Bundesgerichtshof:
Urteil vom 6. März 2012
Aktenzeichen: X ZR 78/09
(BGH: Urteil v. 06.03.2012, Az.: X ZR 78/09)
Tenor
Die Berufung gegen das am 21. April 2009 verkündete Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Beklagte ist Inhaberin des am 8. März 2001 angemeldeten deutschen Patents 101 11 136 (Streitpatents), das "Verfahren, Endlos-Rollenware für das Verfahren und Vorrichtung zum Abtrennen von Schlauchabschnitten von einer flachgelegten schlauchförmigen Endlos-Rollenware" betrifft und 33 Patentansprüche umfasst, von denen die Patentansprüche 1 bis 19 mit der Nichtigkeitsklage angegriffen, die Vorrichtungsansprüche 20 bis 33 hingegen nicht Streitgegenstand sind.
Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei im angegriffenen Umfang nicht patentfähig. Sie hat sich dazu insbesondere auf die deutschen Offenlegungsschriften 27 21 392 (D8 - bereits im Erteilungsverfahren berücksichtigt), 27 32 919 (D4), 27 46 126 (D5), 29 41 872 (D7) sowie auf die Veröffentlichung von Gerhard Effenberger: Wursthüllen - Kunstdarm, 2. Aufl. 1991, Schriftenreihe Fleischforschung und Praxis, Bd. 4, S. 80 bis 83 (D9), gestützt.
Das Patentgericht hat das Streitpatent im Umfang der Patentansprüche 1 bis 19 für nichtig erklärt.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung, mit der sie die Patentansprüche 2, 4, 15 und 16 des erteilten Patents nicht mehr und die bisherigen Patentansprüche 1 und 14 (jetzt 12) in erster Linie mit ihrem zuletzt gestellten Hauptantrag verteidigt. Nach diesem lauten die nebengeordneten Patentansprüche 1 und 12 (entsprechend Patentanspruch 14 des erteilten Patents; Einfügungen gegenüber der erteilten Fassung unterstrichen, Weglassung durchgestrichen) wie folgt:
"1. Verfahren zum Abtrennen von Schlauchabschnitten von einer flachgelegten schlauchförmigen Endlos-Rollenware und zum Befüllen der einzelnen Schlauchabschnitte mit einem Füllgut, 1 bei dem die Endlos-Rollenware (1) durch Abnähen abschnittsweise quer zu ihrer Längsausdehnung verschlossen und in Schlauchabschnitte unterteilt wird, wobei eine Überlappung der Endlos-Rollenware (1) erzeugt und mit der Naht verschlossen wird, und zu einer Rolle (3) aufgewickelt wird, die Endlos-Rollenware (1) kontinuierlich abgewickelt, vorgewässert, in den Einlaufbereich einer Aufzugsstation (11) transportiert und ein einzelner Schlauchabschnitt an der hinteren Seite eines Querverschlusses abgetrennt wird, vor und während des Abtrennens des Schlauchabschnittes die Endlos-Rollenware (1) von der Aufzugsstation festgehalten wird und der Schlauchabschnitt an seinem offenen Ende mittels eines ausgeübten Zuges zu einer schlauchförmigen Hülle aufgezogen wird, zu einer Füllvorrichtung transportiert, auf ein Füllrohr der Füllvorrichtung aufgezogen, auf diesem festgehalten und mit Füllgut befüllt wird.
