Landgericht Köln:
Urteil vom 5. November 2002
Aktenzeichen: 33 O 325/02

(LG Köln: Urteil v. 05.11.2002, Az.: 33 O 325/02)

Tenor

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 28.08.2002 - Az. 33 325/02 - wird bestätigt.

Die weiteren Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Parteien sind unmittelbare Wettbewerber im Bereich der Herstellung und des Vertriebes von Rasierapparaten.

Die Antragstellerin zu 1 ist die niederländische Muttergesellschaft der Antragstellerin zu 2, die in Deutschland als Vertriebsgesellschaft des weltweit operierenden Q1-Konzerns tätig ist.

Die Antragsteller bringen weltweit, in Deutschland seit 1966 exklusiv, Rasierapparate mit einem Drei-Scherkopf-System auf den Markt. Diese Rasierapparate weisen eine als gleichschenkliges, auf der Spitze stehendes Dreieck ausgestaltete Schneidefläche mit drei Scherköpfen auf. Wegen der Einzelheiten der Gestaltung dieser Rasierapparate wird auf die als Anlage AST 2 zur Antragsschrift vom 16.08.2002 zur Akte gereichte Angebotsübersicht sowie auf die als Anlage AST 18 zur Antragsschrift vom 16.08.2002 zur Akte gereichten Originalprodukte Bezug genommen.

Die genannte Ausgestaltung der Schneidefläche dieser Rasierapparate meldete ein Tochterunternehmen der Antragstellerin zu 1, die Q1 Export B. V., im Jahre 1980 in den Niederlanden als Bildmarke Nr. 1 034 262 an. Die Gestaltung der Schneidefläche ist überdies für die Antragstellerin zu 1 in Deutschland als dreidimensionale Bildmarke mit Priorität vom 01.01.1995 unter der Nummer 394 08 350 eingetragen. Sie ist schließlich für die Antragstellerin zu 1 in Deutschland als Bildmarke unter den Nummern IR 587 254 (3 D), Nr. 638 663 (3 D) sowie IR R 430 836 (2 D) mit Prioritäten aus den Jahren 1998, 1995 und 1977 eingetragen. Die Antragstellerin zu 2 ist Lizenzinhaberin der Bildmarke Nr. 1 034 262.

Die in Deutschland verkauften Stückzahlen der Rasierapparate mit dem Drei-Scherkopf-System lagen in den letzten sieben Jahren jeweils in sechsstelliger Höhe. Zuletzt betrug die verkaufte Stückzahl im Jahre 2001 insgesamt 973.025 bei einem Verkaufsumsatz von 44.345.000,-- Euro. Für die Bewerbung der Drei-Scherkopf-Rasierer investierten die Antragsteller in dem genannten Zeitraum durchschnittlich fünf bis sechs Mio. Euro jährlich. Wegen der Einzelheiten zum Umfang des Umsatzes und der Bewerbungskosten in Deutschland für den Zeitraum von 1995 bis 2001 wird auf die als Anlage AST 6 zur Antragsschrift vom 16.08.2002 zur Akte gereichte eidesstattliche Versicherung vom 13.08.2002 Bezug genommen.

