Oberlandesgericht Köln:
vom 21. Februar 2001
Aktenzeichen: 17 U 17/00
(OLG Köln: v. 21.02.2001, Az.: 17 U 17/00)
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 18.08.1999 verkündete Urteil der 20. Zivilkammer des Landgerichts Köln - 20 O 276/98 - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Beklagte wird - unter Abweisung der Klage im übrigen - verurteilt, an den Kläger 29.615,10 DM nebst 4 % Zinsen seit dem 29.07.1997 zu zahlen, und zwar davon 4.135,40 DM nebst Zinsen unter Vorbehalt der Entscheidung über die Aufrechnung mit einer Gegenforderung aus restlichem Anwaltshonorar gemäÀ Rechnung vom 30.7.1998 für die Vertretung des Klägers bei Auseinandersetzung der Gemeinschaftspraxis mit Prof. Dr. F..
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 60 % und der Beklagte 40 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 8.300,00 DM abzuwenden, falls nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die zu leistenden Sicherheiten können auch durch unbefristete Bürgschaft einer deutschen GroÀbank oder öffentlich-rechtlichen Sparkasse erbracht werden.
Tatbestand
Der Kläger betrieb seit 1971 gemeinsam mit seinem Berufskollegen Dr. H.K.H. B. eine radiologische Gemeinschaftspraxis in K., der Anfang 1986 der weitere Berufskollege Prof. Dr. F. beitrat. Nach dem Ausscheiden von Dr. B. aus der Gemeinschaftspraxis Mitte 1987 wurde diese von dem Kläger und Herrn Prof. Dr. F. fortgeführt. Zur Durchführung ihrer fachärztlichen Tätigkeit benötigten der Kläger und Prof. Dr. F. sogenannte Radio-Nuklide. Dabei handelt es sich um radioaktive Stoffe - auch Isotope genannt -, die in erster Linie zu Diagnosezwecken sowohl am lebenden Menschen als auch bei Untersuchungen von Plasma oder Blutserum im Reagenzglas verwendet werden.
Mit Anklageschrift vom 17.06.1993 erhob die Staatsanwaltschaft Köln gegen die Mitglieder der Gemeinschaftspraxis, darunter den Kläger, Anklage beim Landgericht Köln wegen Betruges. Dem Kläger und den übrigen Mitgliedern der Gemeinschaftspraxis wurde zur Last gelegt, die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein durch überhöhte Abrechnungen von Nuklid-Kosten in Höhe von etwa 620.000,00 DM geschädigt zu haben. Nachdem der Kläger zunächst Rechtsanwalt H. aus K. und Rechtsanwalt N. aus N. mit seiner Verteidigung beauftragt hatte, fand am 17. August 1993 ein erstes Gespräch zwischen den Parteien statt. Der Beklagte erklärte sich zur Übernahme der Verteidigung des Klägers bereit und gab diesem seine Honorarvorstellungen mit mehreren 100.000,00 DM bekannt. Am 25.08.1993 bestellte sich der Beklagte gegenüber der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Köln, bei welcher das Verfahren anhängig war, zum Verteidiger des Klägers, der die von ihm anderweitig erteilten Mandate aufkündigte. In einem weiteren am 17.09.1993 erfolgten Gespräch zwischen den Parteien verlangte der Beklagte ein Honorar von (netto) 110.000,00 DM, wobei er darauf hinwies, dass er weitere 50.000,00 DM (netto) verlange, falls eine Einstellung des Verfahrens nicht erreicht werden sollte. Am 23.11.1993 wurde im Rahmen eines weiteren Gespräches der Parteien eine Honorarvereinbarung getroffen, die Anfang April 1994 unterzeichnet wurde. Die undatierte Vereinbarung hat folgenden Wortlaut:
"Für die anwaltliche Tätigkeit in der Strafsache gegen Herrn Dr. K. - 106-14/93 LG Köln
- 110 Js 351/93 Staatsanwaltschaft Köln - zahlt Herr Dr. K. an Rechtsanwalt B. für die Prozessvorbereitung, die Vertretung in einer Hauptverhandlung bzw. die Verhinderung einer Eröffnung des Hauptverfahrens an Stelle der gesetzlichen Gebühren ein Honorar in Höhe von 150.000,00 DM.
Fälligkeit: 50.000,00 DM sofort;
Resthonorar in Teilbeträgen bis zum 01.07.1994 bzw. nach Anforderung.
Alle Auslagen, wie Mehrwertsteuer, Schreibauslagen und dergleichen, werden daneben gesondert erstattet.
Herr Dr. K. hat Rechtsanwalt B. die Kosten für Abschriften und Ablichtungen, deren Anfertigung sachdienlich war, nach § 27 BRAGO auch dann zu erstatten, wenn es sich nicht um zusätzliche Abschriften und Ablichtungen im Sinne des Gesetzes handelt.
Rechtsanwalt B. behält sich vor, für jede weitere Instanz eine neue Honorarvereinbarung zu treffen.
Der Ausgang des Verfahrens ist ohne Einfluss auf die Höhe des Honorars.
Wird das Mandat aus Gründen, die Rechtsanwalt B. nicht zu vertreten hat, vorzeitig aufgelöst oder gekündigt, so verbleibt es bei dem vereinbarten Honorar, wenn Rechtsanwalt B. die Sache bereits aktenmäßig auf- und vorbereitet hat.
Sollte sich der Verfahrensablauf aus Gründen, die bei Abschluss dieser Vereinbarung noch nicht ersichtlich sind, langwieriger, schwieriger oder umfangreicher als vorhergesehen gestalten, behält sich Rechtsanwalt B. die Berechnung eines Zusatzhonorars vor.
Herrn Dr. K. ist bekannt, dass diese Vereinbarung von der gesetzlichen Regelung abweicht und dass im Falle eines Freispruchs oder des sonstigen Obsiegens eine etwaige Erstattungsfähigkeit nur im Rahmen der gesetzlichen bzw. vom Gericht festgesetzten Gebühren gegeben ist".
