Bundespatentgericht:
Beschluss vom 10. Mai 2011
Aktenzeichen: 17 W (pat) 49/06
(BPatG: Beschluss v. 10.05.2011, Az.: 17 W (pat) 49/06)
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patentund Markenamts vom 5. Januar 2006 aufgehoben und das Patent gemäß Hilfsantrag I mit folgenden Unterlagen erteilt:
Patentansprüche 1-2 und Beschreibung Seiten 1, 2b, 3, 13, 15, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 2, 2a vom 30. Juni 2005, Seiten 4-12, 14, 16-34 und 10 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1-7, 8a, 8b, 9-11, jeweils vom Anmeldetag.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.
Gründe
I.
Die vorliegende Patentanmeldung 100 56 278.7-53 mit Priorität aus den USA vom 17. November 1999 mit der Bezeichnung
"Verfahren und System zum Kommunizieren zwischen Lieferantenund Kundengeräten"
ist am 14. November 2000 beim Deutschen Patentund Markenamt eingereicht worden.
Sie wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen Patentund Markenamts mit der Begründung zurückgewiesen, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruhe nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet. Sie stellt den Antrag, den angegriffenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
gemäß Hauptantrag mit Patentansprüchen 1-3 und Beschreibung Seiten 1, 2b, 3, 13, 15, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, Beschreibung Seiten 2, 2a vom 30. Juni 2005, Seiten 4-12, 14, 16-34 und 10 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1-7, 8a, 8b, 9-11 jeweils vom Anmeldetag;
gemäß Hilfsantrag I mit Patentansprüchen 1 bis 2, überreicht in der mündlichen Verhandlung, im Übrigen wie Hauptantrag.
Sie regte die Rückzahlung der Beschwerdegebühr an.
Der Patentanspruch 1 in der Fassung des Hauptantrags lautet:
"System, aufweisend:
a.
ein zweites Computergerät zum Feststellen, dass den Systemressourcen des zweiten Computergeräts ein vorbestimmter Typ eines physikalischen Gegenstands fehlt; wobeib.
das zweite Computergerät ein Ausgabesignal erzeugt, das das Systemereignis des Fehlens des physikalischen Gegenstandes im zweiten Computergerät an ein erstes Computergerät berichtet in Antwort auf das Systemereignis; und wobeic. das Systemereignis eines mehrerer Systemereignisse ist, die aus dem Fehlen des physikalischen Gegenstands im zweiten Computergerät resultieren und wobei das erste Computergerät die mehreren Ereignisse zählt und ein Ausgabesignal in Antwort darauf ausgibt, dass die Anzahl der mehreren Ereignisse eine vorbestimmte Anzahl erreicht."
Der nebengeordnete Patentanspruch 2 in der Fassung des Hauptantrags mit einer an den Anspruch 1 angepassten Gliederung lautet:
"Verfahren, durchgeführt von einem ersten Computergerät und einem zweiten Computergerät, aufweisend:
A. Feststellen, dass den Systemressourcen des zweiten Computergeräts ein vorbestimmter Typ eines physikalischen Gegenstands fehlt; und B. Erzeugen eines Ausgangssignals, das das Systemereignis des Fehlens des physikalischen Gegenstands berichtet, um den Gegenstand zur Installation im zweiten Computergerät zu kaufen in Antwort auf das Systemereignis, wobei C. das Systemereignis eines einer Mehrzahl von Systemereignissen ist, die sich aus dem Fehlen des physikalischen Gegenstands im zweiten Computergerät ergeben und wobei das Verfahren den Schritt des Zählens in dem ersten Computergerät der Mehrzahl von Ereignissen umfasst und den Schritt des Ausgebens des Ausgangssignals, wenn die Anzahl der Mehrzahl von Ereignissen eine vorbestimmte Anzahl erreicht."
Der Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags I lautet:
"System, aufweisend:
a.
eine Vielzahl von Clients, die jeweils Diagnosesoftware mit Anweisungen zum Testen ihrer Systemressourcen ausführen, wobei ein Client feststellen kann, dass seinen Systemressourcen RAM, Festplattenplatz oder anderer Speicherplatz fehlt;
b.
wobei jeder der Clients ein Ausgabesignal erzeugt, das das Systemereignis des Fehlens von RAM, Festplattenplatz oder anderem Speicherplatz an einen Kundenadministrator berichtet in Antwort auf das Systemereignis;
c.
