Oberlandesgericht Hamm:
Beschluss vom 18. Dezember 1999
Aktenzeichen: 21 W 34/98

(OLG Hamm: Beschluss v. 18.12.1999, Az.: 21 W 34/98)

Tenor

Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluß des Landgerichts Essen vom 07.09.1998 aufgehoben.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Antragsgegnern nach einem Beschwerdewert bis 3.000,00 DM auferlegt.

Gründe

I.

Mit Schriftsatz vom 14.11.1995 leitete der Antragsteller beim Landgericht Essen gegen die Antragsgegner im vorliegenden Verfahren ein selbständiges Beweisverfahren ein mit dem Antrag, ein schriftliches Sachverständigengutachten einzuholen zum Zwecke der Feststellung von Mängeln am neu errichteten Gebäude des Antragstellers HStraße 38 in E.

Die Antragsgegnerin zu 1) hatte die Fenster- und Fassadenarbeiten an diesem Bauvorhaben durchgeführt. Der Antragsgegner zu 2) war der bauleitende Architekt.

Am 15.12.1995 wurde vom Landgericht ein entsprechender Beweisbeschluß erlassen, der durch die Beschlüsse vom 01.10.1996 und 14.11.1996 ergänzt wurde und mit dem zunächst der Sachverständige J und sodann wegen dessen Überlastung der Sachverständige Z mit der Gutachtenerstattung beauftragt wurde.

Inzwischen hatte die Antragsgegnerin zu 1) den Antragsteller im Verfahren 17 O 15/96 des Landgerichts Essen auf Restwerklohnzahlung aus dem streitgegenständlichen Bauvorhaben in Anspruch genommen. Ein entsprechender Mahnbescheid war dem Antragsteller am 07.11.1995 zugestellt worden. Nach Widerspruch ging das Verfahren beim Landgericht am 17.01.1996 ein. Mit seiner Klageerwiderung vom 26.02.1996 hat der Antragsteller in jenem Verfahren zum einen diverse Rechnungspositionen beanstandet und zum anderen Mängel gerügt. In Bezug auf letztere hat er seinen Vortrag im vorliegenden selbständigen Beweisverfahren auch zum Vortrag im Klageverfahren gemacht. Im Termin vom 19.04.1996 haben die Antragsgegnerin zu 1) und der Antragsteller im Verfahren 17 O 15/96 zur Sache verhandelt. Mit Schriftsatz vom 03.06.1996 hat der Antragsteller in jenem Verfahren dem Antragsgegner zu 2) den Streit verkündet. Letzterer ist dem Rechtsstreit auf seiten des Antragstellers, d.h. des dortigen Beklagten, beigetreten. Nach Beiziehung der Akten des vorliegenden Verfahrens ruhte das Klageverfahren zunächst im Hinblick auf dessen Ausgang. Wegen zwischen den Parteien schwebender außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen ruhte zunächst auch das selbständige Beweisverfahren. Zu einer Gutachtenerstattung kam es nicht. Nachdem die Vergleichsverhandlungen gescheitert waren, wurde das Verfahren 17 O 15/96 wieder aufgenommen. Im Termin vom 03.07.1998 erklärte der Antragsteller und Beklagte in jenem Verfahren, daß er das selbständige Beweisverfahren nicht weiter betreiben wolle. Daraufhin erließ das Landgericht im Verfahren 17 O 15/96 einen Beweisbeschluß, der unter II. bis auf wenige inzwischen erledigte Punkte mit dem Beweisbeschluß im selbständigen Beweisverfahren gleichlautend ist. Auch dort wurde der Sachverständige Z beauftragt. Das Gutachten ist inzwischen erstattet. Neuer Verhandlungstermin wurde auf den 10.12.1999 anberaumt.