Nachdem entsprechende Gespräche mit der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts und mit der Staatsanwaltschaft Köln im April/Mai 1994 stattgefunden hatten, reichte der Beklagte am 09.06.1994 ein schriftliches Geständnis des Klägers zu den Akten, dem ein vom Kläger verfasster Lebenslauf sowie eine Vermögensaufstellung beigefügt waren. Durch Beschluss vom 02.08.1994 stellte die Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Köln das gegen den Kläger gerichtete Verfahren gegen die Auflagen vorläufig ein, den von dem Kläger eingeräumten Schaden in Höhe von 322.932,80 DM an die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein zu erstatten sowie eine Geldbuße von 90.000,00 DM zu zahlen. Nach Erfüllung dieser Zahlungsauflagen wurde das Strafverfahren durch Beschluss der Strafkammer vom 01.03.1995 endgültig eingestellt.
Der Kläger zahlte an den Beklagten am 10.12.1993 einen Betrag von 50.000,00 DM und am 10.06.1994 weitere 20.000,00 DM. Nachdem die Einstellung des Strafverfahrens erfolgt war, übersandte der Beklagte dem Kläger eine Rechnung über insgesamt 172.500,00 DM abzüglich gezahlter 70.000,00 DM. Diese Rechnung unterzeichnete der Kläger am 23.05.1995 mit der Erklärung "Betrag wird anerkannt, um Stundung wird gebeten". Weitere Zahlung erfolgte zunächst nicht. Am 17.01.1996 trafen die Parteien eine schriftliche Vereinbarung des Inhalts, dass der Kläger noch weitere 40.000,00 DM zahlen sollte und die Restforderung sodann erlassen sei. Der Kläger zahlte an den Beklagten daraufhin am 24.01.1996 einen Betrag von 15.000,00 DM. Am 23.12.1996 übergab die Ehefrau des Klägers dem Beklagten einen Scheck über weitere 12.500,00 DM; bei dieser Gelegenheit erklärte der Beklagte, aufgrund der finanziellen Situation des Klägers auf weitere Honoraransprüche zu verzichten.
Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger vom Beklagten die Rückerstattung gezahlten Anwaltshonorars, soweit dieses einen von ihm anerkannten gesetzlichen Honoraranspruch in Höhe von 1.092,50 DM übersteigt.
Der Kläger hat behauptet, das von ihm gezahlte Anwaltshonorar habe insgesamt 110.000,00 DM betragen. Formelle Vorschussrechnungen habe es nicht gegeben. Die vom Beklagten verlangten Vorschüsse seien völlig willkürlich und unabhängig vom Stand des Verfahrens und dem geleisteten Arbeitsaufwand abgerufen worden. Das Resthonorar habe der Beklagte unter massiven Drohungen eingefordert.
Der Kläger hat gemeint, die Schriftform des § 3 BRAGO sei nicht gewahrt, da zwischen den beiden Blättern der Urkunde eine Verbindung nicht vorliege und er zudem keine Ausfertigung erhalten habe. Auch fehle die Belehrung hinsichtlich einer Überschreitung der gesetzlichen Gebühren. Der Kläger hat weiter gemeint, die getroffene Honorarvereinbarung verstoße gegen die guten Sitten im Sinne von § 138 BGB. Hilfsweise hat der Kläger einen Anspruch auf Herabsetzung der Vergütung geltend gemacht und einen Betrag von 7.509,50 DM für angemessen erachtet, da der tatsächliche Aufwand des Beklagten gering gewesen und nur wenige Schriftsätze und Kurzbriefe verfasst worden seien.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 108.907,50 DM nebst 4 % Zinsen für die Zeit vom 03.12.1996 bis zur Klageerhebung und zuzüglich 14 % Zinsen seit Klageerhebung zu zahlen.
Der Beklagte hat die Abweisung der Klage beantragt.
Er hat gemeint, das vereinbarte, jedenfalls das gezahlte Honorar sei angemessen. Hilfsweise hat der Beklagte die Aufrechnung mit einem weiteren angeblichen Honoraranspruch in Höhe von 14.520,30 DM erklärt. Dazu hat er vorgetragen, er habe sich einen Überblick über die finanzielle Situation des Klägers und seiner Ehefrau verschafft und Kontakte zu einem Finanzberater vermittelt. Ferner habe er den Kläger bei der Auseinandersetzung der Gemeinschaftspraxis mit Herrn Prof. Dr. F. beraten und vertreten. Insoweit sei unter dem 19.02.1997 eine Abwicklungsvereinbarung getroffen worden. Wegen der Einzelheiten wird auf diese Abwicklungsvereinbarung (Bl. 26 ff AH) verwiesen.
Das Landgericht hat über die Angemessenheit der vereinbarten Vergütung des Beklagten für die Vertretung im Strafverfahren ein Gebührengutachten der Rechtsanwaltskammer nach § 3 Abs. 3 BRAGO eingeholt. Wegen der Einzelheiten dieses Gutachtens wird auf das schriftliche Gutachten vom 05.03.1999 (Bl. 78 - 81 d.A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat die gegen den Beklagten erhobene Rückzahlungsklage abgewiesen. Zur Begründung wird auf das Urteil des Landgerichts vom 18.08.1999 Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger form- und fristgerecht Berufung eingelegt und begründet. Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein abgewiesenes Klagebegehren in Höhe von 96.407,50 DM weiter. Hilfsweise verlangt er weiterhin die Herabsetzung des vereinbarten Honorars auf einen in das gerichtliche Ermessen gestellten Betrag.
