Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 28. Juli 2011
Aktenzeichen: 22 U 28/11

(OLG Hamm: Urteil v. 28.07.2011, Az.: 22 U 28/11)

Tenor

Die Berufungen der Klägerin und der Beklagten gegen das 23.12.2010 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 58 % und die Beklagte zu 42 %.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für den jeweiligen Vollstreckungsgläubiger aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweiligen Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt die Beklagte im Wege der Lizenzanalogie auf Schadensersatz wegen Vervielfältigung und Verbreitung urheberrechtlich geschützter Musikstücke in Anspruch.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivorbringens und der erstinstanzlich gestellten Anträge nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils vom 23.12.2010. Zu ergänzen ist nach den Ausführungen der Beklagten im Senatstermin am 21.07.2011, dass eine schriftliche Vereinbarung hinsichtlich der Übertragung der Nutzungsrechte betreffend das streitgegenständliche Computerspiel "K - Second Edition" durch die Q GmbH auf die Beklagte eine schriftliche Vereinbarung nicht existiert. Grund hierfür ist, dass zwischen den wirtschaftlichen Eigentümern der Q GmbH und denen der Beklagten Personenidentität bestand. Die Q GmbH war zudem mit der Beklagten, auf die sie am 19.12.2008 verschmolzen wurde, als herrschendem Unternehmen durch einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag verbunden gewesen. Nicht aufgeklärt werden konnte, ob es die Beklagte oder die Q GmbH gewesen war, die den streitgegenständlichen Datenträger (CD) herstellte und erstmals in den Handel brachte. Zwischen den Parteien bestand aber Einigkeit, dass dies zu einem Netto-Abgabepreis für den Einzelhandel in Höhe von 2,31 € geschehen ist und die Beklagte nicht selber den Einzelhandel betrieben hat, sondern als Grossist tätig geworden ist. Ob und ggf. zu welchen Preisen auch andere Hersteller das streitgegenständliche Computerspiel vermarktet haben, ist nicht bekannt.

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil der Klage nach Vernehmung der Zeugen T und I in Höhe eines Teilbetrags von 15.600,00 € nebst Zinsen und vorgerichtlicher Kosten stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG zustehe, da die Beklagte durch die Verbreitung des musikalisch unterlegten Computerspiels "K - Second Edition" ohne Einwilligung der Klägerin das von ihr aufgrund Berechtigungsverträgen wahrgenommene Verbreitungsrecht (§§ 15 Abs. 1 Nr. 2, 17 UrhG) der Urheber der auf der CD-ROM befindlichen Musikwerke, der Zeugen T und I, widerrechtlich verletzt habe. Die Beweisaufnahme habe zur Überzeugung des Gerichts ergeben, dass die von der Beklagten verwendeten Musiktitel ausschließlich von den Zeugen T und I stammten. Die Klägerin sei auch aufgrund der unter dem 14.09./25.10.1971 mit dem Zeugen T (Bl. 99 ff. GA) und unter dem 03.06./29.08.1988 mit dem Zeugen I (Bl. 104 ff. GA) geschlossenen Berechtigungsverträge zur Wahrnehmung deren Rechte befugt. Aus den in § 1 Buchstabe k) bzw.§ 1 Buchstabe l) enthaltenen Vertragsklauseln, wonach u.a. auch Rechte übertragen werden, die durch künftige technische Entwicklung entstehen, seien die gegenständlichen Rechte an Musikwerken auf Softwaredatenträgern erfasst. Nachdem § 31 Abs. 4 UrhG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung, wonach die Einräumung von Nutzungsrechten für noch nicht bekannte Nutzungsarten ausgeschlossen sei, durch Gesetz vom 26.10.2007 mit Wirkung zum 01.01.2008 aufgehoben worden sei, sei die Klausel zulässig. Sofern, wie die Klägerin meint, in der Nutzung durch Auswertung der Kompositionen auf Spielesoftware keine neue Nutzungsart gesehen werde, ergebe sich die Übertragung der Rechte unmittelbar aus den Berechtigungsverträgen. Spätestens aber durch die Änderung von § 1 der Berechtigungsverträge durch die Ergänzungsvereinbarungen vom 26.05./21.07.1998 (Bl. 103 GA) und vom 29.05./30.07.1998 (Bl. 108 GA) seien auch diese Nutzungsrechte übertragen worden. Der Zeuge I habe überdies glaubhaft bekundet, dass es hinsichtlich der Produktion des Soundtracks des streitgegenständlichen Computerspieles auch nicht zu einer sog. "buyout-Vereinbarung" mit der F AG gekommen sei. Die Nutzung der urheberrechtlich geschützten Werke durch die Beklagte sei auch widerrechtlich und schuldhaft erfolgt. Soweit die Beklagte für ein fehlendes Verschulden auf die Lizenzvereinbarung zwischen der Q GmbH und der F AG verweise, erfasse diese Lizenzvereinbarung bereits ihrem Wortlaut nach nur Rechte nach den §§ 69a ff. UrhG, nicht hingegen die hier streitgegenständlichen Rechte an Musikwerken. Die Beklagte sei daher zu weiteren Erkundigungen hinsichtlich des Urheberrechtsschutzes der Musikstücke verpflichtet gewesen.

