Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 6. Dezember 2005
Aktenzeichen: 11 U 26/05
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 06.12.2005, Az.: 11 U 26/05)
Gründe
I. Die Parteien musizieren seit dem Jahr 1993 gemeinsam. Im Jahr 2001 erschien bei X ihre Doppel-CD €Y€. Darüber hinaus wurden auch weitere gemeinsame Aufnahmen veröffentlicht.
Der Kläger erstritt vorliegend in dem diesem Verfahren vorausgehenden einstweiligen Verfügungsverfahren (11 U 28/04) gegenüber dem Beklagten ein Verbreitungsverbot für eine CD mit den sieben Liedern €A ...€, €B€, €C€, €D€, €E€, €F€ und €G€. Diese Lieder, von denen €F€ und €D" bereits auf der ersten CD enthalten waren, sollten vom Kläger arrangiert und vom Beklagten interpretiert auf einer CD unter dem Künstlernamen des Beklagten €Z ...€ im Jahr 2002 neu eingespielt und dann veröffentlicht werden. Nach Abschluss der gemeinsamen Studioarbeiten, bei denen die Lieder auf Tonträger aufgenommen worden waren, kam es zwischen den Parteien zum Streit über die Verwertung. Im Jahr 2003 bemusterten beide Parteien Dritte - einen Musikverlag sowie einen Radiosender, der die CD auch in seinem Programm abspielte - mit dem Masterband der streitgegenständlichen Aufnahmen. Zum Abschluss eines Verlagsvertrages kam es nicht. Im gleichen Jahr erwarb der Beklagte die Nutzungsrechte an den streitgegenständlichen Aufnahmen bei der GEMA und zahlte die insoweit in Rechnung gestellten Lizenzgebühren. Der Kläger hält die in der Folgezeit vom Beklagten vorgenommene Vervielfältigung und -zum Teil kostenlose- Vertreibung der CD für urheberrechtswidrig.
Schon im einstweiligen Verfügungsverfahren hatte der Beklagte zu seiner Rechtsverteidigung darauf hingewiesen, der Kläger habe mit der GEMA einen Berechtigungsvertrag abgeschlossen und die Lieder dort auch zur Verwertung angemeldet. Nunmehr ist im Hauptsacheverfahren in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darüber hinaus unstreitig geworden, dass beide Parteien Berechtigungsverträge abgeschlossen haben und die Werkanmeldung der streitgegenständlichen Lieder auf der Grundlage einer entsprechenden Absprache der Parteien durch den Kläger unter Angabe der Miturheberschaft des Beklagten erfolgt ist.
Der Streit zwischen den Parteien im Tatsächlichen reduziert sich darauf, dass der Kläger behauptet, entgegen der Darstellung des Beklagten habe er die Zustimmung zur Verbreitung der CD durch den Beklagten im Eigenverlag nicht erteilt und immer darauf bestanden, dass eine Verbreitung nur im Wege eines professionellen Verlagsvertrages in Betracht komme. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage als unschlüssig angesehen, weil der Beklagte von der GEMA die einfachen Nutzungsrechte zur Aufnahme der Lieder auf Tonträger und zu deren Vervielfältigung und Verbreitung erworben habe. Der Kläger habe durch den Abschluss seines Berechtigungsvertrages die Rechte zur Aufnahme auf Tonträger sowie die Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte auf die GEMA übertragen. Daher habe der Beklagte von der GEMA wirksam die entsprechenden einfachen Nutzungsrechte zur Herstellung und Verbreitung der CD erworben. Der Beklagte dürfe wie jeder andere Tonproduzent unabhängig von seiner Stellung als Miturheber die CD veröffentlichen. Auf eine Zustimmung des Klägers nach § 8 UrhG komme es nicht mehr an.
