Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. April 2001
Aktenzeichen: 5 W (pat) 419/00
(BPatG: Beschluss v. 11.04.2001, Az.: 5 W (pat) 419/00)
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegner wird der Beschluß des Deutschen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterabteilung I - vom 15. November 1999 aufgehoben.
Das Gebrauchsmuster 297 23 193 wird im Umfang der Schutzansprüche 4 und 6 gelöscht, soweit sie über die Schutzansprüche 4 und 6 in der am 22. Oktober 1999 eingereichten Fassung hinausgehen.
Im übrigen werden der Löschungsantrag und die Beschwerde der Antragstellerinnen zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug tragen die Antragsgegner zu 1/4 und die Antragstellerinnen zu 3/4. Die Kosten des Verfahrens im zweiten Rechtszug tragen die Antragstellerinnen.
Gründe
I Die Antragsgegner sind Inhaber des am 7. Mai 1998 in die Rolle eingetragenen, eine "Eislaufkufe" betreffenden Gebrauchsmusters 297 23 193. Das Gebrauchsmuster ist aus der europäischen Patentanmeldung 97 113 104.0 mit dem Anmeldetag 30. Juli 1997 abgezweigt. Für die europäische Patentanmeldung sind die Prioritäten vom 3. August 1996 und 14. Januar 1997 aus den beiden deutschen Gebrauchsmusteranmeldungen 296 13 965.3 und 297 00 477.8 in Anspruch genommen.
Die mit der Anmeldung am 11. März 1998 eingereichten Schutzansprüche 1 bis 8 liegen auch der Eintragung zugrunde. Sie lauten:
1. Eislaufkufe (10, 210, 12) für einen als Eislaufschuh nutzbaren Rollschuh vom Inline-Skates-Typ, dadurch gekennzeichnet, daß die Eislaufkufe mit einer einzigen Rundbohrung (222) und drei Langlöchern (216, 218, 220) versehen ist und daß die Rundbohrung (222) zwischen zwei Langlöchern (Figur 5) angeordnet ist.
2. Eislaufkufe nach Anspruch 1, mit wenigstens einem Fixierelement (12) zur Fixierung der Kufe (10, 12, 210), wobei sich das Fixierelement im wesentlichen über die gesamte Länge der Kufe erstreckt und vorzugsweise zwei als Paßstücke (129, 125) ausgebildete Fixierelemente vorgesehen sind, welche beidseitig an der Eislaufkufe anliegen und diese fixieren.
3. Eislaufkufe nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Länge der Langlöcher mit zunehmendem Abstand zur Rundbohrung zunimmt.
4. Eislaufkufe für einen als Eislaufschuh nutzbaren Rollschuh vom Inline-Skates-Typ mit einem Träger zur Aufnahme von mehreren Rollen, dadurch gekennzeichnet, daß die Eislaufkufe in dem kufenabgewandten Bereich wenigstens eine Rundbohrung oder eine Ausnehmung mit etwa der Breite einer Rundbohrung sowie ein oder mehrere Langlöcher oder offene Ausnehmungen länglicher Ausdehnung aufweist.
5. Eislaufkufe nach Anspruch 4, mit wenigstens einem Fixierelement zur Fixierung der Kufe, wobei sich das Fixierelement im wesentlichen über die gesamte Länge der Kufe erstreckt und vorzugsweise zwei als Paßstücke ausgebildete Fixierelemente vorgesehen sind, welche beidseitig an der Eislaufkufe anliegen und diese fixieren.
6. Eislaufkufe nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß drei Langlöcher oder drei nach oben offene Ausnehmungen länglicher Breite und eine Bohrung bzw eine Ausnehmung mit einem Durchmesser bzw Breite, die den üblichen Durchmesser eines Rollen-Haltebohrers nur geringfügig übersteigt, vorgesehen sind.
7. Eislaufkufe nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß zwischen den Löchern, Bohrungen oder Ausnehmungen Materialaussparungen in der Kufe vorgesehen sind.
8. Eislaufschuh oder Rollschuh vom Inline-Skates-Typ mit einer Eislaufkufe nach einem der vorhergehenden Ansprüche.
Die Antragstellerinnen haben am 26. November 1998 beim Deutschen Patentamt beantragt, das Gebrauchsmuster im Umfang der Ansprüche 1 und 3 sowie 4, soweit sich dieser auf die Alternative der Vorsehung von Rundbohrungen und Langlöchern bezieht, und der Ansprüche 6, 7 und 8, soweit diese auf die Ansprüche 1 oder 3 rückbezogen sind, zu löschen.
