Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. Januar 2009
Aktenzeichen: 9 W (pat) 347/04

(BPatG: Beschluss v. 12.01.2009, Az.: 9 W (pat) 347/04)

Tenor

Das Patent wird widerrufen.

Gründe

I.

Die Einsprechende hat gegen das am 31. Januar 2002 angemeldete Patent mit der Bezeichnung

"Vorrichtung zum Transport von Paletten oder Containern in Frachtladeräumen"

Einspruch eingelegt. Die Einsprechende verweist zum Stand der Technik u. a. auf eine Vorbenutzung einer Vorrichtung zum Transport von Paletten und Containern in Frachtladeräumen, die vor dem Anmeldetag des Streitpatents der Öffentlichkeit zugänglich gewesen sei. Sie legt hierzu vier Zeichnungen vor und bietet Zeugenbeweis an. Nach Auffassung der Einsprechenden legt dieser Stand der Technik dem zuständigen Fachmann die beanspruchte Vorrichtung nahe.

Die Einsprechende beantragt, das Patent zu widerrufen.

Die Patentinhaberin hat keinen Antrag gestellt. Sie hat sich im Einspruchsverfahren nicht zur Sache geäußert und ist auch zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Der Patentanspruch 1 gemäß Streitpatent lautet:

Bodenelement für Frachtladebereich eines Flugzeugs zur Aufnahme und zum Verschieben von Fracht, mit Aufnahmeöffnungen für Kugelelemente (17) oder mit Rollenkörpern (50) und Rollenantriebseinheiten (6) (PDU), wobei die Rollenantriebseinheiten (6) in die Bodenelemente (1, 5) integriert sind und den Rollenantriebseinheiten (6) Drainagevorrichtungen (13) zugeordnet sind, dadurch gekennzeichnet, dass unterhalb der Bodenelemente (1, 5) wannenförmige Ansätze (10) angebracht sind, deren Boden (14) eine Stufe (38) umfasst und die Drainagevorrichtung (13) in tiefer liegenden Bereich des Bodens (14) des wannenförmigen Ansatzes (10) aufgenommen ist, und in welchen die Rollenantriebseinheiten (6) auf Aufnahmesockeln (16), in einem Neigungswinkel (42) in Bezug auf eine Bodenflächenebene (41) der Bodenelemente (1, 5) verkippt, aufgenommen sind, wobei die Aufnahmesockel (16) Planflächen (44), die bezogen auf z-Richtung in unterschiedliche z-Höhen (34, 35) gehalten sind, zur Befestigung der Rollenantriebseinheit (6) aufweisen.

Dem Patentanspruch 1 schließen sich die erteilten Patentansprüche 2 bis 11 als Unteransprüche an.

II.

Der Einspruch ist zulässig. In der Sache hat der Einspruch Erfolg, da er zu einem Widerruf des Patents führt. Darauf, dass sich die Patentinhaberin im Verfahren zur Sache nicht geäußert und auch keine Anträge gestellt hat, kommt es nicht an, da die Entscheidung von Amts wegen zu treffen ist (§ 61 Abs. 1 PatG).

1. Das Streitpatent betrifft ein Bodenelement für den Frachtladebereich eines Flugzeugs.

Bei aus dem Stand der Technik bekannten Bodenelementen für den Frachtladebereich eines Flugzeugs wird es gemäß dem Streitpatent (vgl. hierzu Seite 2, Absatz [0004] der Streitpatentschrift) für problematisch erachtet, dass ein erhöhter Montageaufwand im Frachtladeraum vor allem zur Montage der Antriebseinheit im Bodenelement sowie der Drainage notwendig sei. Zudem sei eine Schrägstellung der Rollenantriebseinheiten nicht möglich.

Mit dem Streitpatent soll eine in ein Bodenelement eines Frachtladeraums schrägstellbare und höhenverstellbare Rollenantriebsvorrichtung bereitgestellt werden, die zudem feuchtigkeitsunempfindlich ist (Absatz [0009] der Streitpatentschrift).

