Bundespatentgericht:
Beschluss vom 16. April 2004
Aktenzeichen: 14 W (pat) 67/02
(BPatG: Beschluss v. 16.04.2004, Az.: 14 W (pat) 67/02)
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Mit Beschluss vom 29. Juli 2002 hat die Prüfungsstelle für Klasse A 23 K des Deutschen Patent- und Markenamts die Patentanmeldung mit der Bezeichnung
" Futtermittel für die Nutztieraufzucht enthaltend Sorbinsäure und Enzyme "
zurückgewiesen.
Die Zurückweisung ist im wesentlichen damit begründet, dass die Gegenstände der seinerzeit geltenden ursprünglich eingereichten Ansprüche 1 bis 3, 8 und 10 von
(1) DE 196 19 219 A1 neuheitsschädlich vorweggenommen seien. In (1) seien Enzyme und als Konservierungsmittel beispielhaft Natrium- und Kaliumsorbat enthaltende Futtermittel genannt. Der Fachmann lese die Sorbinsäure als Konservierungsmittel mit, zumal die Anmelderin selbst einräume, dass Sorbinsäure zur Konservierung von Futtermitteln eingesetzt werde.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie ihr Patentbegehren mit den Patentansprüchen 1 bis 12 vom 7. April 2004 und einer hieran anzupassenden Beschreibung weiterverfolgt. Die geltenden Ansprüche 1, 6, 10, 11 und 12 lauten:
1. Futtermittel, enthaltend Sorbinsäure und mindestens ein Enzym und/oder mindestens ein Enzympräparat, wobei das bzw. die Enzyme aus der Gruppe Phytase, Cellulase, Glucanase, Hemicellulase (Xylanase), Amylase, Galaktosidase, Pentosanase, Glucosidase und Mischungen hiervon, ausgewählt ist/sind.
6. Futtermittelzusatz, enthaltend Sorbinsäure und/oder ein bis mehrere Enzympräparate, wobei das bzw. die Enzyme aus der Gruppe Phytase, Cellulase, Glucanase, Hemicellulase (Xylanase), Amylase, Galaktosidase, Pentosanase, Glucosidase und Mischungen hiervon, ausgewählt ist/sind.
10. Verwendung eines Futtermittels nach Anspruch 1 oder 2 in der Schweine-, Rinder-, Lämmer- oder Geflügelaufzucht.
11. Verwendung von Sorbinsäure zusammen mit einem oder mehreren Enzymen/- Enzympräparaten nach Anspruch 1 in Futtermitteln.
12. Verwendung des/der Futtermittel(s) nach Anspruch 10 in der Tieraufzucht mit leistungsfördernder Wirkung.
Die Ansprüche 2 bis 5 und 7 bis 9 sind auf Weiterbildungen des Futtermittels nach Anspruch 1 bzw. des Futtermittelzusatzes nach Anspruch 6 gerichtet.
Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Anmelderin im wesentlichen vorgetragen, dass die nunmehr beanspruchten Erzeugnisse der geltenden Ansprüche gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik neu seien. Dies gelte insbesondere auch gegenüber den aus (1) bekannten Enzym-Vorgranulaten für Tierfutter-Granulate. Denn (1) enthalte keine Hinweise auf Sorbinsäure. Der Fachmann sei nämlich daran gehindert die Sorbinsäure als weiteres übliches Konservierungsmittel neben Natrium- und Kaliumsorbat mitzulesen, wie der mit Schriftsatz vom 11. September 2002 vorgelegten gutachtlichen Erklärung von Prof. Dr. Franz Xaver Roth vom 27. August 2002 zu entnehmen sei. Die Erzeugnisse der geltenden Ansprüche beruhten auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Der Fachmann werde nämlich davon abgehalten, Sorbinsäure als Zusatz zur Leistungsförderung neben den im Anspruch genannten Enzymen einzusetzen, weil Sorbinsäure die Aktivität von Enzymen hemme. Außerdem wirke die erfindungsgemäße Kombination aus Sorbinsäure und den speziellen Enzymen in einem Futtermittel in ihrer leistungssteigernden Wirkung in überraschender Weise synergistisch, wie die mit Schriftsatz vom 11. September 2002 vorgelegten Versuchsergebnisse zeigten.
Die Anmelderin beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ein Patent zu erteilen mit folgenden Unterlagen: Patentansprüche 1 bis 12 vom 7. April 2004 und einer noch anzupassenden Beschreibung.
Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der Patentansprüche 2 bis 5 und 7 bis 9, wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die Beschwerde ist zulässig (§ 73 PatG); sie kann aber nicht zum Erfolg führen.
Das Futtermittel gemäß Anspruch 1 bzw. der Futtermittelzusatz nach Anspruch 6 ist auch nach Auffassung des Senats von dem aus (1) bekannten Stand der Technik neuheitsschädlich vorweggenommen. Die Gegenstände der Ansprüche 1 und 6 betreffen Futtermittel bzw. einen Futtermittelzusatz enthaltenda) Sorbinsäure und mindestens einb) Enzym und/oder mindestens ein Enzympräparat, c) wobei das bzw. die Enzyme aus der Gruppe Phytase, Cellulase, Glucanase, Hemicellulase (Xylanase), Amylase, Galaktosidase, Pentosanase, Glucosidase und Mischungen hiervon, ausgewählt ist/sind.
Aus (1) sind Enzym-Vorgranulate und Enzymgranulate sowie Tierfuttermittel, enthaltend diese Granulate, bekannt (Ansprüche 16-18). Diese Granulate enthalten bevorzugt die in den geltenden Ansprüchen 1 und 6 genannten Enzyme gemäß Merkmal c (Anspruch 10). Des weiteren können die Enzyme oder Enzymgemische übliche Konservierungsmittel als weitere Begleitstoffe enthalten, wobei lediglich beispielhaft ua Kalium- und Natriumsorbat angegeben sind (S 5 Z 2-5), aber die Sorbinsäure nicht wörtlich genannt ist. Bei der Sorbinsäure handelt es sich indessen um ein im Futtermittelbereich übliches Konservierungsmittel, wie die Anmelderin selbst in der Beschreibung der vorliegenden Anmeldung einräumt (Sp 1 Abs [0003] der OS). Durch eine zum Stand der Technik gehörende Schrift ist aber nach ständiger Rechtsprechung für den Fachmann, hier einen Agraringenieur, Diplom-Landwirt oder Diplomchemiker mit speziellen Kenntnissen in Tierernährung und Bereitstellung von Futtermitteln alles offenbart und damit als neuheitsschädlich vorweggenommen anzusehen, was für den Fachmann als selbstverständlich oder nahezu unerlässlich zu ergänzen ist oder was er bei deren aufmerksamen Lektüre ohne weiteres erkennt und in Gedanken gleich mitliest (vgl. BGH "Elektrische Steckverbindung" GRUR 1995, 330 mwN). Der Fachmann wird also im vorliegenden Fall Sorbinsäure als übliches Konservierungsmittel für Futtermittel als selbstverständlich ergänzen bzw. in Gedanken gleich mitlesen.
Er wird nach Auffassung des Senats Sorbinsäure auch als übliches Konservierungsmittel bei Enzymen enthaltenden Futtermitteln bzw. Futtermittelzusätzen nicht ausschließen, wie die Anmelderin vorträgt. Denn dem Fachmann ist zwar bekannt, dass die antimikrobielle Wirkung der Sorbinsäure auf der Hemmung von verschiedenen Enzymen in der Mikrobenzelle beruht, wie aus der von der Anmelderin vorgelegten Erklärung des Herrn Prof. Dr. Roth hervorgeht. Daraus kann aber der Fachmann nicht schließen, dass die Sorbinsäure generell die Aktivität aller Enzyme und insbesondere auch die Aktivität der in den geltenden Ansprüchen 1 und 6 genannten Enzyme hemmt, und deshalb die Sorbinsäure in (1) als übliches Konservierungsmittel ausscheidet, zumal aus
(4) DE 37 04 004 A1 Zubereitungen mit Sorbinsäure und speziellen Enzymen für Futtermittel bekannt sind (Ansprüche 1, 3 und 5). Die Gegenstände der geltenden Ansprüche 1 und 6 werden also von (1) mit allen Merkmalen vorweggenommen.
Die Ansprüche 1 und 6 sind daher mangels Neuheit nicht gewährbar.
Die Ansprüche 2 bis 5 und 7 bis 12 teilen das Schicksal der Ansprüche 1 und 6 (vgl BGH "Elektrisches Speicherheizgerät" GRUR 1997, 120)
Schröder Harrer Gerster Schuster Na
BPatG:
Beschluss v. 16.04.2004
Az: 14 W (pat) 67/02
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