Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg:
Beschluss vom 30. Dezember 1997
Aktenzeichen: 5 S 2863/97

(VGH Baden-Württemberg: Beschluss v. 30.12.1997, Az.: 5 S 2863/97)

1. Zur Höhe des Streitwerts eines selbständigen Beweisverfahrens.

Gründe

Die von den Prozeßbevollmächtigten der Antragsteller eingelegte Beschwerde, mit der eine Erhöhung des Streitwerts auf 78.220,30 DM begehrt wird, ist zulässig (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BRAGO, § 25 Abs. 3 GKG), aber nur teilweise begründet. Der Streitwert des selbständigen Beweisverfahrens ist mit dem Auffangwert des § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG zu niedrig bemessen, vielmehr bietet der bisherige Sach- und Streitstand genügend Anhaltspunkte, den Streitwert nach der sich aus dem Antrag ergebenden Bedeutung der Sache gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG zu bestimmen. Maßgeblich hierfür ist nach einer in der zivilgerichtlichen Rechtsprechung und Literatur vertretenen Auffassung der volle Wert des zu sichernden oder abzuwehrenden Anspruchs, hinsichtlich dessen Beweis erhoben werden soll, während nach einer Gegenmeinung das Interesse an der Beweissicherung nur 20% bis 80% des Werts der Hauptsache beträgt (vgl. im einzelnen die Nachweise zum Streitstand bei Oestreich/Winter/Hellstab, GKG, Nr. 7.0 Stichwort: Selbständiges Beweisverfahren S. 231; Hartmann, Kostengesetze, 27. Aufl., GKG Anhang I § 12 RdNr. 102; Ulbrich, Streitverkündung und Streitwert im selbständigen Beweisverfahren, BauR 1994, 691; VGH Bad.-Württ., Beschl. v. 09.12.1983 - 10 S 2750/83 - VBlBW 1984, 244 für das frühere Beweissicherungsverfahren).

Nach Auffassung des beschließenden Senats erschöpft sich die Bedeutung der beantragten Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens hier in einem Drittel des Werts des zu sichernden Anspruchs, der nach der von den Antragstellern im zeitlichen Zusammenhang mit der Antragstellung durchgeführten Ausschreibung den voraussichtlich entstehenden Kosten von 75.000,- DM für die Wiedererrichtung der schadhaften Stützmauer entspricht. Auf diesen Wert ist nach § 15 GKG abzustellen, nicht auf den erst später ermittelten Wert der tatsächlich entstandenen Wiederherstellungskosten von 78.220,30 DM. Maßgebend hierfür sind folgende Erwägungen: Der Umstand, daß das selbständige Beweisverfahren gemäß § 485 ff. ZPO nach einer häufig vertretenen Meinung durch das Rechtspflege-Vereinfachungsgesetz vom 17.12.1990 (BGBl. I, 2847) gegenüber dem früheren Beweissicherungsverfahren aufgewertet worden ist und einen prozeßverhindernden, vergleichsähnlichen Charakter erhalten hat (vgl. Oestreich/Winter/Hellstab a.a.O. m.w.N.), rechtfertigt jedenfalls im Verwaltungsrechtsstreit allein nicht die Annahme eines Streitwerts in der vollen Höhe des zu sichernden Anspruchs, weil das selbständige Beweisverfahren - wie zuvor auch das Beweissicherungsverfahren - im verwaltungsgerichtlichen Verfahren im Hinblick auf die unterschiedlichen Verfahrensstrukturen praktisch bedeutungslos ist und weil nach den Vorstellungen des Gesetzgebers ohnehin nur § 485 Abs. 1 ZPO anwendbar sein soll (vgl. die Begründung des Entwurfs des Rechtspflege-Vereinfachungsgesetzes, BT-Drs. 11/3621). Im vorliegenden Fall hatte die beantragte - in der ersten und zweiten Instanz abgelehnte - Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens für die Antragsteller im Hinblick auf die Verwirklichung des zugrundeliegenden Anspruchs auf Ersatz der Kosten für die Wiedererrichtung einer Stützmauer verhältnismäßig geringe Bedeutung. Denn unabhängig vom Gegenstand des beantragten Sachverständigengutachtens war und ist unter den Beteiligten vor allem streitig, ob das Straßengesetz für Baden-Württemberg eine Rechtsgrundlage für die Inanspruchnahme der Antragsgegnerin bietet. Daher bestanden von Anfang an nur geringe Aussichten, durch ein selbständiges Beweisverfahren einen Hauptsacheprozeß zu verhindern. Insbesondere war unter den Beteiligten streitig und rechtlich ungeklärt, ob die Einholung eines Sachverständigengutachtens für eine gerichtliche Entscheidung über das Bestehen des geltend gemachten Ersatzanspruchs rechtlich erheblich oder überflüssig ist.

Eine Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ist nicht zu treffen, da es keinen unterliegenden Teil i.S. des § 154 Abs. 2 VwGO gibt, das Verfahren über die Beschwerde gebührenfrei ist und Kosten nicht erstattet werden (§ 25 Abs. 4 GKG).

Der Beschluß ist unanfechtbar.






VGH Baden-Württemberg:
Beschluss v. 30.12.1997
Az: 5 S 2863/97


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