wobei der Kundenadministrator in Antwort auf den Bericht eines Systemereignisses einen Eintrag des Systemereignisses in eine Kundendatenbank schreibt, wodurch der Kundenadministrator separat Systemereignisse verschiedener Arten für individuelle Clients zählt und einen Eintrag dieser Zählung in die Kundendatenbank schreibt;
d.
wobei der Kundenadministrator ferner in Antwort auf den Bericht eines Systemereignisses von einem Client (a) die gegenwärtige Anzahl von Ereignissen dieses Ereignistyps für diesen Client und (b) einen vorbestimmten Schwellwert von Ereignissen dieses Ereignistyps für diesen Client aus der Kundendatenbank ausliest; unde.
wobei, wenn die gegenwärtige Anzahl den Schwellwert erreicht hat, der Kundenadministrator eine Nachricht zum Kauf für die Installation des fehlenden RAM, Festplattenplatz oder anderem Speicherplatz im Client ausgibt."
Der Patentanspruch 2 in der Fassung des Hilfsantrags I lautet:
"Verfahren, durchgeführt von einem Kundenadministrator und einer Vielzahl von Clients, aufweisend:
Feststellen durch zumindest einen der Vielzahl von Clients, welcher Diagnosesoftware mit Anweisungen zum Testen seiner Systemressourcen ausführt, dass seinen Systemressourcen RAM, Festplattenplatz oder anderer Speicherplatz fehlt;
Erzeugen, durch den zumindest einen Client, eines Ausgangssignals, das das Systemereignis des Fehlens von RAM, Festplattenplatz oder anderem Speicherplatz an den Kundenadministrator berichtet in Antwort auf das Systemereignis, wobeider Kundenadministrator in Antwort auf den Bericht eines Systemereignisses einen Eintrag des Systemereignisses in eine Kundendatenbank schreibt, wodurch der Kundenadministrator separat Systemereignisse verschiedener Arten für individuelle Clients zählt und einen Eintrag dieser Zählung in die Kundendatenbank schreibt;
wobei der Kundenadministrator ferner in Antwort auf den Bericht eines Systemereignisses von einem Client (a) die gegenwärtige Anzahl von Ereignissen dieses Ereignistyps für diesen Client und (b) einen vorbestimmten Schwellwert von Ereignissen dieses Ereignistyps für diesen Client aus der Kundendatenbank ausliest; undwobei, wenn die gegenwärtige Anzahl den Schwellwert erreicht hat, der Kundenadministrator eine Nachricht zum Kauf für die Installation des fehlenden RAM, Festplattenplatz oder anderem Speicherplatz im Client ausgibt."
Der Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und ein System zum Kommunizieren zwischen Lieferanten und Kundengeräten bereitzustellen, mit dem eine geringe Abhängigkeit von der Verwaltung durch Menschen erreicht wird (Beschreibung Seite 2b, überreicht in der mündlichen Verhandlung).
II.
Die Beschwerde wurde fristund formgerecht eingelegt und ist auch sonst zulässig. Sie hat insoweit Erfolg, als sie zur Erteilung des nachgesuchten Patents nach dem Hilfsantrag I führt.
1. Zum Hauptantrag Das System und das Verfahren in der Fassung des Hauptantrags sind nicht patentfähig, da sie sich für den Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben und deshalb nicht als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend gelten (§ 1 Abs. 1und § 4 PatG).
1.1 Die Anmeldung betrifft ein System und ein Verfahren zum computergestützten Bestellen von physikalischen Gegenständen bei Lieferanten mittels Kundencomputern.
In der Beschreibungseinleitung der Anmeldung wird ausgeführt, die Verwaltung einer zunehmenden Anzahl von Computersystemen sowie die Aufrechterhaltung der Betriebszuverlässigkeit von verschiedenen Computersystemen sowie der Kompatibilität und Konfigurationskonsistenz zwischen den verschiedenen Computersystemen sei eine ernsthafte Herausforderung für Unternehmen. Zur Durchführung dieser Verwaltung hätten frühere Techniken sich in erheblichem Maße auf Menschen verlassen. Mit der Zunahme der Anzahl und unterschiedlichen Typen von Computersystemen werde jedoch solch eine Verwaltung durch Menschen weniger zuverlässig. Unternehmen würden sich hierbei auf die Unterstützung von Lieferanten der Computersysteme verlassen. Die Lieferanten würden Information über die Kompatibilität zwischen den verschiedenen Computersystemen des Unternehmens bereitstellen und hierfür Einträge über die Konfigurationskonsistenz zwischen den verschiedenen Computersystemen eines Unternehmens aufbewahren. Ein Lieferant biete Reparaturen und Upgrades für die Computersysteme an (S. 1 le. Abs. -S. 2 Abs. 3 der Anmeldeunterlagen).
