Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 20. April 2009
Aktenzeichen: AnwZ (B) 48/08

(BGH: Beschluss v. 20.04.2009, Az.: AnwZ (B) 48/08)

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des 4. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofes vom 27. Februar 2008 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist seit 1982 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Sie beantragte mit Schreiben vom 7. Februar 2006 die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung für das Erbrecht. Die Antragsgegnerin wies den Antrag mit Bescheid vom 9. Juli 2007 zurück.

Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer vom Anwaltsgerichtshof zugelassenen sofortigen Beschwerde.

II.

Das Rechtsmittel ist zulässig (§ 223 Abs. 3 und 4, § 42 Abs. 4 BRAO), hat in der Sache aber keinen Erfolg. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit Recht zurückgewiesen. Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Die Antragsgegnerin erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Verleihung der Fachanwaltsbezeichnung für das Erbrecht (§§ 1, 2 Abs. 1 FAO). Zwischen den Beteiligten ist außer Streit, dass die Antragstellerin die erforderlichen theoretischen Kenntnisse im Erbrecht nachgewiesen hat (§ 2 i.V.m. §§ 4, 14f FAO). Die Antragstellerin hat jedoch, wie die Antragsgegnerin und der Anwaltsgerichtshof mit Recht angenommen haben, hinsichtlich der geforderten praktischen Erfahrungen (§ 2 i.V.m. § 5 Satz 1 Buchst. m, § 14f FAO) jedenfalls nicht nachgewiesen, mindestens zehn rechtsförmliche Verfahren außerhalb der freiwilligen Gerichtsbarkeit bearbeitet zu haben.

Nach § 5 Satz 1 Buchst. m FAO in der ab 1. Juli 2005 geltenden für die Antragstellerin maßgeblichen Fassung (§ 16 Abs. 1 FAO) setzt der Erwerb besonderer praktischer Erfahrungen im Erbrecht voraus, dass der Antragsteller innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung 80 Fälle persönlich und weisungsfrei bearbeitet hat, davon mindestens 20 rechtsförmliche Verfahren, davon wiederum höchstens 10 Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit; die Fälle müssen sich auf die in § 14f Nr. 1 bis 5 FAO bestimmten Bereiche beziehen. Die Antragsgegnerin und der Anwaltsgerichtshof haben offen gelassen, ob die Antragstellerin nachgewiesen hat, dass sie innerhalb der letzten drei Jahre vor der Antragstellung 80 erbrechtliche Fälle persönlich und weisungsfrei bearbeitet hat. Die Antragsgegnerin hat die Ablehnung des Antrags darauf gestützt, dass lediglich neun Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit und zwei rechtsförmliche Verfahren außerhalb der freiwilligen Gerichtsbarkeit anerkannt werden könnten. Der Anwaltsgerichtshof hat dagegen im angefochtenen Beschluss auch die Anzahl anzuerkennender FGG-Fälle offen gelassen; jedenfalls seien aus der von der Antragstellerin vorgelegten Fallliste nicht mindestens zehn, sondern lediglich sieben Fälle anzuerkennen, die rechtsförmliche Verfahren im Erbrecht außerhalb der freiwilligen Gerichtsbarkeit zum Gegenstand hätten. Dies ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

1. Die Rechtsfragen, zu deren Klärung der Anwaltsgerichtshof die sofortige Beschwerde zugelassen hat, beziehen sich auf den Fallbegriff im Erbrecht sowie auf den Begriff des rechtsförmlichen Verfahrens. Den hierzu vertretenen Auffassungen des Anwaltsgerichtshofs ist weitgehend, jedoch nicht uneingeschränkt zuzustimmen.

a) Der Anwaltsgerichtshof hat seiner Entscheidung einen zutreffenden Fallbegriff zugrunde gelegt. Ein Fall im Sinne des § 5 Satz 1 FAO ist, wie der Senat entschieden hat, jede juristische Aufarbeitung eines einheitlichen Lebenssachverhalts, der sich von anderen Lebenssachverhalten dadurch unterscheidet, dass die zu beurteilenden Tatsachen und die Beteiligten verschieden sind (BGHZ 166, 292 = NJW 2006, 1513 Tz. 12 m.w.N.; zustimmend Hartung/ Römermann-Scharmer, Berufs- und Fachanwaltsordnung, 4. Aufl., § 5 FAO Rdn. 45; Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl., § 5 FAO Rdn. 4; Kleine-Cosack, BRAO, 5. Aufl., Anh. I 2, § 5 Rdn. 6). An dieser Begriffsbestimmung, die auch für den Fallbegriff im Fachgebiet Erbrecht (§ 5 Satz 1 Buchst. m FAO) maßgeblich ist, hält der Senat fest.