Nach einer im Jahre 1994 durchgeführten Verkehrsumfrage durch das Institut GFM-GETAS waren 93,8 % der Befragten in der Lage, das Drei-Scherkopf-System der Rasierapparate den Antragstellern als Vertreiber und Hersteller zuzuordnen. Wegen der Einzelheiten zu dieser Verkehrsumfrage wird auf die als Anlage AST 8 zur Antragsschrift vom 16.08.2002 zur Akte gereichte Studie des Instituts GFM-GETAS Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin ist eine Tochtergesellschaft der Firma M2.L.C. in den USA. Diese entwickelte ebenfalls einen Rasierer mit einem Drei-Scherkopf-System, der inzwischen in europäischen Nachbarstaaten, so in Italien seit Juni 2000, in Frankreich seit September 2000, in Großbritannien seit März 2001, in Irland seit März 2001, in Spanien seit Juni 2002 und in Portugal seit Juni 2002 vertrieben wird. Die Antragstellerin zu 1 erhob in Großbritannien gegen eine Tochtergesellschaft der Firma M2.L.C., die M., eine Klage wegen angeblicher Verletzung ihrer auf das Drei-Scherkopf-System bezogenen und in Großbritannien eingetragenen Bildmarke. Das gerichtliche Verfahren gelangte zum Court of Appeal, der das Verfahren aussetzte und die Streitsache im Wege einer Vorabentscheidung insbesondere zur Frage der technischen Bedingtheit und entsprechenden Eintragungsfähigkeit von Zeichen nach Art. 3 Abs. 1 (e) der Markenrichtlinie dem Europäischen Gerichtshof vorlegte. Der Europäische Gerichtshof erließ am 18.06.2002 ein Urteil, das in der Presse als Sieg der Firma M. interpretiert wurde und über dessen Konsequenzen die Parteien im Hinblick auf die Frage der Eintragungsfähigkeit der Gestaltung der Drei-Scherkopf-Form als Marke streiten. Wegen der Einzelheiten des Inhalts des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 18.06.2002 wird auf das in der Antragsschrift vom 16.08.2002 als Anlage AST 11 in Kopie zur Akte gereichte genannte Urteil Bezug genommen.

Im Zuge des Verfahrens vor dem Europäischen Gerichtshof beantragte die Firma M2.L.C. beim Deutschen Patent- und Markenamt die Löschung der für die Antragstellerin zu 1 eingetragenen dreidimensionalen Bildmarken bezüglich der Drei-Scherkopf-Form. Das Deutsche Patent- und Markenamt wies die Anträge zurück. Hiergegen hat die Firma M2.L.C. mit Rücksicht auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs inzwischen Beschwerde beim Bundespatentamt eingelegt.

Am 10.07.2002 wurde über die Antragsgegnerin erstmals die von der Firma M2.L.C. produzierten Drei-Scherkopf-Rasierer als Serien RS 2000 (Modelle RS2403, RS2623, RS2843, RS2883) und RS 9000 (Modelle R9000, R9100, R9200, R 9300) auf dem deutschen Markt eingeführt. Wegen der Einzelheiten der Gestaltung dieser Rasierapparate wird auf die als Anlage AST 17 zur Antragsschrift vom 18.06.2002 zur Akte gereichten Originalprodukte Bezug genommen.

Die Antragstellerinnen meinen, der Vertrieb dieser Rasierapparate durch die Antragsgegnerin verletze ihre Markenrechte nach §§ 4, 14 Abs. 2 MarkG und sei zudem unter den Gesichtspunkten der vermeidbaren Herkunftstäuschung sowie der Rufausbeutung wettbewerbswidrig. Die Gestaltung der Drei-Scherkopf-Form sei markenschutzfähig, weil auch vor dem Hintergrund des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 18.06.2002 diese Form nicht ausschließlich zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sei, sondern auch kennzeichnende und ästhetische Merkmale aufweise. Dementsprechend weise die genannte Form auch eine wettbewerbliche Eigenart auf.

Hierzu behauptet sie, die Trockenrasur als der relevante technische Erfolg könne nicht nur durch das hier verwandte dreiecksförmige Scherkopf-System mit drei Scherköpfen erreicht werden, sondern auch durch eine andersartige Gestaltung mit zum Beispiel zwei oder vier Scherköpfen, einer runden, kleeblattförmigen oder bananenförmigen Anordnung der Scherköpfe auf der Schneidefläche und schließlich durch das oszillierende Schneidesystem.

Zur Dringlichkeit behaupten sie, sie hätten Mitte Juli 2002 von dem Vertrieb und der Bewerbung der Rasierapparate der Antragsgegnerin erstmalig Kenntnis erlangt.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Antragstellerinnen wird auf die Seiten 4 - 24 der Antragsschrift vom 16.08.2002 (Bl. 4 - 24 d. A.), auf die Seiten 2 - 29 des Schriftsatzes vom 03.10.2002 (Bl. 101 - 128 d. A.) sowie auf die Seiten 1 und 2 des Schriftsatzes vom 08.10.2002 (Bl. 381 - 382 d. A.) Bezug genommen.