Er ist weiterhin der Auffassung, die getroffene Honorarvereinbarung sei formunwirksam und verstoße gegen die guten Sitten. Der Beklagte müsse sich auch den Vorwurf gefallen lassen, den Kläger nicht nur einer finanziellen, sondern auch einer psychischen Zwangslage ausgesetzt zu haben, indem er den Kläger mit dem Hinweis bzw. unter dem Vorwand einer drohenden, ja sogar unmittelbar bevorstehenden Verhaftung vielfach auch spät am Abend angerufen und ihn mit den Worten "wir brauchen Geld" zu Zahlungen bewogen zu haben. In jedem Falle sei die vereinbarte Vergütung auf einen angemessenen Betrag zu kürzen. Das erstinstanzlich eingeholte Gebührengutachten der Rechtsanwaltskammer sei unbrauchbar und gehe an der Sache vorbei.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Köln vom 18.08.1999 den Beklagten zu verurteilen, an ihn
a) in erster Linie 96.407,50 DM,
b) hilfsweise 92.129,50 DM,
c) weiter hilfsweise 89.990,50 DM,
d) ferner hilfsweise 80.008,50 DM
nebst jeweils 4 % Zinsen für die Zeit vom 03.12.1996 bis zur Klageerhebung und zuzüglich 14 % Zinsen seit Klageerhebung zu zahlen, e) letztlich hilfsweise unter Abänderung des vorbezeichneten Urteils die durch die undatierte schriftliche Honorarvereinbarung der Parteien festgelegte Vergütung für die Verteidigertätigkeit des Beklagten in dem Strafverfahren Az.: 109-1/94 Landgericht Köln auf ein in das gerichtliche Ermessen gestellten Betrag herabzusetzen - insoweit hilfsweise auf mindestens 17.491,50 DM.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält das mit dem Kläger vereinbarte Verteidigerhonorar für angemessen, wobei er ergänzend auf das eingeholte Gebührengutachten des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer K. Bezug nimmt. Wesentliche Bedeutung komme dabei dem Umstand zu, dass der Kläger größtes Interesse an der Vermeidung einer Hauptverhandlung geäußert habe und der Beklagte seine ganze Kunstfertigkeit und Energie darauf habe verwenden sollen, eine Verfahrenseinstellung zu erreichen. Bei Beauftragung des Beklagten habe sich der Kläger nicht in einem Verteidigungsnotstand befunden. Neben der Bedeutung der Sache für den Kläger falle auch ins Gewicht, dass der Kläger über umfangreichen Grundbesitz verfüge. Soweit der Kläger die Rückzahlung der 1993 und 1994 geleisteten insgesamt 70.000,00 DM verlange, beruft sich der Beklagte auf die Einrede der Verjährung. Die erstinstanzlich im Wege der Hilfsaufrechnung geltend gemachte Rechnung vom 30.07.1998 über 14.520,30 DM stehe noch zur Zahlung an ihn offen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie auf die von den Parteien eingereichten Unterlagen verwiesen.
Gründe
1.
Die zulässige Berufung des Klägers hat mit ihrem Hauptantrag in dem aus dem Tenor dieses Urteils ersichtlichen Umfang Erfolg. Die Klage ist in vollem Umfang, die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Honorarforderung in Höhe von 10.384,90 DM entscheidungsreif. In Höhe des noch nicht entscheidungsreifen Restes der Aufrechnungsforderung von 4.135,40 DM war dem Beklagten die Aufrechnung vorzubehalten.
a)
Der Kläger kann gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB vom Beklagten die Rückerstattung eines Betrages von 29.615,10 DM verlangen, davon in Höhe von 4.135,40 DM vorbehaltlich der noch zu klärenden Resthonorarforderung aus der Rechnung vom 30.7.1998. In Höhe dieses Betrages ist der Beklagte durch die erfolgten Honorarzahlungen von unstreitig 97.500,00 DM auf Kosten des Klägers rechtsgrundlos bereichert und diesem demgemäß zur Rückerstattung verpflichtet.
b)
Die bereits erstinstanzlich erhobene Rüge der Unwirksamkeit der Honorarvereinbarung wegen Mangels der dafür erforderlichen Form bleibt auch in zweiter Instanz erfolglos. Die vom Kläger in Ablichtung vorgelegte Vereinbarung (Anlage A 2 - Bl. 12, 13 AH) erfüllt die Schriftlichkeitsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 BRAGO, auch wenn ein Datum darin nicht angegeben ist. Daß die Parteien die vorgelegte Vereinbarung Anlage A 2 unterzeichnet haben, ist vom Kläger bereits in der Klageschrift vorgetragen worden. Auch hat der Kläger bereits in erster Instanz eingeräumt, auf der ihm überreichten Kostennote des Beklagten vom 4.4.1995 (Anlage A 3- Bl. 14 AH) um Stundung des Resthonorars gebeten zu haben. Damit ist von der Formwirksamkeit der getroffenen Honorarvereinbarung auszugehen.
c)
Die Nichtigkeit der Honorarvereinbarung vom April 1994 wegen Verstoßes gegen § 138 Abs. 1 BGB hat das Landgericht im Ergebnis zutreffend verneint. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 30.05.2000 - IX ZR 121/99, in: NJW 2000, 2669, 2671) schränkt § 3 BRAGO, der die Honorarvereinbarung beim Anwaltsvertrag regelt, den Geltungsbereich des § 138 Abs. 1 BGB nicht ein.
Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist (BGH, Urteil vom 23.02.1995 - IX ZR 29/94, NJW 1995, 1425, 1429; Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl., § 138 Rdnr. 7 und 8).
Ein Verstoß gegen die guten Sitten kann bei wucherähnlichen Rechtsgeschäften anzunehmen sein, auch wenn die Voraussetzungen des § 138 Abs. 2 BGB nicht in vollem Umfang vorliegen. Dies kann der Fall sein, wenn zwischen den Leistungen der Vertragsparteien ein auffälliges Missverhältnis besteht und eine Vertragspartei die Unterlegenheit - etwa Unerfahrenheit oder mangelndes Urteilsvermögen - der anderen bewusst zu ihrem Vorteil ausnutzt (BGH, a.a.O. m.w.N.). Bei der Überprüfung des Vertrages ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (NJW 1995, 1425, 1429) anhand von § 138 Abs. 1 BGB davon auszugehen, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit von der Partei darzutun und zu beweisen sind, die sich hierauf beruft. Für solche Tatsachen, die seinen eingeklagten Bereicherungsanspruch - konkret: das Fehlen bzw. den Wegfall des rechtlichen Grundes - rechtfertigen sollen, obliegt dem Kläger die Darlegungs- und Beweislast.
Diese Grundsätze gelten auch für den Anwaltsvertrag, wie der Bundesgerichtshof in seinem neuerlichen Urteil vom 30.05.2000 (NJW 2000, 2671) nochmals bestätigt hat. Danach kann eine übermäßig hohe Vergütung sittenwidrig und nichtig sein, wenn zwischen der Leistung des Anwalts und der Vergütung ein auffälliges Missverhältnis besteht und der Anwalt die Unterlegenheit des Mandanten bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt hat.
Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.
aa)
Für die Beurteilung, ob ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung des Anwalts und dem vereinbarten Honorar besteht, sind außer den gesetzlichen Gebühren vor allem der Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit maßgebend; daneben können auch die Bedeutung der Sache für den Auftraggeber sowie dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse bedeutsam sein (vgl. § 12 Abs. 1 BRAGO; BGH NJW 2000, 2669, 2671).