Im Hinblick auf die Erklärung des Antragstellers im Termin vom 03.07.1998 beantragte der Antragsgegner zu 2) mit Schriftsatz vom 21.07.1998 im vorliegenden Verfahren, dem Antragsteller die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzuerlegen. Mit Beschluß vom 07.09.1998 hat das Landgericht antragsgemäß dem Antragsteller entsprechend § 269 Abs. 3 ZPO die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß das Nichtweiterbetreiben des Verfahrens einer Antragsrücknahme gleichzustellen sei und in einem derartigen Fall auch im selbständigen Beweisverfahren, über den Fall des § 494 a Abs. 2 ZPO hinaus, entsprechend § 269 Abs. 3 ZPO eine Kostenentscheidung veranlaßt sei. Die im selbständigen Beweisverfahren entstandenen Kosten seien auch nicht Kosten des Rechtsstreits 17 O 15/96 geworden. Dafür hätte das selbständige Beweisverfahren in den laufenden Rechtsstreit übernommen werden müssen, was der Antragsteller jedoch durch seine Erklärung im Termin vom 03.07.1998, daß er das selbständige Beweisverfahren nicht weiterbetreiben wolle, verhindert habe.

Gegen diesen ihm am 21.09.1998 zugestellten Beschluß hat der Antragsteller mit am 05.10.1998 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt mit der Begründung, daß für eine Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren kein Raum sei, da es sich insofern um Kosten des Verfahrens 17 O 15/96 als Hauptsacheverfahren handele. Auf die Beschwerdebegründung in den Schriftsätzen vom 05.10.1998 und 08.09.1999 im einzelnen wird Bezug genommen. Der Antragsgegner zu 2) hat unter Verteidigung der landgerichtlichen Entscheidung, insoweit wird auf seine Schriftsätze vom 23.12.1998 und 12.05.1999 Bezug genommen, Zurückweisung der Beschwerde beantragt.

II.

Die entsprechend §§ 494 a Abs. 2, S. 3, 269 Abs. 3, S. 5 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt, und begründet.

Eine isolierte Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren durfte nicht ergehen, weil die in diesem Verfahren entstandenen Kosten Kosten des Hauptsacheverfahrens 17 O 15/96 sind und somit hierüber im Rahmen der Kostenentscheidung in jenem Verfahren zu entscheiden ist.

Die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens gehören zu den Kosten des Hauptsacheverfahrens mit der Konsequenz, daß der sowohl im Beweisverfahren als auch im Hauptsacheverfahren tätige Rechtsanwalt nach §§ 48, 37 Nr. 3, 13 Abs. 2, Satz 2 BRAGO die Gebühren nur einmal erhält, wenn hinsichtlich der Parteien und des Gegenstandes beider Verfahren Identität besteht. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Dabei spielt es keine Rolle, daß die Parteirollen (hiesiger Antragsteller ist Beklagter im Klageverfahren, hiesige Antragsgegnerin zu 1) ist Klägerin im Klageverfahren) umgekehrt sind. Auch daß der Antragsgegner zu 2) im Klageverfahren nur Streithelfer ist, hindert im Hinblick auf die Nebeninterventionswirkung die Voraussetzung der Parteienidentität nicht. Es liegt auch Identität des Streitgegenstandes vor. Der Begriff des Streitgegenstandes ist dabei nicht im "technisch zivilprozessualen" Sinne zu verstehen. Die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens ist sowohl dann zulässig, wenn sie Grundlage für Ansprüche des Antragstellers ist, als auch dann, wenn damit Ansprüche des Antragsgegners abgewehrt werden sollen. Daher ist von Identität des Gegenstandes auch dann auszugehen, wenn wie hier der Antragsteller die behaupteten Mängel, die Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens sind, gegenüber der Klage des Antragsgegners als Einwendung geltend macht (vgl. OLG Nürnberg, JurBüro 1996, S. 35). Das später im Verfahren 17 O 15/96 ergangene Beweisbeschluß, der hinsichtlich der Mängel im wesentlichen mit dem Beweisbeschluß im selbständigen Beweisverfahren identisch ist, zeigt, daß hier insofern eine Identität gegeben ist. Daß es im Hauptsacheverfahren darüber hinaus um weitere Streitpunkte geht, spielt dafür keine Rolle.