Die Antragstellerinnen haben am 20.08.2002 nachfolgende im Beschlusswege ergangene einstweilige Verfügung erwirkt:

- Es folgt die Darstellung der einstweiligen Verfügung. -

Nachdem die Antragsgegnerin gegen diese einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt hat, beantragen die Antragstellerinnen nunmehr,

- wie erkannt - .

Die Antragsgegnerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vom 20.08.2002 aufzuheben und den Antrag auf ihren Erlass zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, die Dringlichkeitsvermutung für den Erlass der einstweiligen Verfügung sei widerlegt. Hierzu behauptet sie, die Antragstellerinnen hätten unmittelbar nach Einführung der beanstandeten Rasierapparate am 10.07.2002 auf dem deutschen Markt hiervon positive Kenntnis erlangt. Jedenfalls seien die Antragstellerinnen vor dem Hintergrund der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 18.06.2002 und des Vertriebs der beanstandeten Rasierapparate in den europäischen Nachbarstaaten auf die Vermarktung dieses Produkts in Deutschland gut vorbereitet gewesen.

In der Sache selbst meint sie, die Antragstellerinnen könnten keinen Anspruch unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes aus § 1 UWG herleiten, weil die Regelungen des Markenrechts zum Tragen kämen und diese abschließend seien. Dementsprechend sei die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 18.06.2002 zur Markenfähigkeit von Formgestaltungen zu berücksichtigen, aus der abzuleiten sei, dass die Drei-Scherkopf-Form der Rasierapparate ausschließlich technisch bedingt und insoweit ein Markenschutz dieser Formgestaltung versagt sei. Angesichts dessen sei auch eine wettbewerbliche Eigenart dieser Formgestaltung nicht gegeben.

Hierzu behauptet sie, innerhalb der Gattung der rotierenden Schersysteme sei die hier gewählte Dreiecksform die optimale technische Lösung. Die Gestaltung der Scherköpfe auf einer kleeblattförmigen Schneidefläche scheide aus Kosten-Nutzen-Erwägungen als optimale Lösung aus.

Schließlich meint sie, ein wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz komme auch deshalb nicht in Betracht, weil sie durch das Anbringen des Namens "S1" auf die Rasierapparate alles Zumutbare zur Vermeidung einer Verwechslungsgefahr getan habe. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Antragsgegnerin wird auf die Seiten 3 - 29 der Schutzschrift vom 04.07.2002, auf die Seiten 2 - 23 der Widerspruchsschrift vom 13.09.2002 (Bl. 39 - 60 d. A.), Seiten 1 und 2 des Schriftsatzes vom 02.10.2002 (Bl. 346 - 347 d. A.) sowie auf die Seiten 1 - 6 des Schriftsatzes vom 21.10.2002 (Bl. 427 - 432 d. A.) Bezug genommen.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Inaugenscheineinnahme der streitgegenständlichen Originalprodukte.

Gründe

Die einstweilige Verfügung war zu bestätigen, weil ihr Erlass auch in Ansehung des weiteren Vortrags der Parteien gerechtfertigt war, §§ 936, 925 Abs. 2 ZPO.

I.

Der Verfügungsgrund ist nach § 25 UWG zu bejahen. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist die hiernach gegebene Dringlichkeitsvermutung nicht widerlegt.