Zu einem erbrechtlichen Fall wird ein Fall gemäß § 5 Satz 1 Buchst. m FAO dadurch, dass er sich auf die in § 14f Nr. 1 bis 5 FAO bestimmten Bereiche des Erbrechts bezieht. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn ein Schwerpunkt der Bearbeitung in dem in § 14f FAO näher umschriebenen Fachgebiet Erbrecht liegt; dafür genügt es, wenn eine Frage aus diesem Fachgebiet erheblich ist oder erheblich werden kann (vgl. BGHZ 166, 292 Ls. 2 und Tz. 22).

Ein solcher Bezug zum Erbrecht muss auch bei den Fällen gewahrt sein, die in die in § 14f FAO aufgeführten, mit dem Erbrecht häufig in Beziehung stehenden Rechtsgebiete übergreifen (Familien-, Gesellschafts-, Stiftungs- und Sozialrecht; Internationales Privatrecht, Steuerrecht). Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des § 14f FAO, nach dem zwischen diesen Gebieten und dem Erbrecht "Bezüge" bestehen müssen. Dafür reicht nicht jeder beliebige erbrechtliche Gesichtspunkt aus. Ein Fall, dessen Schwerpunkt in einem anderen Gebiet liegt, wird nicht dadurch schon zu einem erbrechtlichen Fall, dass einem Anspruch etwa eine unstreitige Gesamtrechtsnachfolge gemäß § 1922 BGB zugrunde liegt. Fälle aus den in § 14f FAO genannten Rechtsgebieten außerhalb des Erbrechts können als erbrechtliche Fälle nur anerkannt werden, wenn bei ihnen auch erbrechtliche Fragen für die argumentative Auseinandersetzung "eine Rolle spielen" (vgl. Senatsbeschluss vom 25. Februar 2008 - AnwZ (B) 17/07, NJW 2008, 3001 = BRAK-Mitt. 2008, 135 Tz. 10 zum Arbeitsrecht). Auch der verschiedene Rechtsgebiete berührende Fall muss eine für die juristische Bearbeitung relevante erbrechtliche "Frage" aufwerfen, das heißt einen Bearbeitungsschwerpunkt im Erbrecht enthalten (Hartung/ Römermann-Scharmer, aaO, Rdn. 64, 175).

Dies erfordert im Rahmen der Prüfung, ob die nach § 5 Satz 1 Buchst. m FAO erforderliche Anzahl erbrechtlicher Fälle nachgewiesen ist, eine Beurteilung des Gewichts, das dem erbrechtlichen Gesichtspunkt eines Falles für die juristische Aufarbeitung dieses Falles zukommt. Eine solche wertende Beurteilung kann nur unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorgenommen werden.