Mit seiner fristgerecht eingelegten Berufung, mit der der Kläger die erstinstanzlich abgewiesenen Anträge weiterverfolgt, macht er geltend: Das Landgericht verkenne, dass § 8 UrhG im Innenverhältnis zwischen den Miturhebern unabhängig davon gelte, welche Rechtsverhältnisse einer von ihnen im Außenverhältnis gegenüber der GEMA begründet habe. Der Abschluss des Berechtigungsvertrages ändere an der durch § 8 Abs. 2 S. 1 UrhG begründeten notwendigen gemeinsamen Entscheidung im Innenverhältnis nichts. Auch ein Dritter habe vorliegend nicht das Recht erwerben können, bereits veröffentlichte, aber noch nicht auf Tonträger erschienene Werkstücke zu vervielfältigen und zu verbreiten, weil dies eine Zustimmung beider Urheber voraussetze. Denn nur die Urheber könnten gemeinsam über die Erstverwertung der Werke entscheiden, während der GEMA-Berechtigungsvertrag lediglich die Zweitverwertung der sog. mechanischen Rechte betreffe. Darüber hinaus sei auch die Zweitverwertung über die GEMA nur professionellen Tonträgerherstellern eingeräumt, nicht dagegen Autoren im Selbstverlag. Eine Wahrnehmung der mechanischen Erstverwertungsrechte durch die GEMA sei unüblich und im Zweifel nicht dem Wahrnehmungsvertrag zu entnehmen. Darüber hinaus gäben die sog. mechanischen Rechte keine Berechtigung zur Nutzung der konkreten Aufnahme, da dem die Rechte des Klägers als Arrangeur entgegenstünden. Schließlich habe der Beklagte auch keinen Beweis für die behauptete Zustimmung des Klägers zur Verbreitung der streitgegenständlichen CD erbracht.
Der Kläger beantragt
1. Das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12. Mai 2005 (Az. 2-03 O 579/04) wird aufgehoben.
2. Dem Beklagten und Berufungsbeklagten wird bei Vermeidung eines in jedem Falle der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zum Betrag von € 250.000, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, untersagt, Tonträger mit den Liedern €A ...€, B€, €C€, €D€, E€, €F€, und€ G€, insbesondere die Compact Disk €Z € € €€, entgeltlich oder unentgeltlich zu verbreiten.
3. Dem Beklagten und Berufungsbeklagten wird auferlegt, Auskunft zu geben über die Stückzahl der von ihm ohne Einwilligung des Antragsgegners verbreiteten CDs €Z € €€ mit den Liedern €A...€, €B€, €C€, €D€, €E€, €F€, und €G€, sowie Rechnung zu legen über die Stückzahl der von ihm unentgeltlich und entgeltlich verbreiteten Tonträger mit diesen Liedern.
4. Der Beklagte und Berufungsbeklagte wird verurteilt, an den Kläger und Berufungskläger € 450 zu zahlen.
5. Es wird festgestellt, dass der Beklagte und Berufungsbeklagte verpflichtet ist, dem Kläger und Berufungskläger allen über Ziff. 4 hinausgehenden Schaden zu ersetzen, der diesem durch die Zuwiderhandlungen entstanden ist und zukünftig noch entstehen wird.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil.
Der Kläger könne sich nicht mehr auf § 8 UrhG berufen, weil er seine Verwertungsrechte gem. § 8 Abs. 2 S. 1 UrhG mit Abschluss des Berechtigungsvertrages in Form von einfachen Nutzungsrechten zur treuhänderischen Wahrnehmung auf die GEMA übertragen habe. Nachdem der Kläger selbst die Werke zur Wahrnehmung bei der GEMA angemeldet und der Beklagte die zur Verwertung erforderlichen Lizenzrechte erworben habe, stehe dem Kläger ein Verbietungsrecht nicht mehr zu.
II. Die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Die geltend gemachten Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz (§§ 97, 15, 17, 8 Abs. 2 UrhG) sowie auf Auskunft (§ 101 a Abs. 2, Abs. 3 UrhG) stehen dem Kläger nicht zu.Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht festgestellt, dass der Beklagte von der GEMA die einfachen Nutzungsrechte an den streitgegenständlichen Aufnahmen, die zu ihrer Vervielfältigung und Verbreitung berechtigen, erworben hat.