Die Antragstellerinnen haben die Schutzfähigkeit des Gebrauchsmustergegenstandes im angegriffenen Umfang bestritten. Sie haben geltend gemacht, daß die Antragsgegner die Priorität der Gebrauchsmusteranmeldung 296 13 965.3 nicht in Anspruch nehmen könnten.
Die Antragstellerinnen haben zum druckschriftlichen Stand der Technik zunächst die US-Patentschrift 5 320 366 genannt. Ferner haben sie unter Vorlage eines Prospekts (VA 92) der Firma S-Crash Sportartikel Produktions- und Vertriebsgesellschaft mbH eine offenkundige Vorbenutzung geltend gemacht; eine Eislaufkufe, wie sie in den Figuren 1 bis 3 des Streitgebrauchsmusters wiedergegeben ist, sei in den Tagen vor dem 13. August 1996 auf der ISPO 96 in München von den Antragsgegnerinnen neuheitsschädlich vorgestellt worden.
Die Antragsgegner haben dem Löschungsantrag widersprochen. Die Priorität aus der Gebrauchsmusteranmeldung 296 13 965.3 könne von ihnen in Anspruch genommen werden. Die öffentliche Zugänglichkeit der von den Antragstellerinnen behaupteten offenkundigen Vorbenutzung haben sie bestritten.
Die Gebrauchsmusterabteilung hat zunächst die Auffassung geäußert, daß die für das Streitgebrauchsmuster in Anspruch genommene Priorität wirksam sei. Die Frage der offenkundigen Vorbenutzung hat sie dahinstehen lassen, weil die US-Patentschrift 5 320 366 in Verbindung mit der von der Gebrauchsmusterabteilung noch zum Stand der Technik ermittelten deutschen Patentschrift 841 871 jedenfalls einen erfinderischen Schritt verneinen ließen.
Die Antragsgegner haben daraufhin am 22. Oktober 1999 neue Schutzansprüche 4 und 6 eingereicht. Diese lauten:
4. Eislaufkufe für einen als Eislaufschuh nutzbaren Rollschuh vom Inline-Skates-Typen mit einem Träger zur Aufnahme von mehreren Rollen, dadurch gekennzeichnet, dass die Eislaufkufe in dem kufenabgewandten Bereich wenigstens eine Ausnehmung mit etwa der Breite einer Rundbohrung sowie ein oder mehrere offene Ausnehmungen länglicher Ausdehnung aufweist (Figur 4).
6. Eislaufkufe nach einem der vorhergehenden Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, dass drei nach oben offene Ausnehmen länglicher Breite und eine Ausnehmung mit einem Durchmesser bzw Breite, die den Durchmesser eines Rollen-Haltebolzens nur geringfügig übersteigt, vorgesehen sind.
Die Antragstellerinnen haben zum Stand der Technik ergänzend auf die rumänische Patentschrift 58 386 verwiesen.
In der mündlichen Verhandlung vom 15. November 1999 haben die Antragsgegner das Streitgebrauchsmuster im Umfang der eingetragenen Schutzansprüche 1, 3, 7 und 8 sowie der Schutzansprüche 4 und 6 vom 22. Oktober 1999, hilfsweise im Umfang des Schutzanspruchs 1 vom 15. November 1999, der Schutzansprüche 4 und 6 vom 22. Oktober 1999 und der eingetragenen Schutzansprüchen 7 und 8 verteidigt. Sie haben ferner erklärt, daß eine Kufe entsprechend dem Streitgebrauchsmuster auf der ISPO im März 1996 zwar fertiggestellt, aber nicht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden sei. Eine Kufe nach den Figuren 1 bis 3 des Streitgebrauchsmusters sei nur ausgewählten Kunden gezeigt worden. Lediglich der von den Antragstellerinnen eingereichte Prospekt der Firma S-Crash sei auf der Messe gezeigt worden.
