Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. Juli 2003
Aktenzeichen: 28 W (pat) 212/02
(BPatG: Beschluss v. 02.07.2003, Az.: 28 W (pat) 212/02)
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
In das Markenregister eingetragen wurde unter der Rollennummer 397 15 638 die Marke Arktisnach einer Beschränkung des Warenverzeichnisses im Beschwerdeverfahren nach der mündlichen Verhandlung nunmehr noch als Kennzeichnung für folgende Waren:
"Durch Tiefkühlung, Garen oder Trocknen konservierte Lebensmittel, nämlich Fleisch, Fisch, Geflügel, Wild, vorgenannte Waren auch zubereitet; Wurst-, Fleisch-, Geflügel und Fischwaren, Kaviar; Fleisch-, Fisch-, Geflügel- und Wildsalate; Geflügel-, Wild- und Fischpasteten, Fleisch-, Fisch-, Gemüseextrakte; Fleischpasteten; Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte; Obst- und Gemüsemark; Feinkostsalate aus Gemüse- oder Blattsalaten; Kartoffelprodukte aller Art, nämlich Pommes Frites, Kroketten, Bratkartoffeln, vorgegarte Kartoffeln, Kartoffelpuffer, Kartoffelklöße, Rösti, Reibekuchen, Chips, Sticks; Halbfertig- und Fertiggerichte, nämlich Suppen (einschließlich Instant-Suppen), Eintopfgerichte, Trocken- und Naß-Fertiggerichte im wesentlichen bestehend aus einer oder mehreren der nachfolgenden Waren; Fleisch, Fisch, Geflügel, Wild, Gemüse, Kartoffeln, Kartoffelprodukten, zubereitetem Obst, Käse, Teigwaren, Reis, Saucen, Fleisch-, Obst-, Gemüsegallerten, Konfitüren, Fruchtmuse; Eier; Molkegetränke; Götterspeisen; Salatsaucen; Speiseöle und -fette; Saucen, Saucenbinder, Meerrettich, Kapern; Pizzen; Brot, Brötchen, feine Back- und Konditorwaren (nicht tiefgekühlt); Teigwaren und Vollkornteigwaren, insbesondere Nudeln; backfertige Kuchenmassen".
Die Markeninhaberin hat folgende Waren gestrichen bzw eingeschränkt:
"Milch und Milchprodukte, insbesondere Trinkmilch, Sauermilch, Buttermilch, Joghurt, Fruchtjoghurt, Joghurt mit Schokolade oder Kakaozusätzen, alkoholfreie Milchmischgetränke, Kefir, Sahne, Quark, Frucht- und Kräuterquarkspeisen, Dessertspeisen, im wesentlichen bestehend aus Milch und Geschmackszusätzen mit Gelatine und/oder Stärke als Bindemittel, Butter, Butterschmalz, Käse, Käsezubereitungen; Speiseeis, Eiscreme"
"feine Back- und Konditorwaren (nicht tiefgekühlt)."
Die Inhaberin der rangälteren IR-Marke 303 266 siehe Abb. 1 am Endehat hiergegen Widerspruch aus folgenden Waren erhoben:
Glaces de consommation, cremes glacees, produits fabriqees au moyen de glace de consommation et de creme glacee, et ce sous toutes ses formes, enrobes ou non de chocolat ; produits alimentaires surgeles et congeles destines à L'alimentation humaine.
Zwischen den Parteien herrschte bis zum Ende der mündlichen Verhandlung ein Streit über die rechterhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke.
Die Markenstelle für Klasse 29 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese Frage dahingestellt sein lassen, eine Verwechslungsgefahr verneint und den Widerspruch zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, auch bei (den damals noch) identischen Waren reiche der Abstand der Marken aus, denn "Arktis" und "Artic" hätten ein unterschiedliches Klangbild und einen verschiedenen Bedeutungsinhalt; "artic" sei ein Phantasiewort und könne ua Assoziationen an "antik" oder "artig" wecken.
Zusammen mit dem Beschluss vom 17. Juli 2002 wurde der Widersprechenden ein Schriftsatz der Markeninhaberin vom 20. Mai 1999 zur Kenntnisnahme übersandt, in dem diese unter anderem zur Markenähnlichkeit Stellung nimmt und auch auf die gedankliche Assoziation von "artic" und "artig" hinweist.
Die Widersprechende hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt. Nach der nunmehr erfolgten Einschränkung des Warenverzeichnisses haben sich beide Parteien zur Frage der Verwechslungsgefahr sachlich nicht mehr geäußert. In der mündlichen Verhandlung und den vorausgehenden Schriftsätzen hat die Widersprechende auf die große klangliche und schriftbildliche Nähe der Marken hingewiesen, wohingegen die Markeninhaberin die Ausführungen der Markenstelle für zutreffend hält.
Wegen weitere Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss sowie auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig (§ 66 Abs 1 und Abs 2 MarkenG) und hat - nach der nunmehr erfolgten Beschränkung des Warenverzeichnisses - keinen Erfolg.