1. Nicht zutreffend ist allerdings die Auffassung des Beklagten, infolge der Veröffentlichung der streitgegenständlichen Titel durch Abspielen eines Radiosenders auf Las Palmas bzw. der öffentlichen Lieddarbietung bedürfe es einer Einwilligung des Klägers in die Verbreitung der streitgegenständlichen Aufnahmen nicht mehr; insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf das Senatsurteil im einstweiligen Verfügungsverfahren (Ziffer I. 3.) Bezug genommen.
2. Nicht tragfähig ist auch die Auffassung des Landgerichts, der Kläger habe bereits durch den Abschluss des Berechtigungsvertrages mit der GEMA die Rechte zur Aufnahme auf Tonträger sowie die Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte auf die GEMA als Treuhänderin übertragen.
Zwar enthält § 1 des Berechtigungsvertrages mit der GEMA die Regelung, dass €der Berechtigte.... der GEMA als Treuhänderin.... alle ihm gegenwärtig zustehenden und während der Vertragsdauer noch zuwachsenden, zufallenden, wieder zufallenden oder sonst erworbenen Urheberrechte... überträgt€. Der Kläger hat damit jedoch seine an § 97 UrhG anknüpfenden urheberrechtlichen Ansprüche gegenüber dem Beklagten noch nicht verloren. Der Beklagte verkennt insoweit grundsätzlich die im Hinblick auf die gemeinschaftliche Schaffung der Werke aus § 8 UrhG folgenden Konsequenzen.
2.1 Nach dem Vortrag der Parteien handelt es sich bei den streitgegenständlichen Aufnahmen um jeweils urheberrechtsfähige einheitliche Werke, die sie gemeinsam geschaffen haben; darauf, dass der Kläger Arrangeur, der Beklagte allein ausübender Künstler sein sollte, kommt es unter urheberrechtlichen Gesichtspunkten in diesem Zusammenhang nicht an. Mit der Werkschöpfung als Realakt ist zwischen den Parteien im Innenverhältnis nach § 8 Abs. 1 UrhG ein gesetzliches Schuldverhältnis in Form einer Verwertungsgemeinschaft mit den sich aus § 8 Abs. 2 € Abs. 4 UrhG ergebenden Rechten und Pflichten begründet worden. Dieses gesetzliche Schuldverhältnis wird zwar durch urheberrechtliche Grundsätze bestimmt, ist jedoch in bestimmten vermögensrechtlichen Beziehungen den Regeln der Gesamthandsgemeinschaft unterstellt (Schack, Urheber- und Urhebervertragsrecht, 2. Aufl., § 10 Rn. 283 ff.; Thum in: Wandtke/Bullinger, Praxiskommentar zum Urheberrecht, § 8 Rn. 21; Ahlberg in: Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl. Rn. 25). Da die Entstehung der Gesamthandsgemeinschaft gemäß § 8 Abs. 2 UrhG zwingendes Recht ist, können die Parteien ihre gemeinschaftlich geschaffenen Werke nur gemeinsam veröffentlichen oder verwerten (vgl. auch Amtliche Begründung, M. Schulze, Materialien 426). Daraus folgt für das Außenverhältnis der Gesamthandsgemeinschaft notwendig, dass die Verwertung des gemeinsamen Werkes einschließlich jeder darauf gerichteten Verwaltungsmaßnahme grundsätzlich eines einstimmigen Beschlusses aller Miturheber bedarf (Nordemann in: Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 8. Aufl., § 8 Rn. 17; Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, 2. Aufl., § 8 Rn. 3 m. w. N.; Dreier/Schulze, UrhG, § 8 Rn. 16).