Zur Anspruchshöhe hat das Landgericht weiter ausgeführt, dass die von der Klägerin ihrer Schadensberechnung zu Grunde gelegte Lizenzgebühr nicht ordnungsgemäß ermittelt worden sei. Zwar böten die Tarifwerke der Verwertungsgesellschaften im Sinne von § 13 UrhWG einen Anhaltspunkt für die Bemessung der angemessenen Lizenzgebühr. Ebenso sei im Ansatz davon auszugehen, dass auch ein ordnungsgemäßer Lizenznehmer die festgelegten Tarife gezahlt haben würde. Allerdings sei die Heranziehung des von der Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes seinem Einigungsvorschlag zu Grunde gelegte Tarifs VR-TH 1 in der Fassung vom 02.02.2005, auf dessen Grundlage nun auch die Klägerin ihre Forderung berechne, nicht angemessen, weil sich dieser Tarif ausschließlich auf Tonträger beziehe, es sich hingegen bei dem streitgegenständlichen Computerspiel in erster Linie um eine Spielesoftware handele, deren musikalische Untermalung nicht unerheblich sein möge, der jedoch keine einem Tonträger, der ausschließlich Musik wiedergibt, vergleichbare Bedeutung zuzumessen sei. Überdies sei bei einem unstreitig erzielten Endverkaufspreis von netto 2,31 € und Gestehungskosten von 1,90 € pro Stück von einer unangemessenen Härte zu Lasten der Beklagten auszugehen, würde man die geforderte Lizenzvergütung von 0,6199 € zu Grunde legen.

Das Landgericht hat vor diesem Hintergrund die Höhe des Schadens in Anwendung von § 287 ZPO nach freiem Ermessen geschätzt und insoweit als Bemessungsgrundlage seiner Schätzung den für die Vergütung der streitgegenständlichen Nutzung maßgeblichen Tarif ...# in der Fassung vom 01.12.2005 herangezogen. Das Landgericht hat insoweit weiter ausgeführt, dass dieser Tarif speziell auf die Vergütung von Musikwerken aus dem Repertoire der Klägerin, welche für Computerspiele komponiert worden seien, zugeschnitten sei. Hierbei sei allerdings die Vergütungsgruppe gemäß Ziff. 3 des II. Abschnitts des Tarifs einschlägig, da nach § 13 Abs. 3 UrhWG als Berechnungsgrundlage die geldwerten Vorteile heranzuziehen seien, die durch die fragliche Nutzung erzielt würden. Das streitgegenständliche Computerspiel habe sich im Zeitpunkt des Vertriebs durch die Beklagte unstreitig nicht mehr in der Phase der Erstverwertung befunden; unstreitig sei vorliegend auch ein Nettoabgabepreis von weit unter 30 % des Händlerabgabepreises für Erstverkäufe, die von der Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes für den relevanten Zeitraum mit ungefähr 25,00 € angegeben worden sei, erzielt worden. Daher seien der Bemessung des Schadensersatzes die Vergütungssätze für sog. sonstige Verkäufe zu Grunde zu legen gewesen, wobei es unerheblich sei, auf welcher Verwertungsstufe sich das streitgegenständliche Computerspiel tatsächlich befunden habe, weil unstreitig weder Nettoabgabepreise gemäß der Definition für Erst- noch für Folgeverkäufe erzielt worden seien. Insoweit ergäbe sich bei einer Spieldauer von 67,18 Minuten ein Vergütungssatz von 11,25 %, was bei einem Nettoabgabepreis von 2,31 € pro Stück einem Betrag in Höhe von 0,26 €, mithin bei einer Verkaufszahl von 60.000 Stück dem ausgeurteilten Betrag in Höhe von 15.600,00 € entspreche. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei auch nicht deshalb lediglich eine Vergütung von 0,25 % angemessen, weil die Klägerin in der Vergangenheit jedenfalls einmal eine solche Vereinbarung hinsichtlich eines Soundtracks eines anderen Computerspiels getroffen habe. Der Umstand, dass die Klägerin im Einzelfall von den von ihr veröffentlichten Tarifen abweichende Vereinbarungen schließe, könne der Beklagten nicht zum Vorteil gereichen, da bei der Schadensersatzberechnung nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie gerade eine Besserstellung des Verletzers gegenüber einem rechtstreuen Lizenznehmer vermieden werden solle. Schließlich sei auch eine missbräuchliche Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung durch die Klägerin nicht ersichtlich, da an der Angemessenheit des anwendbaren Tarifs keine Zweifel bestünden und insbesondere keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass sich bei wirksamen Wettbewerb auf dem Markt der Verwertungsgesellschaften andere Vergütungssätze ergeben würden.

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Parteien mit ihren jeweiligen Berufungen.