b) Der Anwaltsgerichtshof ist auch mit Recht davon ausgegangen, dass Erbschaftsteuererklärungen nicht unter den Begriff des rechtsförmlichen Verfahrens fallen. Dies ergibt sich aus der Bestimmung in § 5 Satz 1 Buchst. b FAO, die eine Legaldefinition des Begriffs für das Steuerrecht enthält, nach der nur Einspruchs- und Klageverfahren als rechtsförmliche Verfahren gelten (Hartung/Römermann-Scharmer, aaO , Rdn. 236; Offermann-Burckart, Fachanwalt werden und bleiben, 2. Aufl., Rdn. 352). Diese Beschränkung schließt die Anerkennung bloßer Steuererklärungen als rechtsförmliche Verfahren aus. Dies gilt auch für Erbschaftsteuerklärungen, und zwar nicht nur im Fachgebiet Steuerrecht (§ 5 Satz 1 Buchst. b FAO), sondern auch im Fachgebiet Erbrecht (§ 5 Satz 1 Buchst. m FAO). Denn für Erbschaftsteuererklärungen kann unter dem Gesichtspunkt der Rechtsförmlichkeit des Verfahrens im Erbrecht nichts anderes gelten als im Steuerrecht. Erbschaftsteuererklärungen können zwar nicht nur als steuerrechtlicher (§ 5 Satz 1 Buchst. b FAO), sondern auch als erbrechtlicher Fall gemäß § 5 Satz 1 Buchst. m FAO i.V.m. § 14f Nr. 5 FAO anzuerkennen sein, wenn ihre Bearbeitung die Klärung einer erbrechtlichen Frage erfordert, nicht aber als rechtsförmliche Verfahren im Sinne des § 5 Satz 1 Buchst. m FAO. Dementsprechend werden auch in der Kommentarliteratur nur Widerspruchsverfahren gegen Erbschaftsteuerbescheide als Beispiel für rechtsförmliche Verfahren im Fachgebiet Erbrecht aufgeführt, nicht aber die zugrunde liegenden Erbschaftsteuerklärungen selbst (Hartung/Römermann-Scharmer, aaO, Rdn. 175; Feuerich/Weyland, aaO, Rdn. 56; Offermann-Burckart, aaO, Rdn. 463).

c) Der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs, dass auch außerhalb des Steuerrechts nur streitige Gerichts- oder Verwaltungsverfahren rechtsförmliche Verfahren i.S. des § 5 Satz 1 Buchst. m FAO darstellten, kann dagegen nicht gefolgt werden. Gegen ein solches Begriffsverständnis spricht bereits der Wortlaut der Vorschrift, nach dem auch die (nicht streitigen) Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit - ebenso wie im Handels- und Gesellschaftsrecht (§ 5 Satz 1 Buchst. p FAO) - unter den Begriff der rechtsförmlichen Verfahren fallen ("davon"). Auch auf die übrigen Bestimmungen des § 5 Satz 1 FAO lässt sich das enge Begriffsverständnis des Anwaltsgerichtshofs nicht stützen. Der Begriff des rechtsförmlichen Verfahrens wird in § 5 Satz 1 FAO nicht einheitlich verwendet. § 5 Satz 1 Buchst. b FAO enthält zwar, wie ausgeführt, für das Steuerrecht eine auf streitige Verfahren begrenzte Legaldefinition (Einspruchs- und Klageverfahren), die neuere Bestimmung des § 5 Satz 1 Buchst. r FAO für den Bereich des Informationstechnologierechts dagegen eine beispielhafte Aufzählung, die auch nicht streitige Verwaltungsverfahren einschließt. Im Verhältnis zum gerichtlichen Verfahren wird der Begriff des rechtsförmlichen Verfahrens - wie in § 5 Satz 1 Buchst. m und p FAO hinsichtlich der freiwilligen Gerichtsbarkeit - zumeist als Oberbegriff verwendet (ebenso in § 5 Satz 1 Buchst. b, i, r und s FAO); in § 5 Satz 1 Buchst. c FAO dagegen werden rechtsförmliche und gerichtliche Verfahren einander gegenübergestellt.

Aus dieser uneinheitlichen Begriffsverwendung in § 5 Satz 1 FAO ist für § 5 Satz 1 Buchst. m FAO abzuleiten, dass - abgesehen von Erbschaftsteuererklärungen - grundsätzlich auch (nicht streitige) Verwaltungsverfahren unter den Begriff des rechtsförmlichen Verfahrens im Fachgebiet Erbrecht fallen können. Dementsprechend wird auch in der Kommentarliteratur der Begriff des rechtsförmlichen Verfahrens in § 5 Satz 1 Buchst. m FAO nicht auf streitige Verfahren verengt; so sollen etwa auch Genehmigungsverfahren zur Errichtung einer Stiftung rechtsförmliche Verfahren i.S. des § 5 Satz 1 Buchst. m FAO sein können (Hartung/Römermann-Scharmer, Berufs- und Fachanwaltsordnung, aaO, Rdn. 175; Offermann-Burckart, aaO, Rdn. 463). Auf der anderen Seite soll aber für alle Fachanwaltsgebiete gelten, dass nicht jedes durch einen Antrag in Gang gesetzte Verwaltungsverfahren unter den Begriff des rechtsförmlichen Verfahrens fällt, sondern nur ein solches, das durch eine Verfahrensordnung, insbesondere also durch Form- und Fristvorschriften, geregelt ist (Hartung/Römermann-Scharmer, aaO, Rdn. 236; Offermann-Burckart, aaO, Rdn. 354; Kleine-Cosack, aaO, § 5 Rdn. 19). Ob diese Auffassung Zustimmung verdient, wie gegebenenfalls die Anforderungen an rechtsförmliche Verfahren, soweit es um nicht streitige Verwaltungsverfahren geht, zu konkretisieren wären und was daraus für § 5 Satz 1 Buchst. m FAO folgen würde, bedarf im vorliegenden Fall keiner Klärung.

