Bundesverfassungsgericht:
Beschluss vom 15. November 2000
Aktenzeichen: 2 BvH 3/91
(BVerfG: Beschluss v. 15.11.2000, Az.: 2 BvH 3/91)
Tenor
1. Der Freistaat Thüringen hat den Antragstellern die notwendigen Auslagen zu erstatten.
2. Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit des Bevollmächtigten der Antragsteller wird auf 500.000 DM (in Worten: fünfhunderttausend Deutsche Mark) festgesetzt (§ 113 Absatz 2 Satz 3 der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte).
Gründe
A.
In dem Landesorganstreitverfahren ging es um die Frage, ob Abgeordneten des Thüringer Landtags mit besonderen parlamentarischen Funktionen eine Zulage zur Grundentschädigung gezahlt werden darf. Die Antragsteller sahen hierin eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gleichbehandlung und zugleich eine Missachtung des grundsätzlichen Zulagenverbots im Diäten-Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 40, 296 ff.).
Der Senat hat durch Urteil vom 21. Juli 2000 entschieden, dass der Erlass von § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 3 ThürAbgG gegen § 2 Abs. 1 Satz 2 der Vorläufigen Landessatzung für das Land Thüringen i.V.m. Art. 38 Abs. 1, Art. 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 GG verstoßen hat, soweit danach parlamentarische Geschäftsführer der Fraktionen, stellvertretende Fraktionsvorsitzende und die Ausschussvorsitzenden zusätzliche Entschädigungen erhalten. Im Übrigen, d.h. soweit es um eine zusätzliche Entschädigung für Fraktionsvorsitzende ging, wurde der Antrag zurückgewiesen.
Nunmehr beantragen die Antragsteller, dem Antragsgegner - Thüringer Landtag - die volle oder teilweise Erstattung der ihnen erwachsenen Auslagen aufzuerlegen, da ihr Begehren im Wesentlichen erfolgreich gewesen sei. Gleichzeitig beantragen sie, den Gegenstandswert des Verfahrens festzulegen.
Der Antragsgegner hat Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 3 BRAGO).
B.
Dem Senat erscheint es billig, die Erstattung der notwendigen Auslagen für das Landesorganstreitverfahren anzuordnen.
Die Auslagenerstattung richtet sich im Organstreitverfahren nach § 34a Abs. 3 BVerfGG. Sie kommt nur ausnahmsweise in Betracht, wenn besondere Billigkeitsgründe vorliegen (vgl. BVerfGE 96, 66 <67>).
Hier liegt ein solcher Grund darin, dass das Verfahren zur Klärung einer grundsätzlichen, über den konkreten Anlass hinausgehenden verfassungsrechtlichen Frage beigetragen hat (vgl. BVerfGE 44, 125 <166 f.>; 82, 322 <351>). Der Senat hat in seinem Urteil die gesetzliche Gewährung von zusätzlichen Entschädigungen mit Einkommenscharakter für Abgeordnete mit besonderen Funktionen als eine Maßnahme im Rahmen der Parlamentsautonomie kategorisiert. Näher bestimmt worden ist dabei die Grenze der Regelungsmacht des Parlaments soweit Funktionszulagen in Rede stehen; sie wurde in Art. 38 Abs. 1 GG gesehen, in dessen beiden Sätzen das Prinzip der repräsentativen Demokratie verankert ist. Der Senat nahm das Verfahren zum Anlass, die isolierte Bezugnahme auf jeweils einen der beiden Sätze des Art. 38 Abs. 1 GG, die seine frühere Rechtsprechung kennzeichnete, aufzugeben, soweit die Entschädigung der Abgeordneten in Rede steht und die Freiheit des Mandats gegenüber der bei der Gewährung von Funktionszulagen entstehenden Gefahr, dass "Abgeordnetenlaufbahnen" und Einkommenshierarchien geschaffen werden, zu betonen.
Dass die Antragsteller nur teilweise obsiegt haben, wirkt sich nicht auf den Umfang der Auslagenerstattung aus, da das von ihnen angestrengte Verfahren insgesamt Anlass zur Klärung einer grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Frage gab. Diese Klärung hat der Senat vornehmlich im Rahmen der Ausführungen zum verfassungsrechtlichen Prüfungsmaßstab geleistet.
Zu berücksichtigen war auch, dass die Antragsteller als ehemalige Abgeordnete des Thüringer Landtags nicht, wie das in aller Regel bei allen an einem Organstreit Beteiligten der Fall ist, die für die Führung des Rechtsstreits erforderlichen Aufwendungen aus Mitteln öffentlicher Haushalte bestreiten können (vgl. BVerfGE 44, 125 <166 f.>).
BVerfG:
Beschluss v. 15.11.2000
Az: 2 BvH 3/91
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