Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. Oktober 2010
Aktenzeichen: 8 W (pat) 330/05

(BPatG: Beschluss v. 28.10.2010, Az.: 8 W (pat) 330/05)

Tenor

Das Patent 195 31 918 wird widerrufen.

Gründe

I.

Auf die am 30. August 1995 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung 195 31 918.4-23 mit der Bezeichnung "Maschine zum reihenunabhängigen Mähen und Häckseln von Mais und dgl. stängelartigem Erntegut" ist das Patent 195 31 918 mit Beschluss vom 27. August 2004 erteilt und die Erteilung am 24. Februar 2005 veröffentlicht worden.

Gegen das Patent hat die Einsprechende am 24. Mai 2005 Einspruch erhoben.

Die Einsprechende hat u. a. formal gerügt, dass der Gegenstand des Streitpatents über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus gehe und daher unzulässig erweitert worden sei. Das Patent sei daher zu widerrufen. Sie hat hierzu vorgetragen, dass der in den ursprünglichen Unterlagen durchgängig verwendete Begriff "Querfördertrommeln" auf den allgemeineren Begriff "Querförderer" ausgedehnt worden sei und dass ferner im erteilten Anspruch 1 der ursprünglich beschriebene Durchgriff der Mitnehmerzähne der Querförderer durch entsprechende Durchtrittsschlitze nicht mehr beansprucht werde, was nach ihrer Auffassung jeweils eine unzulässige Erweiterung darstelle.

Die Patentinhaberin hat daraufhin in der mündlichen Verhandlung einen neu formulierten Patentanspruch 1 als Hauptantrag und einen weiteren neu formulierten Patentanspruch 1 als Hilfsantrag 1 vorgelegt.

Patentanspruch 1 nach Hauptantrag lautet:

"Maschine zum reihenunabhängigen Mähen und Häckseln von Mais u. dgl. stängelartigem Erntegut, bei der innerhalb ihrer Arbeitsbreite zumindest je zwei um im Wesentlichen vertikale Achsen rotierende, mit abstehenden Mitnehmerzähnen (33), die in in vertikalem Abstand übereinander angeordneten Kränzen (40, 41, 42, 43) angeordnet sind, versehene Einzugsund Mähtrommeln (1 -8) in Querausrichtung beidseits der vertikalen Längsmittelachse der Maschinen einem mittigen Häcksler (11) mit Einschubwalzen (10) für das geschnittene Erntegut vorgeordnet sind, welches durch an den Umfang der Einzugsund Mähtrommeln (1 -8) zum Häcksler hin angrenzende, maschinenfeste senkrechte Führungswände (22) umfassende Förderkanäle (21) den Einschubwalzen des Häckslers zugeführt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Führungswände (22) zum Häcksler (11) hin beidseits der vertikalen Längsmittelebene (9) in Draufsicht die Form einer sich quer zur Längsmittelebene (9) der Maschine ausbreitenden Welle mit, in Fahrtrichtung gesehen, dem Umfang (30) der Einzugsund Mähtrommeln (2 -4; 6 -8) bereichsweise folgenden Wellentälern (23) und Wellenkämmen (24) im Zwickelbereich zwischen zwei benachbarten Einzugsund Mähtrommeln (2 -4; 6 -8) besitzen und dass an der in Fahrtrichtung (F) hinteren Seite der Führungswände (22) im Bereich der Wellenkämme (24) zwischen benachbarten Einzugsund Mähtrommeln (2 -4; 6 -8) je eine Querfördertrommel (25) für das geschnittene Erntegut angeordnet ist, um eine im Wesentlichen vertikale Achse (27) umläuft und ihrerseits mit abstehenden Mitnehmerzähnen (26) versehen ist, die sich nur im Zwickelbereich zwischen den benachbarten Einzugsund Mähtrommeln (2 -4; 6 -8) in den Förderkanal (21) hinein erstrecken, wobei sich die Querfördertrommeln (25) und die Einzugsund Mähtrommeln (2 -4; 6 -8) so drehen, dass die Mitnehmerzähne (26) der Querfördertrommeln (25) und die Mitnehmerzähne (33) der Einzugsund Mähtrommeln (2 -4; 6 -8) sich im Förderkanal (21) in Richtung auf die Längsmittelebene (9) zu bewegen."

