Finanzgericht Berlin-Brandenburg:
Urteil vom 4. November 2008
Aktenzeichen: 7 K 2310/06 B
(FG Berlin-Brandenburg: Urteil v. 04.11.2008, Az.: 7 K 2310/06 B)
Tatbestand
Der Kläger ist seit Anfang der 70er Jahre als Regisseur tätig, zunächst an der ...bühne, danach an verschiedenen deutschen Theatern. Von 1986 bis 1995 war er Intendant des Schauspielhauses X. Seit 1995 arbeitete er als freier Regisseur, das heißt, die Einkünfte und Umsätze erklärte er als Einkünfte aus selbständiger Arbeit beziehungsweise als zu 7 v. H. steuerpflichtige Umsätze.
Am 07.06.2004 schloss der Kläger mit dem Nationaltheater Y einen Werkvertrag über die Regie für die Inszenierung der Oper... . Das Nationaltheater Y ist ein sog. Drei-Sparten-Haus, das Stücke aus den Bereichen Oper, Schauspiel und Ballett aufführt. Nach dem Werkvertrag sollten die Proben ab Oktober 2004 stattfinden, die Premiere am ...11.2004. Als Honorar wurden X € vereinbart. Ferner wurden dem Kläger Fahrtkostenerstattung und eine Wohnung für die Probenzeit gewährt. Das Honorar entfiel im Falle einer Verhinderung des Klägers, gleichgültig aus welchem Grunde. In künstlerischen Fragen hatte die Theaterleitung ein Letztentscheidungsrecht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vertragstextes nimmt das Gericht auf Blatt 109 f. der Umsatzsteuerakte Bezug.
Die Premiere fand wie vorgesehen am ...11.2004 statt. Eine Besonderheit der Inszenierung bestand darin, dass der Kläger an eine konzertante Aufführung der Oper ... in den 40er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in X unter der Leitung eines bekannten Dirigenten anknüpfte. Die Abendspielleitungen wurden nicht vom Kläger wahrgenommen, der sich jedoch durch Videoaufnahmen über den Ablauf der Vorstellungen unterrichten ließ.
Das Honorar wurde im Streitjahr gezahlt. Daneben erzielte der Kläger noch Umsatzentgelte vom Verlag Z in Höhe von X € zuzüglich X € Umsatzsteuer (= brutto X €), die in Steuererklärung und Gewinnermittlung des Klägers eingingen. Rechnungen mit Vorsteuerausweis hat der Kläger nicht erteilt und auch keine entsprechenden Gutschriften entgegen genommen.
Für die Veranlagungszeiträume 1990 bis 2003 waren die jeweils zuständigen Finanzbehörden den Erklärungen des Klägers dahingehend gefolgt, dass sie seine Umsätze zum Steuersatz von 7 v. H. der Umsatzsteuer unterworfen hatten, zuletzt mit endgültigem Umsatzsteuerbescheid 2003 vom August oder September 2005.
Im Jahre 2004 machte der Kläger im Voranmeldungsverfahren geltend, seine vom Nationaltheater Y bezogene Gage sei umsatzsteuerfrei. Ein entsprechender Einspruch betreffend das II. Quartal 2004 wurde mit Einspruchsentscheidung vom 29.03.2005, die bestandskräftig wurde, zurückgewiesen.
Am 23.02.2005 unterwarf der Beklagte mit Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid IV/2004 Umsätze in Höhe von X € dem ermäßigten Steuersatz von 7 v. H. Dagegen legte der Kläger am 21.03.2005 Einspruch ein. Vor Abschluss des Einspruchsverfahrens reichte der Kläger am 03.05.2006 seine Umsatzsteuererklärung 2004 ein, mit der er Umsätze zu 7 v. H. in Höhe von X € und steuerfreie Umsätze in Höhe von X € erklärte, ferner Vorsteuerbeträge in Höhe von X €, sodass sich eine Umsatzsteuer von X € ergab. Davon abweichend setzte der Beklagte mit Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 26.05.2006 die Umsatzsteuer 2004 endgültig auf X € fest, wobei er Umsätze zu 7 v. H. in Höhe von X € und Vorsteuer in Höhe von X € berücksichtigte. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 26.06.2006 Einspruch ein. Der Beklagte half dem Einspruch teilweise ab, indem er mit Bescheid vom 13.07.2006 unter Berücksichtigung weiterer Vorsteuer, nämlich insgesamt in Höhe von X €, die Umsatzsteuer auf X € herabsetzte.