Der Beklagte ist vorliegend als Strafverteidiger für den Kläger tatsächlich lediglich im sogenannten "Zwischenverfahren" - das heißt im gerichtlich anhängigen Verfahren außerhalb einer Hauptverhandlung - tätig gewesen, so dass sich die gesetzlichen Gebühren nach § 84 Abs. 1, 83 Abs. 1 Nr. 2 BRAGO in der 1994 geltenden Fassung richten würden. § 84 Abs. 1 BRAGO sieht für die Vertretung im Zwischenverfahren nur die Hälfte einer Gebühr für eine Vertretung in der Hauptverhandlung nach § 83 Abs. 1 BRAGO vor. Die Höchstgebühr für die Vertretung in der Hauptverhandlung vor der großen Strafkammer betrug seinerzeit 1.240,00 DM, die Hälfte hiervon mithin 620,00 DM.
Das zwischen den Parteien vereinbarte Honorar von netto 150.000,00 DM überstieg das gesetzlich entstandene Honorar zwar um etwa das 242-fache. Soweit der Kläger auf die Entscheidung des Senats vom 30.09.1997 (17 U 31/97, NJW 1998, 1960) hinweist, in welcher für die Beurteilung des Vorliegens eines auffälligen Missverhältnisses auf ein bestimmtes Mehrfaches der gesetzlichen Gebühren abgestellt worden ist, ist dies für die Entscheidung des vorliegenden Sachverhaltes ohne Bedeutung. Sowohl in dieser Senatsentscheidung als auch in dem dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 30.05.2000 (NJW 2000, 2669 ff.) zugrundeliegenden Sachverhalt ging es um Zivilstreitigkeiten, in denen der Gebührenstreitwert maßgeblich die Höhe des Anwaltshonorars beeinflusst. Diese Konstellation ist mit der Situation in Strafsachen nicht vergleichbar. In Strafsachen können die gesetzlichen Gebühren des gewählten Strafverteidigers nach §§ 83 ff. BRAGO im Einzelfall in Anbetracht des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit und einer besonderen Schwierigkeit der Angelegenheit ein nicht angemessenes Entgelt darstellen und sind vielfach nicht geeignet, den Zeit- und Arbeitsaufwand des Strafverteidigers angemessen zu honorieren (vgl. BGH, Urt. vom 15.5.1997 - IX ZR 167/96 - in: NJW 1997, 2388, 2389; OLG Düsseldorf, Urteil vom 23.04.1996 - 24 U 116/95, OLGR 1996, 211). Vor allen Dingen in Wirtschaftsstrafsachen, die in der Regel nicht nur tatsächlich und rechtlich schwierig sind, sondern auch einen außerordentlichen Zeitaufwand des Strafverteidigers erfordern, ist der Rechtsanwalt geradezu darauf angewiesen, nach § 3 BRAGO ein erheblich über den gesetzlichen Gebühren der §§ 83 ff. BRAGO liegendes Honorar zu vereinbaren, um jedenfalls seine mit der Strafverteidigung verbundenen Kosten einschließlich der laufenden Bürokosten usw. zu decken. Der Höhe der gesetzlichen Gebühren bzw. dem daran zu orientierenden Faktor des Überschreitens der gesetzlichen Gebühren durch das vereinbarte Honorar kann deshalb in Strafsachen, jedenfalls in Wirtschaftsstrafsachen grundsätzlich keine maßgebliche Bedeutung bei der Beurteilung der Frage beigemessen werden, ob ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung des Anwalts und dem vereinbarten Honorar besteht. Darüber hinaus hat der Strafverteidiger einen Anspruch auf einen angemessenen Gewinn, so dass bei der Beurteilung der Frage, ob das von einem Strafverteidiger nach § 3 BRAGO vereinbarte Honorar gegen § 138 Abs. 1 BGB verstößt oder hilfsweise nach § 3 Abs. 3 Satz 1 BRAGO herabzusetzen ist, jedenfalls in Wirtschaftsstrafsachen nicht ohne besondere Anhaltspunkte auf die gesetzlichen Gebühren abzustellen ist.
(1)
Zu Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit des Beklagten im Zusammenhang mit seiner Verteidigung hat der Kläger lediglich die Sachdarstellung des Beklagten bestritten und vorgetragen, dass das Strafverfahren "keineswegs außerordentlich schwierig" war, "es sich bei dem ihm vorgeworfenen Betrug um eine gängige Rechtsmaterie handelte, zudem auch keine komplizierten Sachverhalte und/oder aber Rechtslagen zu klären waren". Dieses Vorbringen ist nicht ausreichend. Es ist nicht näher dargelegt, weshalb es sich bei dem Gegenstand des gegen den Kläger gerichteten Strafverfahrens wegen falscher Abrechnung von Radio-Nukliden gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung über mehrere Jahre um eine "gängige Rechtsmaterie" handeln soll. Der Vortrag des Klägers zu Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit erschöpft sich im wesentlichen darin, auf die "gutachterliche Stellungnahme" eines Kölner Kollegen des Beklagten zu verweisen. Dessen für die Rechtsschutzversicherung des Klägers gefertigte schriftliche Stellungnahme enthält aber gleichfalls keinen substantiierten Vortrag zu Umfang und Schwierigkeitsgrad der Verteidigertätigkeit des Beklagten.
