Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 26. Oktober 1995
Aktenzeichen: 4 0 349/94 U.

(LG Düsseldorf: Urteil v. 26.10.1995, Az.: 4 0 349/94 U.)

Tenor

I.

Die Beklagte wird verurteilt,

es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzen­den Ordnungsgeldes bis zu 500.000,— DM -ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ord­nungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wie­derholter Zuwiderhandlung bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen,

geschichtete Metalldichtungen, bestehend aus zwei Grundplatten, von denen jede aus einer elastischen Metallplatte hergestellt und mit einer Sicke versehen ist, um eine Brennkammeröffnung zu umgeben, und einem Zwischenelement zwischen beiden Grundplat­ten, wobei die Sicken der Grundplatten in Bezug auf das Zwischenelement symmetrisch

angeordnet sind und ein Umfangsrandab-schnitt des Zwischenelements, welcher sich benachbart zu besagter Brennkammeröffnung befindet, umgebogen ist, um einen Kompen­sationsabschnitt zu bilden, der eine vor­bestimmte Dicke aufweist,

herzustellen, anzubieten, in Verkehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den ge­nannten Zwecken einzuführen oder zu besit­zen,

bei denen an dem Zwischenelement ein ge­kröpfter Kompensationsabschnitt so ausge­bildet ist, daß an den beiden gegenüber­liegenden Seiten des der Brennkammeröff­nung benachbarten Randabschnitts des Zwi­schenelements je ein Absatz (Stufe) zwischen einer Seite des Kompensationsabschnitts und einer Seite des Zwischenelements ausgebildet ist und der erste Absatz etwa gleich dem zweiten Absatz ist;

2.

der Klägerin darüber Rechnung zu legen in welchem Umfang sie die zu 1. bezeichneten Handlungen seit dem 8. Mai 1992 begangen hat, und zwar unter Angabe

a)

der Herstellungsmengen und -Zeiten,

b)

der einzelnen Lieferungen, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -Zeiten und -preisen

sowie den Namen und Anschriften der Abneh­mer,

c)

der einzelnen Angebote, aufgeschlüsselt nach Angebotsmengen, -Zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der Ange-botsempfänger,

d)

der nach den einzelnen Kostenfaktoren auf­geschlüsselten Gestehungskosten und des erzielten Gewinns,

wobei der Beklagten vorbehalten bleibt, die Namen und Anschriften der Angebotsemp­fänger statt der Klägerin einem von der Klägerin zu bezeichnenden, ihr gegenüber zur Verschwiegenheit verpflichteten verei­digten Wirtschaftsprüfer mitzuteilen, so­fern die Beklagte dessen Kosten trägt und ihn ermächtigt und verpflichtet, der Klä­gerin auf konkrete Anfrage mitzuteilen, ob ein bestimmter Angebotsempfänger in der Aufstellung enthalten ist.

II.

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Scha­den zu ersetzen, der dieser durch die zu der Ziffer I. 1. bezeichneten, seit dem 8. Mai 1992 begangenen Handlungen entstanden ist und noch entstehen wird.

III.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Be­klagte .

IV.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 300.000,— DM vorläufig voll­streckbar .

Die Sicherheitsleistung kann auch durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland nieder­gelassenen als Zoll- und Steuerbürgin an­erkannten Bank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.

Tatbestand

Die Klägerin ist Inhaberin einer ausschließlichen Lizenz an dem deutschen Teil des europäischen Patents X (Klagepatent, Anlage 1, 1 a) , das - unter Inanspruchnahme japanischer Prioritäten vom 5. September 1987 und 11. September 1987 - am 23. August 1988 angemeldet, dessen Anmeldung am 15. März 1989 veröffentlicht und dessen Erteilung am 8. April 1992 im Patentblatt bekanntgemacht worden ist. Das Klagepatent betrifft eine geschichtete Metalldichtung insbesondere für Zylinderköpfe von Ver­brennungsmotoren. Patentanspruch 1 hat in der maßgebli­chen - englischen - Verfahrenssprache folgenden Wortlaut:

