Bundespatentgericht:
Beschluss vom 24. Januar 2002
Aktenzeichen: 25 W (pat) 88/01

(BPatG: Beschluss v. 24.01.2002, Az.: 25 W (pat) 88/01)

Tenor

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Das Zeichensiehe Abb. 1 am Endeist am 23. Januar 1999 zur Eintragung für "Wissenschaftliche und industrielle Forschung" in das Markenregister angemeldet worden. Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 8. Juli 1999.

Widerspruch erhoben hat die Inhaberin der am 11. September 1996 zur Eintragung angemeldeten und am 21. November 1999 ua für die Waren und Dienstleistungen "Chemische Erzeugnisse für gewerbliche und wissenschaftliche Zwecke, nämlich Reagenzien und Testpräparate für diagnostische Zwecke für den Gebrauch in Laboratorien und beim Arzt; Medizinische Beratung von Ärzten, Apothekern..." eingetragenen Marke 396 39 509 biosyn.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem Beschluss eine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Auch wenn von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und einer Ähnlichkeit der Dienstleistungen auszugehen sei, da im Bereich der Pharmakologie keine scharfe Trennung zwischen Herstellerbetrieben und den Forschungs- und Entwicklungslaboren bestehe, unterschieden sich die Marken in ihrem jeweiligen Gesamteindruck hinreichend. Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr bestehe entgegen der Ansicht der Widersprechenden auch nicht in klanglicher Hinsicht, selbst wenn man berücksichtige, dass der Verkehr sich hinsichtlich der angegriffenen Marke eher am Wortbestandteil als kürzeste und einfachste Bezeichnungsform orientieren werde. Denn trotz der gemeinsamen Lautfolge "biosyn", reichten die Abweichungen im übrigen aus, die Marken in ihrem jeweiligen Gesamteindruck sicher auseinander zu halten. Die Marken wiesen über die erheblich abweichende Vokal- und Konsonantenfolge hinaus schon in der den Klangrhythmus bestimmenden Silbenzahl und somit auch in der Wortlänge deutliche Abweichungen auf. Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens sei nicht zu befürchten. Die Widersprechende habe nichts dafür vorgetragen, dass sie den Verkehr bereits an eine Zeichenserie mit dem Bestandteil "biosyn" gewöhnt habe. Im übrigen falle nicht jede irgendwie geartete gedankliche Assoziation unter ein "gedankliches Inverbindungbringen" im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der angegriffenen Marke anzuordnen.

Bei der Widerspruchsmarke handele es sich um den Firmennamen der Widersprechenden, der sowohl für Waren als auch Dienstleistungen in großem Umfang ua auch für wissenschaftliche Kongresse eingesetzt werde. Darüber hinaus seien noch für die Widersprechende die Marken "biosynposia" und "biosynthesen" eingetragen, so dass die entsprechenden Verbraucherkreise daran gewöhnt seien, mit "biosyn" zusammengesetzte Namen mit der Widersprechenden in Verbindung zu bringen. Es bestehe deshalb Verwechslungsgefahr.

Der Inhaber der angegriffenen Marke hat beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Eine unmittelbare klangliche Verwechslungsgefahr zwischen dem Wortbestandteil in der jüngeren Marke und der Widerspruchsmarke sei schon aufgrund des unterschiedlichen Wortklangs nicht gegeben. Aber auch eine mittelbare Gefahr von Verwechslungen unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens könne nicht angenommen werden, da "biosyn" in der jüngeren Marke keinen eigenständigen Wortstamm bilde. Vielmehr komme nur dem für "biologisch" stehenden Bestandteil "BIO" eine eigenständige Bedeutung zu, der den nachfolgenden Begriff beschreibe. Schließlich reiche es für eine Verkehrsgewöhnung nicht aus, dass für die Widersprechende zwei weitere Marken eingetragen seien, zumal die Widersprechende selbst keine Verwendung dieser Marken im Verkehr behaupte.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie die Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, insbesondere statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt, § 66 Abs 1 Satz 1, Abs 2 MarkenG. In der Sache hat die Beschwerde jedoch keinen Erfolg. Es besteht auch nach Auffassung des Senats keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG. Der Widerspruch ist deshalb von der Markenstelle zu Recht zurückgewiesen worden, §§ 42 Abs 2 Nr 1, 43 Abs 2 Satz 2 MarkenG.