Dem Patentbegehren liegt die objektive Aufgabe zugrunde, ein Verfahren und ein System bereitzustellen, bei denen das Fehlen eines vorbestimmten Typs eines physikalischen Gegenstands eines Computergerätes automatisch erkannt und ausgewertet wird (um den vorbestimmten Typ eines physikalischen Gegenstands zu dessen Installation beschaffen zu können).
Als Fachmann, der mit der Lösung einer solchen Aufgabe betraut wird, wird ein Fachhochschulingenieur auf dem Gebiet der Informationstechnik angesehen, der mehrjährige Erfahrung in der Fehlererkennung/-behandlung und Wartung von Computersystemen besitzt.
Gelöst wird die Aufgabe dadurch, dass in einem zweiten Computergerät (Client 202, 204, 206) (in Folge von dort laufender Diagnosesoftware oder Anwendungssoftware, z. B. bei Auftreten eines vorbestimmten Typs von Interrupt oder Trap) bei Auftreten eines von mehreren (verschiedenen) Systemereignissen, die jeweils angeben, dass den Systemressourcen dieses zweiten Computergeräts ein vorbestimmter Typ eines physikalischen Gegenstands fehlt, das erste Computergerät (Kundenadministrator 214) von diesem Systemereignis benachrichtigt wird. In dem ersten Computergerät werden die mehreren Systemereignisse (jeweils) gezählt. Wenn die Systemereignisse eine vorbestimmte Anzahl erreichen (die Anzahl ist größer oder gleich 1, vgl. Anmeldeunterlagen S. 23 Z. 2 f.), wird ein Ausgabesignal ausgeben. (Infolgedessen wird der vorbestimmte Typ eines physikalischen Gegenstands zur Installation beschafft, wie auf S. 24 Abs. 2 und S. 25 Z. 10-13 der Anmeldeunterlagen aufgeführt wird.)
1.2 Einer Patentierung der in der Fassung des Hauptantrags beanspruchten Gegenstände steht die im Prüfungsverfahren genannte vorveröffentlichte Druckschrift D1: EP 843 229 A2 entgegen.
Ein System und ein Verfahren mit den Merkmalen der Patentansprüche 1 und 2 ist für den Fachmann in Kenntnis von Druckschrift D1 nahegelegt.
1.3 Die Druckschrift D1 betrifft automatische Serviceanforderungen eines Kopierers. Ein Kopierer 11 erzeugt automatisch ein Ausgabesignal an ein Netzwerkinterfaceboard 14, wenn er feststellt, dass ein Systemereignis (Detected condition) auftritt, das anzeigt, dass seinen Systemressourcen ein vorbestimmter Typ eines physikalischen Gegenstands fehlt, um beispielsweise den Kauf eines neuen Teils bei einem Lieferanten zu dessen Installation auszulösen (S 2001 und 2002 in Fig. 20, Sp. 15 Z. 57 -Sp. 16 Z. 3). Im Unterschied zur Auffassung der Anmelderin liegt es im Bereich des Wissens des Fachmanns, dass der Kopierer 11 als Computergerät aufgefasst werden kann, denn auch ein Kopierer besitzt die wesentlichen Komponenten eines Computergeräts wie Prozessor, Speicher sowie Ein-/Ausgabeschnittstellen und damit alle für den beanspruchten Ablauf erforderlichen Komponenten (Merkmale a, b; A, B). Das auftretende Systemereignis ist eines von mehreren möglichen Systemereignissen, denn es können verschiedene Betriebsprobleme signalisiert werden, die beispielsweise Motorfehler umfassen, oder das Überschreiten eines vorgegeben Benutzungsgrenzwertes kann ausgegeben werden. Beispielsweise erfolgt das Auslösen einer Wartung bei Überschreitung einer vorgegebenen Anzahl bedruckter Seiten (Sp. 16 Z. 3-10). Dies setzt jeweils voraus, dass die Anzahl der Seiten bzw. Ereignisse gezählt werden und ein Ausgabesignal in Antwort darauf ausgegeben wird, dass die Anzahl den vorgegebenen Grenzwert erreicht. Dieser Zählund Vergleichsvorgang kann nicht nur im Kopierer stattfinden (Sp. 16 Z. 18-20), wie von der Anmelderin geltend gemacht, sondern auch im Netzwerkinterfaceboard 14, denn dieses kann eine aktive Rolle übernehmen und die erforderliche Information abfragen (Sp. 16 Z. 20-23) und damit auch die Funktionalität des Zählund Vergleichsvorgang ausführen. Das Netzwerkinterfaceboard 14 kann hierbei ebenfalls als Computergerät aufgefasst werden, da es die wesentlichen Komponenten eines solchen enthält (Fig. 1, 2, Anspruch 21, Sp. 4 Z. 55 bis Sp. 5 Z. 50) (Merkmale c; C).