"A laminated metallic gasket provided with two base plates (4, 6) each made from an elastic metal plate on which a bead (18, 20) is formed so as to Surround a combustion Chamber hole, an

intermediate constituent member (8) being interposed between said two base plates, said beads (18, 20) of said respective base plates

(4, 6) being disposed symmetrically with respect to said intermediate constituent member

(8), a peripheral edge portion of said interme­diate constituent member that is adjacent to said combustion Chamber hole being bent to form a compensation portion (26) having a predetermined thickness, characterized in that a com­pensation bent portion (22) is formed in said intermediate constituent member (8) so that a first step formed between one surface of the bent peripheral edge portion of said intermeidate constituent member that is adjacent to said combustion Chamber hole and one surface of said intermediate constituent member is made approximately equal to a second step formed between the other surface of said bent peripheral edge portion of said intermediate constituent member that is adjacent to said combustion Chamber hole and the other surface of said intermediate constituent member (Fig. 1 to 6; in Fig. 2: h^ = b.2)."

Nach der von der Klägerin als Anlage 1 a eingereichten Übersetzung der Klagepatentschrift läßt sich der Patent­anspruch wie folgt in die deutsche Sprache übersetzen:

"Geschichtete Metalldichtung, bestehend aus zwei Grundplatten (4, 6), von denen jede aus einer elastischen Metallplatte hergestellt und mit einer Sicke (18, 20) versehen ist, um eine Brennkammeröffnung zu umgeben, und einem Zwi­schenelement (8) zwischen beiden Grundplatten,

wobei die Sicken (18, 20) der Grundplatten (4, 6) in Bezug auf das Zwischenelement (8) symme­trisch angeordnet sind, und ein Umfangsrandabschnitt des Zwischenelements, welcher sich be­nachbart zur Brennkammeröffnung befindet, umge­bogen ist, um einen Kompensationsabschnitt zu bilden (26), der eine vorbestimmte Dicke auf­weist, dadurch gekennzeichnet, daß an dem Zwi­schenelement (8) ein gekröpfter Kompensations­abschnitt (22) so ausgebildet ist, daß ein er­ster Absatz zwischen einer ersten Seite des um­gebogenen Umfangsrandabschnitts des Zwischen­elements, der sich benachbart zu besagter Brennkammeröffnung befindet, und einer Seite des Zwischenelements und ein zweiter Absatz zwischen der anderen Seite des umgebogenen Um­fangrandabschnitts des Zwischenelements, der sich benachbart zur Brennkammeröffnung befin­det, und der anderen Seite des Zwischenelements ausgebildet ist und der erste Absatz etwa gleich dem zweiten Absatz ist (Figur 1 - 6; in Figur 2: hx = h2)."

Die nachstehend wiedergegebenen Figuren 1, 2, 3, 4 und 6 der Klagepatentschrift zeigen Ausführungsbeispiele einer erfindungsgemäßen Metalldichtung, wobei Figur 1 eine Draufsicht, Figur 2 eine vergrößerte Schnittansicht, Figur 3 eine Schnittansicht, die den Zustand zeigt, in dem die geschichtete Metalldichtung von Figuren 1 und 2 in eine Stoßstelle eingesetzt ist und die Figuren 4 und 6 weitere Ausführungsbeispiele erkennen lassen.

Die Beklagte stellt her und bietet an Zylinderkopfdich­tungen, deren Ausgestaltung sich aus der als Anlage 5 überreichten Fertigungszeichnung, insbesondere den Schnitten "A-B" und "G-H" ergibt, wobei letztgenannter Schnitt in der nachfolgend wiedergegebenen, von der Klägerin mit Bezugsziffern versehenen Vergrößerung er­kennbar wird.

X

Die Klägerin sieht in Herstellung und Vertrieb dieser Zylinderkofpdichtung eine Verletzung des Klagepatentes.