Mit Verfügung vom 10.08.2006 kündigte der Beklagte an, die Umsatzsteuer 2004 in der Weise höher festzusetzen, dass er die Umsätze mit dem Nationaltheater Y dem vollen Umsatzsteuersatz von 16 v. H. unterwerfen wolle. Entsprechend setzte der Beklagte mit Einspruchsentscheidung von 17.10.2006 die Umsatzsteuer 2004 auf X € herauf, wobei er Umsätze zu 16 v. H. in Höhe von X € und Umsätze zu 7 v. H. in Höhe von X € berücksichtigte.
Darauf hin hat der Kläger am 02.11.2006 Klage erhoben.
Während des Klageverfahrens wurde von der zuständigen Landesbehörde entsprechend dem Antrag des Klägers am 17.10.2007 bescheinigt, dass der Kläger die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchstabe a Satz 1 Umsatzsteuergesetz - UStG - genannten Einrichtungen erfülle. Diese Bescheinigung gelte rückwirkend ab Januar 2001. Wegen der weiteren Einzelheiten nimmt das Gericht auf Blatt 94 Streitakte Bezug.
Der Kläger macht geltend, seine gegenüber dem Nationaltheater Y erbrachten Umsätze seien nach § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG von der Umsatzsteuer befreit.
Die Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vom 17.10.2007 wirke auf das Streitjahr zurück. Dem stehe § 175 Abs. 2 Satz 2 Abgabenordnung - AO - nicht entgegen, da die Bescheinigung einen Grundlagenbescheid i. S. des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO darstelle.
Jedenfalls könne er, der Kläger, sich auf die Steuerbefreiung nach Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe n der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - 77/388/EWG - 6. EG-Richtlinie - berufen. Diese Richtlinienvorschrift sehe vor, dass die Mitgliedstaaten bestimmte kulturelle Dienstleistungen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von dem betreffenden Mitgliedstaat anerkannten Einrichtungen erbracht würden, von der Umsatzsteuer befreiten. In der Rechtssprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften € EuGH € sei anerkannt, dass auch Einzelpersonen Einrichtungen in diesem Sinne darstellen könnten. Die erforderliche Anerkennung durch die Bundesrepublik Deutschland sei durch die Bescheinigung vom 17.10.2007 erfolgt. Die Befreiung der streitbefangenen Leistungen des Klägers von der Umsatzsteuer entspreche auch dem Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift. Denn dadurch würden die öffentlichen Kassen, aus denen sein Honorar bestritten worden sei, entlastet. Anderenfalls hätte das Honorar um 16 v. H. höher sein müssen. Auch der Art der Tätigkeit nach sei die Steuerbefreiung zu gewähren. Dabei sei es unbeachtlich, dass der Regisseur nicht auf der Bühne auftrete, da er Teil eines Gesamtensembles sei, das die Opernaufführung zu Stande bringe. Er erstelle ein Regiekonzept, nehme Streichungen vor und passe die Sprache an. Er stimme sich mit den werkschaffenden Bühnen- und Kostümbildnern ab. Dem entsprechend sei auch im Urheberrecht anerkannt, dass der Regisseur ausübender Künstler im Sinne des § 73 Urheberrechtsgesetz - UrhG - sei. Die Tätigkeit des Klägers sei mit dem Regiebereich staatlicher Theater gleichartig.
Der Berufung auf die Richtlinie stehe nicht entgegen, dass die Befreiung nur für €bestimmte€ kulturelle Dienstleistungen gewährt werde. Denn die Mitgliedstaaten dürften nur solche Tätigkeiten von der Steuerbefreiung ausnehmen, die in Art. 13 Teil A Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie genannt seien. Davon habe der deutsche Gesetzgeber jedoch keinen Gebrauch gemacht. Zudem sei es kein sachgerechter Differenzierungsgrund, die Steuerbefreiung davon abhängig zu machen, ob die kulturelle Dienstleistung unmittelbar gegenüber dem Publikum, d. h. im Rahmen eines Rechtsverhältnisses zwischen Künstler und Publikum, erbracht werde. Dies würde dazu führen, dass die Steuerbefreiung immer dann versagt werde, wenn das betreffende Theater keinen Hausregisseur, sondern einen Subunternehmer mit der Inszenierung beauftrage.
Jedenfalls seien die Umsätze des Klägers nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a UStG 2004 ermäßigt zu besteuern. Auch hinsichtlich dieser Vorschrift sei durch die EuGH-Rechtsprechung anerkannt, dass sie sich auch auf Einzelkünstler beziehe. Es könne auch keine Rolle spielen, dass der Kläger nicht auf der Bühne auftrete, da auch andere, anerkanntermaßen durch § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a UStG begünstigte Künstler nicht zwangsläufig auf der Bühne zu sehen seien, wie etwa ein Orchester, das im Orchestergraben sitze. Auch ohne das Auftreten auf der Bühne habe der Regisseur als Teil des Gesamtensembles einen erheblichen Einfluss auf die Aufführungen.