Soweit die Antragsgegnerin zur Begründung ihres Standpunktes darauf verweist, dass die Antragstellerinnen in Anbetracht der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 18.06.2002 und des Vertriebes der beanstandeten Rasierer in den europäischen Nachbarstaaten auf die Einführung dieser Rasierer in Deutschland gut vorbereitet gewesen seien, ist dies kein geeigneter Ansatzpunkt zur Widerlegung der Dringlichkeit. Es kommt nicht darauf an, ob die Antragstellerinnen den am 10.07.2002 begonnenen Vertrieb der beanstandeten Produkte der Antragsgegnerin bei gehöriger Aufmerksamkeit hätten erkennen können. Anders wäre dies möglicherweise, wenn ein solcher Vertrieb bereits monate- oder jahrelang stattgefunden hätte und die Antragstellerinnen dabei untätig geblieben wären (vgl. Baumbach/Hefermehl, UWG, § 25 Rn. 12 m.w.N.). Dies behauptet die Antragsgegnerin aber nicht. Es hat unstreitig bis zum Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung durch die Antragstellerinnen keinen über Monate oder gar Jahre stattgefundenen Vertrieb der beanstandeten Rasierer in Deutschland gegeben.

Ebensowenig wird die Dringlichkeitsvermutung dadurch widerlegt, dass nach Behauptung der Antragsgegnerin die Antragstellerinnen "unmittelbar" nach Beginn des Vertriebs der beanstandeten Rasierer in Deutschland am 10.07.2002 hierüber Kenntnis erlangt hätten. Dies gilt schon deshalb, weil die Antragsgegnerin weder ein konkretes Datum dieser Kenntniserlangung benennt, noch greifbar dartut, dass die Antragstellerinnen in Abweichung von ihrer Behauptung bereits vor Mitte Juli 2002 erstmalig von dem Vertrieb Kenntnis erlangt hat. Vielmehr schließt sie allein aus einer durchgeführten Werbeveranstaltung am 25.06.2002, in der das Bevorstehen eines Vertriebes der hier beanstandeten Rasierer angekündigt wurde, dass diese Ankündigung auch Mitarbeitern der Antragstellerinnen weitergeleitet worden sein müsse, was spekulativ und insoweit nicht geeignet ist, die Dringlichkeit zu widerlegen. Soweit sie sich auf eine eidesstattliche Versicherung der Frau S beruft, nach der der Verkaufsleiter der Antragstellerin zu 2, Herr U, am 19.07.2002 geäußert haben solle, ihm sei ein Vertrieb der beanstandeten Produkte in Deutschland bekannt, kann auch daraus kein konkretes Datum der Kenntniserlangung abgeleitet werden und ist dies jedenfalls mit Rücksicht auf die gegenteilige eidesstattliche Versicherung des Herrn U vom 07.10.2002 nicht hinreichend glaubhaft gemacht.

Unabhängig hiervon wäre selbst dann, wenn die Antragstellerinnen bereits vor Mitte Juli 2002 von dem Beginn des Vertriebes am 10.07.2002 informiert gewesen und damit etwas mehr als fünf Wochen zwischen Kenntniserlangung und Beantragung der einstweiligen Verfügung vergangen wären, die Dringlichkeit nicht berührt. Denn entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin gibt es keine festliche zeitliche Grenze von vier bis fünf Wochen zwischen Wettbewerbsverstoß und Kenntniserlangung, bei deren Überschreiten die Dringlichkeit hinfällig wäre. Bei Bestimmung des Zeitrahmens kommt es vielmehr auf die Umstände des Einzelfalles an (Baumbach/Hefermehl, UWG, § 25 Rn. 15 m.w.N.; Köhler/Piper, UWG, § 25 Rn. 15 m.w.N.). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass eine dringlichkeitsschädliche Kenntnis voraussetzt, dass einem Antragsteller die tatsächlich für den Markt bestimmte Ausstattung konkret bekannt ist (OLG Köln GRUR 1995, 520), und insoweit eine gewisse Zeitspanne in Rechnung gestellt werden muss, innerhalb derer entsprechende Recherchen durch den Antragsteller vorgenommen werden (vgl. Köhler/Piper, UWG, § 25 Rn. 15 m.w.N.). Allein der Umstand, dass die Antragsgegnerin am 10.07.2002 ihren Vertrieb mit den beanstandeten Produkten begonnen und hiervon Mitarbeiter der Antragstellerinnen Kenntnis erlangt haben sollen, rechtfertigt nach dieser Maßgabe keine strikte Begrenzung der Zeitspanne auf fünf Wochen. Die Parteien sowie ihre Mutter- und Schwestergesellschaften operieren weltweit. Ihr Handeln ist nicht örtlich begrenzt. Insofern bedarf es eines nicht zu unterschätzenden Aufwandes, um wettbewerbswidriges Verhalten erkennen und für ein Eilverfahren konkretisieren zu können. Es kommt hinzu, dass mit Rücksicht auf die Unternehmensgröße der Antragstellerinnen ein zusätzlicher Zeitraum in Rechnung gestellt werden muss, innerhalb dessen die Erkenntnis wettbewerbswidrigen Verhaltens an die zuständen Entscheidungsträger weitergeleitet und umgesetzt werden.