2. Nach Maßgabe der vorstehend dargelegten Grundsätze hat der Anwaltsgerichtshof im Ergebnis mit Recht angenommen, dass die Antragstellerin nicht - wie es § 5 Satz 1 Buchst. m FAO verlangt - nachgewiesen hat, mindestens zehn erbrechtliche Fälle bearbeitet zu haben, die rechtsförmliche Verfahren außerhalb der freiwilligen Gerichtsbarkeit zum Gegenstand haben. Aus der von der Antragstellerin vorgelegten, im gerichtlichen Verfahren ergänzten Fallliste, die insgesamt 35 Fälle umfasst, sind jedenfalls nicht mehr als sieben Fälle anzuerkennen.

a) Fälle 1 bis 9, 11, 17:

In diesen - unstreitig rechtsförmlichen - Verfahren geht es um die Vertretung einer Erbin gegenüber dem Finanzamt M. in mehreren Einspruchsverfahren wegen verschiedener Steuerbescheide, welche die Veranlagung des Erblassers zur Einkommens- und Umsatzsteuer betreffen (Fälle 1 bis 9, 17) sowie gegenüber dem Zweckverband L. in einem Vollstreckungsverfahren wegen eines gegen den Erblasser ergangenen Abwasserbeitragsbescheids (Fall 10). Allen Fällen gemeinsam ist, dass sie - abgesehen von der unstreitigen Gesamtrechtsnachfolge (§ 1922 BGB) sowie der Dreimonatseinrede (§ 2014 BGB) im Fall 1 - nur einen erbrechtlichen Aspekt aufweisen: die Erhebung der Dürftigkeitseinrede (§ 1990 Abs. 1 BGB) nach Zurückweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über den Nachlass des Erblassers. Weitere erbrechtliche Fragen spielten gegenüber den Ansprüchen dieser beiden Nachlassgläubiger keine Rolle.

Die Beurteilung des Anwaltsgerichtshofs, dass von den genannten elf Fällen jedenfalls nicht mehr als insgesamt drei erbrechtliche Fälle anzuerkennen seien, ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Von vornherein auszuscheiden aus der Fallliste der Antragstellerin ist der Fall 9, weil insoweit ein erbrechtlicher Bezug in der Fallliste nicht dargelegt ist. In den verbleibenden zehn Fällen ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin mit der Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB (und im Fall 1 zusätzlich der Dreimonatseinrede nach § 2014 BGB) ein hinreichender Bezug zum Fachgebiet Erbrecht (§ 14f Nr. 4 FAO) zwar gegeben; davon geht auch der Anwaltsgerichtshof aus, der diese Fälle - wenn auch nicht in voller Anzahl - anerkannt hat. Der Umstand, dass sich die erbrechtliche Problematik in diesen Fällen im Wesentlichen auf die Erhebung der Dürftigkeitseinrede beschränkt und insoweit wiederholt, hat aber entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs nicht zur Folge, dass die weiteren Fälle mit gleich gelagerter Problematik von vornherein nicht mehr als Fälle anzuerkennen wären, weil sie, wie der Anwaltsgerichtshof gemeint hat, aufgrund der gleich gelagerten Problematik ihre Eigenschaft als erbrechtliche Fälle verlören. Wenn sich einem Rechtsanwalt in unterschiedlichen Fällen wiederholt dieselben erbrechtlichen Fragen stellen, so kann dies gemäß § 5 Satz 2 FAO in der für die Antragstellerin maßgeblichen Fassung (im Folgenden; § 5 Satz 2 FAO a.F.) zwar zu einer anderen Gewichtung der Wiederholungsfälle führen, nicht aber dazu, dass diese Fälle von vornherein nicht mehr als erbrechtliche Fälle anzusehen wären; denn von der Frage einer abweichenden Gewichtung im Einzelfall ist die vorgelagerte Frage zu unterscheiden, ob ein Fall als "ein Fall" i.S. des § 5 Satz 1 FAO anzurechnen ist (Senatsbeschluss vom 6. März 2006, aaO Tz. 27 f.; Quaas, BRAK-Mitt. 2006, 265, 267).