Der Kläger beantragt, abweichend vom Umsatzsteuerbescheid 2004 vom 13.07.2006 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 17.10.2006 die Umsatzsteuer auf X € festzusetzen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Er hält die Klage für unbegründet. Auch nach Vorlage der Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde stehe dem Kläger keine Umsatzsteuerbefreiung zu. Der deutsche Gesetzgeber habe seinen ihm von Art. 13 Teil A Buchstabe n der 6. EG-Richtlinie eingeräumten Gestaltungsspielraum bei der Befreiung €bestimmter kultureller Dienstleistungen€ in § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG derart ausgeübt, dass im Bereich der darstellenden Künste nur solche Leistungen befreit sein sollen, die typischerweise in Auftritten gegenüber einem Publikum bestehen. Diese Sichtweise decke sich auch mit der Auslegung des Begriffs Künstler im Sinne des Art. 17 OECD-Musterabkommen - OECD-MA. Eine Bindung an die in eine andere Richtung zielende Behördenbescheinigung bestehe insoweit nicht. Deren Bindungswirkung beschränke sich auf die Beurteilung, ob der Kläger die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG bezeichneten Einrichtungen erfülle. Die Beurteilung der Gleichartigkeit der Einrichtung falle jedoch in den Bereich der Zuständigkeit der Finanzbehörden.
Auch hinsichtlich des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a UStG sei darauf abzustellen, ob die Leistungen typischerweise in Auftritten gegenüber einem Publikum erbracht würden. Letztlich gelte das Gleiche wie im Rahmen der Steuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG.
Dem Gericht haben je eine Einkommensteuer-, Umsatzsteuer- und Umsatzsteuervoranmeldungsakte vorgelegen, die vom Beklagten für den Kläger unter der Steuernummer X geführt werden.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Der Kläger wird durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten im Sinne des § 100 Abs. 1 FGO verletzt, da der Beklagte die streitbefangenen Umsätze mit dem Nationaltheater Y der Umsatzsteuer unterworfen hat.
A. Die Beteiligten gehen zu Recht davon aus, dass der Kläger als selbstständiger Unternehmer im Sinne des § 2 Abs. 1 UStG gegenüber dem Nationaltheater Y tätig wurde. Denn der Kläger trug ein Vergütungsrisiko in der Weise, dass er bei einer beispielsweise krankheitsbedingten Verhinderung keinen Honoraranspruch gehabt hätte. Ferner schuldete er nicht nur Dienstleistungen, sondern einen Erfolg, da er sich vertraglich verpflichtet hatte, die Oper ... in der Weise zu inszenieren, dass sie zum Premierentag aufführungsreif war. Demgegenüber fällt nicht ins Gewicht, dass die Theaterleitung in künstlerischen Fragen ein Letztentscheidungsrecht hatte und ihm ein Budgetrahmen vorgegeben war. Dies sind Weisungsrechte, die sich jeder Auftraggeber eines freiberuflichen Dienstleisters typischerweise vorbehält.
B. Der Kläger hat auch keine Umsatzsteuer in Rechnungen ausgewiesen, bzw. Gutschriften mit entsprechendem Umsatzsteuerausweis widerspruchsfrei hingenommen, so dass er keine Steuer nach § 14 c Abs. 1 Satz 1 UStG schuldet.
C. Die gegenüber dem Nationaltheater Y erbrachten Regieleistungen sind zwar nicht nach § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG von der Umsatzsteuer befreit. Der Kläger beruft jedoch zu Recht unmittelbar auf Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe n der 6. EG-Richtlinie.
I. Nach § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG sind u. a. die Umsätze der Theater von öffentlichen Gebietskörperschaften sowie die Umsätze gleichartiger Einrichtungen anderer Unternehmer von der Umsatzsteuer befreit, wenn die zuständige Landesbehörde bescheinigt, dass sie die gleichen kulturellen Aufgaben wie die im Satz 1 bezeichneten Einrichtungen erfüllen. Die Steuerbefreiung folgt nicht allein daraus, dass die Landesbehörde unter dem 17.10.2007 bescheinigt hat, dass der Kläger die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchstabe a Satz 1 UStG genannten Einrichtungen erfüllt. Zwar ist das Gericht nicht durch § 175 Abs. 2 Satz 2 AO gehindert, diese Bescheinigung zu berücksichtigen, jedoch beschränkt sich die Bindungswirkung dieser Bescheinigung darauf festzustellen, dass der Kläger die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchstabe a Satz 1 UStG genannten Einrichtungen erfüllt. Sie bindet die Steuergerichte nicht hinsichtlich der hier streitigen Frage, ob die vom Kläger ausgeübte Regietätigkeit der Sache nach unter die nach § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG bzw. Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe n der 6. EG-Richtlinie steuerbefreiten Umsätze gehört.
1. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Bescheinigung der Landesbehörde vom 17.10.2007 einen Grundlagenbescheid im Sinne des § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO darstellt (in diesem Sinne: Finanzgericht - FG - des Saarlandes, Urteil vom 12.11.1992 1 K 195/92, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1993, 477; FG Köln, Urteil vom 21.08.2008 7 K 3380/06, juris, Revision anhängig unter dem Az. V R 28/08; Oelmaier in Sölch/Ringleb, UStG, § 4 Nr. 20, Rz. 31) oder ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO darstellt. Selbst wenn letzteres zutreffend wäre, würde § 175 Abs. 2 Satz 2 AO nicht hindern, dass das erkennende Gericht die Bescheinigung vom 17.10.2007 berücksichtigen müsste. Zwar gilt nach § 175 Abs. 2 Satz 2 AO die nachträgliche Erteilung einer Bescheinigung nicht als rückwirkendes Ereignis, jedoch schließt diese Regelung nicht aus, dass von der Bescheinigung Rechtswirkungen auf Zeiträume vor ihrer Ausstellung ausgehen, wenn die entsprechenden Veranlagungen noch nicht endgültig oder noch nicht bestandskräftig vorgenommen worden sind.
Denn § 175 Abs. 2 Satz 2 AO ist durch das sogenannte Richtlinien-Umsetzungsgesetz vom 09.12.2004, Bundesgesetzblatt € BGBl € I 2004, 3310, in die Abgabenordnung aufgenommen worden. Im ursprünglichen Gesetzesentwurf war die Regelung noch nicht enthalten (vergleiche den Entwurf vom 13.08.2004, Bundesrats-Drucksache 605/04). Vielmehr geht § 175 Abs. 2 Satz 2 AO zurück auf eine Beschlussempfehlung des Bundestags-Finanzausschusses (vergleiche Bundestags-Drucksache 15/4050 vom 27.10.2004, Seiten 31 und 61). Nach der Begründung der Beschlussempfehlung (a. a. O. Seite 61) sollen mit der Neuregelung aus Gründen der Verfahrensökonomie amtliche Bescheinigungen mit anderen Beweismitteln gleichgesetzt werden, so dass nachträglich vorgelegte Bescheinigungen nur innerhalb der regulären Festsetzungsfrist und unter Berücksichtigung der sonstigen Korrekturvorschriften (insbesondere §§ 164, 172 oder 173 AO) vorgenommen werden können.
In der Literatur wird die Vorschrift gelegentlich auch als €lex Manninen€ bezeichnet, weil sie dazu gedient habe, fiskalisch nachteilige Folgen aus der sogenannten €Manninen-Entscheidung€ des EuGH vom 07.09.2004 C-319/02 (Der Betrieb 2004, 2023) zu vermeiden. Es habe die Befürchtung bestanden, dass ansonsten aufgrund nachträglich vorgelegter Steuerbescheinigungen massenhaft Änderungen nach § 175 Abs. 1 Satz 2 AO mit nachteiligen fiskalischen Folgen hätten vorgenommen werden müssen (Loose in Tipke/Kruse, AO, § 175 Tz. 49; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, § 175, Rz. 51.2; Schwarz/Frotscher, AO, § 175, Rz. 67 h; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 175, Rz. 15).
Unabhängig davon, was genau die gesetzgeberischen Motive zur Einführung des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO waren, besteht jedenfalls Einigkeit dahingehend, dass § 175 Abs. 2 Satz 2 AO nicht hindert, dass Bescheinigungen im Sinne des § 4 Nr. 20 Buchstabe a Satz 2 UStG mit Rückwirkung ausgestellt und in noch nicht bestandskräftigen Steuerfestsetzungsverfahren berücksichtigt werden (vergleiche Loose in Tipke/Kruse, AO, § 175 Tz. 49 a; von Wedelstädt in Beermann/Gosch, AO, Rz. 51.2 a. E.; Schwarz/Frotscher, AO, § 175, Rz. 67 d; von Groll in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, § 175, Rz. 430 ff.; vergleiche auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.05.2008 6 K 1666/06, juris, das die Berücksichtigung der Bescheinigung auch nicht an § 175 Abs. 2 Satz 2 AO scheitern lässt). Dies steht auch im Einklang mit dem in der Gesetzesbegründung angegebenen gesetzgeberischen Ziel, Bescheinigungen, die bisher als rückwirkende Ereignisse angesehen wurden, wie sonstige Beweismittel zu behandeln. Auch nachträglich erstellte Beweismittel müssen in noch nicht bestandskräftigen Verfahren berücksichtigt werden.