Es ist auch nicht entscheidend, ob das Ergebnis des Beweisverfahrens im Hauptsacheverfahren tatsächlich verwertet wurde und auf dessen Ergebnis Einfluß hatte. Ausreichend, aber auch notwendig, ist vielmehr, daß im Hauptsacheverfahren über den Anspruch, auf dessen Grund sich das Beweisverfahren erstreckte, mitentschieden wird (OLG Nürnberg aaO, OLG Hamm JurBüro 96, S. 376), was hier ausweislich des Beweisbeschlusses im Hauptsacheverfahren der Fall ist.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts und des Antragsgegners zu 2) ist hier auch nicht deshalb Raum für eine gesonderte Kostenentscheidung, weil das selbständige Beweisverfahren vor Durchführung der dort angeordneten Beweisaufnahme nicht weiter betrieben wurde und daher nicht in das Verfahren 17 O 15/96 "übernommen" wurde. Zwar folgt der Senat der wohl inzwischen überwiegenden Auffassung, daß über die Fälle des § 494 a Abs. 2 ZPO hinaus auch im selbständigen Beweisverfahren entsprechend § 269 Abs. 3 oder § 91 a ZPO eine Kostenentscheidung zu Lasten des Antragstellers dann veranlaßt ist, wenn dieser den Antrag im selbständigen Beweisverfahren zurücknimmt (OLG Hamm, OLGZ 94, S. 233; Notthoff, JurBüro 98, S. 61 ff, jeweils mit weiteren Nachweisen), für erledigt erklärt (OLG Koblenz, Baurecht 98, S. 1045) oder das Verfahren - wie hier - nicht weiter betreibt (OLG Celle, NJW RR 98, S. 1079). Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, daß ein Bedürfnis für eine derartige Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren nur dann besteht, wenn zum Zeitpunkt der Antragsrücknahme bzw. der Erledigungserklärung ein Hauptsacheverfahren noch nicht anhängig ist, so daß die Partei, die die im Beweisverfahren entstandenen Kosten ersetzt haben will, nicht auf die Kostenentscheidung in einem Hauptsacheverfahren, in dem eine sachliche Entscheidung über den Gegenstand des selbständigen Beweisverfahrens erfolgt, verwiesen werden kann und daher bei Nichtzulassung einer Kostenentscheidung im selbständigen Beweisverfahren nur eine Geltendmachung der Kosten durch gesonderte Klage möglich wäre (vgl. Notthoff aaO sowie die oben zitierten Entscheidungen, bei denen der Fall jeweils so lag, daß ein Hauptsacheverfahren nicht anhängig war). Dementsprechend lautet auch der Leitsatz der zitierten Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm wie folgt: Im selbständigen Beweisverfahren außerhalb eines bereits anhängigen Rechtsstreits muß eine Kostengrundentscheidung ergehen, wenn der Antrag zurückgenommen wird.

Im vorliegenden Fall erfolgte die Antragsrücknahme bzw. die Erklärung, das Verfahren nicht weiter zu betreiben, jedoch zu einem Zeitpunkt, als das Hauptsacheverfahren längst anhängig war, ja sogar, weil dieses bereits anhängig war und man es, aus welchen Gründen auch immer, für sinnvoller hielt, die Beweiserhebung direkt im Hauptsacheverfahren durchzuführen. Dadurch wurde die einmal gegebene Identität der Streitgegenstände nicht wieder aufgehoben oder eine "Übernahme" in das Hauptsacheverfahren verhindert. Zum einen bedurfte es aus oben genannten Gründen einer solchen Übernahme nicht, zum anderen war der Vortrag aus dem selbständigen Beweisverfahren bereits durch die Bezugnahme in der Klageerwiderung und die Verhandlung darüber im Termin vom 19.04.1996 bereits in das Klageverfahren eingeführt worden. Daß es dann schließlich nicht zur Beweiserhebung im selbständigen Verfahren, sondern erst im Hauptsacheverfahren kam, ändert auch nichts daran, daß beide Verfahren im Sinne von § 37 Nr. 3 BRAGO zum selben Rechtszug gehören. Es handelt sich bei dem Beweisbeschluß im Hauptsacheverfahren, soweit es sich mit den im selbständigen Beweisverfahren bereits geltend gemachten Mängeln befaßt, auch nicht um eine neue Beweiserhebung, es wurde lediglich die zunächst im selbständigen Beweisverfahren angeordnete Beweiserhebung durch die gleichlautende Beweisanordnung im Hauptsacheverfahren ersetzt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.






OLG Hamm:
Beschluss v. 18.12.1999
Az: 21 W 34/98


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