Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. April 2001
Aktenzeichen: 25 W (pat) 121/00
(BPatG: Beschluss v. 12.04.2001, Az.: 25 W (pat) 121/00)
Tenor
1) Auf die Beschwerde der Inhaber der angegriffenen Marke wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 24. Mai 2000 aufgehoben, soweit die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 104 843 angeordnet worden ist.
2) Der Widerspruch aus der Marke 2 104 843 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Bezeichnung EVAS ist am 24. April 1996 in das Markenregister eingetragen worden und im Wege der Teillöschung noch geschützt für
"Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Gynäkologika".
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der älteren, am 14. Mai 1998 für
"Arzneimittel, nämlich Präparate zur Behandlung von Mangelerscheinungen"
eingetragenen Marke 2 104 843 PREVAS.
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patentamts hat mit Beschluß vom 24. Mai 2000 durch eine Beamtin des höheren Dienstes die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken bejaht und die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Zwischen "Gynäkologika" und "Präparaten zur Behandlung von Mangelerkrankungen" bestehe zwar keine Warenidentität, jedoch gehörten beide zu den grundlegenden Arzneimitteln. Auch sei der begleitende Einsatz von Mitteln zur Behandlung von Mangelerscheinungen, etwa von Magnesium oder Eisen, im Rahmen einer gynäkologischen Therapie möglich, so daß ein enger Ähnlichkeitsbereich zu bejahen sei. Bei einer zugrundezulegenden durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und bei mangels einer Rezeptpflicht der beiderseitigen Waren angesprochenen breiten Verkehrskreisen sei ein deutlicher Markenabstand zu fordern, den die angegriffene Marke in klanglicher Hinsicht nicht mehr einhalte. Der Unterschied durch die zusätzlichen Buchstaben "PR" am Wortbeginn der angegriffenen Marke werde kaum wahrgenommen, zumal sich dadurch auch nicht eine andere Silbenzahl oder ein anderer Sprech- und Betonungsrhythmus ergebe. Dieser minimale Unterschied reiche auch bei Kurzwörtern nicht aus, um den Marken ein eigenständiges klangliches Gepräge zu geben. Auf eine schriftbildliche Verwechslungsgefahr komme es danach nicht mehr an.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaber der angegriffenen Marke mit dem Antrag, den Beschluß der Markenstelle vom 24. Mai 2000 aufzuheben, die Verwechslungsgefahr zu verneinen und den Widerspruch aus der Marke 2 104 843 zurückzuweisen.
Bei den Waren sei von der allein maßgeblichen Registerlage und nicht von hypothetischen Überlegungen auszugehen, weshalb die jeweiligen Produkte keinesfalls in einem engen Ähnlichkeitsbereich lägen. Angesichts der Warenferne seien die Marken mehr als ausreichend voneinander verschieden, um Verwechslungen auszuschließen. Wie die Erstprüferin zu dem Ergebnis komme, die Buchstaben "P" und "R" am Beginn des Zeichens würden schlicht überhört, bleibe unklar, zumal es sich um extrem kurze Zeichen handele, bei denen die genannten Unterschiede noch weit stärker hervorträten. Auch in schriftbildlicher Hinsicht bewirke der genannte Unterschied, daß eine Verwechslungsgefahr sicher ausgeschlossen werden könne.
Die Widersprechende beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen werde auf die ihrer Ansicht nach zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Wegen der Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts sowie auf die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Inhaber der angegriffenen Marke ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Nach Auffassung des Senats besteht keine Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, der hier nach §§ 152, 158 Abs 2 Satz 2, 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG Anwendung findet, so daß der nach § 42 Abs 2 Nr 1 MarkenG erhobene Widerspruch gemäß § 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG zurückzuweisen ist.
Da Benutzungsfragen im vorliegenden Verfahren nicht aufgeworfen sind, ist bei den Waren von der Registerlage auszugehen. Danach stehen den Widerspruchswaren "Arzneimittel, nämlich Präparate zur Behandlung von Mangelerscheinungen" auf Seiten der angegriffenen Marke "Pharmazeutische Erzeugnisse, nämlich Gynäkologika" gegenüber. Die beiderseitigen Erzeugnisse sind zwar ähnlich im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG, weisen jedoch einen relativ deutlichen Indikationsabstand auf, der sich verwechslungsmindernd auswirkt.