Aufgrund der mündlichen Verhandlung hat die Gebrauchsmusterabteilung das Gebrauchsmuster mit Beschluß vom 15. November 1999 im Umfang der eingetragenen Schutzansprüche 1 und 3 sowie 4, soweit sich dieser auf die Alternative der Vorsehung von Rundbohrungen und Langlöchern bezieht, und der Schutzansprüche 6, 7 und 8, soweit diese auf die Ansprüche 1 oder 3 rückbezogen sind, teilgelöscht, soweit sie über den Schutzanspruch 6 vom 22. Oktober 1999 hinausgehen.
In den Gründen des Beschlusses hat die Gebrauchsmusterabteilung ausgeführt, daß die Priorität aus der Gebrauchsmusteranmeldung 296 13 965 nicht wirksam beansprucht werden könne, weil zum einen das im kennzeichnenden Teil des eingetragenen Schutzanspruchs 1 des Streitgebrauchsmusters angegebene Merkmal lediglich aus der Zeichnung ersichtlich sei, ohne daß sich aus dem Gesamtzusammenhang der Unterlagen entnehmen ließe, daß diese Lösung in irgendeiner Weise Bedeutung gewinne. Zum anderen bezögen sich in der Voranmeldung die Schutzansprüche durchweg auf eine Eislaufkufe mit zwei seitlichen Paßstücken, während dieses Merkmal im Hauptanspruch des Streitgebrauchsmusters nicht wiederkehre. Das Gebrauchsmuster 296 13 965, das demnach außerhalb der Neuheitsschonfrist eingetragen und Stand der Technik geworden sei, könne dem Streitgebrauchsmuster neuheitsschädlich entgegengehalten werden. Der eingetragene Hauptanspruch sei deshalb zu löschen gewesen. Sein Gegenstand sei aber auch im Hinblick auf die US-Patentschrift 5 320 366 und die deutsche Patentschrift 841 871 zu löschen. Nur der Gegenstand des verteidigten Schutzanspruchs 6 sei schutzfähig. Die weiter angegriffenen Schutzansprüche beträfen nur einfache konstruktive Maßnahmen und seien deshalb nicht rechtsbeständig. Der Gegenstand des Gebrauchsmusters in der Fassung des Hilfsantrags vom 15. November 1999 sei aus diesen Gründen insoweit ebenfalls nicht zu halten.
Gegen diesen Beschluß haben die Antragstellerinnen Beschwerde, beschränkt auf den Kostenausspruch, eingelegt, wonach ihnen die Kosten zu 1/8 auferlegt worden sind.
Die Antragsgegner haben auch in der Hauptsache Beschwerde eingelegt. Sie machen geltend, daß die beanspruchten Prioritäten wirksam seien. Aus diesem Grund könne die von ihnen im übrigen auch bestrittene offenkundige Vorbenutzung auf der ISPO im März 1996 dem Streitgebrauchsmuster nicht neuheitsschädlich entgegengehalten werden. Im Vergleich mit der US-Patentschrift 5 320 366 und der deutschen Patentschrift 841 871 beruhe der Gegenstand des Gebrauchsmusters aber auf einem erfinderischen Schritt.
Die Antragsgegner beantragen, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und den Löschungsantrag unter Berücksichtigung der beschränkten Verteidigung, eingegangen am 22. Oktober 1999, zurückzuverweisen.
Die Antragstellerinnen beantragen, die Beschwerde der Antragsgegner zurückzuweisen, und beschwerdeführend überdies, die Kosten des 1. Rechtszugs unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses insoweit den Antragsgegnern aufzuerlegen.
Die Antragsgegner beantragen ergänzend, die Beschwerde der Gegenseite zurückzuweisen.
Die Antragstellerinnen sind der Auffassung, die Prioritätsanmeldung 296 13 965.3 und das Streitgebrauchsmuster beträfen unterschiedliche Gegenstände. Die Voranmeldung sei auf die Vorsehung von Paßstücken für eine Kufe, das Streitgebrauchsmuster auf ein bestimmtes Lochbild einer Kufe gerichtet. Im Hinblick auf die US-PS 5 320 366 beruhe der Gegenstand des Streitgebrauchsmusters nicht auf einem erfinderischen Schritt.
Die Beteiligten regen übereinstimmend die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu der Frage der Berechtigung der Inanspruchnahme der Priorität im Falle einer fortentwickelten Nachanmeldung an.