Schließlich hilft der Antragsgegnerin nicht ihr Hinweis auf die seit dem Jahre 2000 erfolgende Bewerbung der beanstandeten Rasierer im Internet unter der Domain "www.S1-products.com". Dringlichkeitsschädlich ist die Kenntnis der Antragstellerinnen über diese Internetbewerbung nicht, weil es keinen Anhaltspunkt dafür gab - und die Antragsgegnerin dies auch nicht behauptet -, dass sie mit dieser - internationalen - Bewerbung bereits vor dem Markteintritt am 10.07.2002 in Deutschland einen Vertrieb verbinden wollte.

II.

Den Antragstellerinnen steht gegen die Antragsgegnerin auch ein Verfügungsanspruch zu.

Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob ein solcher Anspruch nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkG gegeben ist. Insoweit bedarf es auch keines Eingehens auf die Frage der Markenfähigkeit der Drei-Scherkopf-Form.

Denn unabhängig davon folgt der Anspruch der Antragstellerinnen jedenfalls unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerblichen Leistungsschutzes aus § 1 UWG.

Dieser ergänzende Leistungsschutz wird, entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin, nicht durch die Regelungen des Markenrechts ausgeschlossen. Soweit sich die Antragsgegnerin insbesondere auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofes "MAC Doc" (GRUR 1999, 161ff.) beruft, folgt aus dieser Entscheidung hier nichts anderes. Nach dieser Entscheidung bildet der Schutz bekannter Marken nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 und § 15 Abs. 3 MarkG zwar grundsätzlich eine abschließende Regelung, die allerdings dann einen ergänzenden Schutz durch die Regelungen des Wettbewerbsrechts zulässt, wenn jener markenrechtliche Schutz versagt, also nicht greift (BGH GRUR 1999, 161, 162). Das ist hier der Fall. Folgt man der Ansicht der Antragsgegnerin im Anschluss an die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 18.06.2002, wonach infolge einer technischen Bedingtheit der Formgestaltung des Drei-Scherkopf-Systems diese nicht als schutzfähige Marke Geltung erlangen könne, wäre der Anwendungsbereich des Markenrechts erst Recht nicht gegeben, mit der Folge, dass im Einklang mit der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs "MAC Doc" der ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz ebenfalls zum Tragen käme.

Der Vertrieb der beanstandeten Rasierer der Serien RS 2000 und RS 9000 in Deutschland seit dem 10.07.2002 verstößt gegen § 1 UWG, weil deren Gestaltung Nachahmungen der von den Antragstellerinnen seit 1966 vertriebenen Rasierapparate mit der Drei-Scherkopf-Form darstellen, die unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung und Rufausbeutung unlauter sind.

Unter dem Gesichtspunkt der vermeidbaren Herkunftstäuschung verstößt gegen § 1 UWG, wer ein fremdes Erzeugnis unter Übernahme von Merkmalen, mit denen der Verkehr eine betriebliche Herkunftsvorstellung verbindet, nachahmt und dieses Produkt in den Verkehr bringt, ohne dass er im Rahmen des Möglichen und Zumutbaren alles Erforderliche getan hat, um eine Irreführung des Verkehrs möglichst auszuschließen (s. statt vieler BGH GRUR 1996, 210, 211 - Vakuumpumpen). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass zwischen dem Grad der wettbewerblichen Eigenart, der Art und Weise der Intensität der Übernahme sowie den besonderen wettbewerblichen Umständen eine Wechselwirkung besteht (s. BGH NJW-RR 2000, 338 - Rollstuhlnachbau).