Sie beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel zu unterlassen,

geschichtete Metalldichtungen, bestehend aus zwei Grundplatten, von denen jede aus einer elastischen Metallplatte hergestellt und mit einer Sicke versehen ist, um eine Brennkammer­öffnung zu umgeben, und einem Zwischenelement zwischen beiden Grundplatten, wobei die Sicken der Grundplatten in Bezug auf das Zwischenele­ment symmetrisch angeordnet sind und ein Umfangsrandabschnitt des Zwischenelements, wel­cher sich benachbart zu besagter Brennkammer­öffnung befindet, umgebogen ist, um einen Kom­pensationsabschnitt zu bilden, der eine vorbe­stimmte Dicke aufweist,

gewerbsmäßig herzustellen, anzubieten, in Ver­kehr zu bringen oder zu gebrauchen oder zu den genannten Zwecken einzuführen oder zu besitzen,

bei denen an dem Zwischenelement ein gekröpfter Kompensationsabschnitt so ausgebildet ist, daß ein erster Absatz zwischen einer Seite des um-

gebogenen Umfangsrandabschnitts des Zwischen­elements, der sich benachbart zur Brennkammer­öffnung befindet, und einer Seite des Zwischen­elements und ein zweiter Absatz zwischen der anderen Seite des umgebogenen Umfangsrandabschnittes des Zwischenelements, der sich be­nachbart zur Brennkammeröffnung befindet, und der anderen Seite des Zwischenelements ausge­bildet ist und der erste Absatz etwa gleich dem zweiten Absatz ist;

darüber hinaus die Beklagte im zuerkannten Um­fang zur Rechnungslegung und zum Schadensersatz zu verurteilen mit der Maßgabe, daß sich diese Ansprüche auf die vorstehend wiedergegebenen Handlungen beziehen.

Die Beklagte beantragt - vorab die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Gerichts rügend -

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte macht geltend, bisher habe sie mit der angegriffenen Ausführungsform ausschließlich die X in Ingolstadt beliefert. Da sie ihren Sitz zudem - un­streitig - in 57562 Herdorf habe, sei das angerufene Gericht örtlich nicht zuständig. In der Sache stellt die Beklagte eine Verletzung des Klagepatentes durch die

angegriffene Ausführungsform in Abrede. Die angegriffene Ausführung sei vielmehr ein vom Klagepatent unabhängiger alternativer Weg zur Lösung des Problems, eine Lehre anzugeben, gemäß der die Flachpressung des unteren und oberen Sickenbleches bei Zylinderkopfdichtungen wirksam verhindert werde. Diese Lösung sei durch das europäische Patent X (Anlage B 3) geschützt. Allein die weder in der Beschreibung noch in den Ausführungsbeispielen oder den Figuren des Klagepatentes gezeigte, jedoch von ihr, der Beklagten, aufgefundene Lösung, eine Lage des Zwischenelements nicht gebogen bis zum Brennkammerloch zu führen, habe erfinderisches Bemühen erfordert. Der Schutzbereich eines Patentes erfasse aber keine äquivalenten Abwandlungen, die auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstan­des wird auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet

A.

Die örtliche Zuständigkeit des angerufenen Landgerichtes Düsseldorf ist gemäß § 32 ZPO in Verbindung mit § 143 Ab$. 2 PatG (in Verbindung mit der VO der Landesregierung NRW vom 28. Juni 1988, GV NW Seite 321) gegeben. Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ist auch dann gegeben, wenn - wie die Beklagte geltend macht - sie die angegriffene Ausführungsform ausschließlich an die X in Ingolstadt geliefert hat. Denn es besteht die für die Begründung der örtlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichtes ausreichende Gefahr, daß die angegriffenen Dichtungen von der X mit Wissen und Wollen der Beklagten auch nach Nordrhein-Westfalen geliefert werden, sei es als Ersatzteile oder jedenfalls eingebaut in die von der X vertriebenen Kraftfahrzeuge.

B.

Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin kann von der Beklagten im tenorierten Umfang Unterlassung, Rechnungslegung und Schadensersatz verlangen, da die Beklagte mit der angegriffenen Ausführungsform das Klage­patent verletzt. Soweit die Formulierungen des Tenors von denen im Klageantrag abweichen, erfolgt dies zur besseren Anpassung an die angegriffene Verletzungsform. Eine teilweise Klageabweisung ist hierin nicht zu sehen.

I.

Das Klagepatent betrifft eine Metalldichtung, die vor­zugsweise als Zylinderkopfdichtung bei Kolbenverbren­nungsmotoren zum Einsatz kommt und die dazu dient, die

Stoßstelle, die sich zwischen dem Zylinderkopf und dem Zylinderblock befindet, abzudichten.