Die Beklagte rügt die Verletzung materiellen Rechts durch das Landgericht und verfolgt mit ihrem Rechtsmittel ihr erstinstanzliches Begehren auf vollständige Abweisung der Klage weiter. Sie macht geltend, dass die Klägerin entgegen der Annahme des Landgerichts bereits nicht aktivlegitimiert sei. Selbst wenn die Klägerin mit den Zeugen T und I durch Berechtigungsverträge verbunden gewesen sei, hätten diese mit Blick auf die hier einschlägigen Nutzungsrechte keine Geltung, da zum Zeitpunkt des Abschlusses der Berechtigungsverträge die Nutzung von Musik auf Softwareträgern noch unbekannt gewesen sei und infolge dessen nach § 31 Abs. 4 UrhG a.F. keine Rechteübertragung erfolgt sei und auch die Ergänzungsvereinbarungen eine derartige Übertragung nicht hergeben würden. Die Nutzung der streitgegenständlichen Werke sei auch nicht widerrechtlich erfolgt, da der Beklagten entsprechende Nutzungsrechte durch die Lizenzvereinbarung mit der Q GmbH eingeräumt worden seien. Jedenfalls fehle es aber am Verschulden der Beklagten, da für sie kein Hinweis darauf gegeben gewesen sei, dass weitere Erkundigungen hinsichtlich des Urheberrechtsschutzes erforderlich sein könnten. Auf der Grundlage der langjährigen Geschäftsbeziehung zur Q GmbH habe sie, die Beklagte, vielmehr darauf vertrauen dürfen, dass hinsichtlich der Lizenzlage keine Probleme bestünden. Dies ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Lizenzvereinbarung, nach der die Rechte nach §§ 69a ff. UrhG umfasst gewesen seien und hätten übertragen werden sollen. Überdies hätten die buyout-Vereinbarungen mit den Komponisten die ausdrückliche Zusicherung enthalten, dass die Musik frei von Rechten Dritter sei. Schließlich sei auch die Bemessung der Schadenhöhe durch das Landgericht rechtsfehlerhaft erfolgt. Der vom Landgericht zu Grunde gelegte Tarif sei weder angemessen noch sei die Anwendung des Tarifs im Einzelfall zutreffend erfolgt. Der vom Landgericht angenommene Vergütungssatz von 11,25 %, mithin 0,26 € pro Stück, sei unangemessen hoch, zumal die Klägerin in der Vergangenheit zumindest einmal eine abweichende Vereinbarung hinsichtlich des Soundtracks eines anderen Computerspiels getroffen habe. Die Klägerin setze sich willkürlich über ihre eigenen Vergütungssätze hinweg und behandele gleich gelagerte Sachverhalte ohne sachlichen Grund vorsätzlich unterschiedlich. Es sei insoweit auch nicht nachvollziehbar, warum das Landgericht den von der Beklagten vorgebrachten Einwand eines kartellrechtswidrigen Verhaltens nicht weiter würdige, da geradezu ein klassischer Fall des Konditionenmissbrauchs sowie der unzulässigen sachlich nicht gerechtfertigten Preisdiskriminierung vorliege. Der Fall sei dadurch gekennzeichnet, dass das streitgegenständliche Computerspiel bei vernünftiger wirtschaftlicher Betrachtungsweise ausschließlich zu einem äußerst günstigen Preis habe verwertet werden können, so dass die vom Landgericht zu Grunde gelegte Mindestvergütung nicht angemessen sei. Der Tarif ...# passe nicht auf die in Rede stehende Fallkonstellation, da er die "Verramschung" ansonsten nicht marktgängiger Software nicht erfasse. Der zu Grunde zu legende Tarif sei daher unter Heranziehung der geldwerten Vorteile, die durch eine Verwertung erzielt werden, zu bemessen. Hinsichtlich der streitgegenständlichen Software sei weder eine Erst- noch eine Zweitverwertung noch möglich gewesen, so dass auch eine Beeinträchtigung der Primärverwertung nicht mehr denkbar sei. Eine Mindestvergütung dürfe aber nicht so weit gehen, dass der Grundsatz, dass der Urheber angemessen an den wirtschaftlichen Nutzen seines Werkes zu beteiligen ist, zu Lasten des Verwerters in einem unangemessenen Verhältnis überschritten werde. Faktisch habe überhaupt keine Möglichkeit mehr bestanden, die Werke außer im Rahmen der vorliegenden Verwertung zu vermarkten, so dass auch keine werthaltigen Rechte mehr bestanden hätten, die vor einer Entwertung zu schützen gewesen seien. Insoweit sei einer Orientierung der Lizenzgebühr an der früheren Vereinbarung zwischen der Klägerin und der F AG auch vor dem Hintergrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung der Vorzug zu geben.