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 lautet:

"Maschine zum reihenunabhängigen Mähen und Häckseln von Mais u. dgl. stängelartigem Erntegut, bei der innerhalb ihrer Arbeitsbreite zumindest je zwei um im Wesentlichen vertikale Achsen rotierende, mit abstehenden Mitnehmerzähnen (33), die in in vertikalem Abstand übereinander angeordneten Kränzen (40, 41, 42, 43) angeordnet sind, versehene Einzugsund Mähtrommeln (1 -8) in Querausrichtung beidseits der vertikalen Längsmittelachse der Maschinen einem mittigen Häcksler (11) mit Einschubwalzen (10) für das geschnittene Erntegut vorgeordnet sind, welches durch an den Umfang der Einzugsund Mähtrommeln (1 -8) zum Häcksler hin angrenzende, maschinenfeste senkrechte Führungswände (22) umfassende Förderkanäle (21) den Einschubwalzen des Häckslers zugeführt wird, dadurch gekennzeichnet, dass die Führungswände (22) zum Häcksler (11) hin beidseits der vertikalen Längsmittelebene (9) in Draufsicht die Form einer sich quer zur Längsmittelebene (9) der Maschine ausbreitenden Welle mit, in Fahrtrichtung gesehen, dem Umfang (30) der Einzugsund Mähtrommeln (2 -4; 6 -8) bereichsweise folgenden Wellentälern (23) und Wellenkämmen (24) im Zwickelbereich zwischen zwei benachbarten Einzugsund Mähtrommeln (2 -4; 6 -8) besitzen und dass an der in Fahrtrichtung (F) hinteren Seite der Führungswände (22) im Bereich der Wellenkämme (24) zwischen benachbarten Einzugsund Mähtrommeln (2 -4; 6 -8) je eine Querfördertrommel (25) für das geschnittene Erntegut angeordnet ist, um eine im Wesentlichen vertikale Achse (27) umläuft und ihrerseits mit abstehenden Mitnehmerzähnen (26) versehen ist, die sich nur im Zwickelbereich zwischen den benachbarten Einzugsund Mähtrommeln (2 -4; 6 -8) durch Durchtrittsschlitze (28) in der Führungswand (22) oder ohne vorgeordnete Führungswand (22) und einen Schlitz (67) in einem Abstreiferteil (66) in den Förderkanal (21) hinein erstrecken, wobei sich die Querförderförderer (25) und die Einzugsund Mähtrommeln (2 -4; 6 -8) so drehen, dass die Mitnehmerzähne (26) der Querförderer (25) und die Mitnehmerzähne (33) der Einzugsund Mähtrommeln (2 -4; 6 -8) sich im Förderkanal (21) in Richtung auf die Längsmittelebene (9) zu bewegen."

Wegen der zu Patentanspruch 1 nach Hauptund Hilfsantrag 1 geltenden erteilten rückbezogenen Ansprüche 2 bis 21 wird auf die Akte verwiesen.

Die Patentinhaberin hat zu den geltenden Patentansprüchen nach Hauptund Hilfsantrag 1 ausgeführt, dass mit diesen nunmehr zulässige, von der ursprünglichen Offenbarung getragene Anspruchsfassungen vorgelegt worden seien.

Die Einsprechende hat ihren Vorhalt der unzulässigen Erweiterung auch gegenüber den neu formulierten Patentansprüchen 1 nach Hauptund Hilfsantrag 1 aufrecht erhalten. Sie hat zum geltenden Patentanspruch 1 nach Hauptantrag u. a. vorgetragen, dass bei diesem Anspruch Durchtrittsschlitze in der Führungswand, durch die die Querfördertrommeln mit ihren abstehenden Mitnehmerzähnen hindurch greifen, weiterhin keine Erwähnung finden würden. Das Fortlassen eines auf Durchtrittsschlitze in der Führungswand gerichteten Merkmals bedeute nach Auffassung der Einsprechenden eine unzulässige Erweiterung, weil hierdurch ein wesentlicher Teil der ursprünglichen Offenbarung, welche in diesem Zusammenhang ausschließlich auf das Zusammenwirken der Durchtrittsschlitze mit den Mitnehmerzähnen der Querfördertrommeln gerichtet sei, fehle.