2. Es bestehen keine Bedenken, dass die Bescheinigung der Landesbehörde vom 17.10.2007 die von ihr intendierte Rückwirkung auf das Streitjahr hat. Zwar hat der XI. Senat des Bundesfinanzhofs € BFH € in früherer Besetzung die Auffassung vertreten, Bescheinigungen im Sinne des § 4 Nr. 20 Buchstabe a Satz 2 UStG könnten keine rückwirkende Wirkung haben (Urteil vom 15.09.1994 XI R 101/92, Amtliche Sammlung des BFH € BFHE € 176, 146; Bundesteuerblatt € BStBl. € II 1995, 912), jedoch ist diese Rechtsprechung in der Folge von dem seinerzeit allein für Umsatzsteuersachen zuständigen V. Senat aufgegeben worden (BFH, Urteile vom 24.09.1998 V R 3/98, BFHE 187, 334, BStBl. II 1999, 147; zu § 4 Nr. 21 b UStG: Urteil vom 24.01.2008 V R 3/05, Umsatzsteuer-Rundschau € UR € 2008, 552; vergleiche auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.05.2008 6 K 1666/06, juris). Dieser Rechtsprechung schließt sich das Gericht an. Zwar kann dies zu nachträglichen Auswirkungen auf die Dispositionen des Steuerpflichtigen führen, wenn nicht er, sondern die Finanzbehörde die Bescheinigung beantragt. Dem dürfte aber durch Billigkeitsmaßnahmen Rechnung getragen werden können. Jedenfalls hat der Steuerpflichtige nur geringe Einwirkungsmöglichkeiten auf die Bearbeitungsdauer durch die Kulturbehörden, die sich mitunter über längere Zeiträume hinziehen kann, wie der Streitfall zeigt, in dem zwischen Antragstellung und Erteilung der Bescheinigung mehr als ein Jahr vergangen ist.
3. Die Rückwirkung der Bescheinigung vom 17.10.2007 hat nicht zur Folge, dass die Regieleistungen des Klägers zwangsläufig nach § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG steuerfrei sind. Die Bescheinigung ist zwar materiell-rechtliche Voraussetzung für die Gewährung der Steuerbefreiung (BFH, Urteil vom 17.04.2008 V R 58/05, UR 2008, 581 m. w. N.), jedoch obliegt es der Prüfung durch die Finanzbehörden und Finanzgerichte, ob sich die vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten im Einzelfall als Umsätze eines Theaters usw. im Sinne des § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG darstellen. Eine Bindungswirkung besteht nur insoweit, als die Bescheinigung der Landesbehörde vom 17.10.2007 feststellt, dass der Kläger die gleichen kulturellen Aufgaben wie die in § 4 Nr. 20 Buchstabe a Satz 1 UStG bezeichneten Einrichtungen erfüllt, d. h., dass seine Leistungen den gleichen kulturellen Stellenwert haben (Bundesverwaltungsgericht
- BVerwG -, Urteil vom 11.10.2006 10 C 4.06, Neue juristische Wochenschrift € NJW € 2007, 714 m. w. N. aus der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs; Beschluss vom 31.07.2008 9 B 80/07, juris).
II. Die vom Kläger erbrachten Regieleistungen stellen keine Umsätze eines Theaters usw. im Sinne des § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG 2004 dar.
1. Nach allgemeinem Sprachgebrauch handelt es sich beim Begriff des Theaters um einen Sammelbegriff für alle für Zuschauer bestimmte Darstellungen eines in Szene gesetzten Geschehens (Weymüller in Sölch/Ringleb, UStG, § 4 Nr. 20, Rz. 8). Nach überkommener Auffassung soll überdies erforderlich sein, dass der Unternehmer so viele künstlerische und technische Kräfte und die zur Aufführung von Theaterveranstaltungen notwendigen technischen Voraussetzungen unterhält, dass die Durchführung eines Spielplanes aus eigenen Kräften möglich ist (BFH, Urteil vom 14.11.1968 V 217/64, BFHE 95, 10, BStBl. II 1969, 274; Abschnitt 106 Abs. 1 Satz 1 Umsatzsteuer-Richtlinien € UStR € 2008). Nach Auffassung des BVerwG zeichnet sich ein Theater i. S. des § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG dadurch aus, dass es sich in der Regel an eine unbestimmte Zahl von Zuschauern wendet und die Aufgabe hat, der Öffentlichkeit Theaterstücke in künstlerischer Form nahezubringen (BVerwG, Beschluss vom 31.07.2008 9 B 80/07, juris).