Der Senat geht bei seiner Entscheidung von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft und einem normalen Schutzumfang der Widerspruchsmarke aus, auch wenn es sich um den Firmennamen der Widersprechenden handelt und dieser nach der unwidersprochenen Behauptung der Widersprechenden in großem Umfang ua auch für wissenschaftliche Kongresse eingesetzt werden mag. Denn hieraus kann bereits in tatsächlicher Hinsicht nicht gefolgert werden, dass die Widerspruchsmarke infolge einer durch Benutzung nachträglich erworbenen Verkehrsbekanntheit einen gesteigerten Schutzumfang erworben hat. Hierzu hätten vielmehr sämtliche maßgeblichen tatsächlichen Umstände bezogen auf die im Verzeichnis der Widerspruchsmarke enthaltenen Waren und Dienstleistungen liquide - also unstreitig, amtsbekannt oder aufgrund präsenter Glaubhaftmachungsmittel unschwer feststellbar- sein müssen (vgl BPatG GRUR 1997, 840 - Lindora / Linola; Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl, § 9 Rdn 138 ff, § 59 Rdn 6, § 74 Rdn 8; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, § 59, Rdn 2-4); ausführlich - auch zur Kennzeichnungskraft eines Stammbestandteils - BPatG GRUR 2001, 513, 515 - CEFA-BRAUSE / CEFASEL - mit weiteren Hinweisen. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Wie die Markenstelle zutreffend unter Hinweis auf die Rechtsprechung des BPatG (PAVIS PROMA, Kliems, 30 W (pat) 12/98 - REGENERON = REGENERSEN) ausgeführt hat, können sich nach der vorliegend maßgeblichen Registerlage die gegenüberstehenden Marken jedenfalls auf ähnlichen Waren und Dienstleistungen begegnen. Kollisionsmindernd wirkt sich insoweit aus, dass als angesprochene Verkehrskreise der Fachverkehr deutlich im Vordergrund steht, wobei im übrigen auch hinsichtlich allgemeiner Verkehrskreise grundsätzlich nicht auf einen sich nur flüchtig mit der Ware befassenden, sondern auf einen durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbraucher abzustellen ist, dessen Aufmerksamkeit je nach Art der Ware oder Dienstleistung unterschiedlich hoch sein kann (vgl BGH MarkenR 2000, 140, 144 ATTACHÉ / TISSERAND; BGH GRUR 1998, 942, 943 li Spalte - ALKA-SELTZER; EuGH MarkenR 1999, 236, 239 unter 24. - Lloyd / Loints).

Selbst wenn man danach unter Berücksichtigung dieser Umstände zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG jedenfalls hinsichtlich der sich am nächsten kommenden Waren bzw Dienstleistungen eher noch strenge Anforderungen an den von der jüngeren Marke einzuhaltenden Markenabstand stellt, so ist die Ähnlichkeit der Marken auch nach Auffassung des Senats dennoch in keiner Richtung derart ausgeprägt, dass die Gefahr von Verwechslungen zu bejahen wäre.

Wie in dem angefochtenen Beschluss zutreffend ausgeführt ist, kann entgegen der Ansicht der Widersprechenden keine unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen den Marken angenommen werden, auch wenn die Widerspruchsmarke in der jüngeren Marke vollständig enthalten ist: Hierbei kommt wegen der auffälligen Vergrößerung und bildlichen Ausgestaltung des Buchstabens "O" in der jüngeren Marke und der fehlenden begrifflichen Übereinstimmung der Marken überhaupt nur eine Verwechslungsgefahr in klanglicher Hinsicht in Betracht, wenn man dem Wortbestandteil "BIOSYNERGETIK" eine allein kollisionsbegründende Bedeutung beimessen würde. Aber auch insoweit hat die Markenstelle mit zutreffenden Gründen darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf die sich im jeweiligen Gesamteindruck der gegenüberstehenden Wörter "BIOSYNERGETIK" und "biosyn" ergebenden markanten Unterschiede keine Verwechslungsgefahr anzunehmen ist. Dies gilt auch, wenn erfahrungsgemäß die Auffassung des Verkehrs eher von einem undeutlichen Erinnerungsbild bestimmt ist (vgl hierzu auch EuGH MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd / Loints), da auch insoweit die klanglichen Abweichungen der Marken ungeachtet der durch den Begriffsgehalt der jüngeren Marke hinzukommenden Unterscheidungshilfe hinreichend deutlich bleiben.