II Die Beschwerden sind zulässig. Die der Antragsgegner ist auch begründet. Denn der Löschungsantrag ist nur in dem Umfang begründet, in dem die Antragsgegner der Löschung nicht mehr widersprochen haben; im übrigen ist er unbegründet. Die Beschwerde der Antragstellerinnen ist dagegen sachlich nicht gerechtfertigt. Denn die Kostenauferlegung zu ihren Lasten, wie sie im angefochtenen Beschluß erfolgt ist, läßt sich nicht zu ihren Gunsten ändern; sie ist auf die Beschwerde der Antragsgegnerin vielmehr im Anschluß an die jetzt erfolgte anderweitige Entscheidung in der Hauptsache im entgegengesetzten Sinn abzuändern.
A.
Die Löschung des Gebrauchsmusters im Umfang der eingetragenen Schutzansprüche 4 und 6, soweit sie über die Schutzansprüche 4 und 6 in der Fassung vom 22. Oktober 1999 hinausgehen, folgt aus § 17 Abs 1 Satz 2 GebrMG. Denn insoweit haben die Antragsgegner ihren Widerspruch gegen die Löschung fallen gelassen. Der geltend gemachte Löschungsanspruch aus § 15 Abs 1 Nr 1 GebrMG wegen mangelnder Schutzfähigkeit des Gebrauchsmusters im übrigen ist nicht gegeben.
1. Die Antragsgegner können das Streitgebrauchsmuster im angegebenen Umfang verteidigen.
Die verteidigten Schutzansprüche sind zulässig. Die Schutzansprüche 1, 3, 6, 7 und 8 entsprechen jeweils den eingetragenen Schutzansprüchen. Die verteidigten Schutzansprüche 4 und 6 unterscheiden sich von den eingetragenen Schutzansprüchen 4 und 6 lediglich dadurch, daß jeweils die dort angegebene zweite alternative Ausführungsform mit Rundlöchern weggelassen ist, dh die Schutzansprüche 4 und 6 sind auf eine von ursprünglich zwei Ausführungsformen beschränkt worden.
2. Als Anmeldetag ist der Anmeldetag 30. Juli 1997 der europäischen Anmeldung 97 113 104.0 zugrundezulegen, aus der das Gebrauchsmuster abgezweigt worden ist. Für die Prüfung der Schutzfähigkeit ist allerdings der Altersvorrang aus der Prioritätsanmeldung 296 13 965.3 zu berücksichtigen. Denn die für die europäische Patentanmeldung beanspruchte Priorität aus der Gebrauchsmusteranmeldung 296 13 965.3 gilt auch für das Streitgebrauchsmuster.
Mit dem Schutzanspruch 1 des Streitgebrauchsmusters wird eine Eislaufkufe unter Schutz gestellt, wie sie in Figur 5 des Streitgebrauchsmusters dargestellt ist. Diese Kufe ist nicht nur identisch in Figur 4 der Prioritätsanmeldung, die eine "Variable Eislaufkufe zur Montage an Inline-Skates" betrifft, dargestellt. Vielmehr ist in der Beschreibung zu dieser Figur 4 angegeben, daß es sich um "die Seitenansicht der Eislaufkufe" handelt. Eine andere Eislaufkufe als die in Figur 4 dargestellte ist den Unterlagen der Prioritätsanmeldung aber nicht zu entnehmen. Damit läßt sich die Kufe in ihrer besonderen Ausgestaltung in der Prioritätsanmeldung nicht nur, wie die Gebrauchsmusterabteilung meint, "irgendwie" wiederfinden. Sie ist dort vielmehr als zur Erfindung gehörig offenbart.
Hierfür ist es ohne Bedeutung, daß im Schutzanspruch 1 der Prioritätsanmeldung die Kufe 1 nach Figur 4 nur in Verbindung mit Paßstücken 2 beansprucht ist. Schon aus der Form und der Lochanordnung der Paßstücke 2, die sich eindeutig an der in Figur 4 dargestellten Form der Kufe 1 orientieren, wird deutlich, daß es erfindungswesentlich auch auf die Lochanordnung der Kufe und nicht allein auf die daran angepaßten Paßstücke ankommt. Auf die technische Funktion der Langlöcher und der Bohrung ist in der Beschreibung im Zusammenhang mit Schutzanspruch 2 hingewiesen.