I. Die Markenstelle hat gegen den verfassungsrechtlichen Grundsatz des rechtlichen Gehörs des § 103 Abs 1 GG (und des § 59 Abs 2 MarkenG) verstoßen (wonach jeder an einem Verfahren Beteiligte Anspruch darauf hat zu erfahren, welche Unterlagen des Gegners bei der Entscheidung vorliegen), denn bei der Beschlussfassung wurde ein Schriftsatz der Markeninhaberin verwendet, von dem die unterlegene Widersprechende keine Kenntnis hatte. Dieser Anspruch ist nicht auf den tatsächlichen Sachvortrag beschränkt, sondern umfasst auch die rechtliche Ausführungen (st Rspr zB BverfG, NJW 2002, 1334). Ein faires Verfahren, auf das jeder an einem gerichtlichen oder behördlichen Verfahren Beteiligte Anspruch hat, ist nur dann gewährleistet, wenn sämtliche Schriftsätze eines Beteiligten dem Gegner unverzüglich zur Kenntnis gebracht werden (vgl Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl. § 59 Rdz 26, 27). Nur in Ausnahmefällen mag eine andere Handhabung gerechtfertigt sein, so zB wenn sich der betreffende Schriftsatz im wesentlichen auf Wiederholungen beschränkt und die Entscheidung unmittelbar bevorsteht. Das Einbehalten eines Schriftsatzes über einen Zeitraum von nahezu drei Jahren ist durch nichts gerechtfertigt, insbesondere dann nicht, wenn sich die Markenstelle den dort vorgetragenen Ausführungen anschließt.
Von einer Zurückverweisung wurde abgesehen, denn diese würde das Verfahren verzögern und liegt nicht im Interesse der durch den Verfahrensfehler betroffenen Widersprechenden.
II. Der nach Schluss der mündlichen Verhandlung, aber noch vor Erlass der an Verkündungs statt zuzustellenden Entscheidung erklärte Teilverzicht der Markeninhaberin nach § 48 Abs 1 MarkenG ist wirksam. Zwar ist den Parteien nach Verhandlungsende grundsätzlich nachträglicher weiterer Sachvortrag verwehrt, die Zulässigkeit eines derartigen Teilverzichts als verfahrensabschließender Erklärung ist aber dann anerkannt, wenn er sich wie hier auf die bloße Streichung von im Warenverzeichnis vermerkten Begriffen beschränkt und nicht Veränderungen beinhaltet, die eine Prüfung erforderlich machen, ob nicht etwa eine unzulässige Erweiterung des Warenbegriffes vorliegt (vgl Ströbele/Hacker aaO § 79 Rdz 14 ff).
III. Zwischen den Marken besteht nunmehr nach der Einschränkung des Warenverzeichnisses keine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Die Frage der rechtserhaltenden Benutzung kann dahingestellt bleiben, denn auch bei Bejahung einer Benutzung der Widerspruchsmarke für "Eiskrem" (wofür hier im übrigen alles spricht), besteht aus Rechtsgründen nach Gewichtung der für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr maßgeblichen Faktoren Warenähnlichkeit, Markenähnlichkeit und insbesondere Kennzeichnungskraft keine Verwechslungsgefahr.
Allerdings stehen sich die Marken weit näher als von der Markenstelle angenommen. Bedenkt man, dass mit der Widerspruchsmarke "artic" Eiskremprodukte gekennzeichnet sind, so ist die Behauptung, manche Verbraucher würden damit Begriffe wie "artig" oder "antik" bzw "art" (=engl Kunst) assoziieren, nicht recht nachvollziehbar. Wer das Wort "artic" auf der Ware "Eiskrem" sieht, denkt ausschließlich an "arktisch" oder das englische "arctic", denn zu diesem Wort fehlt nur ein "c". Zudem dürfte vielen Verbrauchern die richtige Schreibweise von "arctic" nicht ohne weiteres präsent sein, so dass der Gedanke an die "große Kälte" leicht fallen wird. Eine Nachschau im Internet - dessen Ergebnis den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung zur Kenntnis gebracht wurde - belegt, dass durchaus nicht selten "artic" geschrieben, aber "arctic" gemeint ist (zB bei www.alaskainfo.de oder in der Produktkennzeichnung einer swatch Uhr "Artic Dream", mit Hinweis auf eine eisblaue Farbe).
Dieser erkennbar beschreibende Hinweis auf "arctic" oder "arktisch" führt zu einem etwas reduzierten Schutzumfang der Widerspruchsmarke, so dass die jüngere Marke bei den noch verbleibenden ähnlichen Waren den Schutzbereich der älteren Marke aus Rechtsgründen nicht tangiert. Es handelt sich dabei um "Obst" und "Obstmark", "Fruchtmuse" und "Saucen", die mitunter auch in tiefgekühlter Form angeboten und als Zutat zu Eiscreme verwendet werden. Die "feinen Back- und Konditorwaren (nicht tiefgekühlt)" können auch Eistüten oder Eiswaffeln umfassen, die ebenfalls als Ergänzung zu Eiscreme gegessen werden. Hier jedoch genügt der Markenabstand aufgrund der erkennbar beschreibenden Anklänge der Widerspruchsmarke. Im übrigen sind die Waren unähnlich.
Die Beschwerde ist damit ohne Erfolg.
Eine Kostenentscheidung war nicht veranlasst, § 71 Abs 1 Satz 2 Markengesetz.
Von einer Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach § 66 Abs 5 Satz 2 MarkenG wurde abgesehen. Zwar rechtfertigt die Verletzung des rechtlichen Gehörs regelmäßig eine derartige Entscheidung, die Widersprechende hat sich jedoch nicht darauf berufen und ihre Beschwerde wurde auch zurückgewiesen, so dass die notwendige Kausalität zwischen Rechtsverstoß und Beschwerdeeinlegung nicht vorliegt.
Schwarz-Angele Paetzold Schwarz-Angelefür Hartlieb, die auf derzeit nicht absehbare Zeit erkrankt ist.
Na Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/D10553.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 02.07.2003
Az: 28 W (pat) 212/02
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