller auch an Prüfungen im Ersten juristischen Staatsexamen mitwirke, so dass auch insoweit eine hoheitliche Tätigkeit vorläge. Soweit der Antragsteller ausführe, dass ihm beamtenrechtlich eine unwiderrufliche Nebentätigkeitsgenehmigung nicht erteilt werden könne, belege dies, dass eine unvereinbare Tätigkeit nach § 7 Nr. 8 BRAO vorläge. Es träfe auch nicht zu, dass das Erfordernis einer unwiderruflichen Einverständnis- und Freistellungserklärung die Genehmigungsmöglichkeit nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BRAO leer laufen lasse. Denn in den Fällen vorübergehender Anstellung im öffentlichen Dienst werde vielfach bei Fehlen hoheitlicher Tätigkeit eine unwiderrufliche Einverständnis- und Freistellungserklärung vorgelegt.

II.

Der Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung ist frist- und formgerecht gestellt, mithin zulässig. In der Sache selbst ist der Antrag jedoch unbegründet. Zutreffend hat die Antragsgegnerin den Antrag des Antragstellers, ihm die Ausübung des Berufs als Rechtsanwalt zu gestatten, abgelehnt.

1.

Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BRAO dürfen Rechtsanwälte, die zugleich Zeitbeamte sind, ihren Beruf als Rechtsanwalt nicht ausüben. Von diesem Grundsatz macht § 47 Abs. 1 Satz 2 BRAO eine Ausnahme, wenn die Interessen der Rechtspflege durch die Ausübung des Berufs des Rechtsanwaltes nicht gefährdet werden.

Aus der gesetzgeberischen Wertung der §§ 7 Nr. 10, 14 Abs. 2 Nr. 5, 47 BRAO ergibt sich, dass die Zulassung von aktiven Angehörigen des öffentlichen Dienstes zur Rechtsanwaltschaft dem Gedanken, Freiheit und Unabhängigkeit des Anwaltsberufs zu schützen, widerspricht (BGH BRAK-Mitt. 2008, 137 Tz 4 f). Zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels ist eine deutliche Trennung des Rechtsanwaltsberufs von einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst erforderlich, weil die Mittel der Berufsaufsicht Abhängigkeitsverhältnisse nicht zuverlässig ausschließen können oder jedenfalls in den Augen der Öffentlichkeit nicht gleich wirksam sind. Für die Betroffenen ist die dadurch zum Ausdruck kommende Beschränkung ihrer Berufsfreiheit allerdings nur dann zumutbar, wenn sie nicht starr gehandhabt wird. Der öffentliche Dienst ist vielgestaltig. Es muss deshalb im Einzelfall geprüft werden, ob die gleichzeitige Ausübung des Anwaltsberufs und eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst die Belange der Rechtspflege gefährden kann.

1.1.

Eine Gefahr für die Rechtspflege ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH BRAK-Mitt. 2008, 137, 138. Tz 5 sowie BGH Beschluss vom 26.11.2007 AnwZ(B) 99/06 Tz 6) gegeben, wenn der Rechtsanwalt öffentliche Aufgaben von einer Art wahrnimmt, dass das rechtsuchende Publikum den Eindruck gewinnen kann, die Unabhängigkeit des Anwalts sei durch Bindungen an den Staat beeinträchtigt. Das kann insbesondere dann der Fall sein, wenn der Rechtsanwalt in seinem Zweitberuf hoheitlich tätig wird. Der Antragsteller hat in seinem Schreiben vom 18.01.2008 an die Antragsgegnerin selbst eingeräumt, dass er auf dem Gebiet der Benotung von Studienleistungen mit der Ausübung hoheitlicher Gewalt Dritten gegenüber befasst ist. In der Senatsverhandlung hat der Antragsteller bestätigt, dass er seit dem 15.04.2008 als Prüfer im Ersten juristischen Staatsexamen tätig ist. Ferner hat er vor dem Senat angegeben, dass er neben seiner Tätigkeit in Promotionsverfahren auch als Prüfer im neugeschaffenen Bachelor-Studiengang tätig werden wird. Nach § 1 Abs. 1 JAG des Landes Baden-Württemberg vom 16.07.2003 besteht die Erste juristische Prüfung aus der staatlichen Pflichtfachprüfung und aus der universitären Schwerpunktbereichsprüfung. Nach § 1 Abs. 3 Satz 1 dieses Gesetzes sowie nach § 26 Abs. 1 JAPrO wird die Schwerpunktbereichsprüfung der Ersten juristischen Prüfung von den Universitäten in eigener Verantwortung abgenommen. Nach § 34 JAPrO ist Voraussetzung für das Bestehen der Ersten juristischen Prüfung das Bestehen der Universitätsprüfung. Damit handelt es sich bei der Tätigkeit des Antragstellers nicht um eine solche, die rein wissenschaftlich ausgerichtet ist und bei der eine Gefahr für die Interessen der Rechtspflege nicht besteht (BGH BRAK-Mitt. 1982, 124).