Zum geltenden Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 hat die Einsprechende darauf hingewiesen, dass dort zwar einerseits die Durchtrittsschlitze in der Führungswand in den Umfang der beanspruchten Merkmale aufgenommen worden seien, jedoch durch die nachfolgende Formulierung "oder ohne vorgeordnete Führungswand ..." (gemeint vor der Querfördertrommel) eine Alternative beansprucht werde, bei der wiederum das in den ursprünglichen Unterlagen ausschließlich beschriebene Zusammenwirken zwischen den Durchtrittsschlitzen in der Führungswand und den Mitnehmerzähnen der Querfördertrommeln unzulässig geändert worden sei.

Die Patentansprüche 1 nach Hauptund Hilfsantrag 1 seien nach Auffassung der Einsprechenden daher wegen unzulässiger Erweiterung nicht bestandsfähig.

Die Einsprechende stellt den Antrag, das Patent 195 31 918 zu widerrufen.

Die Patentinhaberin stellt den Antrag, das Patent 195 31 918 mit dem neuen Patentanspruch 1 laut dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Hauptantrag vom 28. Oktober 2010 und im Übrigen mit den Patentansprüchen 2 bis 21, mit der Beschreibung und mit den Zeichnungen laut erteiltem Patent beschränkt aufrechtzuerhalten.

Hilfsweise beantragt sie, das Patent 195 31 918 mit dem neuen Patentanspruch 1 laut dem in der mündlichen Verhandlung überreichten Hilfsantrag 1 vom 28. Oktober 2010 und im Übrigen mit den Patentansprüchen 2 bis 21, mit der Beschreibung und mit den Zeichnungen laut erteiltem Patent beschränkt aufrechtzuerhalten.

Die Patentinhaberin hat zur Frage der Bedeutung der Durchtrittsschlitze für die Zulässigkeit der Ansprüche 1 nach Hauptund Hilfsantrag 1 auf die ursprünglichen Unterlagen, Seite 3, 1. Absatz verwiesen, wo nach ihrer Auffassung die Durchtrittsschlitze für die Mitnehmerzähne der Querfördertrommeln zunächst zum Zwecke der Wiederholung des Wortlauts des damaligen Anspruchs 1 erwähnt seien, wobei aber im darauf folgenden Satz nur noch die Wirkung der Querfördertrommeln an sich ohne weitere Erwähnung der Durchtrittsschlitze und deren Zusammenwirken mit den Mitnehmerzähnen beschrieben werde. Ebenso sei auf Seite 7, 3. Absatz, der ursprünglichen Unterlagen lediglich der Eingriff der Mitnehmerzähne der Querfördertrommeln im Zwickelbereich zwischen zwei Einzugsund Mähtrommeln in den Förderkanal beschrieben, ohne dass hierbei Durchtrittsschlitze erwähnt seien. Zu Patentanspruch 1 nach Hauptantrag sowie insbesondere auch zu Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 hat die Patentinhaberin noch vorgetragen, dass auf Seite 13, 1. Absatz der ursprünglichen Unterlagen ausgeführt sei, dass die Mitnehmerzähne des oberen Zahnkranzes der (jeweiligen) Querfördertrommel ebenfalls den Bereich des Förderkanals durchlaufen. Somit sei auch das Fehlen einer Führungswand im Bereich der Querfördertrommeln implizit in den ursprünglichen Unterlagen bereits beschrieben.

Die Patentansprüche 1 nach Hauptund Hilfsantrag 1 seien daher nach Auffassung der Patentinhaberin zulässig.