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie rügt mit ihrem Rechtsmittel ihrerseits, dass es sich bei dem angefochtenen Urteil um eine unzulässige Überraschungsentscheidung handele, ferner das Urteil auf einer unzutreffenden Würdigung des Sachverhaltes und einer fehlerhaften Rechtsanwendung beruhe. Hierzu führt sie im Wesentlichen aus: Das Landgericht habe die Schadenhöhe auf der Grundlage von Ziff. II 3.3 des Tarifs ...# berechnet, ohne die Parteien zuvor hierauf hinzuweisen. Die vom Landgericht vorgenommene Berechnung sei unzutreffend. Das Landgericht habe bereits keine Tatsachen festgestellt, die eine Anwendung der Regelung in Ziff. II 3.3 des Tarifs ...# ermöglichen würden. Es habe vielmehr schlicht unterstellt, dass sich das klagegegenständliche Computerspiel im Zeitpunkt des Vertriebs durch die Beklagte nicht mehr in der Phase der Erstverwertung befunden habe, was die Klägerin bestritten habe und überdies auch unzutreffend sei. Sie, die Klägerin, habe nämlich aufgezeigt, dass das Spiel durch die Beklagte im Erstmarkt vertrieben worden sei. Schon dieserhalb sei nicht von einem Nettoabgabepreis von weit unter 30 % des Händlerabgabepreises für Erstverkäufer auszugehen. Der von der Schiedsstelle des Deutschen Patent- und Markenamtes in ihrem Einigungsvorschlag vom 29.07.2009 für den relevanten Zeitpunkt angenommenen Händlerabgabepreis für Erstverkäufe in Höhe von ca. 25,00 € betreffe nicht das gegenständliche Computerspiel, sondern gelte allgemein. Ein Rückgriff auf die tariflichen Vergütungssätze für sonstige Verkäufe komme überdies auch deshalb nicht in Betracht, weil der von der Beklagten benannte Nettoabgabepreis in Höhe von 2,31 €/Vervielfältigungsstück nicht zu Grunde zu legen sei, da es anderenfalls der Verwerter in der Hand hätte, die urheberrechtliche Mindestvergütung leer laufen zu lassen, indem er Datenträger zu Preisen anbiete, die unterhalb der tariflichen Fallgruppenbeiträge liegen. Die Beklagte habe den Preis von 2,31 €/Vervielfältigungsstück nur deshalb erzielen können, weil die urheberrechtliche Vergütung nicht in ihre Preiskalkulation eingeflossen sei. Insoweit verbiete sich ein Rückgriff auf die Regelungen für die sog. Prozentvergütung, da diese Rechtstreue des Verwerters voraussetzten. Unter Zugrundelegung des tatsächlichen Sachverhalts habe ein ordnungsgemäßer Lizenznehmer vielmehr die von ihr, der Klägerin, zu Grunde gelegte Mindestvergütung nach Ziff. II 1.3 des Tarifs ...# in der zuletzt geforderten Höhe zu zahlen gehabt. Zur Ermittlung der Angemessenheit der Mindestvergütung seien Mindestvergütungen aus vergleichbaren Nutzungen heranzuziehen. Insoweit biete sich vorliegend der Tonträgertarif ...# als Vergleichsgrundlage an. Auf dessen Mindestvergütung sei die Mindestvergütung gem. Ziff. II 1.3 des Tarifs ...# in der absoluten Höhe zu begrenzen. Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei diese Mindestvergütung wiederum nicht erneut zu reduzieren, da eine unzumutbare Härte für die Beklagte nicht vorliege. Sie, die Klägerin, habe die Behauptung der Beklagten, das streitgegenständliche Computerspiel sei "durchgehandelt" und habe die Erst-, Zweit- und Drittverwertung hinter sich, bestritten. Tatsächlich sei das Computerspiel von der Beklagten im Erstmarkt zum Verkauf angeboten worden. Die Beklagte bewerbe das Spiel mit der Vollwertigkeit der Inhalte und Programme und zeige hiermit, dass sie ihm einen besonderen Wert beimesse. Überdies habe sie, die Klägerin, mit Nichtwissen bestritten, dass sich das Computerspiel nicht zu einem über netto 2,31 € liegenden Stückverkaufspreis abzusetzen lasse, zumal die Beklagte selbst Computerspiele auch in Preisgruppen von 5,00 bis 10,00 € anbiete. Die Beklagte führe insoweit zur Begründung der Unangemessenheit ausschließlich ihre fehlerhafte Preiskalkulation an, während die Regelung des § 13 Abs. 3 Satz 1 UrhWG und damit die Tarife der Klägerin nach Sinn und Zweck eine vollständige Kalkulation voraussetzten. Die Beklagte habe aber weder konkret vorgetragen noch unter Beweis gestellt, dass Preise, welche die urheberrechtliche Vergütung beinhalten, am Markt nicht erzielbar gewesen seien. Sie, die Beklagte, versuche lediglich, ihre offensichtlich unvollständige Kalkulation dazu zu nutzen, die von ihr geschuldete Lizenzvergütung unter den Betrag zu drücken, den ein rechtstreuer Nutzer zu zahlen gehabt hätte.