Bei der Beurteilung der Frage eines auffälligen Missverhältnisses zwischen geschuldeter Leistung und vereinbartem Honorar ist nicht nur auf die vom Beklagten tatsächlich entfaltete, sondern auf die vom Beklagten nach dem Inhalt der Honorarvereinbarung zugesagte Tätigkeit abzustellen, die hier wegen der frühzeitigen Verfahrensbeendigung nicht mehr aufzuwenden war. Die von dem Beklagten in der Honorarvereinbarung zugesagte Tätigkeit beschränkte sich nicht auf die Vertretung des Klägers in dem gerichtlich anhängigen Verfahren bis zur Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens. Das Honorar sollte vielmehr geschuldet sein "für die Prozessvorbereitung und die Vertretung in einer Hauptverhandlung bzw. die Verhinderung einer Eröffnung des Hauptverfahrens". Sowohl im November 1993, als auch Anfang April 1994 - bei Unterzeichnung der schriftlichen Honorarvereinbarung - war der Ausgang des gegen den Kläger gerichteten Strafverfahrens offen. Eigene - insbesondere geständige - Angaben des Klägers lagen im Strafverfahren nicht vor. Der Mitbeschuldigte Prof. Dr. F. leugnete jegliche Beteiligung an der ihm und dem Kläger vorgeworfenen Betrugstat (Bl. 383 ff der Strafakte), ebenso der Mitbeschuldigte Dr. B., der mit einer Einlassung seines Verteidigers Rechtsanwalt M. III vom 23.08.1993 (Bl. 342 ff. der Strafakte) jeden Tatverdacht von sich wies. Es stand daher ein Strafverfahren an, in welchem die von der Anklage bemühten Beweise (Bl. 416 f. der Strafakte) zu erheben gewesen wären. Die Vernehmung der in der Anklage benannten, eventuell weiterer Zeugen und die Verlesung der verfahrensrelevanten Unterlagen und Schriftstücke hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit eine ganze Reihe von Hauptverhandlungstagen erfordert, so dass der zu entfaltende Verteidigungsaufwand des Beklagten nicht nur in der Einarbeitung in den durch zahl- und umfangreiche Abrechnungsvorgänge gekennzeichneten tatsächlich und rechtlich schwierigen Sachverhalt und in der Abgabe einer Einlassung im Zwischenverfahren oder einer umfangreichen schriftlichen Aufarbeitung der Abrechnungsvorgänge und des weiteren Sachverhalts bestanden, sondern auch die Wahrnehmung der Interessen des Klägers in einer mehrtägigen Hauptverhandlung erfordert hätte. Die dem Beklagten insoweit zustehenden gesetzlichen Höchstgebühren hätten für den ersten Hauptverhandlungstag 1.240,00 DM und für jeden weiteren Hauptverhandlungstag die Hälfte hiervon - also jeweils weitere 620,00 DM - betragen (§ 83 BRAGO).
(2)
Selbst wenn man den Umfang der vereinbarten anwaltlichen Tätigkeit des Beklagten für den Kläger und die Schwierigkeit der vereinbarten anwaltlichen Leistung des Beklagten nicht als überdurchschnittlich einstufen würde, rechtfertigen die weiteren entsprechend § 12 Abs. 1 BRAGO zu berücksichtigenden Gesichtspunkte der Bedeutung der Sache für den Kläger und dessen Einkommens- und Vermögenslage, ein auffälliges Missverhältnis zwischen der Leistung des Beklagten für den Kläger und dem vereinbarten Honorar von 150.000,00 DM zu verneinen.
Die Bedeutung der Angelegenheit war für den Kläger herausgehoben. Seine berufliche und private Existenz stand auf dem Spiel. Bei Abschluss der Honorarvereinbarung war der Kläger - nach dem unwidersprochenen Vorbringen des Beklagten - kein "unrechtsbewusster, geständiger Beschuldigter", sondern ein "Unschuldiger, der richtig abgerechnet habe", so dass - zu diesem Zeitpunkt - von einer längeren, mehrtägigen Hauptverhandlung mit mehreren Wochen Dauer zu rechnen war. Der Kläger hatte mit einer möglichen Prozessberichterstattung durch die Presse zu rechnen. Ihm drohten ein mögliches standesrechtliches "Nachspiel" sowie Regressansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung in erheblicher Höhe.
Der Kläger lebte bei Abschluss der Honorarvereinbarung in besten wirtschaftlichen Verhältnissen. Er verfügte über ein durchschnittliches Jahreseinkommen von etwa 440.000,00 DM, wie er in seinem Lebenslauf angegeben hat, der im Strafverfahren seiner geständigen Einlassung vom 09.06.1994 beigefügt war. Der Kläger war darüber hinaus Eigentümer von Immobilien, die er im Rahmen von Bauherrenmodellen erworben hatte, und interessierte sich für moderne Malerei, Antiquitäten und ähnliche Dinge, wie er in seinem Lebenslauf vom 09.06.1994 ausgeführt hat.
(3)
In Übereinstimmung mit der gebührengutachterlichen Stellungnahme der Rechtsanwaltskammer Köln ist auch der Senat der Auffassung, daß die getroffene Vereinbarung eines Verteidigungshonorar von 150.000,00 DM angesichts der zuvor aufgezeigten Umstände im Zeitpunkt ihres Abschlusses kein auffälliges Missverhältnis zwischen versprochener Leistung des Beklagten und zugesagter Vergütung des Klägers festschreibt und damit nicht als gegen die guten Sitten verstoßend angesehen werden kann.
bb)
Selbst wenn man - entgegen der hier vertretenen Ansicht - von einem auffälligen Missverhältnis ausginge, nimmt der BGH (NJW 2000, 2669, 2671) zwar an, dass "bei Anwaltsverträgen ... in der Regel ebenfalls davon auszugehen (ist), dass das auffällige Missverhältnis den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung desjenigen rechtfertigt, der sich die überhöhte Vergütung hat zusagen lassen". Indes sind hier Umstände vorhanden, die eine Ausnahme von dieser "Regel" rechtfertigen. Nach der weiteren Rechtsprechung des BGH (NJW 1995, 1425, 1428) setzt die Annahme einer Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB "mindestens voraus, dass der Beklagte als der mit dem anwaltlichen Gebührenrecht besser Vertraute die infolge der Unerfahrenheit mit diesem Recht schwächere Lage der Klägerin (des entschiedenen Falles) bewusst zu seinem Vorteil ausgenutzt oder sich leichtfertig der Erkenntnis verschlossen hat, dass die Klägerin sich nur wegen ihrer Unerfahrenheit auf für sie grob nachteilige vertragliche Bestimmungen einließ". Ein solcher Sachverhalt ist hier nicht gegeben. Der Kläger hatte unstreitig vor Beauftragung des Beklagten bereits zwei weitere Rechtsanwälte als Strafverteidiger beauftragt. Der Beklagte konnte deshalb nicht annehmen, der Kläger habe sich auf die Honorarvereinbarung nur aus Unerfahrenheit eingelassen.
In dem Zusammenhang ist auch zu berücksichtigen, daß die Honorarvereinbarung schriftlich erst etwa acht Monate nach Mandatserteilung unterzeichnet wurde und damit erst jetzt wirksam zustande kam. Bis dahin hatte der Kläger, der immerhin Arzt ist und sich in geschäftlichen Dingen zu helfen weiß, ausreichend Gelegenheit, sich anderweit - etwa bei der Rechtsanwaltskammer oder beim Anwaltsverein - um die Höhe von Honoraren bekannter und erfolgreicher Strafverteidiger zu erkundigen. Das gilt um so mehr, als der Kläger wußte, daß der Beklagte kurz zuvor in einem gegen einen Kollegen des Klägers in ähnlicher Angelegenheit geführtem Strafverfahren einen Freispruch erzielt hatte und der Beklagte in den zu Beginn der Mandatierung geführten Gesprächen ihm gegenüber sogar höhere Honorarvorstellungen ("mehrere hunderttausend DM") geäußert hatte.