Das ergibt sich im übrigen auch aus den Schutzansprüchen 2 und 3 der Prioritätsanmeldung, in denen ausschließlich die Ausgestaltung der Kufe 1 beansprucht wird, und zwar ohne die Paßstücke. Hätten hier die Paßstücke nach der Lehre der Prioritätsanmeldung unabdingbar, wie die Antragstellerinnen vortragen, mit umfaßt sein sollen, so hätte zB der Schutzanspruch 2 lauten müssen:
"Eislaufkufe nach Schutzanspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Kufe 1 mit einer Bohrung und drei Langlöchern versehen ist."
Die Formulierung in den Schutzansprüchen 2 und 3
"daß sie mit .... versehen ist"
kann sich dagegen nur auf die Kufe 1 ohne Paßstücke beziehen. Damit wird für die Kufe 1 in den Schutzansprüchen 2, 3 der Prioritätsanmeldung selbständig als Erfindung Schutz beansprucht. Dem entspricht es, daß in Schutzanspruch 4 sodann die Paßstücke ihrerseits selbständig unter Schutz gestellt sind.
3. Es läßt sich nicht feststellen, daß die Gegenstände der angegriffenen Schutzansprüche im verteidigten Umfang nicht schutzfähig sind.
a) Da die Antragsgegner die Priorität vom 13. August 1996 der Gebrauchsmusteranmeldung 296 13 965.3 in Anspruch nehmen können, bleiben bei der Beurteilung der Schutzfähigkeit die Gebrauchsmuster 296 13 965 und 297 00 477, aber auch der Prospekt der Firma S-Crash sowie die geltend gemachten offenkundigen Vorbenutzungen außer Betracht. In der mündlichen Verhandlung ist von den Parteien übereinstimmend vorgetragen worden, daß sowohl der Prospekt wie auch die Vorbenutzungen auf die Antragsgegner zurückgehen und auf der ISPO am 6. August 1996 gezeigt wurden. Damit fallen der Prospekt und die Vorbenutzungen unter die Neuheitsschonfrist gemäß § 3 Abs 1 GebrMG, die den seit dem 13. Februar 1996 entstandenen Stand der Technik der Berücksichtigung bei der Schutzprüfung des Streitgebrauchsmusters entzieht.
b) Die Gegenstände der beiden selbständigen Schutzansprüche 1 und 4 sind gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu. Keine der im Verfahren befindlichen Entgegenhaltungen zeigt eine Eislaufkufe mit allen in diesen Schutzansprüchen angegebenen Merkmalen. Das ist von den Antragstellerinnen auch nicht in Zweifel gezogen worden.
c) Der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 beruht auch auf einem erfinderischen Schritt.
Bei der Beurteilung des erfinderischen Schritts ist als Durchschnittsfachmann ein mit der Herstellung und Konstruktion von Rollschuhen des Inline-Skates-Typs befaßter Konstrukteur mit Fachhochschulausbildung und mehrjähriger einschlägiger Erfahrung anzusehen. Als dem Gegenstand des Schutzanspruchs 1 nächstkommender Stand der Technik ist die US-Patentschrift 53 20 366 anzusehen. Diese zeigt in Figur 6 eine Eislaufkufe für einen als Eislaufschuh nutzbaren Rollschuh von Inline-Skates-Typ mit einer Rundbohrung vorne und drei Langlöchern dahinter (Sp 7, Z 2 bis 6). Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Schutzanspruchs 1 hiervon durch die Anordnung der Löcher, also dadurch, daß die Rundbohrung nicht vorne, sondern zwischen zwei Langlöchern angeordnet ist.
Für diese spezielle Anordnung der Löcher bekommt der Fachmann aus dem Stand der Technik jedoch keine Anregung. Denn auch die weiteren noch ins Verfahren eingeführten Druckschriften, die deutsche Patentschrift 841 871 und die rumänische Patentschrift 58 386, vermitteln dem Fachmann die Lehre, die Rundbohrungen vorne an der Kufe anzuordnen. Gemäß Figur 4 der deutschen Patentschrift 841 871 sind am vorderen Ende der Kufe zwei Rundbohrungen, und gemäß Figur 1 der rumänischen Patentschrift drei Rundbohrungen, und jeweils am hinteren Ende nur ein Langloch vorgesehen. Durch diese Ausgestaltungen kann der Fachmann nicht auf den Gedanken gebracht werden, bei der Eislaufkufe gemäß Figur 6 der US-Patentschrift 5 320 366 die Lochanzahl zwar grundsätzlich beizubehalten, die Lochanordnung jedoch so zu verändern, daß die Rundbohrung zwischen zwei Langlöchern zu liegen kommt.