Die Metalldichtung weist eine oder zwei Grundplatten auf, die mit einer oder mehreren runden Brennkammeröffnungen je nach Zylinderzahl versehen sind. In der Nähe des Randes, der die Brennkammeröffnung umgibt, weist die Grundplatte eine umlaufende Sicke auf. Beim Einspannen zwischen Zylinderkopf und Zylinderblock wird die Grund­platte in diesem Bereich verformt, wobei die Sicke für eine linienförmige Anlage zum Zwecke der Abdichtung sorgt. Jenseits der Sicke sind Bohrungen zum Durchtritt der Schrauben vorhanden, mit denen der Zylinderkopf am Zylinderblock festgelegt wird. Der der Brennkammer zuge­wandte Bereich des Spaltes zwischen Zylinderkopf und Zylinderblock unterliegt Veränderungen, die bereits durch das Anziehen der Zylinderkopf schrauben hervorgerufen werden.

Aus der in der Klagepatentschrift behandelten X (Anlage 3) ist bereits eine Metalldichtung mit fol­genden Merkmalen bekannt:

1.

Geschichtete Metalldichtung, versehen mit

1.1.

zwei Grundplatten (4,6);

1.1.1.

jede der Grundplatten ist aus einer elastischen Metallplatte hergestellt;

1.1.2.

auf der Metallplatte ist eine Sicke (18, 20) ausgebildet, die eine Brennkammeröffnung um­gibt;

1.2.

einem Zwischenelement (8);

1.2.1.

das Zwischenelement (8) ist zwischen den beiden Grundplatten (4,6) angeordnet;

1.2.2

die Sicken (18, 20) der jeweiligen Grundplatte (4, 6) sind symmetrisch in Bezug auf das Zwi­schenelement (8) angeordnet;

1.2.3

der Umfangsrandabschnitt des Zwischenelements (8), der sich benachbart zu der Brennkammeröff­nung befindet, ist umgebogen und bildet einen Kompensationsabschnitt (26) mit einer vorbe­stimmten Dicke.

Die nachfolgend abgebildete Figur 5 der EP Xzeigt ein Ausführungsbeispiel einer Metalldichtung nachdiesem Stand der Technik.

Außer den die Brennkammeröffnung umgebenden Sicken, die eine elastische und linienförmige Dichtung zwischen Zylinderblock und Zylinderkopf bilden, hat Dichtungsfunk­tion auch der durch Umbiegen verdickte Endabschnitt des Zwischenelements (Kompensationsabschnitt). Er gewährlei­stet, daß, falls sich der Zylinderkopf beim Eindrehen und Anziehen der Befestigungsbolzen in den Zylinderblock unter der Wirkung der Bolzenanzugskraft wölbt, der zwi­schen Zylinderblock und Zylinderkopf in den der Brennkam­meröffnung zugewandten Bereich entstehende Spalt ausge­glichen (kompensiert) wird.

Als nachteilig - so wird in der Klagepatentschrift ausgeführt - erweise sich allerdings, daß das Zwischenelement in Bezug auf die Mittellinie der Metalldichtung nur zu einer Grundplatte hin und damit asymmetrisch verdickt sei. Da die Sicken der Grundplatten dagegen symmetrisch ausgebildet seien, habe dies zur Folge, daß die dem umgebogenen Endabschnitt des Zwischenelements abgewandte Sicke übermäßig stark abgeflacht werde und die Federkräfte der Grundplatte un­gleichmäßig auf die Sickenabschnitte einwirkten. Hier­durch ergebe sich nicht nur ein ungleichmäßiger Dich­tungsdruck und als Folge hiervon unbefriedigende Dich­tungseigenschaften; die betreffende Sicke werde darüber hinaus auch erhöhten Beanspruchungen ausgesagt, die zu einer Ermüdung des Materials und letztlich zu einer Verschlechterung der Dauerhaftigkeit der Dichtung führen könnten.