Es kann dahingestellt bleiben, welche dieser Begriffsdefinitionen zutreffend ist, jedenfalls setzt der Begriff der Umsätze eines Theaters nach seinem Wortlaut voraus, dass der Unternehmer in irgendeiner Weise dadurch Umsätze erzielt, dass Personen auf einer Bühne vor einem Publikum im weitesten Sinne ein Stück im weitesten Sinne zur Aufführung bringen. Dies gilt ungeachtet der Tatsache, dass auch Aufführungen für elektronische Medien begünstigt sein dürften. Denn insoweit stellen die elektronischen Medien die Verbindung zwischen den Künstlern und dem Publikum her. Daran fehlt es beim Kläger. Er tritt nicht selbst auf der Bühne auf, war offenbar - von der Premiere abgesehen € nicht einmal bei den Aufführungen zugegen. Seine Tätigkeit als Regisseur ist zweifelsfrei Vorbedingung für Theater im Sinne des § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG, weil er das Gesamtkonzept der Aufführung erstellt und die Tätigkeit der verschiedenen Mitwirkenden (Sänger, Orchester, Bühnenbildner, Kostümbilder, Maskenbildner) koordiniert. Ohne das Auftreten der von ihm geleiteten Schauspieler, Sänger usw. erfüllt er jedoch auch bei weitester Auslegung des Begriffs Theater diesen nicht. Zwar sind in der Inszenierung des Klägers Sänger und Musiker auf einer Bühne aufgetreten. Deren Tätigkeiten sind dem Kläger jedoch im umsatzsteuerlichen Sinne nicht zuzurechnen. Ferner ist auch zu berücksichtigen, dass sich der Gesetzgeber bei der Formulierung des § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG erkennbar hat davon leiten lassen, welche kulturellen Einrichtungen von Gebietskörperschaften unterhalten werden. Regiedienstleistungsbetriebe gehören nicht dazu.
Schließlich sind nach Artikel 13 A der 6. EG-Richtlinie nicht alle dem Gemeinwohl dienenden Tätigkeiten steuerbefreit, sondern nur diejenigen, die in der Vorschrift einzeln aufgeführt und sehr genau beschrieben sind (EuGH, Urteile vom 14.06.2007 C€434/05 € Horizon College, UR 2007, 587, Rz. 14; vom 16.10.2008 C€253/07 - Canterbury Hockey Club, abrufbar von der Homepage des EuGH www.curia.europa.eu, Rz. 18). Dieser Auslegungsgrundsatz ist auch im Rahmen der Auslegung des § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG zu berücksichtigen und spricht dagegen, eine reine Regietätigkeit als Theater i. S. dieser Vorschrift anzusehen.
2. Zwar ist denkbar - wenn auch in der Praxis wenig verbreitet -, dass Theater in der Trägerschaft von Gebietskörperschaften oder ihnen gleichgestellte Theater in privater Trägerschaft die bei ihnen als Angestellte beschäftigten Regisseure gegen Entgelt für Regieleistungen bei anderen Kultureinrichtungen einsetzen. Nach dem Wortlaut des § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG wären auch solche externen Regieleistungen von der Steuerbefreiung erfasst, da sie Umsätze eines Theaters darstellen. Dies ändert jedoch nichts daran, dass die Regietätigkeit des Klägers auch bei einer weiten Auslegung des Begriffs Theater i. S. des § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG nicht unter diesen Begriff fällt. Denn die Tätigkeit der o. g. Theater erschöpft sich nicht in der Personalgestellung.
III. Dem Kläger ist jedoch unter Berufung auf Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe n der 6. EG-Richtlinie (heute: Artikel 132 Abs. 1 Buchstabe n der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie - MwStSystRL -) die Steuerbefreiung der streitbefangenen Regieleistungen zu gewähren.
1. a) Nach dieser Vorschrift befreien die Mitgliedstaaten bestimmte kulturelle Dienstleistungen, die von Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen von den betreffenden Mitgliedstaaten anerkannten Einrichtungen erbracht werden, von der Umsatzsteuer. Der Kläger ist aufgrund der Bescheinigung der zuständigen Landesbehörde vom 17.10.2007 eine anerkannte Einrichtung i. S. des Artikels 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe n der 6. EG-Richtlinie. Auch Einzelpersonen können Einrichtungen i. S. dieser Vorschrift sein (EuGH, Urteil vom 03.04.2003 C€144/00 - Hoffmann, BStBl. II 2003, 679). Als Regisseur erbringt er künstlerische Dienstleistungen, die aus Gründen des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität zu den €bestimmten kulturellen Dienstleistungen€ i. S. dieser Vorschrift zählen.