Die Klägerin beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, an sie über den erstinstanzlich zuerkannten Betrag hinaus weitere 21.594,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.12.2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien in der Berufungsinstanz nimmt der Senat auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug.

II.

Die zulässigen Rechtsmittel der Klägerin und der Beklagten haben in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts hält rechtlicher Überprüfung stand. Sie beruht weder auf einer Rechtsverletzung im Sinne von § 546 ZPO noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere, dem jeweiligen Rechtsmittelführer günstigere Entscheidung, § 513 Abs. 1 ZPO.

1.)

Das Landgericht hat zu Recht die haftungsbegründenden Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs der Klägerin gegen die Beklagte aus § 97 Abs. 1 UrhG festgestellt, da die Beklagte das von der Klägerin wahrgenommene Verbreitungsrecht (§ 17 Abs. 1 UrhG) an den zur Unterlegung des streitgegenständlichen Computerspiels genutzten und gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 UrhG geschützten Musikstücken rechtswidrig und schuldhaft verletzt hat. Die gegen ihre Schadensersatzverpflichtung dem Grunde nach von der Beklagten mit ihrem Rechtsmittel weiter verfolgten Einwendungen verfangen sämtlich nicht:

a)

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat das Landgericht die Aktivlegitimation der Klägerin unter Hinweis auf die mit den Zeugen T und I unter dem 14.09./25.10.1971 bzw. 03.06./29.08.1988 geschlossenen Berechtigungsverträge zutreffend bejaht. Offen bleiben kann hierbei, ob sich die Wahrnehmungsbefugnis der Klägerin hinsichtlich der maßgeblichen Nutzungsart - wie das Landgericht gemeint hat - jedenfalls aus den Ergänzungsvereinbarungen aus dem Jahre 1998 ergibt. Ebenso bedarf es keiner abschließenden Entscheidung durch den Senat, ob sich die Klägerin hinsichtlich ihrer Wahrnehmungsbefugnis auf die sog. GEMA-Vermutung berufen kann, wonach prima facie u.a. davon auszugehen ist, dass der Klägerin die Wahrnehmung der Rechte an urheberrechtlich geschützten Musikwerken anvertraut ist (vgl. zur GEMA-Vermutung allgemein Melichar, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, 2. Aufl., § 48 Rn. 22 ff.; Riesenhuber/v.Vogel, in: Kreile u.a., Recht und Praxis der GEMA, 2. Aufl., Kapitel 14 Rn. 5 ff.). Der Einwand der Beklagten, zum Zeitpunkt des Abschlusses der Berechtigungsverträge mit den Zeugen T und I sei die Nutzung von Musik auf Softwareträgern noch unbekannt gewesen, weshalb nach § 31 Abs. 4 UrhG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung keine (wirksame) Rechteübertragung erfolgt sein könne, greift nämlich - wie bereits das Landgericht zutreffend ausgeführt hat - schon deshalb nicht Platz, weil § 31 Abs. 4 UrhG durch Art. 1 des Zweiten Gesetz zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft vom 26.10.2007 (BGBl. I S. 2513) mit Wirkung vom 01.01.2008 aufgehoben worden ist. Verträge über unbekannte Nutzungsarten unterliegen nunmehr der Bestimmung in § 31a UrhG. Hat hiernach ein Urheber mit einem Verwerter eine Rechtseinräumung unter Einschluss künftiger Nutzungsarten vereinbart, bezieht sich diese Rechtseinräumung auch auf Nutzungsarten, die zur Zeit der Rechtseinräumung noch unbekannt waren, wenn die Vereinbarung schriftlich abgeschlossen wurde (§ 31a Abs. 1 Satz 1 UrhG). Dies gilt nach der Übergangsvorschrift in § 137l UrhG im Wege einer besonderen gesetzlichen Fiktion auch für umfassende Rechtseinräumungen vor Inkrafttreten der Neuregelung zwischen dem 01.01.1966 und dem 01.01.2008, sofern nicht der Urheber der Nutzung innerhalb eines Jahres ab dem 01.01.2008 widersprochen hat (vgl. Wandtke/Grunert, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, 3. Aufl., § 31a Rn. 3).

b)

Auch der mit ihrer Berufung weiter verfolgte Einwand der Beklagten, die Nutzung der urheberrechtlich geschützten Werke sei nicht widerrechtlich erfolgt, da ihr, der Beklagten, Nutzungsrechte durch die Lizenzvereinbarung mit der Q GmbH eingeräumt worden seien, verfängt nicht. Die Darlegungs- und Beweislast für den Bestand der erforderlichen Nutzungsrechte liegt bei der Beklagten (KG, Urt. v. 11.08.2000, 5 U 3069/00, juris, Tz. 51, NJW 2001, 233 = GRUR-RR 2001, 118; v.Wolff, in: Wandtke/Bullinger, a.a.O., § 97 UrhG Rn. 31). Die Beklagte selbst behauptet aber nicht, dass die Q GmbH oder deren Lizenzgeberin, die F AG, ihrerseits wirksam Nutzungsrechte (auch) an den streitgegenständlichen Musikstücken von der Klägerin erworben hätten und ihnen daher die Rechtsmacht zugekommen wäre, solche Nutzungsrechte weiter zu übertragen.