Wegen weiterer Einzelheiten im Übrigen wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Über den Einspruch, der nach dem 1. Januar 2002 und vor dem 1. Juli 2006 formund fristgerecht eingelegt worden ist, hat der zuständige Technische Beschwerdesenat gemäß § 147 Abs. 3 PatG zu entscheiden, da die mit der Einlegung des Einspruchs begründete Entscheidungsbefugnis durch die spätere Aufhebung der Vorschrift nicht entfallen ist (vgl. BGH GRUR 2007, 859, 861 und 862 ff. -Informationsübermittlungsverfahren II; BGH GRUR 2009, 184, 185 -Ventilsteuerung).

Die geltenden Patentansprüche 1 nach Hauptund Hilfsantrag 1 sind nicht zulässig, denn sie enthalten Merkmale, die in den ursprünglich eingereichten Unterlagen nicht als zum Anmeldungsgegenstand gehörend offenbart waren.

1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag geht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus.

In Patentanspruch 1 nach Hauptantrag wird in den Zeilen 16 bis 22 beschrieben, "dass an der in Fahrtrichtung (F) hinteren Seite der Führungswände (22) im Bereich der Wellenkämme (24) zwischen benachbarten Einzugsund Mähtrommeln (2 -4; 6 -8) je eine Querfördertrommel (25) für das geschnittene Erntegut angeordnet ist, um eine im Wesentlichen vertikale Achse (27) umläuft und ihrerseits mit abstehenden Mitnehmerzähnen (26) versehen ist, die sich nur im Zwickelbereich zwischen den benachbarten Einzugsund Mähtrommeln (2 -4; 6 -8) in den Förderkanal (21) hinein erstrecken." In dieser Formulierung findet sich kein Hinweis darauf, dass sich die Mitnehmerzähne der sich hinter den Führungswänden befindenden Querfördertrommeln durch spezielle Durchtrittsschlitze in den Führungswänden in den Förderkanal hinein erstrecken. Derartige Durchtrittsschlitze zu diesem Zweck werden auch an keiner anderen Stelle des Patentanspruchs 1 nach Hauptantrag erwähnt. Durchtrittsschlitze in der entsprechenden Führungswand für die Mitnehmerzähne der Querfördertrommeln sind aber bereits in allen hierzu maßgeblichen Zeichnungsfiguren der ursprünglichen Unterlagen erkennbar. So zeigt die perspektivische Darstellung nach Figur 3 (Mitte) dort deutlich eine Querfördertrommel (25) hinter einer geschlossenen Führungswand (22), wobei diese Führungswand im Bereich des Eingriffs der Mitnehmerzähne (26) der Querfördertrommel in den Förderkanal (21) spezielle Schlitze (28) aufweist, die den Durchtritt der Mitnehmerzähne in den Förderkanal über den jeweiligen Teilkreis ihrer Bewegungsbahn hinweg erlauben. In der den Förderkanal begrenzenden Führungswand sind dabei zwei übereinander angeordnete Schlitze zu erkennen, in die die jeweiligen Mitnehmer-Zahnkränze in zwei Ebenen übereinander eingreifen. Gleiches ist auch in der Schnittdarstellung nach Figur 4 zu erkennen, während in der Aufsicht-Darstellung nach Figuren 1 und 2 zumindest hinter einer Führungswand gelegene Querfördertrommeln erkennbar sind, deren Mitnehmerzähne sich über die Führungswand hinaus in den Förderkanal erstrecken.