12. Endlos-Rollenware für ein Verfahren nach einem der Ansprüche 1 bis 12, bestehend aus einem beschichteten oder unbeschichteten Trägermaterial, ausgewählt aus der Gruppe enthaltend ein oder mehrere Polymer/e, Gewebe-, Faser-, Kollagen-, Textil-, Wirkwaren, Vliesmaterial, Naturdarm, dadurch gekennzeichnet, dass die Endlos-Rollenware (1) durch Querverschlüsse (2) in Schlauchabschnitte (9) unterteilt ist, wobei die Querverschlüsse (2) aus Quernähten bestehen, bei denen eine Überlappung der Endlos-Rollenware (1) mit der Naht verschlossen ist, und die Endlos-Rollenware so beschaffen ist, dass sie kontinuierlich abgewickelt, vorgewässert, in den Einlaufbereich einer Aufzugsstation (11) transportiert und ein einzelner Schlauchabschnitt an der hinteren Seite eines Querverschlusses abgetrennt werden kann, wobei die Endlos-Rollenware vor dem jeweiligen Querverschluss gegriffen, transportiert und an der in Laufrichtung gesehen hinteren Seite des Querverschlusses des jeweiligen Schlauchabschnittes abgetrennt werden kann, vor und während des Abtrennens der Schlauchabschnitte die Endlos-Rollenware (1) vor der Aufzugsstation festgehalten werden kann und der Schlauchabschnitt an seinem offenen Ende mittels eines ausgeübten Zuges zu einer schlauchförmigen Hülle aufgezogen, zu einer Füllvorrichtung transportiert, auf ein Füllrohr der Füllvorrichtung aufgezogen, auf diesem festgehalten und mit Füllgut befüllt werden kann."
Nach dem Hilfsantrag der Beklagten lautet bei unverändertem Patentanspruch 1 der verteidigte Patentanspruch 12 wie folgt (Änderungen ge-5 genüber Patentanspruch 12 nach Hauptantrag durch Doppelunterstreichung oder Durchstreichung markiert):
"12. Endlos-Rollenware bestehend aus einem beschichteten oder unbeschichteten Trägermaterial, ausgewählt aus der Gruppe enthaltend ein oder mehrere Polymer/e, Gewebe-, Faser-, Kollagen-, Textil-, Wirkwaren, Vliesmaterial, Naturdarm, dadurch gekennzeichnet, dass die Endlos-Rollenware (1) durch Querverschlüsse (2) in Schlauchabschnitte (9) unterteilt ist, wobei die Querverschlüsse (2) aus Quernähten bestehen, bei denen eine Überlappung der Endlos-Rollenware (1) mit der Naht verschlossen ist, und die Endlos-Rollenware (1) so beschaffen ist, dass sie zu einer Rolle aufgewickelt ist, kontinuierlich abgewickelt, vorgewässert, in den Einlaufbereich einer Aufzugsstation (11) transportiert werden kann, die aus einer Transporteinrichtung und einer Aufzieheinrichtung besteht, wobei sich die Aufzieheinrichtung schließt, das freie Ende der Endlos-Rollenware festhält und die Transportklaue der Transporteinrichtung bis zum Anschlag an die Naht vorgefahren wird,und ein einzelner Schlauchabschnitt an der hinteren Seite eines Querverschlusses abgetrennt werden kann, wobei die Endlos-Rollenware vor dem jeweiligen Querverschluss gegriffen, transportiert und an der in Laufrichtung gesehen hinteren Seite des Querverschlusses des jeweiligen Schlauchabschnittes abgetrennt werden kann, vor und während des Abtrennens der Schlauchabschnitte die Endlos-Rollenware (1) vor der Aufzugsstation festgehalten werden kann und der Schlauchabschnitt an seinem offenen Ende mittels eines ausgeübten Zuges zu einer schlauchförmigen Hülle aufgezogen, zu einer Füllvorrichtung transportiert, auf ein Füllrohr der Füllvorrichtung aufgezogen, auf diesem festgehalten und mit Füllgut befüllt werden kann."
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.
Als gerichtlicher Sachverständiger hat Prof. S. , Hoch- schule O. , ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat.
Gründe
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg.
I. Das Streitpatent betrifft nach seinem nur noch eingeschränkt verteidigten Patentanspruch 1 ein Verfahren zum Abtrennen von Schlauchabschnitten von einer flachgelegten und schlauchförmigen Endlosrollenware und zum Befüllen der einzelnen Schlauchabschnitte mit Füllgut. Bei den Schlauchabschnitten, für die alleine noch Schutz begehrt wird, handelt es sich um "Pfeffersäckchen", bei denen an dem von der Befüllstation entfernten Ende das Material gefalzt wird, so dass eine Materialüberlappung entsteht, die durch eine Quernaht verschlossen wird. Der wesentliche Anwendungsbereich ist die Produktion von vorzugsweise im höheren Preissegment angesiedelten Wurstwaren.