Entgegen den Ausführungen in dem angefochtenen Beschluß der Markenstelle, denen sich die Widersprechende angeschlossen hat, rechtfertigt ein etwaiger begleitender Einsatz von Mitteln zur Behandlung von Mangelerscheinungen, etwa durch Magnesium oder Eisen, im Rahmen einer gynäkologischen Therapie hier nicht die Annahme einer engen Warenähnlichkeit. Denn der damit zum Ausdruck gebrachte Umstand, daß die jeweils zugrundeliegenden Erkrankungen bei einzelnen Patientengruppen nebeneinander bestehen und sich auch die Darreichungsformen überschneiden könnten, betrifft lediglich bei Arzneimitteln allgemein gegebene Berührungspunkte, die für sich allein zu keiner maßgeblichen Erhöhung der an den Markenabstand zu stellenden Anforderungen führen. Derartige Berührungspunkte können im Rahmen der Beurteilung der Verwechslungsgefahr nur dann zugunsten der Widersprechenden berücksichtigt werden, wenn zwischen den Arzneimitteln ein echter funktionaler Zusammenhang im Sinne einer aus medizinischer Sicht notwendigen oder sinnvollen und üblichen gemeinsamen Verabreichung besteht. Ein solcher entscheidungsrelevanter Zusammenhang ist jedoch weder erkennbar, noch von der Widersprechenden dargelegt worden. Zwar mag es im Einzelfall durchaus möglich sein, daß bei indizierter Behandlung mit Gynäkologika zugleich auch ein Hormon-, Mineralstoff- oder Vitaminmangel besteht und somit unter Umständen eine gleichzeitige Verabreichung von Präparaten der angegriffenen Marke und den Mitteln der Widerspruchsmarke zur Behandlung derartiger Mangelerscheinungen angezeigt sein kann. Einen zwangsläufigen typischen funktionalen Zusammenhang im vorgenannten Sinne vermag eine solche eher mittelbare Verbindung zwischen den Vergleichswaren bzw den jeweils zugrundeliegenden Indikationen aber nicht zu begründen, da Mangelzustände der genannten Art nicht spezifisch, regelmäßig oder typischerweise bei gynäkologischen Indikationen auftreten.
Da die Waren auch rezeptfrei in der Apotheke erhältliche und gegen leichtere Formen des jeweiligen Krankheitsbildes einsetzbare Mittel umfassen können, sind Endverbraucher als Verkehrskreise uneingeschränkt zu berücksichtigen. Auch bei Endverbrauchern ist allerdings davon auszugehen, daß grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints) und der insbesondere allem, was mit der Gesundheit zusammenhängt eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt (vgl BGH GRUR 1995, 50, 53 - Indorektal/Indohexal; HABM MarkenR 2000, 451, 453 f - R 303/1999-2 "PONALAR/BONOLAT").
Bei seiner Entscheidung geht der Senat von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und damit einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus, da entgegenstehende Anhaltspunkte nicht ersichtlich sind.
Unter Berücksichtigung des genannten Indikationsabstandes, sind keine strengen Anforderungen an den zur Verneinung der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG erforderlichen Markenabstand zu stellen, der hier wegen der auffallend verschiedenen Markenanfänge in jeder Hinsicht ausreicht.
Auch wenn die angegriffene Marke "EVAS" vollständig in der älteren Marke "PRE-VAS" enthalten ist und die Wörter in der Silbenzahl, Vokalfolge und im Sprechrhythmus übereinstimmen, führt dies hier nicht zu einem verwechselbar ähnlichen Gesamteindruck. Denn durch die zusätzlichen und in der jüngeren Bezeichnung nicht vorkommenden Konsonanten "PR-" heben sich die Bezeichnungen im klanglichen Gesamteindruck deutlich voneinander ab, zumal die Abweichungen gerade in den erfahrungsgemäß besonders beachteten Wortanfängen (vgl hierzu BGH GRUR 1995, 50 ff, 53, - Indorektal/Indohexal) gegeben sind. Die vorliegend gemeinsame Lautfolge "EVAS" kommt innerhalb der Widerspruchsmarke auch nicht eigenständig zum Tragen, da sie sich bei natürlicher Sprechweise und Silbengliederung ("PRE-VAS") auf zwei Silben verteilt und die Widerspruchsmarke zudem als geschlossene Gesamtbezeichnung wirkt. Schließlich handelt es sich jeweils um verhältnismäßig kurze und leicht erfaßbare Markenwörter, bei denen schon quantitativ geringere, aber markante Abweichungen - wie hier in den Wortanfängen - den Gesamteindruck hinreichend verschieden gestalten können.
Im schriftbildlichen Vergleich ist ein Auseinanderhalten der Marken unter den genannten Umständen in allen üblichen Wiedergabeformen aufgrund der figürlichen Abweichungen durch die zusätzlichen Buchstaben "PR-" am Beginn der Widerspruchsmarke sowie der hier auffallenden verschiedenen Wortlänge auch unter Berücksichtigung der vorhandenen Übereinstimmungen ebenfalls noch gewährleistet. Hierbei ist zu berücksichtigen, daß das Schriftbild der Marken erfahrungsgemäß sehr viel besser eine ruhige oder auch wiederholte Wahrnehmung der Bezeichnung gestattet als das schnell verklingende gesprochene Wort.
Nach alledem war der angefochtene Beschluß der Markenstelle, soweit die Löschung der angegriffenen Marke wegen des Widerspruchs aus der Marke 2 104 843 angeordnet worden ist, aufzuheben und der Widerspruch zurückzuweisen.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlaß, § 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Richter Engelshat Urlaub undkann daher nichtunterschreiben.
Kliems Brandt Pü
BPatG:
Beschluss v. 12.04.2001
Az: 25 W (pat) 121/00
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