Auch in der Beschreibung sowie in Patentanspruch 1 der ursprünglich eingereichten Unterlagen finden durchgängig ausschließlich Querfördertrommeln Erwähnung, die mit ihren abstehenden Mitnehmerzähnen durch Durchtrittsschlitze in der wellenförmigen Führungswand hindurch treten. Diese Formulierung findet sich auch in der ursprünglichen Beschreibung auf Seite 3, Zeilen 1 bis 8, wo -wie die Patentinhaberin insoweit zutreffend vorträgt -der Inhalt des ursprünglichen Anspruchs 1 wiederholt wird. Im darauffolgenden Satz findet der Durchtritt der Mitnehmerzähne durch Durchtrittsschlitze in der Führungswand zwar keine Erwähnung mehr, was die Patentinhaberin ebenfalls zutreffend feststellt. Jedoch wird dieser Satz eingeleitet durch die Formulierung "Durch das Einsetzen dieser Querfördertrommeln ...", so dass durch den Ausdruck "dieser Querfördertrommeln" bereits die Verbindung zu dem vorhergehenden Satz und dem dort beschriebenen technischen Sachverhalt eindeutig festgestellt ist und ein Rückbezug hierauf somit zwingend gegeben ist. Die Patentinhaberin bezieht sich ferner auf die Beschreibung Seite 7, 3. Absatz der ursprünglichen Unterlagen, wo zwar der Eingriff der Mitnehmerzähne der Querfördertrommeln in den Förderkanal beschrieben sei, aber Durchtrittsschlitze in der Führungswand nicht erwähnt seien, was nach ihrer Auffassung ebenfalls das zulässige Fortlassen eines auf Durchtrittsschlitze gerichteten Merkmals im Anspruch 1 stützen könne. Der Senat kann der Patentinhaberin aber auch in diesem Punkt nicht folgen, denn der gesamte Absatz nimmt bereits einleitend Bezug auf die Figuren 2 und 3 und führt weiter aus, dass "die Führungswand 22 im Bereich der dem Umfang 30 der Einzugsund Mähtrommeln 6 bis 8 zugeordneten Wellentäler 23 von Durchtrittsschlitzen, wie den Schlitzen 28, freigehalten" ist. In diesem Absatz wird dann weiter noch erläutert, dass eine glatt belassene Führungswand eine schonende, zügige Förderung des Erntegutes begünstigt und dass der Eingriff in den Förderkanal durch die Mitnehmerzähne der Querfördertrommeln nur im Zwickelbereich zwischen zwei nach innen aufeinanderfolgenden Einzugsund Mähtrommeln erfolgt, wodurch einem Förderstau durch im Zwickelbereich aufeinander treffende Teilströme des Erntegutes entgegengewirkt wird. Zwar bleiben bei der Beschreibung der Wirkungsweise der Querfördertrommeln im Zwickelbereich zwischen zwei Einzugsund Mähtrommeln im zweiten Satz dieses Absatzes die Durchtrittsschlitze für die Mitnehmerzähne in der Tat unerwähnt. Diese sind jedoch implizit mitzulesen, weil im vorangegangenen ersten Satz dieses Absatzes detailliert ausgeführt wird, dass die Führungswand im Bereich ihrer Wellentäler, der dem Umfang der Einzugsund Mähtrommeln zugeordnet ist, frei von Durchtrittsschlitzen ausgestaltet wird. Der von den Durchtrittsschlitzen frei zu haltende Bereich ist aber derjenige Bereich der Führungswand, der sich zwischen den Zwickelbereichen aufeinander folgender Einzugsund Mähtrommeln befindet, wie insbesondere auch aus den Fig. 2 und 3, auf die der maßgebliche Absatz der Beschreibung Bezug nimmt, ersichtlich ist. Nachdem aber im ersten Satz dieses Absatzes von Durchtrittsschlitzen (28) die Rede ist, von denen der Bereich der Führungswand um die Einzugsund Mähtrommeln frei zu halten ist, ergibt sich deren Vorhandensein im Bereich der Querfördertrommeln bereits als Schlussfolgerung aus dem Text des 3. Absatzes auf Seite 7 der ursprünglichen Beschreibung und wird überdies auch durch die Zeichnung, insbesondere Figur 3, auf die in diesem Absatz Bezug genommen wird, deutlich. Damit vermag auch diese Textstelle das Fortlassen eines auf Durchtrittsschlitze für die Mitnehmerzähne der Querfördertrommeln gerichteten Merkmals im Anspruch 1 nicht zu stützen. Auch die übrigen Textstellen der ursprünglichen Beschreibung, auf die im Rahmen der mündlichen Verhandlung nicht mehr eingegangen wurde, geben keinen Hinweis auf eine andere als mit Durchtrittsschlitzen