Diese genannten Voraussetzungen wettbewerbswidrigen Verhaltens sind im Falle der von den Antragstellerinnen beanstandeten und von der Antragsgegnerin vertriebenen Rasierapparate erfüllt.

Die von den Antragstellerinnen vertriebenen Drei-Scherkopf-Rasierer weisen wettbewerbliche Eigenart auf, also Merkmale, die geeignet sind, dem Verkehr die Unterscheidung von gleichartigen Erzeugnissen anderer Hersteller zu ermöglichen (vgl. nur BGH WRP 1986, 377, 378 - Beschlagprogramm; BGH WRP 2000, 493, 495 - Modulgerüst). Die wettbewerbliche Eigenart bezieht sich dabei auf die äußere ästhetische Gestaltungsform der Schneidefläche, die durch das Zusammenwirken nachfolgender Einzelelemente ihren herkunftshinweisenden Charakter erfährt: Besonders prägnant für die Rasierapparate der Antragstellerinnen ist die gleichschenklige Dreiecksform der Schneidefläche, auf der insgesamt drei gleichgroße rotierende Scherköpfe, nämlich in der jeweiligen abgerundeten Ecke des Dreiecks, angebracht sind. Dabei fügen sich die jeweiligen Scherköpfe in die Abrundungen der Ecken harmonisch ein. Als weitere Besonderheit sticht hervor, dass zwischen der Außenkante des gleichschenkligen Dreiecks und den einzelnen dreieckig angeordneten Scherköpfen eine den jeweiligen Scherkopf umrundende geschwungene Linie verläuft, die sich jeweils zwischen den verschiedenen Scherköpfen dem Zentrum des Dreiecks zuwendet. Hierdurch entsteht der plastische Eindruck, dass zwischen den einzelnen Scherköpfen kleinere Einbuchtungen vorhanden sind. Als weitere Eigentümlichkeit ist hervorzuheben, dass das besagte Dreieck, von der Griffperspektive aus betrachtet, mit seiner Spitze nach unten weist:

Diese wettbewerbliche Eigenart wird durch das Umfeld nicht relativiert. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die beschriebene eigenartige Gestaltungsform der Schneidefläche bisher auf dem Markt einmalig gewesen ist.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist die beschriebene Gestaltung der Scherfläche der Produkte der Antragstellerinnen nicht aus technischen Gründen notwendig mit der Folge, dass die wettbewerbliche Eigenart zu verneinen wäre. Zwar trifft es in Übereinstimmung mit den Ausführungen der Antragsgegnerin im rechtlichen Ansatzpunkt zu, dass Merkmale, die bei gleichartigen Erzeugnissen aus technischen Gründen zwingend verwendet werden müssen, mit Rücksicht auf den Grundsatz der Freiheit des Standes der Technik keine wettbewerbliche Eigenart begründen (zuletzt BGH 2002, 275 - Noppenbahn; Baumbach/Hefermehl, UWG, § 1 Rn. 451). Indessen liegt ein solcher Fall hier nicht vor. Dabei bedarf es keines Eingehens auf den hier bestehenden Streit, ob man zur Klärung der Frage der technischen Notwendigkeit der Gestaltungsform rotierende und oszillieriende Schersysteme oder - wie die Antragsgegnerin meint - allein rotierende Systeme mit drei Scherköpfen einbeziehen darf. Denn auch wenn man im Anschluss an die Auffassung der Antragsgegnerin allein rotierende Systeme mit drei Scherköpfen in die Betrachtung einbezieht, ist das hier von den Antragstellerinnen gewählte eigentümliche Gestaltungsmuster der Scherfläche nicht die einzig technische Lösung, um den Rasiererfolg in gleicher Weise herbeizuführen. So stellt die Antragsgegnerin selbst nicht in Abrede, dass jedenfalls eine Anordnung der drei Scherköpfe auf einer Schneidefläche in Kleeblattform möglich wäre, den Rasiererfolg gleichermaßen, wenn nicht sogar besser, zu verwirklichen. Allein der Umstand, dass diese alternative Gestaltungsform nach dem Vortrag der Antragsgegnerin aus Kostengründen nicht rentabel sein soll, ändert daran nichts. Unter dem für das Freihaltebedürfnis maßgebenden Gesichtspunkt der Freiheit der Technik kommt es zunächst auf die technische Entfaltungsmöglichkeit, und nicht vorrangig auf Kostengesichtspunkte, an.