Das Streitpatent beschreibt, dass Verfahren und Vorrichtungen zum Füllen von Einzelabschnitten eines schlauchförmigen Materials (Wursthüllen) bekannt seien, wobei die Abschnitte durch Siegelnaht, Abbinden, Clip, Abnähen o.ä. einseitig verschlossen seien. Das schlauchförmige Material werde zunächst als Rollenware hergestellt, zu einer Rolle aufgewickelt, in Abschnitte geschnitten und anschließend einseitig wie erwähnt verschlossen. Zum Befüllen müssten die Abschnitte im Allgemeinen in einem Wasserbad vorgewässert werden. Anschließend werde der Abschnitt von einer Bedienperson geöffnet und auf ein Füllrohr einer Füllvorrichtung aufgezogen und während des Füllvorgangs festgehalten. Das offene Ende des Abschnitts werde nach dem Befüllen verschlossen. Die mehrfach manuelle Handhabung mache diese Arbeitsweise personalintensiv und kosten- und zeitaufwändig (Beschr. Abs. 2). Dies galt, wie die mündliche Verhandlung ergeben hat, insbesondere für die Befüllung von Wursthüllen nach der Art von Pfeffersäckchen. 8 Durch das Streitpatent in seiner erteilten Fassung soll ein Verfahren zur Verfügung gestellt werden, mit dem die Arbeitsschritte vollautomatisch im kontinuierlichen Betrieb durchgeführt werden können (Abs. 9). So, wie das Streitpatent nunmehr verteidigt wird, dient es speziell bei Wursthüllen wie Pfeffersäckchen, die der vorherigen Wässerung bedürfen, sowohl der Herstellung eines konfektionierten Vorprodukts (Verfahrensabschnitt 1) als auch der Weiterverarbeitung im Verarbeitungsbetrieb, in dem diese vorkonfektionierten Wursthüllen gewässert und mit Wurstmasse befüllt werden (Verfahrensschritt 2): Mittels des konfektionierten Vorprodukts, das im Allgemeinen nicht beim Endverarbeiter hergestellt, sondern von diesem fertig bezogen wird, soll eine weitgehend automatisierte Weiterverarbeitung ermöglicht werden. Es geht also - anders als dies das Patentgericht zu dem vor ihm noch verteidigten Patentanspruch 1 angenommen hat - nicht allein um ein automatisiertes Füllverfahren, das zudem schon das Streitpatent als bekannt beschreibt, sondern um die Kombination eines nach der verteidigten Fassung des Streitpatents besonders ausgestalteten, an sich bekannten Vorprodukts (Pfeffersäckchen), das infolge seiner Beschaffenheit nicht ohne Weiteres als Rollenware zur Verfügung gestellt werden kann, und dessen anschließende oder spätere automatisierte Weiterverarbeitung zum Endprodukt, der in Pfeffersäckchen abgepackten Ware, bei der es sich vorzugsweise um Wurstwaren handelt. Dies führt zu einer komplexen Problemstellung, die zumindest Maßnahmen in den Bereichen des Maschinenbaus und der Verfahrenstechnik einschließt.
Das Verfahren nach Patentanspruch 1 nach Hauptantrag weist die folgenden Schritte auf:
1. Flachgelegte schlauchförmige Endlosware wird durch Abnähen abschnittsweise quer zu ihrer Längsausdehnung verschlossen, indem eine Überlappung der Endlosware erzeugt und mit der Naht verschlossen wird, und in Schlauchabschnitte unterteilt.
2. Die Endlosware wird zu einer Rolle aufgewickelt.
3. Die Endlosrollenware wird 3.1 kontinuierlich abgewickelt, 3.2 vorgewässert, 3.3 in den Einlaufbereich einer Aufzugsstation transportiert undvon der Aufzugsstation festgehalten.