Eine solche Anregung erhält der Fachmann auch nicht durch die US-Patentschrift 5 320 366 selbst, etwa bei gemeinsamer Betrachtung der Figur 6 und des Anspruchs 9, wie die Antragstellerinnen in der mündlichen Verhandlung geltend gemacht haben, denn die Anordnung einer Rundbohrung zwischen zwei Langlöchern geht auch hieraus nicht hervor.
Die Anordnung der Rundbohrung zwischen zwei Langlöchern begründet, wie die Antragsgegner in der mündlichen Verhandlung überzeugend dargelegt haben, technische Vorteile. Die Langlöcher, durch die ermöglicht wird, daß die Kufe von praktisch allen gängigen Rollschuhen vom Inline-Skates-Typ aufgenommen werden können (vgl S 2, Abs 2 des Streitgebrauchsmusters), können nämlich kürzer ausgebildet werden. Ferner fällt die Fixierung in der Rundbohrung, in der keine relative Verschiebung der Kufe zum Schuh möglich ist, in den Schwerpunktsbereich der aus dem Gewicht des Fahrers herrührenden Krafteinleitung in die Kufe. Daß die Fachwelt sich bei den Lösungen nach dem entgegengehaltenen Stand der Technik diese Vorteile gleichwohl nicht zu nutze gemacht hat, ist als Beleg dafür zu werten, daß es eines erfinderischen Schritts bedurfte, um zum Gegenstand des Anspruchs 1 zu gelangen.
d) Der Gegenstand des Schutzanspruchs 4 beruht ebenfalls auf einem erfinderischen Schritt.
Im Anspruch 4 verteidigen die Antragsgegner lediglich noch die Alternative, bei der anstelle einer Rundbohrung und von Langlöchern entsprechende Ausnehmungen vorgesehen sind, wie dies in Figur 4 des Streitgebrauchsmusters dargestellt ist. Derartige Ausnehmungen in einer Eislaufkufe finden sich im gesamten Stand der Technik nicht, so daß der Fachmann hierdurch auch keinen Anstoß für die Ausbildung einer derartigen Eislaufkufe erhalten konnte.
e) Die Schutzansprüche 3, 6, 7 und 8 betreffen weitere Ausgestaltungen der Eislaufkufe nach dem Anspruch 1 bzw dem Anspruch 4, die nicht selbstverständlich sind. Diese Schutzansprüche haben somit ebenfalls Bestand.
B.
Die Kostenentscheidung für den ersten Rechtszug folgt aus § 17 Abs 4 GebrMG iVm § 84 Abs 2 PatG, § 92 Abs 1 ZPO. Bezogen auf ihre ursprüngliche Verteidigung des Gebrauchsmusters müssen die Antragsgegner einen Kostenanteil entsprechend der Minderung des gemeinen Wertes hinnehmen, der sich durch die Löschung nach § 17 Abs 1 Satz 2 GebrMG ergeben hat. Die Antragstellerinnen haben die restliche Quote als insoweit Unterliegende zu tragen. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.
Für die Zulassung der von den Parteien beantragten Rechtsbeschwerde hat der Senat keine Veranlassung gesehen, da, wie vorstehend dargelegt, das Streitgebrauchsmuster dieselbe Erfindung betrifft, die bereits in der Prioritätsanmeldung 296 13 965.3 als erfindungswesentlich offenbart ist. Die Frage der Berechtigung der Inanspruchnahme der Priorität im Falle einer fortentwickelten Nachanmeldung stellt sich nicht. Denn die mit dem Streitgebrauchsmuster nachangemeldete Erfindung ist gegenüber der Prioritätsanmeldung keine Fortentwicklung.
Die Kostenentscheidung zum Beschwerderechtszug beruht auf § 18 Abs 3 iVm § 84 Abs 2 PatG, §§ 91, 97 ZPO. Nur die Antragsgegner, nicht die Antragstellerinnen haben mit ihrer Beschwerde Erfolg gehabt. Die Billigkeit erfordert keine andere Entscheidung.
Goebel Riegler Trüstedt Be
BPatG:
Beschluss v. 11.04.2001
Az: 5 W (pat) 419/00
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