in der Führungswand im Bereich der Querfördertrommeln ausgestaltete Ausführungsform. Nach alledem ist für einen Fachmann, einen Ingenieur des allgemeinen Maschinenbaus oder Agraringenieur mit Fachhochschulausbildung und mehrjähriger Erfahrung in der Konstruktion landwirtschaftlicher Erntemaschinen, die in den ursprünglichen Unterlagen wiedergegebene Lehre ausschließlich auf einen Gegenstand mit Durchtrittsschlitzen für die Mitnehmerzähne der sich hinter einer Führungswand befindlichen Querfördertrommeln gerichtet. Der in Patentanspruch 1 nach Hauptantrag charakterisierte Gegenstand geht indes durch Fortlassen eines auf Durchtrittsschlitze gerichteten Merkmals über den Umfang der ursprünglichen Offenbarung hinaus, denn es fallen auch andere Ausgestaltungen des Anspruchsgegenstandes als solche, die mit Durchtrittsschlitzen in der Führungswand im Eingriffsbereich der Mitnehmerzähne der Querfördertrommeln versehen sind, unter den Wortlaut dieses Anspruchs. Eine solche zumindest prinzipiell funktionsfähige Ausgestaltungsform mit in Fahrtrichtung hinter den Führungswänden angeordneten Querfördertrommeln kann beispielsweise darin bestehen, dass die Führungswand im Bereich der Querfördertrommel und deren Mitnehmerzahnkränze gänzlich unterbrochen wird und die Querfördertrommel selbst gleichsam den fehlenden Wandteil bildet. Eine derartige Ausführung findet in den ursprünglichen Unterlagen ebenfalls keine Stütze, auch nicht in der von der Patentinhaberin hierzu herangezogenen Stelle auf Seite 13, 1. Absatz der ursprünglichen Beschreibung. Diese Beschreibungspassage beginnt auf Seite 12, 4. Absatz der ursprünglichen Unterlagen mit der Nennung der bereits mehrfach beschriebenen Querfördertrommeln (25), denen nun in ihrem an die Führungswand angrenzenden Bereich obere Abdeckplatten (64, 65) zugeordnet sind, wobei hierzu insbesondere auf Figur 3 verwiesen wird. Wie auf Seite 13, 1. Absatz, Zeilen 1 bis 5 weiter ausgeführt ist, wird eine der Abdeckplatten von den beiden oberen Zahnkränzen (37) der Querfördertrommel übergriffen. Dieser technische Sachverhalt ist auch in Figur 3 ersichtlich und bedeutet lediglich, dass die Querfördertrommel die Höhe der Führungswand, die durch die (erste) Abdeckplatte (64) nach oben begrenzt wird, überragt. Eine zweite, etwas höher gelegene Abdeckplatte (65), die in etwa an die Oberseite der Querfördertrommel heranreicht, trägt an ihrem vertikalen Abschnitt einen Abstreifer mit einem Schlitz (67), durch den sich Mitnehmerzähne eines entsprechenden Zahnkranzes erstrecken, während Mitnehmerzähne der oberen Zahnkränze unterhalb des Abstreiferteils (66) bei ihrer Umlaufbewegung den Bereich des Förderkanals durchlaufen, wie in diesem Absatz von Zeile 5 bis 15 weiter ausgeführt ist. Diese Textstelle vermittelt jedoch nicht die Lehre, die Führungswand im Bereich der Querfördertrommel gänzlich wegzulassen, sondern beschreibt lediglich die am besten aus Figur 3 ersichtliche Erstreckung der Querfördertrommel über die Höhe der Führungswand hinaus, wobei die Querfördertrommel oberhalb der Führungswand jedenfalls teilweise frei liegt, insoweit sie nicht von dem Abstreiferteil (66) überdeckt ist und in diesem Bereich noch Zahnkränze angeordnet sind, die den Bereich des Förderkanals oberhalb der oberen Begrenzung der Führungswand überstreichen. Ein auf andere technische Lösungen als auf Durchtrittschlitze in der Führungswand für die Mitnehmerzähne der Querfördertrommeln gerichtete Lehre war daher für den o. g. Fachmann aus der Gesamtheit der ursprünglichen Unterlagen nicht unmittelbar und eindeutig zu entnehmen, sondern stellt eine weitergehende Erkenntnis dar, zu der der Fachmann nur aufgrund seines allgemeinen Fachwissens oder durch Abwandlung der offenbarten Lehre gelangen kann und ist somit im Einklang mit der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BGH GRUR 2010, 910 -916 -Fälschungssicheres Dokument -) als unzulässige Erweiterung zu betrachten.