b) Als Ausnahme von dem Grundsatz der allgemeinen Umsatzsteuerpflicht von Dienstleistungen ist Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe n der 6. EG-Richtlinie eng auszulegen, andererseits jedoch auch nicht so eng, dass er keinen praktischen Anwendungsbereich mehr hätte bzw. unannehmbar hohe Anforderungen an den Steuerpflichtigen stellen würde, um in den Genuss der Steuerbefreiung zu kommen (vergleiche EuGH, Urteile vom 20.11.2003 C€8/01 € Taksatorringen, UR 2004, 82, Rz. 61 f.; vom 14.06.2007 C€445/05 - Haderer, UR 2007, 592, Rz. 18). Ferner ist zu beachten, dass nach der zitierten Richtlinienvorschrift nur bestimmte kulturelle Dienstleistungen von der Umsatzsteuer befreit werden sollen. Diese Formulierung geht darauf zurück, dass die Mitgliedstaaten sich bei der Formulierung der Richtlinien nicht auf einen Katalog bestimmter Dienstleistungen einigen konnten (Jacobs, UR, 2007, 45 [51] m. w. N.). Eine ähnliche Formulierung gibt es im Rahmen des Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe m der 6. EG-Richtlinie, die sportliche Dienstleistungen betrifft. Aus der Entstehungsgeschichte und der Formulierung der Richtlinienvorschrift ergibt sich, dass die Mitgliedstaaten einen Gestaltungsspielraum haben, welche kulturellen Dienstleistungen sie von der Umsatzsteuer befreien.
Entscheidungen des EuGH, aus denen sich entnehmen ließe, wie weit das gesetzgeberische Ermessen der Mitgliedstaaten bei der Anwendung und Umsetzung des Artikels 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe n der 6. EG-Richtlinie durch Bestimmung der steuerbefreiten Tätigkeiten ihrer Art nach geht, liegen bisher nicht vor.
c) Es gibt auch keinen allgemeinen gemeinschaftsrechtlichen Grundsatz, dass Leistungen, die in steuerbefreite Umsätze eingehen bzw. die einen Ausschnitt der steuerbefreiten Leistungen darstellen, zwangsläufig ebenso wie die steuerbefreite €Hauptleistung€ von der Umsatzsteuer zu befreien sind.
Zwar ist es im Rahmen der Anwendung des Artikel 13 Teil B Buchstabe d der 6. EG-Richtlinie, die Finanzdienstleistungen betrifft, anerkannt, dass die dort genannten steuerbefreiten Vorgänge in Einzelleistungen zerfallen können, die ihrerseits steuerbefreit sind. Jedoch ist erforderlich, dass auch die Einzelleistungen ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes darstellen, dass die spezifischen und wesentlichen Funktionen der als steuerbefreit beschriebenen Umsätze erfüllt (EuGH, Urteile vom 05.06.1997 C€2/95 € SDC, UR 1998, 64, Rz. 64, 66; vom 13.12.2001 C€235/00 € CSC, UR 2002, 84, Rz. 23, 25; vom 04.05.2006 C€169/04 € Abbey National, UR 2006, 352, Rz. 40 f.).
Auch im Übrigen prüfen der EuGH und der BFH jeweils im Einzelfall, ob die streitbefangene Leistung den einzeln aufgeführten und genau beschriebenen umsatzsteuerbefreiten Tätigkeiten entsprechen (vergleiche neben den bereits zitierten Entscheidungen zu Finanzdienstleistungen: EuGH, Urteile vom 20.11.2003 C€8/01 € Taksatorringen, UR 2004, 82, Rz. 45 f.; vom 14.06.2007 C€445/05 € Haderer, UR 2007, 592, Rz. 37; vom 14.06.2007 C€434/05 € Horizon College, UR 2007, 587, Rz. 36; BFH, Urteil vom 17.04.2008 V R 58/05, UR 2008, 581).
d) aa) Es gibt eine Reihe von Entscheidungen, denen man entnehmen kann, welche Gesichtspunkte bei der Auswahl der €bestimmten kulturellen (oder sportlichen) Dienstleistungen€ keine Rolle spielen dürfen. Diese Rechtsprechung betrifft allerdings in erster Linie Streitfälle, in denen privaten Einrichtungen, die Tätigkeiten ausübten, die mit den von den umsatzsteuerbefreiten öffentlichen Einrichtungen ausgeübten Tätigkeiten gleichartig waren, aus unterschiedlichen Gründen die Steuerfreiheit versagt wurde. Dies hat der EuGH durchweg für unzulässig erklärt, soweit es sich nicht um Versagungsgründe handelte, die durch Artikel 13 Teil A Abs. 2 der 6. EG-Richtlinie vorgegeben waren.