Im übrigen ist weder glaubhaft gemacht, dass eine solche Gestaltungsform tatsächlich höhere Kosten verursachen würde, noch, dass eine andere Anordnung des Dreiecks als solches nicht möglich ist.

Die beschriebenen Rasierapparate der Antragstellerinnen mit dem Drei-Scherkopf-System sind im Verkehr hinreichend bekannt. Wie die vorgelegten Umsatzzahlen sowie Umfrageergebnisse zeigen, genießen diese Rasierapparate einen überragenden Bekanntheitsgrad, wozu auch der Umstand beiträgt, dass diese Produkte mit der exklusiven Gestaltungsform bereits seit 1966 auf dem deutschen Markt sind. Das stellt auch die Antragsgegnerin nicht in Abrede.

Die unter dem Gesichtspunkt einer vermeidbaren Herkunftstäuschung erforderliche Gefahr einer betrieblichen Herkunftsverwechslung ist ebenfalls gegeben. Die sich gegenüberstehenden Produktausstattungen der Parteien stimmen nämlich nach dem maßgeblichen Gesamteindruck derart überein, dass für den angesprochenen Verbraucher, der die Produkte getrennt voneinander sieht, die Gefahr von Verwechslungen besteht. Die Rasierapparate der Antragsgegnerin als Serien RS 2000 und RS 9000 weisen in nahezu identischer Weise die genannten Gestaltungsmerkmale auf, die als eigentümliche Besonderheiten der Rasierapparate der Antragstellerinnen dem Verkehr in Erinnerung bleiben. So findet sich bei den Rasierapparaten der Antragsgegnerin, sowohl nach der Größe als auch nach der Form nahezu übereinstimmend, das gleichschenklige Dreieck mit den abgerundeten Ecken der Produkte der Antragstellerinnen wieder. Ebenso wie bei den Rasierapparaten der Antragstellerinnen befinden sich auf den Rasierern der Antragsgegnerin drei in den abgerundeten Ecken liegende Scherköpfe, die - wiederum in Übereinstimmung mit dem Design der Rasierer der Antragstellerinnen - jeweils in die Eckenrundungen harmonisch eingebettet sind. Selbst die für die Produkte der Antragstellerinnen charakteristische und zugleich als subtiles Gestaltungselement auftretende Umrundung der einzelnen Scherköpfe durch eine geschwungene Linie ist bei den beanstandeten Rasierern der Antragsgegnerin anzutreffen. Schließlich weist die Spitze des Dreiecks, genauso wie bei den Rasierern der Antragstellerinnen, nach unten, so dass das Bild eines umgekehrten Dreiecks entsteht.