Um diese nachteilig zu beseitigen, sieht das Klagepatent vor, den Kompensationsabschnitt in Bezug auf die Mittel­linie der Metalldichtung symmetrisch auszubilden, indem

2.

ein gekröpfter Kompensationabschnitt (22) an dem Zwischenelement (8) so ausgebildet ist, daß

ein erster Absatz zwischen einer Seite des umgebogenen Umfangsrandabschnitts des Zwischen­elementes, der sich benachbart zu der Brennkam­meröffnung befindet, und einer Seite des Zwi­schenelementes ausgebildet ist

und

2.2.

ein zweiter Absatz zwischen der anderen Seite des gebogenen Umfangrandabschnitts des Zwi­schenelements, der sich benachbart der Brenn­kammeröffnung befindet, und der anderen Seite des Zwischenelements ausgebildet ist

und

3.

der erste Absatz etwa gleich dem zweiten Absatz ist (Figur 1 bis 6; in Figur 2: h]_ = h 2).

Der Symmetrie der an den Grundplatten vorhandenen Sicken entspricht somit eine Symmetrie des verdickten Randab­schnitts des Zwischenelements. Da das Zwischenelement in seinem nicht verdickten Bereich symmetrisch zu den Sicken angeordnet ist, führt dies dazu, daß die Abstände zwi­schen dem verdickten Randbereich des Zwischenelement und der benachbarten Innenwandung der jeweils benachbarten Grundplatte gleich sind. Auf diese Weise soll gewährlei­stet werden, daß beim Einspannen der Dichtung die Sicken beider Grundplatten nicht flachgedrückt werden können.

II.

Die geschichtete Metalldichtung der Beklagten fällt in den nach Artikel 69 des Europäischen Patentübereinkommens (EPÜ) zu bestimmenden Schutzbereich des Klagepatentes.

Sie weist zwei Grundplatten (4, 6) und ein Zwischenele­ment auf, welches aus einer dickeren Ausgleichsplatte (10) und einer dünneren Zwischenplatte (12) besteht. Die Zweilagigkeit des Zwischenelements steht der wortlautge­mäßen Verwirklichung des Merkmales 1.2. nicht entgegen, da bereits der Begriff "Zwischenelement" keine Einlagigkeit voraussetzt und eine zweitägige Anordnung nach den Ausführungsbeispielen der Klagepatentschrift in den Figuren 2 und 4, aber auch 8 und 10 als mögliche Ausfüh­rungsform gezeigt und ausdrücklich beschrieben wird (Anlage 1 a Seite 6 letzter Abschnitt).

Das Zwischenelement (8) ist zwischen den beiden Grund­platten (4, 6) angeordnet, wobei jede der Grundplatten aus einer elastischen Metallplatte hergestellt ist, an der jeweils eine Sicke (18, 20) ausgebildet ist, die die

Brennkammeröffnung umgeben. Wie die Zeichnung nach Anlage 6 ebenfalls erkennen läßt, liegen die Sicken (18, 20) der jeweiligen Grundplatte (4, 6) in Bezug auf das Zwischen­element (8) symmetrisch. Die angegriffene Ausführung macht - entgegen der Auffassung der Beklagten - auch von Merkmal 1.2.3. Gebrauch. Denn soweit danach verlangt wird, daß der Umfangsrandabschnitt des der Brennkammer­öffnung benachbarten Zwischenelements umgebogen sein soll, verlangt dies bei einer zweitägigen Ausbildung des Zwischenelementes nicht, daß sowohl Ausgleichs- als auch Zwischenplatte umgebogen sein sollen. Auch dies ergibt sich aus den Ausführungsbeispielen der Klagepatent­schrift, insbesondere den Figuren 2 und 4, die eine Ausführungsform offenbaren, bei der ebenfalls nur eine der beiden Schichten des Zwischenelements, nämlich die Ausgleichsplatte, umgebogen ist. Merkmal 1.2.3. verlangt auch nicht, daß die Umbiegung unter Einschluß des Randab­schnitts der Ausgleichsplatte erfolgt, wie dies aus Figur 2 der Klagepatentschrift ersichtlich ist. Erfaßt wird vielmehr auch eine Ausgestaltung, wie sie dem Ausfüh­rungsbeispiel nach der Figur 4 der Klagepatentschrift zugrundeliegt, bei der die Ausgleichsplatte; ebenso wie bei der angegriffenen Ausführungsform - auf sich selbst zurückgefalzt ist. Durch diese Umfalzung wird ein in seiner Dicke vorbestimmter Kompensationsabschnitt (26) gebildet.