2.2Davon ausgehend ist die Auffassung des Beklagten, bereits aus dem Abschluss eines Berechtigungsvertrages des Klägers mit der GEMA folge, dass die Verwertungsrechte an den streitgegenständlichen Kompositionen auf die GEMA übertragen worden wären, unzutreffend.
a) Der Kläger konnte allein mit seinem mit der GEMA geschlossenen Berechtigungsvertrag die Nutzungsrechte der Miturhebergemeinschaft schon unter Berücksichtigung von § 714 BGB nicht wirksam übertragen. Aus § 714 BGB folgt nämlich, dass die Gesamthandsgemeinschaft im Außenverhältnis grundsätzlich nur durch alle Miturheber gemeinsam vertreten werden kann (Thum in: Wandtke/Bullinger, a. a. O., Rn. 32 m. w. N.). Der Beklagte behauptet indes selbst nicht, dass der Kläger bei Abschluss des Berechtigungsvertrages mit der GEMA als Vertreter der Gesamthandsgemeinschaft aufgetreten wäre. Ebenso wenig konnte der Kläger seinen gesamthänderisch gebundenen Anteil an den Nutzungsrechten der Miturhebergemeinschaft wirksam auf die GEMA übertragen. Miturheber können zwar jeweils getrennte Berechtigungsverträge hinsichtlich in Miturheberschaft geschaffener Werke abschließen, zumal die GEMA ihrerseits gemäß § 7 UrhWG die Anteile mehrerer Berechtigter von sich aus unter diesen aufteilen kann (vgl. Thum in: Wandtke/Bullinger, a. a. O. § 8 Rn. 30). Wirksamkeitsvoraussetzung einer Verfügung über den Anteil und damit einer Verwertung des Anteils durch die GEMA ist indes immer die auf einem gemeinsamen Beschluss der Miturheber beruhende Übertragung der Nutzungsrechte der Miturhebergemeinschaft. Dass die Parteien einen solchen Beschluss bereits vor oder im Zeitpunkt des Abschlusses des Berechtigungsvertrages des Klägers mit der GEMA getroffen hätten, hat der Beklagte nicht behauptet.
b) Die Annahme, allein mit dem Wahrnehmungsvertrag mit der GEMA habe der Kläger wirksam über die gemeinsam geschaffenen Kompositionen verfügt, scheitert im Übrigen an dem sachenrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz. Der Bestimmtheitsgrundsatz verlangt eine Verfügung hinsichtlich eines konkreten Werkes. Insoweit ergibt sich aus dem vorgelegten Berechtigungsvertrag des Beklagten ebenso wie aus dem GEMA- Mustervertrag (2002), dass in diesen Vertragsformularen keineswegs mit der erforderlichen Bestimmtheit über Nutzungsrechte an konkreten Werken verfügt wird. Abgesehen davon ist diesbezüglich weder dargelegt und noch sonst ersichtlich, dass im Zeitpunkt des Abschlusses des Wahrnehmungsvertrages durch den Kläger die streitgegenständlichen Werke schon geschaffen waren.
Dass auch aus der Perspektive der Wahrnehmungsgesellschaft aus der bloßen Mitgliedschaft bei der GEMA nicht folgt, dass das Nutzungsrecht an jedem Werk des Mitglieds schon auf Grund des Berechtigungsvertrages auf die GEMA übertragen wäre, ergibt sich im Tatsächlichen schon aus der eigenen Internetdarstellung der GEMA. Die Wahrnehmungsgesellschaft stellt dort selbst auf die Werkanmeldung ab, indem sie darauf hinweist, dass grundsätzlich nur Werke bei ihr angemeldet werden sollten, für die auch ein Aufkommen zu erwarten ist. Eine dem Bestimmtheitsgrundsatz genügende ausreichend bestimmte Verfügung über die streitgegenständlichen Aufnahmen ist daher erst in der auf der Grundlage des Berechtigungsvertrages erfolgenden konkreten Werkanmeldung enthalten.