Soweit der Kläger vornehmlich in erster Instanz behauptet hat, der Beklagte hätte ihn unter Druck gesetzt, ein nochmaliger Verteidigerwechsel wäre angesichts der bevorstehenden Hauptverhandlung nicht mehr in Betracht gekommen, ist er in zweiter Instanz darauf nicht mehr zurückgekommen. Das erstinstanzliche Vorbringen ist zudem tatsächlicher Nachprüfung nicht zugänglich und auch nicht ordnungsgemäß unter Beweis gestellt.
d)
Ist der zwischen den Parteien geschlossene Honorarvertrag danach nicht gemäß § 138 Abs. 1 BGB - und auch nicht nach Abs. 2 dieser Vorschrift - nichtig, ist der Beklagte gleichwohl hinsichtlich eines Teilbetrages von 40.000,00 DM in Bezug auf das an ihn hinsichtlich der Strafverteidigung gezahlte Honorar von 97.500,00 DM auf Kosten des Klägers ungerechtfertigt bereichert. Das zwischen den Parteien vereinbarte Honorar war entsprechend § 3 Abs. 3 Satz 1 BRAGO auf den Betrag von (netto) 50.000,00 DM herabzusetzen.
Ist eine vereinbarte Vergütung unter Berücksichtigung aller Umstände im Nachhinein als unangemessen hoch anzusehen, kann sie im Rechtsstreit auf den angemessenen Betrag (bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung) herabgesetzt werden. Eine solche Herabsetzung - die auch noch nach Bezahlung der vereinbarten Vergütung zulässig ist (vgl. Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, BRAGO, 14. Aufl., § 3 Rdnr. 28) - kommt nur dann in Betracht, wenn es unter Berücksichtigung aller Umstände unerträglich und mit dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) unvereinbar wäre, den Auftraggeber an seinem Honorarversprechen festzuhalten (vgl. Senatsentscheidung vom 30.09.1997 - 17 U 31/97 -, NJW 1998, 1960, 1962). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben:
Anders als bei der Beurteilung der Sittenwidrigkeit der Gebührenvereinbarung - bei der im wesentlichen auf den Zeitpunkt ihres Abschlusses abzustellen ist - sind im Rahmen der Herabsetzungsprüfung nach § 3 Abs. 3 BRAGO nicht nur die bei Abschluss der Vereinbarung feststehenden bzw. mit Wahrscheinlichkeit zu erwartenden Umstände einzubeziehen, sondern auch die Entwicklungen zu berücksichtigen, die das Mandat bis zur Erledigung des Auftrags genommen hat (OLG München NJW 1967, 1571, 1572; OLG Düsseldorf, a.a.O.; Riedel/Sußbauer/Fraunholz, BRAGO, 7. Aufl., § 3 Rdnr. 43; Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert, a.a.O., § 3 Rdnr. 24).
Zwar verkennt der Senat nicht, dass die Rechtsanwaltskammer Köln in ihrem Gebührengutachten unter Bezugnahme auf die bereits zitierte Entscheidung des OLG München (a.a.O.) darauf hingewiesen hat, dass bei einer Herabsetzung einer vereinbarten Vergütung Zurückhaltung geboten und ihm Rahmen der "Unangemessenheitsprüfung" auch auf das tatsächlich erzielte Prozessergebnis abzustellen sei. Dem von dem OLG München entschiedenen Fall lag zugrunde, dass der eines Verbrechens der Notzucht beschuldigte Beklagte nach dem Strafregisterauszug bereits etwa 10 Jahre zuvor wegen eines fortgesetzten Verbrechens der Unzucht mit einer Abhängigen in Tateinheit mit einem Vergehen der Verführung zu einer 9-monatigen Gefängnisstrafe auf Bewährung verurteilt worden war und er deshalb "das größte Interesse daran haben musste, nicht erneut wegen eines Sittlichkeitsdelikts bestraft zu werden". Der von dem Beklagten des entschiedenen Falles beauftragte Kläger erreichte als Verteidiger nach Einreichung "einer Schutzschrift unter präziser Herausarbeitung der entscheidenden rechtlichen Gesichtspunkte" die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens und damit eine Entwicklung des Strafverfahrens, die nach der Bewertung des OLG München "für den Angeschuldigten einen über einen etwaigen Freispruch nach durchgeführter Hauptverhandlung weit hinausgehenden Erfolg" darstelle.
Eine solche Fallkonstellation, bei der eine Einstellung des Verfahrens durch Verneinung hinreichenden Tatverdachts ohne Durchführung einer Hauptverhandlung den wesentlichen Gesichtspunkt für Beurteilung der Angemessenheit eines vereinbarten Verteidigerhonorars darstellt, ist vorliegend nicht gegeben.
Hier ist bei der im Rahmen der Herabsetzung vorzunehmenden Gesamtabwägung aller Umstände folgendes zu berücksichtigen:
Der dem Kläger zur Last gelegte Anklagevorwurf hatte für diesen - wie zuvor ausgeführt wurde - herausgehobene wirtschaftliche und persönliche Bedeutung. Der Kläger hatte - wie er selbst einräumt - an der Einstellung des Verfahrens außerhalb einer Hauptverhandlung großes Interesse. Diesem Interesse lag seine Vorstellung zugrunde, als zu Unrecht Beschuldigter ohne strafrechtliche Sanktion das gegen ihn eingeleitete Verfahren abschließen zu können, wie der Beklagte bereits in erster Instanz mit Schriftsatz vom 28.09.1998 dargelegt hat. Nachdem sich aber aufgrund der vom Beklagten geführten Verteidigergespräche mit Gericht und Staatsanwaltschaft herausgestellt hatte, dass gerichtlicherseits allein eine Verfahrenseinstellung nach § 153 a StPO zur Beendigung des Strafverfahrens ohne Hauptverhandlung als gangbarer Weg in Betracht komme, musste sich der Kläger die von ihm nach wie vor erstrebte Beendigung des Verfahrens ohne Hauptverhandlung allerdings unter Abgabe einer teilgeständigen Einlassung und mit erheblichen wirtschaftlichen Mitteln in einer Größenordnung von mehr als 410.000,00 DM gewissermaßen "erkaufen". Diese - bei Abschluss der Honorarvereinbarung vom Kläger noch nicht ins Auge gefasste - Strategie einer Verfahrensbeendigung stellte für den Kläger nicht nur eine außerordentliche wirtschaftliche Belastung dar, sondern führte auch dazu, daß er sich - nach wie vor von seiner Unschuld überzeugt - widerwillig einer gewissen Schuld bekennen mußte, die der Kläger auch heute noch als Stigma empfindet, wie er in der Verhandlung vor dem Senat zum Ausdruck gebracht hat.