Diese hoheitliche Tätigkeit des Antragstellers in seiner Eigenschaft als Zeitbeamter innerhalb des Ersten juristischen Staatsexamens ist mit dem Anwaltsberuf schlechthin nicht vereinbar; sie gefährdet die Interessen der Rechtspflege, so dass eine ausnahmsweise Gestattung der weiteren Ausübung des Berufs als Anwalt durch den Antragsteller nicht in Betracht kommt. Denn jede hoheitliche Tätigkeit steht in Widerspruch zu der in § 3 BRAO normierten Unabhängigkeit des Rechtsanwalts (AGH München Beschluss vom 19.03.2001 BayAGH I - 26/99 zitiert nach juris Rz 49 betreffend Hochschullehrer, bestätigt durch BGH BeckRS 2002, 30254935 und durch EGMR BRAK-Mitt. 2007, 216; vgl. auch BGH NJW 1987, 3011, 3012). Daran ändert auch nichts der Umstand, dass Prüfer nach § 3 Abs. 2 JAG des Landes Baden-Württemberg in der Ausübung des Prüferamtes unabhängig sind. Entscheidend ist, dass der Antragsteller in seiner Eigenschaft als Zeitbeamter unmittelbar und inhaltlich gestaltend an dem Zustandekommen von Verwaltungsakten mitwirkt.

Auch der Hinweis des Antragstellers darauf, dass er sich noch in der Berufsfindungsphase befinde, vermag kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen. Zwar sind gerade die wirtschaftlichen Folgen einer Berufssperre bei der Anwendung der Inkompatibilitätsregelungen gegenüber Berufsanfängern zu berücksichtigen (BVerfG NJW 1995, 951, 952). Für einen Härtefall fehlt angesichts der Vollzeit-Besoldung des Antragstellers nach der Besoldungsgruppe W 1 jeder Anhaltspunkt. Es ist entgegen der Auffassung des Antragstellers auch nicht verfassungsrechtlich gefordert, dass der Antragsteller beide Berufe nebeneinander und nicht etwa nacheinander erprobt. Auch die Dauer der Tätigkeit des Antragstellers als Zeitbeamter ist mit jedenfalls drei Jahren nicht so kurz bemessen, dass der Gesichtspunkt einer Gefährdung der Interessen der Rechtspflege zurückzustehen hätte oder eine solche bereits ausgeschlossen wäre.

1.2.

Das Vorliegen eines Ausnahmefalles ist auch aus einem weiteren Gesichtspunkt ausgeschlossen.

Die Belange der Rechtspflege sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann gefährdet, wenn bei den Rechtsuchenden die Vorstellung entstehen kann, der Rechtsanwalt könne wegen seiner "Staatsnähe" mehr als andere Rechtsanwälte für sie bewirken, oder, umgekehrt, der Gegner eines solchen Rechtsanwalts den Eindruck der Benachteiligung gewinnen kann. Ob derartige Gefahren gegeben sind, muss anhand der konkreten Ausgestaltung des Angestelltenverhältnisses und der ausgeübten Tätigkeit geprüft werden. Dabei ist sowohl der Aufgabenbereich der Körperschaft, bei welcher der Rechtsanwalt angestellt ist, als auch deren Bedeutung im Bereich der Niederlassung des Rechtsanwalts zu berücksichtigen.