3.Erst die Werkanmeldung durch den Kläger konnte daher eine wirksame Übertragung der Verwertungsrechte an den streitgegenständlichen Aufnahmen auf die GEMA zur Folge haben. Die in der Werkanmeldung liegende Verfügung des Klägers über die Verwertungsrechte wäre allerdings € wovon noch im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Grund des nicht vollständigen Sachvortrags auszugehen war- schwebend unwirksam gewesen (vgl. BGHZ 13, 179; Staudinger/Habermeier, BGB, 13. Bearbeitung, 2003, § 719 Rn. 8 ff., 10), wenn sie nicht auf einem gemeinsamen Beschluss der Parteien gründete bzw. der Beklagte nachträglich seine Zustimmung zur Werkanmeldung erteilt hätte. Jedoch ist nunmehr in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat unstreitig geworden, dass die Werkanmeldung der streitgegenständlichen Werke bei der GEMA durch den Kläger auf einem gemeinsamen Beschluss der Miturheber beruhte. Dies hat zur Konsequenz, dass wegen der vertraglichen Bindung der Parteien im Rahmen ihrer Berechtigungsverträge mit der GEMA einerseits und durch die auf einen gemeinsamen Beschluss gründende Werkanmeldung der streitgegenständlichen Aufnahmen andererseits die Verwertungsrechte der Miturhebergemeinschaft wirksam auf die GEMA übertragen worden sind.
4.Haben aber die Parteien die Verwertungsrechte wirksam auf die GEMA übertragen, so hat der Beklagte - wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat- das einfache Nutzungsrecht, das die Befugnis zur unveränderten Vervielfältigung und Verbreitung des geschützten Werkes in seiner konkreten Formgestaltung beinhaltet, von der GEMA wirksam erworben.
4.1Die Wahrnehmungsbefugnis der Verwertungsgesellschaft ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht auf bestimmte Urheberrechte beschränkt. Es müssen nicht lediglich Zweitverwertungsrechte (beispielsweise §§ 21, 22 UrhG), sondern es können auch die Erstverwertungsrechte übertragen werden (Dreier/Schulze, a.a.O., § 1 UrhWG Rn. 7). Erstverwertungsrechte werden allerdings in der Regel dann nicht eingeräumt, wenn im Wege individueller Rechtewahrnehmung höhere Einnahmen erzielt werden können. Maßgebend ist insoweit immer der Berechtigungsvertrag, mit welchem der Urheber seine Rechte oder Teile davon der GEMA zur Wahrnehmung überlässt (Schulze, ZUM 1993, 255,258).Die Argumentation der Berufungsbegründung, €Erstverwertungsrechte€ gingen jedenfalls nicht auf die GEMA über, wenn €noch gar kein professioneller Tonträgerhersteller tätig geworden ist€, geht an der Sache vorbei. Natürlich steht dem Urheber das Erstverwertungsrecht zu; überträgt er aber die Nutzungsrechte, ohne zuvor etwa im Rahmen eines Verlagsvertrages die Erstverwertungsrechte exklusiv auf einen anderen Vertragspartner übertragen zu haben, mit der Werkanmeldung auf der Grundlage eines Berechtigungsvertrages auf die GEMA, verlieren er bzw. die Miturhebergemeinschaft ihre Verfügungsrechte hinsichtlich des ausschließlichen Nutzungsrechts. Insoweit enthalten die vorgelegten Berechtigungsverträge weder in ihrer früheren noch in ihrer Fassung aus dem Jahr 2002 hinsichtlich der treuhänderischen Übertragung der Wahrnehmungsrechte auf die GEMA eine Einschränkung hinsichtlich der Erstverwertungsrechte. Auch diese sind daher auf die GEMA übertragen. Nach dem Berechtigungsvertrag nimmt die GEMA auch die sogenannten mechanischen Rechte wahr, nämlich nach lit. h €die Rechte der Aufnahme auf Ton-, Bildton-, Multimedia- und