Damit war das System mit den Merkmalen des Patentanspruchs 1 und ein Verfahren mit den Merkmalen des Anspruchs 2 in der Fassung des Hauptantrags für den Fachmann bei Kenntnis von Druckschrift D1 ableitbar. Die Patentansprüche 1 und 2 in der Fassung des Hauptantrags sind daher nicht gewährbar, da deren Gegenstände nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen.
Mit dem Anspruch 2 fällt notwendigerweise auch der darauf rückbezogene Anspruch 3.
Dem Hauptantrag der Anmelderin ist daher nicht zu folgen.
2. Zum Hilfsantrag I Die Patentfähigkeit des Systems nach Patentanspruch 1 und des Verfahrens nach Patentanspruch 2 in der Fassung des Hilfsantrags I ist jedoch anzuerkennen.
2.1 Die Patentansprüche nach Hilfsantrag I sind zulässig.
Der Anspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags I basiert auf den aus den ursprünglichen Ansprüchen 14 und 15 entnehmbaren Merkmalen durch Ergänzung der auf S. 16 Abs. 2 -S. 17 Abs. 1, S. 22 Abs. 4 und S. 25 Z. 10-16 der Anmeldeunterlagen offenbarten Merkmale. Der Anspruch 2 in der Fassung des Hilfsantrags I ergibt sich aus den ursprünglichen Ansprüchen 33 und 34 unter Hinzufügung der auf S. 16 Abs. 2 -S. 17 Abs. 1, S. 22 Abs. 4 und S. 25 Z. 10-16 der Anmeldeunterlagen entnehmbaren Merkmale.
2.2 Die Gegenstände der Patentansprüche 1 und 2 in der Fassung des Hilfsantrags I sind durch den im Prüfungsund Beschwerdeverfahren genannten Stand der Technik nicht nahe gelegt.
Im Wesentlichen unterscheidet sich die Fassung der Patentansprüche 1 und 2 von den Patentansprüchen 1 und 2 in der Fassung des Hauptantrags durch die Präzisierungen, dass eine Vielzahl von Clients vorgesehen sind, die jeweils Diagnosesoftware mit Anweisungen zum Testen ihrer Systemressourcen ausführen, und jeweils feststellen, ob den Systemressourcen RAM, Festplattenplatz oder anderer Speicherplatz fehlt, woraufhin ein Kundenadministrator von dieser Feststellung unterrichtet wird. Der Kundenadministrator schreibt in Antwort darauf einen Eintrag des Systemereignisses in eine Kundendatenbank, zählt Systemereignisse verschiedener Arten für individuelle Clients separat, schreibt einen Eintrag dieser Zählung in die Kundendatenbank und vergleicht die gegenwärtige Anzahl von Ereignissen dieses Ereignistyps für diesen Client mit einem in der Kundendatenbank gespeichert vorliegenden vorbestimmten Schwellwert. Wenn die gegenwärtige Anzahl von Ereignissen dieses Ereignistyps für diesen Client den Schwellwert erreicht hat, gibt der Kundenadministrator eine Nachricht zum Kauf für die Installation des fehlenden RAMs, Festplattenplatzes oder anderen Speicherplatzes im Client aus.
Eine Anregung in Hinsicht auf dieses Vorgehen findet sich weder in Druckschrift D1, noch der im Prüfungsverfahren weiter genannten Druckschrift EP 767 436 A2 (D2) oder der im Beschwerdeverfahren genannten Druckschrift: Kronjäger, O.: Frühausfallphase elektronischer Erzeugnisses VEB Verlag Technik Berlin 1. Auflage 1987 S. 54 (D3), noch aus deren Zusammenschau.
Denn aus Druckschrift D1 ist für den Fachmann nicht ableitbar, dass das Netzwerkinterfaceboard (14) Administrationsaufgaben übernehmen könnte und damit keine Anregung, dass das Netzwerkinterfaceboard als Kundenadministrator das Systemereignis in eine Kundendatenbank einträgt, die Systemereignisse für individuelle Clients zählt und das Zählergebnis für Systemereignisse verschiedener Arten clientindividuell ebenfalls in die Kundendatenbank einschreibt.