Nicht wortlautgemäß verwirklicht ist dagegen Merkmal 2, welches auch bei einer Auslegung nach seinem technisch verstandenen Wortsinn nicht nur verlangt, daß durch die Abkröpfung des Zwischenelementes zu beiden Seiten des Zwischenelementes Absätze geschaffen werden, deren Höhe gleich ist, sondern hinsichtlich der Ausgestaltung der Abkröpfung zur Bildung dieser Absätze vorgibt, das ein erster Absatz gebildet wird zwischen einer Seite des gebogenen Umfangsrandabschnittes und einer Seite des Zwischenelementes (an einer Stelle an der dieses noch

nicht gekröpft ist) und ein zweiter Absatz zwischen der anderen - und damit gegenüberliegenden - Seite des gebogenen Umfangsrandabschnitts und der anderen Seite des Zwischenelements (auch hier gemessen an der Stelle, an dem das Zwischenelement noch nicht gekröpft ist), so daß die Absätze jeweils durch eine Seite des gebogenen Umfangsrandabschnitts und eine Seite des noch nicht gekröpften Zwischenelementes ausgebildet werden. Allein eine solche Ausgestaltung offenbaren auch die verschiedenen Ausführungsbeispiele nach den Figuren 2, 4, 6, 8 und 10 der Klagepatentschrift.

Bei der angegriffenen Ausführungsform dagegen ist die Abkröpfung des Zwischenelementes so ausgestaltet, daß sowohl Ausgleichs- als auch Zwischenplatte jedoch in einander entgegengesetzten Richtungen gekröpft sind. Dadurch wird zwar ein Absatz zwischen einer Seite des auf sich selbst zurückgefalzten und damit gebogenen Umfangsrandabschnitts der Ausgleichsplatte und einer Seite der noch nicht gekröpften Ausgleichsplatte gebildet, wohinge­gen jedoch der zweite Absatz nicht zwischen einem geboge­nen Umfangsrandabschnitt, sondern zwischen dem Randbe­reich der Zwischenplatte (12 e/2), die um ein Maß, das in etwa der Dicke der Ausgleichsplatte entspricht, durch Kröpfung nach unten versetzt ist, und dem noch nicht nach unten gekröpften Bereich der Zwischenplatte gebildet wird. Diese Abweichung schließt aber eine Benutzung der erfindungsgemäßen Lehre nicht aus. Denn unter den nach Artikel 69 EPÜ zu bestimmenden Schutzbereich eines Pa­tents zählt nicht allein das, was sich aus dem genauen Wortlaut der Patentansprüche ergibt. Eine Benutzung der Erfindung kann vielmehr auch dann vorliegen, wenn eine vom Sinngehalt der Patentansprüche abweichende Ausführung zur Beurteilung steht, der Fachmann aber aufgrund von Überlegungen, die an den Sinngehalt der in den Ansprüchen beschriebenen Erfindung anknüpfen, die bei der angegrif-

fenen Ausführungsform eingesetzte abgewandelten Mittel mit Hilfe seiner Fachkenntnisse zur Lösung des der Erfin­dung zugrundeliegenden Problemes als gleichwirkend auf­finden konnte (BGH, GRUR 1989, 903, 904 - Batteriekasten­schnur) . In diesem Sinne handelt es sich bei der bei der angegriffenen Metalldichtung verwirklichten Ausbildung der Abkröpfung des Zwischenelementes zur Ausbildung zweier einander gleicher Absätze um ein äquivalentes Mittel.