Das Landgericht hat auch nach durchgeführter Beweisaufnahme zu Recht angenommen, dass die Beklagte hinsichtlich ihrer Behauptung, es sei zwischen dem Zeugen I und der F AG zu einer sog. buyout-Vereinbarung gekommen, beweisfällig geblieben ist.

c)

Ebenfalls ohne Erfolg wendet sich schließlich die Beklagte gegen die Feststellung des Landgerichts, sie habe schuldhaft gehandelt. Das Landgericht hat zu Recht angenommen, dass die Beklagte jedenfalls fahrlässig gehandelt habe, indem sie keine weiteren Erkundigungen hinsichtlich des Urheberrechtsschutzes der Musikstücke einholte. Im Urheberrecht werden strenge Anforderungen an die Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt gestellt (BGH, GRUR 1998, 568, 569 - Beatles-Doppel-CD). Verwerter müssen sich grundsätzlich umfassend und lückenlos nach den erforderlichen Rechten erkundigen. Werden Rechte übertragen, so genügt es in aller Regel nicht, sich auf Zusicherungen hinsichtlich des Bestands und Umfangs der Rechte sowie der Übertragungsbefugnis zu verlassen. Vielmehr muss der Verwerter die Kette der einzelnen Rechtsübertragungen vollständig überprüfen (BGH GRUR 1988, 373, 375 - Schallplattenimport III). Gewerbliche Verwerter unterliegen dabei erhöhten Prüfungsanforderungen (BGH GRUR 1960, 253 - Auto-Skooter; BGH GRUR 1991, 332, 333 - Lizenzmangel; OLG Köln GRUR 1983, 586, 570 - Video-Kopieranstalt). Diesem Sorgfaltsmaßstab hat die Beklagte im Streitfall schon nach eigenem Vortrag gerade nicht genügt. Ihr Hinweis darauf, dass eine Vereinbarung der F AG mit den Zeugen T und I eine ausdrückliche Zusicherung enthalten habe, nach der die Musik frei von Rechten Dritter sei, verfängt schon deshalb nicht, weil die Beweisaufnahme durch das Landgericht bereits nicht ergeben hat, dass der Zeuge T oder der Zeuge I eine dahingehende Vereinbarung mit der F AG getroffen hat oder eine entsprechende Zusicherung erfolgt ist. Ohnehin hätte sich die Beklagte, auch hierin ist dem Landgericht zu folgen, auf eine solche Aussage nicht verlassen dürfen.

2.)

Auch die Angriffe der jeweiligen Rechtsmittel gegen die vom Landgericht vorgenommene Bemessung des Schadensersatzanspruchs der Klägerin greifen nicht durch.

a)

Die Klägerin ist als Gläubigerin des Anspruchs aus § 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG berechtigt, Schadensersatz nach den Grundsätzen der Lizenzanalogie zu verlangen. Bei dieser Art der Berechnung der Höhe des zu leistenden Schadensersatzes ist zu fragen, was vernünftige Vertragspartner als Vergütung für die vom Verletzer vorgenommene Benutzungshandlung vereinbart hätten. Zu ermitteln ist der objektive Wert der Benutzungsberechtigung. Dabei ist unerheblich, ob der Verletzer selbst bereit gewesen wäre, für seine Nutzungshandlung eine Vergütung in dieser Höhe zu zahlen (vgl. BGH, GRUR 2009, 407 - Whistling for a train; GRUR 2006, 136 - Pressefotos; Lütje, in: Möhring/Nicolini, UrhG, 2. Aufl., § 97 Rn. 185; v.Wolff, in: Wandtke/ Bullinger, a.a.O., § 97 UrhG Rn. 74, jeweils m.w.N.). Die Schadensberechnung auf der Grundlage einer objektiviertangemessenen Lizenzgebühr beruht auf der Erwägung, dass derjenige, der ausschließliche Rechte anderer verletzt, nicht besser dastehen soll, als er im Falle einer ordnungsgemäß erteilten Erlaubnis durch den Rechtsinhaber gestanden hätte (BGH, GRUR 1990, 1008 - Lizenzanalogie).

b)

Die Höhe der als Schadensersatz zu zahlenden Lizenzgebühr hat der Tatrichter gem. § 287 ZPO unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach seiner freien Überzeugung zu bemessen. Bei seiner Bemessung ist das Landgericht hierbei im rechtlichen Ansatz zutreffend davon ausgegangen, dass die Schadensberechnung nach der angemessenen Lizenzgebühr, um die es im Streitfall geht, regelmäßig dazu führt, dass die Vergütung eines etwa einschlägigen Tarifs zu Grunde zu legen ist, die der Verletzer bei ordnungsgemäßer Einholung der Erlaubnis der Klägerin hätte entrichten müssen (BGH, GRUR 1988, 373, 376 - Schallplattenimport III; OLG München, Urt. v. 02.04.2009, 29 U 3866/08, juris, Tz. 17, ZUM 2009, 657).