Diese Umstände lassen die Bedeutung der vorliegend erreichten Beendigung des Verfahrens in einem wesentlich schwächeren Licht erscheinen als zu Beginn der Mandatierung des Beklagten und erst recht gegenüber der im Falle des OLG München (a.a.O.) erfolgten Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens gegen einen einschlägig vorbestraften Sittlichkeitstäter.
Hinzu kommt, daß die erfolgte Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO auch für den Beklagten eine erhebliche Arbeitserleichterung mit sich brachte. Er hat davon insofern "profitiert", als ihm durch die angestrebte und auch erreichte Verfahrenseinstellung vor Entscheidung über eine Eröffnung des Hauptverfahrens erheblicher, ansonsten zu entfaltender Arbeits- und Verteidigungsaufwand erspart geblieben ist. Der Beklagte hatte sich zu diesem Zeitpunkt der Einstellung des Verfahrens zwar in den Sachverhalt eingearbeitet und die maßgeblichen Gespräche mit den Verfahrensbeteiligten geführt. Der tatsächliche Arbeitsaufwand des Beklagten hatte sich jedoch auf die Erarbeitung des Sachverhalts beschränkt, ohne die Abrechnungsvorgänge indes konkret nachzuprüfen, wie der Kläger auf Befragen des Senats in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen hat. Erspart blieben dem Beklagten die gegenüber der geleisteten Arbeit weitaus arbeitsintensiveren Tätigkeiten, die bei streitiger Durchführung des Strafverfahrens - entsprechend der vom Kläger bei Mandatierung gewünschten Strategie der Schuldspruch-Verteidigung vom Beklagten aufzuwenden gewesen wären. Zu diesen "weggefallenen Tätigkeiten" gehören zunächst die - in Umsetzung der Aktenkenntnis - vorzunehmende Erstellung einer detaillierten schriftlichen Aufbereitung des Sachverhalts - sei es auch in Form einer zu den Akten zu reichenden Einlassung - einschließlich einer Überprüfung der umfangreichen Abrechnungsvorgänge. Daß solche Aufbereitung einschließlich einer Überprüfung der Abrechnungsvorgänge erfolgt wäre, wird vom Beklagten selbst nicht behauptet. Sie war angesichts der erstrebten und erreichten Einstellung des Verfahrens nach § 153 a StPO nicht mehr erforderlich und wurde auch nicht zu den Akten gereicht. Außerdem fielen infolge der Einstellung des Verfahrens nach § 153 a stop für den Beklagten die bei streitiger Durchführung des Verfahrens notwendigen Tätigkeiten in einer - mit Wahrscheinlichkeit zu erwartenden - Hauptverhandlung, die ersichtlich eine Vielzahl von Tagen gedauert hätte, nicht mehr an.
Die gesamten Umstände führen hier dazu, dass die zwischen den Parteien getroffene Honorarvereinbarung im Nachhinein als unangemessen hoch anzusehen ist und der Kläger nach Treu und Glauben nicht mehr an seinem Honorarversprechen festgehalten werden kann, auch wenn der Beklagte das vereinbarte Honorar von 150.000,00 DM netto im Januar 1996 auf 110.000,00 DM und nach Zahlung eines letzten Betrages von 12.500,00 DM im Dezember 1996 auf den insgesamt gezahlten Betrag von 97.500,00 DM ermäßigt hatte. Diese Ermäßigung der Gebührenforderung trägt nach Auffassung des Senats dem tatsächlich eingetretenen Wegfall notwendigen Verteidigungsaufwandes nicht hinreichend Rechnung. Sie hat nämlich - ebenso wie das hierzu vom Landgericht eingeholte Gebührengutachten der Rechtsanwaltskammer Köln - nicht berücksichtigt, daß der Teil der von dem Beklagten ausgeführten Arbeit in seinem Umfang weit weniger gewichtig war als der Teil der Leistungen, die er zur Verteidigung des Klägers bei streitiger Durchführung des Strafverfahrens aufzuwenden gehabt hätte. Der Wegfall der notwendigen schriftlichen Aufbereitung des angeklagten Sachverhaltes einschließlich der Überprüfung der Abrechnungsvorgänge und der Wegfall jeglicher Tätigkeit in einer voraussehbar längeren, eine Vielzahl von Tagen dauernden Hauptverhandlung bedeutete für den Beklagten die Ersparung des überwiegenden Teils seiner zugesagten Leistungen, die von ihm zur - bei Mandatserteilung vorgesehenen - Verteidigung des Klägers gegen den Schuldspruch aufzuwenden gewesen wäre.
Angesichts dessen hat der Senat das vereinbarte Verteidigerhonorar von (netto) 150.000,00 DM auf 1/3 hiervon - und damit auf einen Betrag von 50.000,00 DM - herabgesetzt. Dabei hat der Senat auch dem Umstand Rechnung getragen, dass es sich bei dem Beklagten um einen der wenigen K. Spitzen-Strafverteidiger handelt, dessen Renommee und hohe Qualifikation in der Fachwelt unumstritten sind und der - wie der Senat weiß - Wirtschaftsstrafsachen nicht ohne Gebührenvereinbarung im fünfstelligen Bereich bearbeitet.
Der - angemessene - Honorarbetrag von (netto) 50.000,00 DM ist noch um die bei Abrechnung des Mandates im Jahre 1995 geltende 15%ige Mehrwertsteuer - also um einen Betrag von 7.500,00 DM - auf einen Gesamtbetrag von 57.500,00 DM zu erhöhen.
e)
Nach Abzug des dem Beklagten zustehenden Bruttohonorars von 57.500,00 DM für die Verteidigung des Klägers von dem von diesem gezahlten Gesamtbetrag von 97.500,00 DM ergäbe sich ein Erstattungsanspruch in Höhe von 40.000,00 DM.