Das Streitpatent betrifft ausweislich seines einzigen unabhängigen Patentanspruchs 1 ein Bodenelement für den Frachtladebereich eines Flugzeugs mit folgenden Merkmalen:

1.

das Bodenelement dient zur Aufnahme und zum Verschieben von Fracht, 2.

das Bodenelement weist Aufnahmeöffnungen für Kugelelemente (17) oder Rollenkörper (50) und Rollenantriebseinheiten (6) (PDU) auf, 2.1 die Rollenantriebseinheiten (6) sind in die Bodenelemente (1, 5) integriert, 2.2 den Rollenantriebseinheiten (6) sind Drainagevorrichtungen (13) zugeordnet. (Oberbegriff)

3. Unterhalb der Bodenelemente (1, 5) sind wannenförmige Ansätze (10) angebracht, 3.1 der Boden (14) der wannenförmige Ansätze (10) umfasst eine Stufe (38), 3.2 in einen tiefer liegenden Bereich des Bodens (14) des wannenförmigen Ansatzes (10) ist die Drainagevorrichtung (13) aufgenommen, 3.3 in den wannenförmigen Ansätzen (10) sind die Rollenantriebseinheiten (6) auf Aufnahmesockeln (16) aufgenommen, 3.3.1 die Rollenantriebseinheiten sind in einem Neigungswinkel (42) in Bezug auf eine Bodenflächenebene (41) der Bodenelemente (1, 5) verkippt, 3.3.2 die Aufnahmesockel (16) weisen Planflächen (44) zur Befestigung der Rollenantriebseinheit (6) auf, 3.3.3 die Planflächen (44) sind bezogen auf die z-Richtung in unterschiedliche(n) z-Höhen (34, 35) gehalten.

(Kennzeichen)

2. Ein Bodenelement mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 des Streitpatents wird dem zuständigen Fachmann durch den Stand der Technik nach der offenkundigen Vorbenutzung in Verbindung mit seinem Fachwissen nahe gelegt.

Hier tätiger Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau mit Erfahrung auf dem Gebiet der Luftfahrttechnik und insbesondere auf dem Gebiet der Einbauten für Frachtflugzeuge.

Die Einsprechende hat im Jahre 1999 an die Firmen Q..., B... A... und C... S.A. ohne Geheimhaltungsauflagen Bodenelemente geliefert, die zu diesem Zeitpunkt in Flugzeuge dieser Firmen eingebaut wurden. Die gelieferten Gegenstände entsprachen denen, die in den von ihr vorgelegten Zeichnungen dargestellt sind. Änderungen in den Zeichnungen betrafen nicht den für die Beurteilung des Patents wesentlichen Teil des Bodenelements.

Aufgrund dieses -von der Patentinhaberin nicht bestrittenen -Sachverhalts steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die in den Zeichnungen dargestellten Bodenelemente vor dem Anmeldetag des Patents offenkundig waren.

Aus den von der Einsprechenden vorgelegten Zeichnungen SR 192 860 (D7a), 192 510 (D7b),192 572 (D7c) und 129 100 (D7d) ist -wie von der Einsprechenden ausgeführt -ein Bodenelement für den Frachtladebereich eines Flugzeugs zu entnehmen. Nach der Bezeichnung der Zeichnung D7a handelt es sich nämlich um die Anordnung von Antriebssystemen für den Frachtladebereich im Unterdeck eines Flugzeugs. In der Zeichnung D7a ist unten links die Draufsicht auf diesen Frachtladebereich gezeigt. Dabei sind im Bereich 'Cargo Door' Kugelmatten als Bodenelemente vorgesehen.

Die Kugelmatten sind gemäß Zeichnung D7a im Bereich 'Cargo Door' offensichtlich vorgesehen, um Fracht aufzunehmen und diese auch zu verschieben -Merkmal 1.

Wie der Zeichnung D7a, aber insbesondere auch der Zeichnung D7b (sowohl Draufsicht, als auch perspektivische Darstellung rechts unten) entnehmbar ist, weisen die Kugelmatten Aufnahmeöffnungen für Kugelelemente auf. Zeichnung D7d zeigt eine Rollenantriebseinheit (PDU) in verschiedenen Perspektiven. Diese Rollenantriebseinheit ist für die Montage in den Kugelmatten entsprechend Zeichnung D7a vorgesehen (siehe die zweite Detailzeichnung von links im oberen Bereich der Zeichnung D7a). -Merkmal 2.

Aus dieser vorher angeführten Detailzeichnung ist auch die Integration der Rollenantriebseinheiten 6 in die entsprechenden Bodenelemente 5 entnehmbar -Merkmal 2.1.

Die Zeichnung D7c zeigt einen wannenförmige Ansatz in perspektivischen Ansichten. Dabei ist der wannenförmige Ansatz in der linken Figur von unten dargestellt, während der rechten Figur das Wanneninnere zu entnehmen ist. Ausweislich der linken Figur weist der wannenförmige Ansatz eine als Drainagevorrichtung dienende Öffnung auf, durch die anfallendes Wasser ablaufen kann. Aus der vorher angeführten Detailzeichnung in der Zeichnung D7a ist die Aufnahme der Rollenantriebseinheit im wannenförmigen Ansatz gezeigt. Damit sind die Drainagevorrichtungen der jeweiligen Rollenantriebseinheit zugeordnet -Merkmal 2.2.