4. Ein einzelner Schlauchabschnitt wird, während die Endlosrollenware weiter festgehalten wird, an der hinteren Seite eines Querverschlusses abgetrennt.
5. Der Schlauchabschnitt wird 5.1 an seinem offenen Ende mittels eines ausgeübten Zugs zu einer schlauchförmigen Hülle aufgezogen, 5.2 zu einer Füllvorrichtung transportiert, 5.3 auf ein Füllrohr aufgezogen und auf diesem festgehalten und 5.4 mit Füllgut befüllt.
II. Das Patentgericht hat ausgeführt, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 sei zwar neu, ergebe sich aber für den Fachmann, einen Ingenieur der Lebensmitteltechnik mit langjähriger Erfahrung in der Fleischverarbeitung, in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik und beruhe deshalb nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
Nach der D4 sei der Fachmann von einer aus einem Endlosschlauch gebildeten, vorkonfektionierten, leeren und vorwiegend flachliegenden Schlauchhüllenkette ausgegangen, die sich zum automatisierten Betrieb eigne. Dabei seien die Querverschlüsse hülleneinschnürende Verschlüsse, die als Clipverschluss oder als Fadenverschluss ausgebildet seien und die vom Streitpatent als mögliche Ausführungsformen von Querverschlüssen genannt seien und zum Fachwissen des Fachmanns gehörten. Damit sei der Gegenstand des Patentanspruchs 14 (jetzt eingeschränkt als Patentanspruch 12 verteidigt) durch den Stand der Technik nahegelegt. 13 Die D8 beschreibe ein Verfahren zum Öffnen, Fördern und Abteilen von flachgelegten, feuchten, leeren und ungerafften Schlauchhüllen. Diese würden wie beim Streitpatent bevorzugt durch Beaufschlagung mit Gasunterdruck pneumatisch geöffnet und in geöffnetem Zustand durch beidseitig der Schlauchhülle abwechselnd an der Außenwand angreifende Förderung pneumatisch zum Hüllenfüll- und -verschließort transportiert. Die Hüllen könnten kurz vor ihrer Verwendung gewässert und befeuchtet werden. Bei der D8 erfolge ein vollautomatischer Betrieb, weil die flachgelegten Schlauchhüllen taktkontinuierlich von einer stationär angeordneten Abwickeleinrichtung zu der Füll- und Verschließstation bewegt würden. Das einseitige Verschließen erfolge vor dem Füllen und während des Abteilens, wobei die Hülle am hinteren Ende des Querverschlusses abgetrennt werde. Das Verfahren nach Patentanspruch 1 des Streitpatents in seiner verteidigten Fassung unterscheide sich hiervon lediglich dadurch, dass die Endlosrollenware anstelle des einseitigen Verschließens in der Verschließstation bereits vor dem Aufwickeln durch Abnähen oder Siegeln querverschlossen und damit in Schlauchabschnitte unterteilt werde. Die Anregung, das Verschließen in der Station vorzuverlegen, erhalte der Fachmann durch Hinzuziehen der D4, aus der durch Querverschlüsse in Schlauchabschnitte unterteilte Endlosrollen bekannt seien. Die D8 lehre auch bereits, die Hüllenenden durch Verschweißen, d.h. Versiegeln, zu verschließen.
Einen überschießenden erfinderischen Gehalt wiesen die Unteransprüche nicht auf. Die nach dem in erster Instanz gestellten Hilfsantrag beanspruchte Verwendung einer Endlosrollenware in einem Verfahren nach den Patentansprüchen 1 bis 12 beruhe gleichfalls nicht auf erfinderischer Tätigkeit.