Die Tätigkeit des Antragstellers in seiner Eigenschaft als Zeitbeamter als Prüfer im Rahmen der Ersten juristischen Staatsprüfung begründet die sich deutlich abzeichnende, naheliegende Gefahr, dass Mandanten des Antragstellers sich vorstellen werden, dass die hoheitliche Tätigkeit des Antragstellers als Prüfer innerhalb des Ersten juristischen Staatsexamens diesen in die Lage versetzen könnte, mehr für seine Mandanten zu bewirken als andere Rechtsanwälte. Der Gefahr, dass die Öffentlichkeit den Eindruck gewinnen kann, der Antragsteller vermöge seine Stellung als Ausübender öffentlicher Gewalt für seine anwaltliche Tätigkeit auszunutzen, steht nicht entgegen, dass der Antragsteller sich einer in E tätigen Kanzlei angeschlossen hat, zumal auch am Kanzleisitz eine Universität mit juristischer Fakultät ansässig ist. Der Umstand, dass der Antragsteller ausschließlich zivilrechtliche Mandate bearbeitet hat, rechtfertigt ebenfalls keine dem Antragsteller günstigere Entscheidung. Denn eine solche Selbstbeschränkung hängt allein vom Willen des Antragstellers ab und ist deshalb nicht kontrollierbar (vgl. BGH Beschluss vom 26.11.2007 AnwZ(B) 99/06 Tz 11).

Der Hinweis auf die Tätigkeit von solchen Rechtsanwälten, die nicht wie der Antragsteller zugleich Zeitbeamte sind, als Lehrbeauftragte oder als Prüfer in den juristischen Staatsexamina rechtfertigt keine andere Bewertung. Diese stehen in einem öffentlichrechtlichen Rechtsverhältnis eigener Art, so dass auf sie § 47 BRAO keine Anwendung findet (vgl. Feuerich/Weyland, 7. Aufl., § 47 BRAO Rz 9).

1.3.

Hinzukommt, dass der Versagungsgrund der unvereinbaren Tätigkeit schließlich auch deshalb vorliegt, weil der Antragsteller rechtlich nicht die Möglichkeit hat, den Rechtsanwaltsberuf mit dem unerlässlichen Maß an Unabhängigkeit von seinem Dienstherrn auszuüben. Nach der Rechtsprechung des BGH (vgl. BGH NJW-RR 1995, 949) muss dem in einem anderen Beruf abhängig beschäftigten Rechtsanwalt von seinem Arbeitgeber unwiderruflich die Tätigkeit als Rechtsanwalt gestattet sein; die Genehmigung darf nicht einseitig vom Arbeitgeber widerrufen werden können. Es fehlt an der erforderlichen Unabhängigkeit, wenn der Rechtsanwalt rechtlich nicht in einer Position ist, in der ihm der Arbeitgeber nicht einseitig die Voraussetzung für seine Zulassung entziehen kann. Denn der Vorbehalt des jederzeitigen einseitigen Widerrufs schließt ein, dass sich der Arbeitgeber selbst im Einzelfall bei einem zeitlichen Konflikt in der Erledigung der anwaltlichen Tätigkeit mit einer betrieblichen Angelegenheit durch Ausübung des Direktionsrechts durchsetzt. Für den Bereich des Beamten hat der BGH bereits entschieden (BGH BRAK-Mitt. 1995, 125), dass der Lebenszeitbeamte in einem öffentlichrechtlichen Dienst- und Treuverhältnis steht, das ihm besondere Pflichten auferlegt und ihn bei der Übernahme und dem Umfang anderer Tätigkeiten grundsätzlich von Genehmigungen seines Dienstherrn abhängig macht und dass dieser Inhalt des Beamtenverhältnisses nicht in Einklang mit der Stellung eines Rechtsanwalts steht. Dabei unterscheidet sich die Stellung eines Hochschullehrers nicht grundlegend von derjenigen anderer Beamten (EGMR BRAK-Mitt. 2007, 216, 218).

Für den Bereich eines Dauerangestellten des öffentlichen Dienstes hat es der BGH (vgl. BRAK-Mitt. 1982, 72 sowie NJW 1987, 3011, 3012) offengelassen, ob seiner Zulassung als Rechtsanwalt bereits die nach dem Landesbeamtengesetz bestehende Möglichkeit des Widerrufs der Genehmigung einer Nebentätigkeit entgegensteht. Auch der Senat braucht diese Frage vorliegend nicht zu entscheiden. Denn bereits die durch das LBG Baden-Württemberg gezogene zeitliche Begrenzung des Umfangs einer genehmigten Nebentätigkeit ist mit dem Anwaltsberuf nicht zu vereinbaren.