Es kommt hinzu, dass die jüngere Marke nach Auffassung des Senats in Bezug auf die beanspruchten Dienstleistungen Schutz wohl nicht für den Wortbestandteil "BIOSYNERGETIK" als glatt beschreibenden und damit schutzunfähigen Sachbegriff, sondern wohl nur im Hinblick auf die bildliche Ausgestaltung beanspruchen kann. Denn wie die Vorsilbe "BIO" deutlich macht, erweist sich der Begriff "Biosynergetik" für den biologischen Bereich als Fach- und Schlüsselwort für die mit "Synergetik" beschriebenen Wirkungen (vgl Brockhaus - Die Enzyklopädie in 24 Bänden, 20. Aufl, "Synergetik"), dh das sich gegenseitig unterstützende Zusammenwirken von Organismen, Energien, körperlicher Funktionen, und ist zudem in dieser glatt beschreibenden Verwendung auch im Internet für den Bereich der wissenschaftlichen (biologischen) Forschung nachweisbar. Es liegt deshalb nahe, dass die hier in erster Linie angesprochenen Fachkreise in "BIOSYNERGE-TIK" deshalb auch ausschließlich einen Sachhinweis und keinen betrieblichen Herkunftshinweis sehen, mithin dem Wortbestandteil der jüngeren Marke jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen ist. Hieraus folgt, dass dem nicht unterscheidungskräftigen Wortbestandteil bereits aus Rechtsgründen keine kollisionsbegründende Bedeutung zukommen kann (vgl zu den Ausnahmen bei freihaltebedürftigen Angaben in der jüngeren Marke: Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 164-167; BGH GRUR 1998, 930, 931 - Fläminger).

Auch eine mittelbare Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens muss vorliegend verneint werden, worauf der Inhaber der jüngeren Marke bereits zutreffend hingewiesen hat. Denn wenn auch die Widerspruchsmarke formal in der angegriffenen Marke enthalten ist, so bildet "biosyn" in der jüngeren Marke - ungeachtet der zusätzlich deutlich entgegenwirkenden grafischen Ausgestaltung des "O" - keinen eigenständigen Wortstamm im Sinne von "BIOSYN". Die jüngere Marke weist vielmehr den in sich geschlossenem Gesamtbegriff "-synergetik" auf (vgl hierzu auch Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 222), dem ohne weiteres erkennbar die für "biologisch" stehende Vorsilbe "Bio" hinzugefügt ist. Es besteht deshalb für den Verkehr keine Veranlassung zu der Annahme, die angegriffene Marke gehöre zu einer Markenserie der Widersprechenden, zumal auch dem gemeinsamen Bestandteil "bio" eine eigene kennzeichnende Bedeutung abzusprechen ist und dieser deshalb als Stammbestandteil nicht in Betracht kommt. Unabhängig davon bilden auch die von der Widersprechenden angeführten weiteren Marken "biosynposia" und "biosynthesen" bezogen auf die Widerspruchsmarke "biosyn" keine Markenserie mit dem Stammbestandteil "biosyn", sondern weisen nur in formaler Hinsicht einen entsprechenden Wortbestandteil auf. Vielmehr handelt es sich - ebenso wie die jüngere Marke - hinsichtlich eines denkbaren gemeinsamen Stammbestandteils um "bio"-Marken mit unterschiedlichen Abwandlungsbestandteilen (-synopsia bzw -synthesen). Hinzu kommt, dass die Gefahr von Markenverwechslungen unter dem Gesichtspunkt mittelbarer Verwechslungen bereits von vorneherein dadurch reduziert ist, dass die Zuordnung unterschiedlicher Marken unter dem Gesichtspunkt der Serienmarke eine beachtliche Branchenkenntnis und detaillierte Überlegungen voraussetzt, welche überhaupt erst eine gemeinsame betriebliche Zuordnung der Marken ermöglichen, und die insoweit angesprochenen interessierten oder fachlich orientierten Verkehrskreise beide Marken einer sorgfältigen Prüfung unterziehen müssen (vgl auch Althammer/ Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 212).

Aus den genannten Gründen ist auch die Annahme nicht begründet, die angesprochenen Verkehrskreise würden aus sonstigen Gründen trotz des Erkennens der gegebenen Unterschiede der Zeichen wegen ihrer teilweisen Übereinstimmung von der irrigen Annahme wirtschaftlicher oder organisatorischer Zusammenhänge zwischen den beteiligten Unternehmen ausgehen, wie etwa eines Lizenzabkommens (vgl BGH MarkenR 2000, 134, 136 - ARD-1 mwH, EuGH GRUR 1994, 286, 287-288 Tz 36 - quattro / Quadra), zumal auch insoweit schutzunfähige Elemente nicht kollisionsbegründend sein können (vgl Althammer/Ströbele, MarkenR, 6. Aufl, § 9 Rdn 228) und weitere, über die Ähnlichkeit der Marken und Waren/Dienstleistungen hinaus bestehende, besondere Umstände vorliegen müssen, die dem Verkehr eine derartige Annahme wirtschaftlicher und organisatorischer Beziehungen nahe legen (vgl Althammer/Ströbele, MarkenR, 6. Aufl, § 9 Rdn 228). Derartige besondere Umstände sind weder dargetan noch ersichtlich.

Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.

Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass, § 71 Abs 1 MarkenG.

Kliems Brandt Engels Pü

Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/25W(pat)88-01.1.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 24.01.2002
Az: 25 W (pat) 88/01


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