Ist danach hinsichtlich der Fälle 1 bis 8, 11 und 17 - zunächst - von zehn erbrechtlichen Fällen auszugehen, so ist anschließend die Frage, ob Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit einzelner Fälle eine andere Gewichtung rechtfertigen (§ 5 Satz 2 FAO a.F.), zu prüfen. Die Antragsgegnerin hat sich in ihrem Schriftsatz vom 14. Januar 2008 und in ihrer Beschwerdeerwiderung (GA 157, 16) mit Recht darauf berufen, dass aufgrund der im Wesentlichen gleich gelagerten rechtlichen Problematik (Erhebung der Einrede nach § 1990 BGB hinsichtlich ein und desselben Erbfalls) jedenfalls eine erhebliche Mindergewichtung vorzunehmen ist, wenn die Fälle - wovon hier auszugehen ist - als erbrechtliche Fälle anzuerkennen sein sollten.

Eine solche Mindergewichtung, die auch dem Senat hier geboten erscheint, ist nach § 5 Satz 2 FAO a.F. zulässig. Unter der Geltung der Vorläuferbestimmung in § 9 Abs. 1 Satz 2 RAFachBezG war eine Gewichtung zu Ungunsten des Antragstellers zulässig (Senatsbeschluss vom 6. März 2006, aaO Tz. 17 m.N.). Für die im Wesentlichen wortgleiche Bestimmung in § 5 Satz 2 FAO a.F. gilt insoweit nichts anderes (ebenso Feuerich/Weyland, BRAO, aaO § 5 FAO Rdn. 21; Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 5 FAO Rdn. 9; noch offen gelassen im Senatsbeschluss vom 6. März 2006, aaO Tz. 16; dort auch Nachweise für die gegenteilige Auffassung). Dass bereits die Formulierung "anders gewichten" in § 5 Satz 2 FAO a.F. in diesem weiten, auch Mindergewichtungen einschließenden Sinn auszulegen ist, ergibt sich aus der schon damals geltenden Bestimmung in § 24 Abs. 4 Satz 1 FAO, die eine Gewichtung zu Ungunsten des Antragstellers ausdrücklich nennt. Mittlerweile hat die Satzungsversammlung durch eine entsprechende Änderung der Bestimmung ausdrücklich klargestellt, dass Bedeutung, Umfang und Schwierigkeit einzelner Fälle auch zu einer niedrigeren Gewichtung führen können (§ 5 Satz 3 FAO). Damit hat der Satzungsgeber die schon vorher herrschende und in der Rechtsprechung anerkannte Praxis nachvollzogen (Hartung/Römermann-Scharmer, aaO § 5 FAO Rdn. 296).

In allen zehn Fällen war die erbrechtliche Problematik (Erhebung der Einrede nach § 1990 BGB gegenüber verschiedenen Forderungen zweier Nachlassgläubiger) im Wesentlichen die gleiche und deshalb von der Antragstellerin nur einmal zu prüfen. Von den Fällen 1 bis 8, 11 und 17 kann deshalb nur ein Fall als erbrechtlicher Fall voll angerechnet werden. Die weiteren neun Fälle haben dagegen aufgrund der - in erbrechtlicher Hinsicht - gleich gelagerten Problematik so geringes Gewicht, dass sie als Nachweis für die praktischen Fähigkeiten im Erbrecht nach der Auffassung des Senats hier nur mit einem Faktor von höchstens 0,2, insgesamt also mit nicht mehr als höchstens zwei weiteren vollwertigen Fällen in Ansatz gebracht werden können. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Fälle 7 und 8 die den Erblasser betreffende Umsatzsteuer für das Jahr 2002 und damit im Wesentlichen denselben Lebenssachverhalt betreffen wie der Fall 6 und dass der Fall 17 - ebenso wie Fall 5 - die Einkommensteuer 2002 zum Gegenstand hat; auch diese beiden Fälle hängen daher auch insoweit aufs Engste zusammen.