Denn wie der Fachmann dem im Lichte der Beschreibung verstandenen Patentanspruch ohne weiteres entnimmt, ist die Abkröpfung des Zwischenelementes durch den Zweck bestimmt, den an sich bekannten Kompensationsabschnitt, der den Sicken der Grundplatten genügend Bewegungsspiel­raum bieten muß, damit diese federnd wirksam werden können, mittels einer entsprechenden Abkröpfung symme­trisch zu den Grundplatten anzuordnen, um die Sicken hinreichend gegen ein Flachdrücken zu schützen. Dann aber wird der Fachmann auch erkennen, daß dies lediglich erfordert, die Abkröpfung so auszugestalten, daß zu beiden Seiten des in seinem nicht verdickten Bereich symmetrisch zu den Sicken angeordneten Zwischenelementes jeweils Absätze geschaffen werden, deren Höhe gleich ist. Daß dies auch dann erreicht wird, wenn eine Lage des Zwischenelementes - wie bereits aus der Figur 4 der Klagepatentschrift erkennbar - abgekröpft und zur Bildung eines Kompensationsabschnittes auf sich selbst zurückge­bogen und die andere Lage bei entsprechend starker Ab­kröpfung in entgegengesetzter Richtung bis zur Brennkam­meröffnung fortgeführt wird, liegt dann für den Fachmann auf der Hand.

Merkmal 3 schließlich, wonach der erste Absatz in gleich dem zweiten Absatz sein soll, ist bei angegriffenen Ausführungsform, wie aus der Zeichnung Anlage 6 ersichtlich, ebenfalls verwirklicht.

Der Ausdehnung des Schutzbereiches des Klagepatentes auf die angegriffene Ausführungsform steht der von der Be­klagten unter Berufung auf die BGH-Entscheidung "Zerlegvorrichtung vor Baumstämme" (GRUR 1994, 597 ff.) erhobene Einwand nicht entgegen, die von ihr aufgefundene Lösung, zur Verhinderung der Flachpressung des unteren und oberen Sickenbleches bei Zylinderkopfdichtungen eine Lage zur Bildung einer Distanz- oder Abstandshalterlage auf sich selbst zurückzubiegen und eine zweite Lage abzukröpfen und bis zum Brennkammerloch fortzuführen, erfordere erfinderisches Bemühen. Dieser Einwand läßt sich insbesondere nicht mit Erfolg darauf stützen, die angegriffene Ausführung sei der Beklagten durch die als Anlage B 3 eingereichte EP X geschützt, deren Anspruch 1 sich gerade auf die Umbiegung lediglich einer Zwischenlage und damit auf den wesentlichen Unterschied der als äquivalent angegriffenen Ausführungsform gegenüber dem Klagepatent gründe. Denn wie bereits ausgeführt liegt in der Umbiegung lediglich einer Zwischenlage bereits keine Abweichung vom Wortlaut des Klagepatentes. Ob die angegriffene Ausführungsform im übrigen von der EP X Gebrauch macht und es sich bei dem Patent der Beklagten um ein vom Klagepatent abhängiges Patent handelt, kann daher dahinstehen.

III.

Da die Beklagte damit entgegen § 9 PatG die patentierte Erfindung genutzt hat, kann sie von der Klägerin nach § 139 Abs. 1 PatG auf Unterlassung in Anspruch genommen

werden. Nach § 139 Abs. 2 PatG ist die Beklagte der Klägerin für die begangenen rechtsverletzenden Handlungen zum Schadensersatz verpflichtet. Bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte sie die Verletzung des Klagepatentes erkennen können. Da die Klägerin den Umfang der Verletzungshandlungen nicht zu übersehen vermag, ist ihr ein rechtliches Interesse daran zuzubil­ligen, daß die Verpflichtung der Beklagten zum Schadens­ersatz zunächst festgestellt wird, § 256 ZPO.

Um schließlich die Klägerin in die Lage zu versetzen, die ihr zustehenden Ansprüche auf Schadensersatz und Entschä­digung zu beziffern, ist die Beklagte nach § 242 BGB zur Rechnungslegung verpflichtet, da die Klägerin auf die verlangten Angaben, über die sie ohne eigenes Verschulden nicht verfügt, zur Bezifferung ihrer Ansprüche angewiesen ist, andererseits die Beklagte durch die von ihr verlang­ten Angaben nicht unzumutbar belastet wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

Streitwert: 300.000,-- DM.

Dr. Meier-Beck Schuh-Offermanns Dr. Grabinski






LG Düsseldorf:
Urteil v. 26.10.1995
Az: 4 0 349/94 U.


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