2.
Diesem Erstattungsanspruch von 40.000,00 DM hält der Beklagte jedoch zu Recht den hilfsweise bereits in erster Instanz erhobenen Einwand der Aufrechnung mit einer weiteren Honorarforderung in Höhe von 10.384,90 DM entgegen (§ 389 BGB).
Bei diesem weiteren Gebührenanspruch handelt es sich um die die Vergleichsgebühr sowie um die Hälfte der Geschäfts- und Besprechungsgebühr nebst Auslagen und MWST gemäß der Gebührenrechnung des Beklagten vom 30.07.1998 (Anlage B 6 - Bl. 23 AH) für die Vertretung des Klägers am Abschluss einer außergerichtlichen Auseinandersetzungsvereinbarung mit dem Praxiskollegen des Klägers, Herrn Prof. Dr. F., vom 19.02.1997 (Anlage B 8 - Bl. 26 - 32 AH).
Der Kläger räumt ein, dass der Beklagte ihn zu einer gemeinsamen Besprechung mit dem Praxiskollegen Prof. Dr. F. und dessen Bevollmächtigtem, Rechtsanwalt v.D., begleitet und die vorgelegte Abwicklungsvereinbarung besprochen habe. Weiter trägt der Kläger vor, der Beklagte habe eine "Abtretungsvereinbarung" konzipieren sollen, wonach die zugunsten des Klägers vereinbarten Ansprüche - angesichts "ins H. stehender Pfändungen" - an die Ehefrau des Klägers, welcher er "eine größere Summe verschulde", abgetreten werden sollten. Damit ist das zivilrechtliche Mandat hinsichtlich der Prüfung der Abwicklungsvereinbarung nachgewiesen. Die geltend gemachten Gebühren des § 118 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BRAGO wie auch die beanspruchte Vergleichsgebühr des § 23 BRAGO sind entstanden. Da die Höhe der jeweils geltend gemachten (Höchst-) Gebühren des § 118 Abs. 1 BRAGO streitig ist, können insoweit lediglich die 5/10-Mindestgebühren angesetzt werden. Insgesamt können aus der Rechnung vom 30.7.1998 (Bl. 23 AH) unter Berücksichtigung des zu Recht zugrunde gelegten Gegenstandswertes von 348.000,00 DM der Klageforderung folgende Gebühren entgegen gesetzt werden:
5/10-Geschäftsgebühr (§ 118 I Nr. 1 BRAGO): 1.782,50 DM
5/10-Besprechungsgebühr (§ 118 I Nr. 2 BRAGO): 1.782,50 DM
15/10-Vergleichsgebühr (§ 23 BRAGO): 5.347,50 DM
Auslagenpauschale (§ 26 BRAGO): 40,00 DM
Zwischensumme: 8.952,50 DM
zuzüglich 16 % MWST: 1.432,40 DM
Gesamtbetrag: 10.384,90 DM.
Soweit die Geschäfts- und Besprechungsgebühr die Mindestgebühr von 5/10 übersteigen, bedarf es der Einholung eines Gebührengutachtens der Rechtsanwaltskammer nach § 12 Abs. 2 BRAGO.
Soweit der Kläger dem Beklagten anlastet, die Aufnahme der von ihm angesprochenen "Abtretungsvereinbarung zugunsten seiner Ehefrau" in die Auseinandersetzungsvereinbarung aufzunehmen, führt dies zu keinem Wegfall und auch nicht zu einer Kürzung der in Rede stehenden Gebührenforderung des Beklagten. Insoweit fehlt es an der hinreichenden Darlegung eines dem Kläger etwa daraus entstandenen Vermögensschadens, so dass Schadensersatzansprüche nach den Grundsätzen der positiven Vertragsverletzung gegen den Beklagten nicht in Betracht kommen.
Nach Abzug des Honoraranspruch-Teilbetrages von 10.384,90 DM aus der Gebührenrechnung des Beklagten vom 30.07.1998 verbleibt ein Erstattungsanspruch des Klägers in Höhe von (40.000,00 DM - 10.384,90 DM =) 29.615,10 DM, zu dessen Zahlung vorbehaltlich der erklärten Aufrechnung mit dem noch nicht entscheidungsreifen Honorarrestanspruch von 4.135,40 DM aus der vorgenannten Rechnung vom 30.7.1998 der Beklagte durch Vorbehaltsurteil (§ 302 ZPO) zu verurteilen war.
3.
Die Erstattungsforderung des Klägers ist nicht verjährt. Der Anspruch des Mandanten auf Rückgewähr rechtsgrundlos gezahlten Anwaltshonorars nach § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB verjährt gemäß § 195 BGB erst nach Ablauf von 30 Jahren; § 196 Abs. 1 Nr. 15 und 16 BGB sind insoweit nicht anzuwenden (BGH NJW 2000, 2669 ff.).
4.
Der Zinsanspruch ist gemäß §§ 288, 291 BGB im tenorierten Umfang gerechtfertigt. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte aus dem zurückzugewährenden Betrag zu einem früheren Zeitpunkt Nutzungen gezogen hätte, so dass § 818 Abs. 1 und Abs. 2 BGB anwendbar wäre, bestehen nicht. Ein höherer Verzugszins als der gesetzliche Zinsfuß ist vom Kläger nicht bewiesen. Die in der Klageschrift angekündigte Vorlegung einer Zinsbescheinigung ist unterblieben.
5.
Über die in der Berufungsbegründung gestellten Hilfsanträge ist nicht gesondert zu entscheiden. Die vom Kläger geltend gemachte Herabsetzung des vereinbarten Honorars nach § 3 Abs. 3 BRAGO ist im Rahmen des Berufungshauptantrages berücksichtigt worden.
6.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711, 108 ZPO.
Streitwert für das Berufungsverfahren: 110.927,80 DM
Der Wert der Beschwer liegt für den Kläger über 60.000,00 DM, für den Beklagten unter 60.000,01 DM.
OLG Köln:
v. 21.02.2001
Az: 17 U 17/00
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https://www.admody.com/urteilsdatenbank/050f1a8d415d/OLG-Koeln__vom_21-Februar-2001_Az_17-U-17-00