Aus alledem ergibt sich, dass von den Fällen 1 bis 8, 11 und 17 - wie vom Anwaltsgerichtshof mit anderer Begründung angenommen - jedenfalls nicht mehr als insgesamt drei Fälle unter dem Gesichtspunkt rechtsförmlicher Verfahren außerhalb der freiwilligen Gerichtsbarkeit anzuerkennen sind.

b) Die weiteren Fälle 10, 12 bis 16, 18, 20 bis 22, 28, 31, 32 und 34 hat der Anwaltsgerichtshof nicht anerkannt. Dies wird hinsichtlich der Fälle 20, 21 und 32 von der sofortigen Beschwerde nicht angegriffen. Auch den übrigen Fällen ist die Anerkennung zu versagen.

Die Fälle 18 und 22 scheiden schon deshalb aus, weil Erbschaftsteuererklärungen, wie unter 1 ausgeführt, nicht als rechtsförmliche Verfahren anzusehen sind.

Hinsichtlich der Fälle 10 (Antrag auf Witwenrente) und 31 (Grundbuchberichtigung) kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei diesen Antragsverfahren, wie der Anwaltsgerichtshof angenommen hat, nicht um rechtsförmliche Verfahren handelt. Jedenfalls fehlt den Fällen ein hinreichender erbrechtlicher Bezug. Der etwaige Anspruch auf Witwenrente (Fall 10) ist nicht vom Erbrecht der Witwe abhängig, sondern beruht auf deren familienrechtlicher Beziehung zum Erblasser als dessen Ehefrau. Auch der Antrag auf Löschung des für den Erblasser in einem österreichischen Grundbuch eingetragenen Wohnrechts (Fall 31) wirft entgegen der Auffassung der Antragstellerin keine hinreichende erbrechtliche Frage auf. Die Qualifizierung des Wohnrechts als beschränkt persönliche Dienstbarkeit, die mit dem Tod des Berechtigten erlischt, ist sachenrechtlicher und nicht erbrechtlicher Natur. Die sich daraus ergebende Rechtsfolge, dass das Wohnrecht nicht in den Nachlass fällt, reicht nicht aus, um den sachenrechtlichen Fall zu einem erbrechtlichen Fall werden zu lassen.

Den verbleibenden Fällen 12 bis 16 sowie 28 und 34 fehlt ebenfalls der für die Anerkennung erforderliche erbrechtliche Bezug. Insoweit nimmt der Senat auf die zutreffende Begründung des angefochtenen Beschlusses Bezug. Das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine andere Beurteilung.

c) Der Fall 19 ist entgegen der Auffassung des Anwaltsgerichtshofs nicht anzuerkennen. Die Antragsgegnerin weist mit Recht darauf hin, dass sich der nach dem Tod des Mieters geltend gemachte sozialrechtliche Rückforderungsanspruch nach § 118 Abs. 4 SGB VI in diesem Fall nicht gegen den Erben, sondern einen Dritten, den Vermieter, richtete. Die Abwehr dieses Anspruchs hat mit dem Fachgebiet Erbrecht nichts zu tun. Aus der vom Anwaltsgerichtshof als Beleg angeführten Kommentierung (Offermann-Burckart, aaO Rdn. 187) ergibt sich nichts anderes; dort ist nur von sozialrechtlichen Rückforderungsansprüchen gegen einen Erben die Rede.