Angesichts dieser offensichtlichen Übereinstimmungen reichen die von der Antragsgegnerin aufgezeigten Unterschiede ersichtlich nicht aus, eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Dem maßgeblichen Betrachter, der die Ausstattungen getrennt voneinander sieht, werden marginale Abweichungen an den Griffen der Rasierer nicht auffallen. Die hier verwandten Griffe der Rasierer bilden nämlich kein eigentümliches Gestaltungsmerkmal, dass der Betrachter als Besonderheit einer bestimmten Ausstattung begreifen könnte. Sie wirken in ihrer ergonomischen Ausgestaltung gewöhnlich und weisen auch keine markanten Elemente auf. Unabhängig davon sind die von der Antragsgegnerin hervorgehobenen Abweichungen in der abgewinkelten Form der Griffe - eine "S"-Form statt einer "C"-Form - derart geringfügig, dass sie dem Betrachter bei isolierter Betrachtung verborgen bleiben. Auch die nach dem Vortrag der Antragsgegnerin auf den Rasierern angebrachten Namensschilder mit der Aufschrift "S1" vermögen jedenfalls eine mittelbare Verwechslungsgefahr nicht auszuschließen. Angesichts der nahezu identischen Übernahme der eigentümlichen und bislang ausschließlich von den Antragstellerinnen verwendeten Gestaltungselemente besteht mit Rücksicht auf den zugleich gegebenen hohen Bekanntheitsgrad dieser Produkte die Gefahr, dass der Verkehr bei Betrachtung des Namensschildes "S1" auf dem Rasierer glaubt, die Antragsgegnerin sei mit den Antragstellerinnen wirtschaftlich oder organisatorisch eng verzahnt.

Das gilt um so mehr, als - wie von den Antragstellerinnen dargelegt - diese zu einem Konzern gehören, unter dessen Dach eine Reihe namhafter Markenhersteller mittlerweile angesiedelt sind.

Die Beklagte trifft auch der Vorwurf unlauteren Verhaltens. Sie hat in Kenntnis der Produkte der Antragstellerinnen gehandelt und es dennoch unterlassen, im Rahmen des Zumutbaren geeignete Maßnahmen zu treffen, um eine irreführende Herkunftsverwechslung auszuschließen. Soweit die Antragsgegnerin ausführt, sie habe sich durch das Anbringen der Kennzeichnung "S1" auf ihren Produkten von den Produkten der Antragsstellerinnen genügend abgegrenzt, entlastet sie das nicht. In Anbetracht einer beinahe identischen Übernahme der für die Produkte der Antragstellerinnen typischen Gestaltungsmerkmale unter gleichzeitiger Berücksichtigung des hohen Bekanntheitsgrades dieser Gestaltungsmerkmale tritt die Kennzeichnung "S1" als Unterscheidungskriterium bei überwiegenden Teilen des Verkehrs in den Hintergrund. Sie vermag jedenfalls ersichtlich nicht die mittelbare Gefahr auszuräumen, dass der Verkehr irrtümlich glaubt, die von der Antragsgegnerin vertriebenen Produkte seien eine neue Produktionslinie der Antragstellerinnen oder diese seien jedenfalls mit der Antragsgegnerin wirtschaftlich oder organisatorisch verbunden.

Vor diesem Hintergrund trifft die Antragsgegnerin auch der Vorwurf, dass sie sich an den guten Ruf der Produkte der Antragstellerinnen in unlauterer Weise anhängen möchte. Die Drei-Scherkopf-Rasierer der Antragstellerinnen besitzen ein beachtliches Renomée und wurden bislang über einen langen Zeitraum exklusiv und - wie die Umsatzzahlen belegen - auch in einem hohen Maße erfolgreich vertrieben. Es gibt keinen - von der Rufanlehnung abgesehenen - greifbaren Grund dafür, dass die Antragsgegnerin Drei-Scherkopf-Rasierer vertreibt, die alle markanten und subtilen Gestaltungsmerkmale der Schneidefläche der Rasierapparate der Antragstellerinnen in nahezu identischer Weise aufweisen. Es wäre ihr ohne weiteres möglich und auch zumutbar gewesen, Abweichungen in der Gestaltung vorzunehmen. Dass sie dies gerade nicht will, zeigt sich auch in ihrem Bemühen, die Drei-Scherkopf-Form der Rasierer der Antragstellerinnen als Marke vor dem Deutschen Patentamt in Abrede zu stellen, um jene selbst verwenden zu können.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des Verfügungsverfahrens.

Streitwert: 1.000.000,- Euro






LG Köln:
Urteil v. 05.11.2002
Az: 33 O 325/02


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