Aus Druckschrift D2 ist zwar ein System bekannt, bei dem ein Kundenadministrator (7) mit mehreren Clients (1a-1n) kommuniziert, die Administrationsaufgaben beziehen sich jedoch ausschließlich auf wirtschaftlichorganisatorische Maßnahmen. Ein Bediener eines Clients kann demnach eine Anforderung von Verbrauchsartikeln wie z. B. Tonerkassetten an den Administrator (7) senden. Im Administrator erfolgen eine automatische Verwaltung der Anforderungen und die Generierung von entsprechenden Bestellungen in Abhängigkeit von der Prüfung wirtschaftlicher Kriterien. Eine Anregung, dass verschiedene Systemereignisse vom Client ermittelt werden, dieser den Administrator vom jeweiligen Systemereignis unterrichtet, und der Kundenadministrator das jeweilige Systemereignis in eine Kundendatenbank einträgt, die Systemereignisse verschiedener Arten für individuelle Clients zählt und das Zählergebnis ebenfalls in die Kundendatenbank einschreibt, ist dieser Druckschrift ebenfalls nicht zu entnehmen.
Druckschrift D3 offenbart, dass bei der Prüfung von Prozessen im Dauerbetrieb eine zulässige Anzahl von Ausfällen erlaubt ist, und bei Überschreitung der zulässigen Anzahl die Ausfallursachen zu beseitigen sind. Eine Anregung, dass ein Kundenadministrator Systemereignisse in eine Kundendatenbank einträgt, die Systemereignisse verschiedener Arten für individuelle Clients zählt und das Zählergebnis ebenfalls in die Kundendatenbank einschreibt, ist daraus ebenfalls nicht entnehmbar.
Eine Anregung in dieser Hinsicht lässt sich demnach auch unter Berücksichtigung des im Prüfungsund Beschwerdeverfahren genannten Standes der Technik nicht erkennen.
Es ist daher anzuerkennen, dass das System nach Patentanspruch 1 in der Fassung des Hilfsantrags I auf erfinderischer Tätigkeit beruht und patentfähig ist.
Gleiches gilt auch für das Verfahren nach Anspruch 2 in der Fassung des Hilfsantrags I, da sich das Verfahren nach Anspruch 2 hinsichtlich seiner Arbeitsweise nicht von dem im System nach Patentanspruch 1 ablaufenden Verfahren unterscheidet.
Die Änderungen in der Beschreibung sind durch die ursprüngliche Offenbarung gedeckt bzw. stellen redaktionelle Anpassungen dar.
Bei dieser Sachlage war das Patent gemäß Hilfsantrag I zu erteilen.
III.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr war gemäß § 80 Abs. 3 PatG anzuordnen. Danach ist die Rückzahlung anzuordnen, wenn dies der Billigkeit entspricht. Das ist dann der Fall, wenn die Beschwerde bei sachgemäßer Behandlung durch das Patentamt vermeidbar gewesen wäre, wobei alle Umstände des Falls zu berücksichtigen sind (Busse, Patentgesetz, 6. Aufl., § 80 Rdnr. 95). Die Billigkeit der Rückzahlung kann sich danach aus einem Verfahrensverstoß durch das Deutsche Patentund Markenamt ergeben (Benkard, PatG, 10. Aufl., § 80 Rdnr. 21; Schulte, PatG, 8. Aufl., § 80 Rdnr. 110 ff.).
1. Bereits die Ablehnung der von der Anmelderin beantragten Anhörung stellt einen solchen die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigenden Verfahrensverstoß dar. § 46 Abs. 1 Satz 2 PatG gibt vor, dass der Anmelder bis zum Beschluss über die Erteilung auf Antrag zu hören ist, wenn es sachdienlich ist. Sachdienlich ist eine Anhörung immer dann, wenn sie das Verfahren fördern kann, insbesondere wenn sie eine schnellere und bessere Klärung als eine schriftliche Auseinandersetzung verspricht. Eine Ablehnung eines Antrags auf Anhörung kommt deshalb nur ausnahmsweise in Betracht, nämlich wenn triftige Gründe dafür vorliegen, weil z. B. die Anhörung zu einer überflüssigen Verfahrensverzögerung führen würde (Schulte, a.
a. O., § 46 Rdnr. 8 f.) -etwa wenn die Anmelderin zu der Argumentation der Prüfungsstelle keinerlei sachliche Stellungnahme abgibt oder überhaupt keine Bereitschaft zeigt, eine notwendige Anpassung der Patentansprüche durchzuführen. Bei der Nachprüfung der Sachdienlichkeit der Anhörung ist der Senat unter Ausschluss von Zweckmäßigkeitserwägungen beschränkt auf eine Rechtskontrolle (Benkard, a.
a. O., § 46 Rdnr. 8; BPatGE 26, 44).