Nach § 130 Abs. 1 LBG BW gelten für Beamte auf Zeit die Vorschriften für Beamte auf Lebenszeit entsprechend, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist. Nach § 83 Abs. 1 LBG BW bedarf der Beamte der vorherigen Genehmigung zur Übernahme jeder Nebentätigkeit. Nach § 83 Abs. 2 LBG BW ist die Genehmigung zu versagen, wenn zu besorgen ist, dass durch die Nebentätigkeit dienstliche Interessen beeinträchtigt werden. Ein solcher Versagungsgrund liegt nach § 83 Abs. 2 Satz 2 LBG BW insbesondere vor, wenn die Nebentätigkeit nach

- Nr. 1 nach Art und Umfang die Arbeitskraft des Beamten so stark in Anspruch nimmt, dass die ordnungsgemäße Erfüllung seiner dienstlichen Pflichten behindert werden kann,

- Nr. 2 den Beamten in einen Widerstreit mit seinen dienstlichen Pflichten bringen kann,

- Nr. 3 in einer Angelegenheit ausgeübt wird, in der die Behörde, der der Beamte angehört, tätig wird oder tätig werden kann,

- Nr. 4 die Unparteilichkeit oder Unbefangenheit des Beamten beeinflussen kann,

- Nr. 5 zu einer wesentlichen Einschränkung der künftigen dienstlichen Verwendbarkeit des Beamten führen kann,

- Nr. 6 dem Ansehen der öffentlichen Verwaltung abträglich sein kann.

Die Voraussetzung des Satzes 2 Nr. 1 gilt nach § 83 Abs. 2 Satz 3 LBG BW in der Regel als erfüllt, wenn die zeitliche Beanspruchung durch eine oder mehrere Nebentätigkeiten in der Woche ein Fünftel der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit überschreitet. Ferner gilt nach § 83 Abs. 2 Satz 5 LBG BW, dass dann, wenn sich bei der Ausübung der Nebentätigkeit eine Beeinträchtigung dienstlicher Interessen nach Erteilung der Genehmigung ergibt, die Genehmigung zu widerrufen ist.

Bei einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 41 Stunden - der Antragsteller steht nach seinen Angaben in der Senatsverhandlung bei der Universität N in einem Vollzeitverhältnis mit einer Vollzeitvergütung, wobei er allerdings drei Tage in der Woche in E als Rechtsanwalt tätig ist - verläuft die Regelgrenze der zeitlichen Beanspruchung von 20 % damit bei 8,2 Stunden in der Woche. Der BGH hat bereits mehrfach entschieden, dass damit das für eine anwaltliche Tätigkeit vorausgesetzte Mindestmaß unterschritten ist (vgl. BGH NJW 1987, 3011, 3112; BGH BRAK-Mitt. 1982, 72).

2.

Ein Anlass, die sofortige Beschwerde zuzulassen, besteht entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht, da der Senat nicht über Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung entscheidet. Der Umstand, dass die Entscheidung für den Antragsteller "von besonderer, auch grundrechtlicher Relevanz" ist, rechtfertigt nicht die Annahme einer Grundsatzbedeutung i.S.d. § 223 Abs. 3 Satz 2 BRAO. Der Senat geht von den allgemein vertretenen rechtlichen Grundsätzen aus, wie sie sich insbesondere aus der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ergeben. Dass in der Zukunft, wie der Antragsteller meint, divergierende Entscheidungen ergehen könnten, rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der sofortigen Beschwerde, weil es sich dabei um eine bloße Spekulation handelt.

Soweit der Antragsteller auf dem Standpunkt steht, dass das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde auch ohne Zulassung durch den Senat statthaft sei, steht dies nicht zur Entscheidung des Senates.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 201 BRAO, die Entscheidung über die Erstattung der außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin auf § 13 a FGG. Die Entscheidung über den Geschäftswert fußt auf den §§ 202 Abs. 2 BRAO, 30 Abs. 2 KostO und entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats in Fällen dieser Art.






AGH des Landes Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 21.11.2008
Az: 1 AGH 68/08 AGH NW


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