III. Dies hält im Ergebnis auch gegenüber den geändert verteidigten Patentansprüchen der Überprüfung stand. 15 1. Der Fachmann muss angesichts der komplexen Problemstellung zunächst anders definiert werden, als dies das Patentgericht getan hat. Da es um das Zurverfügungstellen eines mehrstufigen und im Allgemeinen nicht nur in einem einzigen Betrieb anzusiedelnden Produktionssystems geht, das sich aus der Vorkonfektionierung der Pfeffersäckchen als Endlos-Rollenware und deren späterer, automatisierter Befüllung beim Wurstwarenhersteller geht, müssen verschiedene Gewerke einbezogen werden, die sich in einem Team ergänzen (vgl. zum "Teamfachmann" nur BGH, Urteil vom 19. Dezember 1985 - X ZR 53/83, GRUR 1986, 372 - Thrombozytenzählung; Urteil vom 3. Mai 2001 - X ZR 168/97, BGHZ 147, 306 = GRUR 2001, 813 - Taxol; Urteil schweizerisches Bundesgericht BGE 120 II 71 = GRUR Int. 1995, 167 - Wegwerfwindel). Dabei mag auch ein Ingenieur der Lebensmitteltechnik einzubeziehen sein, entscheidende Bedeutung haben aber Ingenieure der Fachrichtung Maschinenbau und der Fachrichtung Verfahrenstechnik. Deren Fachkönnen und Fachwissen ist diesem Team als Fachmann insgesamt zuzurechnen.
2. Der Gegenstand des im Stand der Technik nicht vorbeschriebenen verteidigten Verfahrensanspruchs 1 ergab sich für den vorstehend näher gekennzeichneten Fachmann in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik (§ 4 PatG).
a) Die Ausgangslage seiner Bemühungen um eine möglichst weitgehende Automatisierung sowohl der Herstellung eines für Pfeffersäckchen geeigneten Vorprodukts als auch dessen Weiterverarbeitung zu der fertigen Wurstware stellte sich dem Fachmann wie folgt dar:
aa) Wie Wursthüllen in einem automatisierten Verfahren befüllt werden können, beschreiben die D8 und die D9. In beiden Fällen handelt es sich allerdings nicht um abschnittsweise vorkonfektionierte Endlosware, sondern um schlauchförmige Endlosware. Nach der D9 erfolgt der endseitige Ver-18 schluss (Verclippen des Endes) erst mit dem Abschneiden (S. 80 rechte Sp.). Eine dort beschriebene Anlage kann zusätzlich mit einer Wässerungseinrichtung ausgestattet werden (S. 81 rechte Sp.). Auch die D8 beschreibt das Befüllen von flachgelegten Schlauchhüllen, die nicht vorkonfektioniert sind (S. 13).
Wie das Aufziehen und Befüllen zu erfolgen hat, wird in den genannten Entgegenhaltungen im Einzelnen beschrieben. So wird in der D8 erörtert, dass die im Stand der Technik bekannten Verfahren und Vorrichtungen nur auf den Transport gefüllter Schlauchhüllen ausgerichtet seien, sich jedoch nicht zum Fördern von geöffneten, feuchten, leeren und ungerafften Schlauchhüllen eigneten. Als Aufgabe wird formuliert, in einfacher und materialschonender Weise flachgelegte leere, ungeraffte und feuchte Schlauchhüllen zunächst ohne Zuhilfenahme einer Einwirkung auf das Schlauchinnere zu öffnen, dann zu transportieren und schließlich abzuteilen, um anschließend ebenso problemlos mit an sich bekannten Vorrichtungen eine Füllung und Verschließung vornehmen zu können (Beschreibung S. 13 - handschriftlich - unten). Die Lösung besteht darin, dass die Schlauchhüllen durch unterschiedlich starken, lediglich an der Hüllenaußenseite angreifenden Gasunter- oder -überdruck geöffnet und in geöffnetem Zustand durch an der Schlauchhüllenaußenwand angreifende Förderung zum Hüllenfüll- und -verschließort gefördert werden, wobei die Hüllen schließlich vor dem Füllen, jedoch während des Abteilens einseitig verschlossen werden. Hierdurch soll eine reibungslose Anpassung von auf dem Markt erhältlichen Schlauchhüllenfüll- und -schließmaschinen an die erfindungsgemäße Arbeit der Schlauchhüllenöffnungs-, -transport- und -abteilvorrichtung möglich sein (Beschreibung S. 15 unten), es soll aber ebenso gut möglich sein, die mit der Vorrichtung geöffneten und geförderten einseitig verschlossenen Schlauchhüllen leer abzulegen (Beschreibung S. 18 unten). Die Verwendung von vor-22 konfektionierten Schlauchabschnitten in der Rollenware ist nicht angesprochen.