Der Patentanspruch 1 nach Hauptantrag hat daher keinen Bestand.

2. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1 geht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus.

In Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 wird eine an der in Fahrtrichtung hinteren Seite der Führungswände im Bereich der Wellenkämme zwischen benachbarten Einzugsund Mähtrommeln gelegene Querfördertrommel beschrieben, die "ihrerseits mit abstehenden Mitnehmerzähnen (26) versehen ist, die sich nur im Zwickelbereich zwischen den benachbarten Einzugsund Mähtrommeln (2 -4; 6 -8) durch Durchtrittsschlitze (28) in der Führungswand (22) oder ohne vorgeordnete Führungswand und einen Schlitz (67) in einem Abstreiferteil (66) in den Förderkanal (21) hinein erstrecken" (vgl. Zeilen 20 bis 22 mit jeweiligen Einfügungen <1> und <2> in Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1). Damit werden in Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 im Hinblick auf den Eingriff der Mitnehmerzähne der hinter der Führungswand gelegenen Querfördertrommel in den Förderkanal hinein zwei alternative Ausgestaltungen nebeneinander gestellt, nämlich einerseits mittels Durchtrittsschlitzen in der Führungswand oder alternativ andererseits ohne vorgeordnete Führungswand und einem Schlitz in einem Abstreiferteil. Die zweite Ausgestaltungsalternative lässt dabei eine technische Lehre erkennen, die besagt, dass der Querfördertrommel keine Führungswand vorgeordnet sein soll, ebenso wenig wie ein Abstreiferteil mit einem Schlitz. Diese zweite Alternative findet in den ursprünglichen Unterlagen keine Stütze, denn dort ist durchgängig von einer Führungswand die Rede, hinter der die Querfördertrommel angeordnet ist und in der Durchtrittsschlitze für die Mitnehmerzähne der Querfördertrommel vorgesehen sind. Diese in den ursprünglichen Unterlagen ausschließlich beschriebene und dargestellte technische Lehre wird auch durch die Textstelle auf Seite 12, 4. Absatz bis Seite 13, 1. Absatz der ursprünglichen Beschreibung und der zugehörigen Figur 3 -anders als die Patentinhaberin meint -nicht verlassen, denn dort wird lediglich der Bereich der Querfördertrommel beschrieben, der die der Querfördertrommel vorgeordnete Führungswand in der Höhenbemessung übersteigt, wie bereits zu Patentanspruch 1 nach Hauptantrag (Punkt II. 1) ausführlich dargelegt wurde und worauf hierzu ausdrücklich Bezug genommen wird. Dort wo die Querfördertrommel jedoch die Führungswand in ihrer Höhenerstreckung nicht übersteigt, sondern von der Führungswand -wie in Figur 3 erkennbar -überdeckt wird, ist der Querfördertrommel auch weiterhin eine mit Durchtrittsschlitzen versehene Führungswand vorgeordnet. Daher wird mit dem Merkmal des Patentanspruchs 1 nach Hilfsantrag 1, mit dem eine Querfördertrommel ohne vorgeordnete Führungswand beansprucht wird, der Umfang der ursprünglichen Offenbarung in unzulässiger Weise erweitert.

Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist daher nicht bestandsfähig.

3. Nachdem die tragenden Patentansprüche 1 nach Hauptbzw. Hilfsantrag 1 keinen Bestand haben, fallen zusammen mit diesem auch die jeweils auf diese Hauptansprüche rückbezogenen geltenden Patentansprüche 2 bis 21 erteilter Fassung.

Dr. Zehendner Dr. Huber Schwarz Dr. Prasch Cl






BPatG:
Beschluss v. 28.10.2010
Az: 8 W (pat) 330/05


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