Ebenfalls zu Recht hat das Landgericht hierbei den Tarif der Klägerin ...# für die Vervielfältigung von Werken auf audiovisuellen Datenträgern und deren Verbreitung zum persönlichen Gebrauch in Form von Spielen in der Fassung vom 01.12.2005 als Bemessungsgrundlage seiner Schätzung herangezogen, da dieser Tarif speziell auf die streitgegenständliche Nutzungsart zugeschnitten ist. Ein Rückgriff auf den Tonträgertarif VR-TH 1 in der Fassung vom 02.02.2005, den die Schiedsstelle beim Deutschen Patent- und Markenamt in ihrem Einigungsvorschlag vom 29.07.2009 als Vergleichsgrundlage herangezogen hat und auf dessen Basis die Klägerin zuletzt ihre Klageforderung berechnet hat, kommt demgegenüber nicht in Betracht. Die Verwertungsgesellschaft hat nach § 13 Abs. 1 Satz 1 UrhWG Tarife aufzustellen, die die angemessene Vergütung bestimmen. Hierdurch soll im Interesse der Allgemeinheit eine gleichmäßige Behandlung aller gleichgelagerten Fälle durch die Verwertungsgesellschaft sichergestellt, zugleich aber auch der Verwertungsgesellschaft in ihrem eigenen Interesse erspart werden, in jedem Einzelfall langwierige Verhandlungen über Art und Höhe der zu zahlenden Vergütung zu führen. Den Gerichten kommt auf diese Weise grundsätzlich nur die Aufgabe zu, vorhandene Tarife auf ihre Angemessenheit zu überprüfen und gegebenenfalls auf den Streitfall anzuwenden. Die gestaltende Festsetzung des Tarifs obliegt den Gerichten im Rahmen der Überprüfung der Angemessenheit eines Tarifs dagegen nicht. Ist der aufgestellte Tarif nach Auffassung des überprüfenden Gerichts lediglich in einem Punkt unangemessen, besteht die Möglichkeit, diesen Parameter - hier die Vergütungshöhe - auf ein Maß zu reduzieren, das unzweifelhaft als angemessen anzusehen ist. Damit wird dem den Tarif überprüfenden Gericht keine gestaltende Festsetzung auferlegt, sondern seiner Entscheidung lediglich das in dem aufgestellten Tarif enthaltene Minus als in jedem Fall angemessen zu Grunde gelegt. Eine solche Vorgehensweise hat den Vorteil, dass vor allem in Fällen, in denen der aufgestellte Tarif die angemessene Vergütung nur geringfügig übersteigt, nicht auf einen Tarif zurückgegriffen werden muss, der für die in Rede stehende Nutzung erst recht keine angemessenen Bedingungen vorsieht. Auf einen anderen, eine ähnliche Nutzung betreffenden Tarif ist daher nur zurückzugreifen, wenn eine Reduktion auf das angemessene Maß nicht in Betracht kommt (vgl. zum Ganzen BGH, GRUR 2004, 669 - Musikmehrkanaldienst).

Es ist insoweit nicht zu beanstanden , dass das Landgericht bei der Bemessung der Schadenshöhe die im Rahmen des Tarifs ...# in der Fassung vom 01.12.2005 für sog. Erstverkäufe und für Folgeverkäufe festgelegten Prozent- und Mindestvergütungen unbeachtet gelassen hat. Hierbei kommt es nicht streitentscheidend darauf an, ob es sich bei der streitgegenständlichen Form der Vermarktung der Software durch die Beklagte nach der Definition des Tarifs um sog. sonstige Verkäufe handelt, mit anderen Worten der unmittelbare Anwendungsbereich von Ziff. II. 3. des Tarifs eröffnet ist. Das Landgericht hat nämlich zu Recht angenommen, dass jedenfalls eine Schadensbemessung aufgrund der in den Ziff. II. 1. und 2. des Tarifs festgelegten Prozent- bzw. Mindestvergütung unangemessen ist. Dies ist schon deshalb nicht zu beanstanden, weil sich die Klägerin selbst nicht mehr auf die Angemessenheit ihrer ursprünglichen Schadensberechnung auf der Grundlage von Ziff. II. 1.3 des Tarifs beruft, sondern vielmehr ihrerseits auf den Einigungsvorschlag der Schiedsstelle des Deutschen Marken- und Patentamtes vom 29.07.2009 zurückgreift, in dem die Anwendung der Mindestvergütungsregelung in Form eines Entgelts pro Minute ebenfalls für unangemessen gehalten wurde. Aber auch in der Sache erweist sich ein Rückgriff auf die Mindestvergütungssätze gem. Ziff. II. 1.3 des Tarifs im Streitfall als unangemessen. Berechnungsgrundlage für die nach § 13 Abs. 1 Satz 1 UrhWG aufzustellenden Tarife sollen in der Regel die geldwerten Vorteile sein, die durch die Verwertung erzielt werden (§ 13 Abs. 3 Satz 1 UrhWG). Dadurch wird der Grundsatz konkretisiert, dass Urheber und Leistungsschutzberechtigte tunlichst angemessen an der wirtschaftlichen Nutzung ihrer Werke und Leistungen zu beteiligen sind (BGHZ 97, 37, 43 - Filmmusik). Maßstab ist der wirtschaftliche Erfolg des Verwerters, und hierbei der Umsatz, der mit dem Werk erzielt wird (Gerlach, in: Wandtke/Bullinger, a.a.O., § 13 UrhWG Rn. 7 m.w.N.; Melichar, in: Loewenheim, Handbuch des Urheberrechts, a.a.O., § 48 Rn. 29 mit weiteren Nachweisen in Fn. 96). Aus dem Grundsatz, dass die durch die Verwertung erzielten geldwerten Vorteile Berechnungsgrundlage für die Tarife sein sollen, folgt, dass die Anwendung eines Tarifs nicht in Betracht kommt, wenn die nach ihm errechnete Vergütung offensichtlich außer Verhältnis zu dem erzielten geldwerten Vorteil steht (BGH, GRUR 1988, 373, 376 - Schallplattenimport III; Gerlach, a.a.O., Rn. 9). Gemessen hieran kommt auch nach Auffassung des Senats eine an der Dauer der urheberrechtlich geschützten, auf dem audiovisuellen Datenträger vorhandenen Werke bemessene Mindestvergütung dann nicht in Betracht, wenn - wie im Streitfall - ein Produkt zu im Vergleich zu durchschnittlichen Händler- bzw. Listenabgabepreisen extrem niedrigen Preisen veräußert wird. Demgegenüber erweist sich der Rückgriff des Landgerichts auf die für sonstige Verkäufe festgelegte Prozentvergütung als Parameter für das unzweifelhaft (noch) als angemessen anzusehende Maß (BGH, GRUR 2004, 669, 672) im Ergebnis als zutreffend, da die Tarifstelle III. des Tarifs im Vergleich zu den sonstigen Tarifstellen eine Mindestvergütung nicht vorsieht. Von einem "sonstigen Verkauf" im Sinne des Tarifs ist danach dann auszugehen, wenn die Abgabe des Produkts in den Handel zu einem Preis geschieht, der den Erstabgabepreis um mehr als 30 % unterschreitet. Erfasst wird damit ein Fall, in dem die Marge des Herstellers spürbar geschrumpft ist. Für diesen Fall hat der Tarifgeber - ersichtlich, weil eine Minutenvergütung dann zu unangemessenen, völlig überhöhten Ergebnissen führen kann - allein eine (erhöhte) Prozentvergütung für angemessen erachtet und so die Entlohnung des Rechteinhabers unmittelbar und nur an den wirtschaftlichen Erfolg des Endprodukts angekoppelt. Nichts anderes kann aber gelten, wenn die Marge des Herstellers deshalb, weil es sich um ein Produkt im Billigstpreis-Sektor handelt, von vornherein in absoluter Zahl so gering ist, dass eine Mindestvergütung berechnet nach Minutenpreisen der Spieldauer zu einer unangemessen hohen Beteiligung des Rechteinhabers am Erlös, ggf. zu dessen vollständiger Abschöpfung oder im Extremfall sogar zu einer Überhöhung führen würde.