Die im Zusammenhang mit Merkmal 2.2 bereits angesprochenen wannenförmigen Ansätze sind in der Zeichnung D7c dargestellt. Der wannenförmige Ansatz ist im eingebautem Zustand der Zeichnung D7b (Seitenansicht, links) zu entnehmen. Die Seitenansicht (links) zeigt, dass die Wanne unterhalb des Bodenelements angebracht ist -Merkmal 3.

Aus der Zeichnung D7c ist zu entnehmen, dass der wannenförmigen Ansatz einen Boden aufweist, der, wie in beiden Figuren der Zeichnung D7c gezeigt, eine Stufe umfasst -Merkmal 3.1.

Aus der Zeichnung D7c, insbesondere aus der linken Figur, ist der wannenförmige Ansatz in einer perspektivischen Darstellung von unten gezeigt. Dabei ist, wie bereits unter Merkmal 2.2 erläutert, die Drainagevorrichtung als Öffnung erkennbar. Aufgrund der Stufe des Wannenbodens weist dieser einen gegenüber den anderen Bereichen des Wannenbodens tiefer liegenden Bereich auf (hierzu siehe insbesondere rechte Zeichnung). Dieser tiefer liegende Bereich weist die als Drainagevorrichtung dienende Öffnung auf (in der rechten Fig. teilweise verdeckt) -Merkmal 3.2.

Die Detailzeichnung in der Zeichnung D7a zeigt die Rollenantriebseinheit, die zur Befestigung in dem wannenförmigen Ansatz vorgesehen ist. Aus der Zeichnung D7c (rechts) ist zu entnehmen, dass der Wannenboden in Bezug auf eine Bodenflächenebene des Bodenelements in einen schräg verlaufenden Bereich und einen parallel dazu angeordneten Bereich aufgeteilt ist. Aus dieser Zeichnung ist somit in Verbindung mit Zeichnung D7d zu entnehmen, dass der Wannenboden einen schräg verlaufenden Bereich zur Befestigung der Rollenantriebseinheit aufweist, wobei der Befestigungsbereich allerdings abweichend vom Bodenelement gemäß Streitpatent nicht als mehrere Aufnahmesockel ausgebildet ist -Merkmal 3.3 teilweise.

Ausweislich der Zeichnungen D7a (Detailzeichnung), D7c und D7d sind die Rollenantriebseinheiten in eingebautem Zustand in einem Neigungswinkel in Bezug auf die Bodenflächenebene der Bodenelemente verkippt. Da die Rollenantriebseinheiten eine ebene Grundfläche aufweisen (vgl. Zeichnung D7d, oben, Mitte), ergibt sich durch deren Befestigung auf dem schräg verlaufenden Boden der wannenförmigen Ansätze eine entsprechende Schrägstellung der Rollenantriebseinheiten -Merkmal 3.3.1.

Aus der Zeichnung D7c (rechte Zeichnung) ist zu entnehmen, dass der Bereich zur Befestigung der Rollenantriebseinheit als plane Fläche ausgebildet ist -Merkmal 3.3.2.

Ausweislich der Zeichnung D7c (insbesondere rechte Fig.) ist diese plane Fläche schräg ausgebildet, so dass die Planfläche an den Befestigungsbereichen der Rollenantriebseinheit unterschiedliche z-Höhen aufweist -Merkmal 3.3.3.

Zu diesem bekannten Bodenelement verbleibt somit als einziger Unterschied des mit dem Streitpatent beanspruchten Bodenelements das Merkmal, dass die Rollenantriebseinheiten auf mehreren Aufnahmesockeln aufgenommen sind.

Darin liegt jedoch eine lediglich im fachmännischen Handeln liegende Abwandlung der bekannten Anordnung der Rollenantriebseinheit. Denn wenn der zuständige Fachmann feststellt, dass beim bekannten Bodenelement der Zulauf zur Ablauföffnung verstopfen kann, ist es eine naheliegende Maßnahme, die Antriebseinheit nicht unmittelbar auf dem Boden der Wanne, sondern erhöht in der Wanne anzuordnen, um einen ausreichenden Freiraum unter der Antriebseinheit zum Abfluss des Leckwassers zu schaffen. Als nächstliegende Möglichkeit zur Realisierung eines derartigen Freiraums bietet sich die Anordnung der Rollenantriebseinheit auf Aufnahmesockeln mit Planflächen an, die parallel zum Boden des wannenförmigen Ansatzes verlaufen.

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BPatG:
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Az: 9 W (pat) 347/04


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