d) Von den Fällen 23 bis 27 hat der Anwaltsgerichtshof mit Recht nicht mehr als zwei Fälle anerkannt. Anzuerkennen sind allenfalls die Fälle 23 und 24, in denen es um den Einspruch gegen die Feststellungsbescheide vom 6. Dezember 2006 über den Grundbesitzwert von zwei Grundstücken geht. Diese Fälle, denen auch die Antragsgegnerin die Anerkennung nicht versagen will (GA 61), gehören wegen ihres Bezugs zum Erbschaftsteuerrecht zum Fachgebiet Erbrecht (§ 14f Nr. 5 FAO). Die Zurückweisung der Zustellung der genannten Bescheide vom 6. Dezember 2006 (Fall 25) stellt gegenüber den Fällen 23 und 24 keinen eigenständigen erbrechtlichen Fall dar, sondern bildet mit diesen Fällen eine Einheit. Im Übrigen fehlt es dem Fall 25 - für sich genommen - auch an dem erforderlichen erbrechtlichen Bezug, da die Zurückweisung nicht auf erbrechtlichen Gesichtspunkten beruhte, sondern auf fehlender Empfangsvollmacht. Auch die Eigenständigkeit des Falles 26 (Zurückweisung der Zustellung eines weiteren, nicht näher konkretisierten Feststellungsbescheides) und dessen erbrechtlicher Bezug sind nicht dargetan. Der Fall 27 wiederum betrifft die Feststellung des Grundbesitzwertes für das Grundstück des Falles 23 und bezieht sich damit auf den gleichen Lebenssachverhalt wie der Fall 23.

e) Von den Fällen 29, 30, 33 und 35 hat der Anwaltsgerichtshof einen Fall anerkannt. Das ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Der Fall 29 betrifft ein Scheidungsverbundverfahren, in dem es um die Auswirkungen der erbrechtlichen Folgen des Todes des Vaters der Scheidungsgegnerin auf die Folgesachen Güterrecht und Versorgungsausgleich geht. Dieser familienrechtliche Fall weist wegen der zu beurteilenden erbrechtlichen Fragen (Unwirksamkeit eines Pflichtteilsverzichts, Umfang des Pflichtteils sowie eines Vermächtnisses) einen hinreichenden Bezug zum materiellen Erbrecht auf (§ 14f Nr. 1 FAO). Dass die erbrechtlichen Fragen nach österreichischem Recht zu beurteilen waren, steht der Anerkennung entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht entgegen. Zwar liegt der Schwerpunkt des Fachgebiets Erbrecht nach § 14f FAO im deutschen Recht. Nach § 14f Nr. 2 FAO gehört aber auch das internationale Privatrecht und damit auch ausländisches Erbrecht, soweit dieses nach den Kollisionsnormen zur Anwendung gelangt, zum Fachgebiet Erbrecht.

Die weiteren Fälle betreffen zwar gesonderte rechtsförmliche Verfahren (Fall 30: Ehegattentrennungsunterhalt; Fälle 33 und 35: einstweilige Anordnung wegen Prozesskostenvorschuss für das Scheidungsverbundverfahren und das Unterhaltsverfahren), sind hier jedoch nur mit einem Faktor von jeweils nicht mehr als 0,2 zu gewichten und deshalb auch zusammengenommen nicht als weiterer vollwertiger Fall anzurechnen. Denn in diesen Fällen geht es in erbrechtlicher Hinsicht um die gleichen Fragen wie im Fall 29, so dass die erbrechtliche Problematik nur einmal geprüft werden musste. Die Auswirkungen der erbrechtlichen Sachverhalte auf das Güterrecht, den Versorgungsausgleich und den Trennungsunterhalt ergeben sich, nachdem die erbrechtlichen Fragen geklärt sind, nicht aus dem Erbrecht, sondern aus dem Familienrecht. Darauf hat der Anwaltsgerichtshof mit Recht hingewiesen.

Selbst wenn die Fälle 30, 33 und 35 aufgrund einer entsprechenden Gewichtung noch als ein weiterer Fall anerkannt werden könnten - eine höhere Gewichtung käme keinesfalls in Betracht -, würde dies insgesamt zu nicht mehr als sieben Fällen führen, die als rechtsförmliche Verfahren im Erbrecht anzuerkennen wären. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung daher mit Recht zurückgewiesen.

Ganter Frellesen Schmidt-Räntsch Roggenbuck Stüer Martini Quaas Vorinstanz:

AGH München, Entscheidung vom 27.02.2008 - BayAGH I - 32/07 -






BGH:
Beschluss v. 20.04.2009
Az: AnwZ (B) 48/08


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