Unerheblich ist der Einwand der Klägerin, die Beklagte habe einen Preis von 2,31 € je Vervielfältigungsstück nur deshalb zu Grunde legen können, weil die urheberrechtliche Vergütung nicht in ihre Preiskalkulation eingeflossen sei. Es ist nämlich nicht Aufgabe des Tarifsystems der Klägerin - die gem. § 11 Abs. 1 UrhWG verpflichtet ist, jedermann auf Verlangen Nutzungsrechte zu angemessenen Bedingungen einzuräumen - den Preis eines Produkts festzulegen, sondern - wie ausgeführt - die Inhaber von geschützten Rechten angemessen an der durch Dritte stattfindenden wirtschaftlichen Nutzung ihrer Werke und Leistungen zu beteiligen. Eine Ermächtigung, Einfluss auf die Höhe des Abgabepreises und damit auf die Vermarktung selbst nehmen zu können, soll dem Rechteinhaber dadurch aber nicht zukommen. Eher lebensfremd erscheint dem Senat dabei die von Klägerseite geäußerte Auffassung, auf diese Weise könnte ein Hersteller die Vergütung des Rechteinhabers böswillig kürzen. Denn ein Kaufmann wird sich bei seiner Preisgestaltung nach aller Lebens- und Gerichtserfahrung nicht entscheidend von der Erwägung leiten lassen, ob und inwieweit er dabei den Anspruch eines Dritten zu Fall bringt. Vielmehr wird der Kaufmann bei der Identifizierung des Abgabepreises stets und nur den Preis verlangen, den der Markt für das Produkt hergibt. Der Markt ist es, der den Preis bestimmt. Dies muss der Rechteinhaber für sich akzeptieren.

Aber auch die Beklagte kann mit ihrem Einwand, der Tarif der Klägerin sei als solcher unangemessen, da die Klägerin im Einzelfall von den von ihr veröffentlichten Tarifen abweichende Vereinbarungen schließe, nicht durchdringen. Allein die Vorlage einer Pilotvereinbarung der Klägerin und des Komponisten M mit der F AG, in der eine vom maßgeblichen Tarif abweichende Vergütung bestimmt ist, ist nicht geeignet, die vom Nutzer zu widerlegende Vermutung der Angemessenheit des Tarifs (vgl. Gerlach, in: Wandtke/Bullinger, a.a.O., § 11 UrhWG Rn. 6; Riesenhuber/v.Vogel, in: Kreile u.a., Recht und Praxis der GEMA, a.a.O., Kapitel 14 Rn. 48, 51 m.w.N.) in Zweifel zu ziehen. Auch für den von der Beklagten gerügten Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung durch die Klägerin sind schließlich keine Anhaltspunkte ersichtlich.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, da die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert, § 543 Abs. 2 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 28.07.2011
Az: 22 U 28/11


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/050a15734c64/OLG-Hamm_Urteil_vom_28-Juli-2011_Az_22-U-28-11




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