anderen Datenträger einschließlich zum Beispiel Speichercard, DataPlay Disc, DVD, ..., sowie die Vervielfältigungs- und Verbreitungsrechte an diesen Trägern€. Davon ausgenommen sind nach § 1 lit. i lediglich die Rechte zur Benutzung eines Werkes zur Herstellung von Filmwerken oder jeder anderen Art von Aufnahmen auf Bildtonträgern sowie jeder anderen Verbindung von Werken der Tonkunst mit Werken anderer Gattungen. Um diesen Ausnahmetatbestand geht es vorliegend nicht. Deshalb ist jeder, der die vorstehend genannten Rechte im Sinne von § 1 lit. h von der GEMA zur Nutzung erhält, berechtigt, die Musik in ihrer konkreten Formgestaltung, das heißt unverändert und vollständig aufgenommen, zu vervielfältigen und zu verbreiten. Schließt der Urheber mit der GEMA einen Berechtigungsvertrag, so hat er hinsichtlich dieser Rechte daher keinen Einfluss mehr darauf, wem die GEMA die Werknutzung gestattet. Während er bei den ihm verbliebenen Rechten selber entscheiden kann, ob der jeweilige Nutzer die Gewähr bietet, seine geistigen und persönlichen Beziehungen zum Werk zu achten, verliert er hierfür bei den von der GEMA wahrgenommenen Rechten jeglichen Einfluss und jegliche Kontrolle. Das ist der Grund, weshalb der GEMA im Berechtigungsvertrag gerade wegen ihres Kontrahierungszwangs und im Hinblick auf die geistigen und persönlichen Beziehungen des Urhebers zu seinem Werk lediglich solche Rechte übertragen werden, bei denen das Werk nur in seiner konkreten Formgestaltung, das heißt nur mit dem vom Urheber für die Öffentlichkeit vorgesehenen Gesamteindruck genutzt werden darf (vgl. Schulze, ZUM 1993, 258f). Um diese Rechte geht es vorliegend und diese Rechte hat der Beklagte wirksam erworben. Dass die in der Werkanmeldung der streitgegenständlichen Aufnahmen enthaltene Verfügung des Klägers über seine Rechte, die die Verwertung durch die GEMA bezweckte, auch eventuell in seiner Person entstandene Urheberrechte als Arrangeur oder Tonträgerhersteller erfasste, versteht sich auf diesem Hintergrund von selbst. Mit der Auffassung des Klägers, unter Berücksichtigung der Zweckübertragungstheorie sei der Umfang der auf die GEMA übertragenen Rechte auf die Zweitverwertungsrechte beschränkt, hat sich bereits das Landgericht zutreffend auseinandergesetzt. Der Kläger verkennt, dass sich die von ihm in Bezug genommene Entscheidung des BGH (GRUR 2000, 228ff) auf eine Problemstellung im Rahmen von § 1 lit i des Berechtigungsvertrages bezieht und für die vorliegend zu entscheidende Problematik keine Bedeutung erlangt. Nach § 11 UrhWG ist die GEMA daher verpflichtet, aufgrund der von ihr wahrgenommenen Rechte jedermann auf Verlangen zu angemessenen Bedingungen Nutzungsrechte einzuräumen. Dem hat die von der GEMA zugunsten des Beklagten vorgenommene Lizenzierung Rechnung getragen. Der Beklagte hat gegen Entgelt die einfachen Nutzungsrechte erhalten. Dem Kläger stehen daher keine Verbietungsansprüche mehr zu, soweit der Beklagte von diesen Verwertungsrechten Gebrauch macht. Mangels Unterlassungsanspruchs stehen dem Kläger auch weder ein Anspruch auf Auskunft noch auf Schadensersatz zu.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 97, 708 Nr. 10, 711 ZPO.Für die Zulassung der Revision fehlt es an den gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 ZPO.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 06.12.2005
Az: 11 U 26/05
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