Im vorliegenden Fall ist der Beurteilungsspielraum des Prüfers überschritten worden, da die Ablehnung eines Antrags auf Anhörung rechtfertigende Gründe nicht ersichtlich sind. Die Anmelderin hat die gerügten Offenbarungsmängel zumindest teilweise ausgeräumt und sich im Einzelnen mit allen Argumenten der Prüfungsstelle und mit den Entgegenhaltungen der Prüfungsstelle auseinandergesetzt und dabei die Auffassung vertreten, die Merkmale von Patentanspruch 1 seien nicht durch die von der Prüfungsstelle zitierten Druckschriften nahe gelegt. Sie hat ausdrücklich darauf hingewiesen, dass vorsorglich eine Anhörung beantragt werde, um eine überraschende Zurückweisung zu vermeiden. Da sich die Anmelderin mit den Bedenken auseinandergesetzt und diese zumindest teilweise bei der Abfassung der neu eingereichten Ansprüche berücksichtigt hat, durfte sie -auch im Hinblick auf ihre Verhandlungsbereitschaft -damit rechnen, vor einer endgültigen Zurückweisung der Anmeldung gehört zu werden, mindestens aber erneut einen Hinweis zu erhalten. Die Auffassung der Prüfungsstelle, die Anhörung sei nicht sachdienlich, da der Aspekt der Erfindungshöhe des Anmeldungsgegenstandes im schriftlichen Verfahren bereits ausführlich erörtert worden sei, wird durch den Verfahrensablauf ebenfalls nicht gestützt. Vielmehr wurden in den beiden Prüfbescheiden die Druckschriften ohne konkreten anspruchsmerkmalbezogenen Quellennachweis zitiert und die beanspruchten Merkmale lediglich fragmentarisch abgehandelt.
2. Die Prüfungsstelle hat mit der Begründung ihres Zurückweisungsbeschlusses zudem eine zusätzliche Verletzung des rechtlichen Gehörs der Anmelderin begangen. Der Grundsatz der Gewährung rechtlichen Gehörs beinhaltet, dass sich der Einzelne vor einer Entscheidung, die seine Rechte betrifft, zum Verfahren und seinem voraussichtlichen Ergebnis äußern kann. Damit darf eine Entscheidung nur auf Gründen beruhen, zu denen sich der Beteiligte äußern konnte. Dies umfasst denknotwendig, dass sie ihm zuvor mitgeteilt werden müssen. Ausfluss dieses Grundsatzes sindu. a. die Vorschriften der § 42 Abs. 3 Satz 2 PatG, § 45 Abs. 2 PatG und § 48 Satz 2 PatG (vgl. Schulte a. a. O., § 48 Rdnr. 14 ff.).
Die Anmelderin konnte sich im vorliegenden Verfahren nicht zu den Gründen, auf denen der Zurückweisungsbeschluss beruht, äußern. Denn in dem dem Zurückweisungsbeschluss zugrunde liegenden Anspruchssatz wurde in den Hauptansprüchen jeweils ein Merkmal d ergänzt, wonach "das Systemereignis eines mehrerer Systemereignissen ist, die aus dem Fehlen des physikalischen Gegenstands im zweiten Computergerät resultieren und wobei in dem ersten Computergerät ein Mittel bereitgestellt wird zum Zählen der mehreren Ereignisse und zum Ausgeben eines Ausgangssignals in Antwort darauf, dass die Anzahl der mehreren Ereignisse eine vorbestimmte Anzahl erreicht", zu dem die Prüfungsstelle erstmalig im Beschluss Stellung genommen hat. Der Auffassung der Prüfungsstelle, dass sich aus den neu eingereichten Patentansprüchen keine neue Entscheidungsgrundlage ergeben habe, ist deshalb nicht zu folgen.
Dr. Fritsch Eder Dr. Thum-Rung Wickborn Fa
BPatG:
Beschluss v. 10.05.2011
Az: 17 W (pat) 49/06
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