bb) Die D4 beschreibt eine aus einem Endlosschlauch gebildete, vorkonfektionierte, leere und vorwiegend flachliegende Schlauchhüllenabschnittskette, bei der axial hintereinander angeordnete Hüllenabschnitte abschnittsweise quer verlaufende Materialschwächungszonen aufweisen, in deren Nähe ein hülleneinschnürender Verschluss angebracht ist (Schutzanspruch 1). Hierdurch soll es ermöglicht werden, bei der Weiterverarbeitung wieder "von Rolle zu arbeiten", indem maschinell gewünschte Einzelabschnitte mittels Zugbelastung in axialer Richtung von der vorkonfektionierten Endlosrolle abgetrennt und mit der gewünschten Ware befüllt werden (Beschreibung S. 8 unten).
b) Dem Fachmann musste sich unmittelbar die Überlegung aufdrängen, dass nach dem Vorbild der D4 eine Vorkonfektionierung der Endlosware zu einseitig verschlossenen, aber als Rollenware vorliegenden Pfeffersäckchen anzustreben war. Aus mehreren Gründen war für ihn deutlich, dass die vollständige Herstellung von Pfeffersäckchen im Fleischverarbeitungsbetrieb nicht wünschenswert war. Die schon in der D9 (übergreifend S. 62/63) beschriebenen Pfeffersäckchen wurden vom Fleischverarbeiter üblicherweise von einem Vorlieferanten (Konfektionierer) bezogen (vgl. Gutachten Prof. S. S. 11 zu Frage 3 b). Dieser verfügte über die apparative Ausstattung und das Knowhow zur Herstellung solcher Vorprodukte und konnte, wie der gerichtliche Sachverständige überzeugend ausgeführt hat, die Anbringung von Quernähten an Rollenware einfacher und kostengünstiger realisieren als unmittelbar vor oder während des eigentlichen Füllprozesses. Die Beklagte hat selbst darauf hingewiesen, dass das abschnittsweise Vernähen oder Versiegeln quer zur Längsrichtung seit jeher zu den erprobten Verarbeitungsschritten der Konfektionierungsbetriebe gehört habe. Insbesondere musste es, wie der Sachverständige plausibel erläutert hat, fernliegend er-23 scheinen, das Abnähen eines gewässerten Vorprodukts in Erwägung zu ziehen.
Die D4 wies damit die Richtung zu der automatisierten Verarbeitung von in Abschnitten vorkonfektionierter Ware von der Endlosrolle. Dabei war zu klären, ob eine für das Endprodukt Pfeffersäckchen geeignete Endlosware ebenso mit den erforderlichen Quernähten versehen werden konnte, wie dies die D4 für hülleneinschnürende Querverschlüsse vorsah. Wie in der D9 ausgeführt wird, wurde im Stand der Technik der einseitige Verschluss bei Pfeffersäckchen erreicht, indem der Kunstdarmabschnitt vor dem Nähen im Nahtbereich gefalzt und dann genäht wurde oder aber der ungefalzte Darmabschnitt genäht und zur Nahtverstärkung ein- oder beidseitig ein Nähband eingefügt wurde (S. 63). Wenn der Fachmann die Falzlösung beibehalten wollte, musste er prüfen, ob eine Möglichkeit bestand, diese zu verwirklichen, ohne die Endlosware zuvor in Einzelabschnitte zu teilen. Dabei war für das Team aus Ingenieuren des Maschinenbaus und der Verfahrenstechnik erkennbar, dass das bei der Einzelherstellung von Pfeffersäckchen-Vorprodukten geschaffene Erzeugnis im Falzbereich mehrlagig ausgebildet wird und eine solche Mehrlagigkeit grundsätzlich auch durch eine bereichsweise Überlappung einer Endlosware erzeugt werden kann. Dies mag im Einzelnen, wie auch der Sachverständige angeführt hat, durchaus Schwierigkeiten bei der maschinenbautechnischen Umsetzung bereitet haben. Die mündliche Verhandlung hat aber keinen Anhalt dafür ergeben, dass diese Schwierigkeiten bei der Verwirklichung des als wünschenswert erkennbaren Zieles als nicht überwindbar erscheinen mussten. Der Senat hat dabei auch herangezogen, dass die Beschreibung des Streitpatents lediglich angibt, dass die Endlosrollenware einem speziellen Nähautomaten zugeführt werde, auf dem beispielsweise mittels eines Stempels eine Überlappung erzeugt werde, die anschließend mit einer Naht verschlossen werde (Beschreibung Abs. 27), und damit alles Weitere dem nacharbeitenden Leser überlässt. 25 c) Der Fachmann hatte damit weiterhin Anlass, das etwa aus der D8 bekannte Verfahren zur automatischen Verarbeitung und Befüllung von Rollenware daraufhin zu überprüfen, ob und gegebenenfalls unter welchen Modifikationen es zur Anwendung bei der Verarbeitung von im vorstehend dargelegten, den Merkmalen 1 und 2 entsprechenden Sinn vorkonfektionierter Pfeffersäckchen geeignet war. Insoweit hat das Patentgericht zutreffend ausgeführt, dass das Weiterverarbeitungsverfahren dem Fachmann grundsätzlich als geeignet erscheinen und er lediglich das "Verschließen in der Station vorverlegen" musste. Aufgrund dieser nach dem Vorstehenden vorgegebenen "Vorverlegung" des einseitigen Verschlusses ergab sich zwangsläufig, dass der Schlauch nicht wie bei dem Verfahren nach der D8 am Anfang des Verfahrens als Ganzer geöffnet werden kann, sondern dass der Öffnungsprozess der Unterteilung in Schlauchabschnitte bei der Vorkonfektionierung Rechnung tragen muss und nur der Schlauchabschnitt an seinem offenen Ende mittels eines ausgeübten Zugs zu einer schlauchförmigen Hülle aufgezogen, auf ein Füllrohr aufgebracht und mit Füllgut befüllt werden kann (Merkmalsgruppe 5) und dass diesem die - als solche ebenfalls aus der D8 bekannten - Schritte nach den Merkmalen 3 bis 4 vorausgehen müssen.
d) Damit war das Verfahren nach Patentanspruch 1 insgesamt nahegelegt.
3. Der als Patentanspruch 12 verteidigte Erzeugnisanspruch betrifft die aus vorkonfektionierten "Pfeffersäckchen" gebildete Endlosrollenware, die so ausgebildet ist, dass das Verfahren nach Patentanspruch 1 mit ihr durchgeführt werden kann. Die Gesichtspunkte, die das Naheliegen des Gegenstands des Patentanspruchs 1 begründen, legen auch das Erzeugnis nahe, für das in dem verteidigten Patentanspruch 12 Schutz begehrt wird. Das gilt auch für Patentanspruch 12 in seiner hilfsweise verteidigten Fassung, der gegenüber Patentanspruch 12 nach Hauptantrag keinen das beanspruchte Erzeugnis zusätzlich kennzeichnenden sachlichen Überschuss ent-26 hält. Denn soweit im Hilfsantrag näher beschrieben wird, wie die beanspruchte Rollenware von der Transporteinrichtung und der Aufzieheinrichtung einer Verarbeitungsvorrichtung transportiert und gehalten werden soll, ergibt sich daraus weder unmittelbar noch mittelbar ein zusätzliches Sachmerkmal der Rollenware.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 PatG, § 97 Abs. 1 ZPO.
Meier-Beck Keukenschrijver Mühlens Grabinski Schuster Vorinstanz:
Bundespatentgericht, Entscheidung vom 21.04.2009 - 3 Ni 17/07 - 29
BGH:
Urteil v. 06.03.2012
Az: X ZR 78/09
Link zum Urteil:
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