bb) So hat es der EuGH für unzulässig gehalten, dass die Steuerbefreiung für sportliche Dienstleistungen an eine Höchstgrenze für Aufnahmegebühren oder Mitgliedsbeiträge geknüpft wurde (EuGH, Urteil vom 07.07.1998 C€127/96 - Kommission/Spanien, UR 1998, 342). Ferner hält es der EuGH für unzulässig, dass ein Gesangssolist von der Steuerbefreiung ausgenommen wird, während ein Chor die Steuerbefreiung genießt (EuGH, Urteil vom 03.04.2003 C€144/00 - Hoffmann, BStBl. II 2003, 679). Nach dieser Entscheidung ist (im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 07.09.1999 C€216/97 - Gregg, UR 1999, 419) Einrichtung im Sinne des Artikels 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe n der 6. EG-Richtlinie auch eine Einzelperson, wenn sie von der zuständigen Behörde des Mitgliedstaates als gleichwertige Einrichtung anerkannt wird. Dagegen enthält diese Entscheidung keine Ausführungen dazu, welche Tätigkeiten und Einrichtungen überhaupt aufgrund des Artikels 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe n der 6. EG-Richtlinie umsatzsteuerbefreit werden müssen. Eine entsprechende Vorlagefrage hatte der vorlegende Bundesgerichtshof € BGH € nicht formuliert (vergleiche BGH, Beschluss vom 05.04.2000 5 StR 169/00, UR 2000, 286). Auch in der Nachfolge-Entscheidung (BGH, Urteil vom 18.06.2003 5 StR 169/00, NJW 2003, 2842) hat der BGH diese Frage nicht weiter problematisiert, sondern ist unausgesprochen davon ausgegangen, dass die von dem Konzertveranstalter Hoffmann beauftragten drei Tenöre jeweils Chor im Sinne des § 4 Nr. 20 UStG sind, was zutrifft, da sowohl Chöre als auch Gesangssolisten Gesangsdarbietungen vor Publikum erbringen. Schließlich hat der EuGH (Urteil vom 16.10.2008 C€253/07 € Canterbury Hockey Club, veröffentlicht auf der Homepage des EuGH www.curia.europa.eu) entschieden, dass die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des Artikels 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe m der 6. EG-Richtlinie nicht Leistungen an bestimmte Leistungsempfänger von der Steuerbefreiung ausschließen dürfen.
Grundlage der unter C. III. 1. d) bb) zitierten EuGH-Urteile war, dass der nationale Gesetzgeber bei der Umsetzung des Artikels 13 Teil A Abs. 1 Buchstaben m oder n der 6. EG-Richtlinie den Grundsatz der steuerlichen Neutralität verletzt hatte (vgl. EuGH, Urteile vom 03.04.2003 C€144/00 - Hoffmann, BStBl. II 2003, 679, Rz. 27; vom 16.10.2008 C€253/07 € Canterbury Hockey Club, veröffentlicht auf der Homepage des EuGH www.curia.europa.eu, Rz. 30). Dieser Grundsatz verbietet es, gleichartige und deshalb miteinander im Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (EuGH, Urteile vom 10.09.2002 C€141/00 - Kügler, UR 2002, 513, Rz. 56; vom 23.10.2003 C€109/02 - Kommission/Deutschland, BStBl. II 2004, 482, Rz. 20; vom 26.05.2005 C-498/03 - Kingscrest, UR 2005, 453, Rz. 41, 52; vom 12.01.2006 C€246/04 € Turn- und Sportverein Waldburg, UR 2006, 224, Rz. 33).
2. a) Ausgehend von diesen Befunden ergibt sich, dass der nationale Gesetzgeber beim Ausschluss von Regieleistungen von der Umsatzsteuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG keinen unzulässigen Anknüpfungspunkt an die Rechtsform des Leistungserbringers, an den Leistungsempfänger oder ähnliche von der Art der erbrachten Leistungen unabhängige Kriterien geknüpft hat. Jedenfalls ist die Tätigkeit eines Regisseurs nicht vollständig mit der eines Theaters gleichartig. Wie unter C.II.1. ausgeführt ist die Regiearbeit zwar Vorbedingung für eine Theateraufführung, jedoch nicht mit ihr identisch.
b) Gleichwohl sieht das Gericht den Grundsatz der steuerlichen Neutralität als verletzt an, weil der nationale Gesetzgeber jedenfalls teilweise Tätigkeiten, die mit der vom Kläger ausgeübten gleichartig sind, von der Umsatzsteuer befreit. Denn Regieleistungen, die Theater in der Trägerschaft von Gebietskörperschaften oder Theater, denen nach § 4 Nr. 20 Buchstabe a Satz 2 UStG die Gleichstellung mit den Theatern öffentlich-rechtlicher Trägerschaft bescheinigt worden ist, an externe Leistungsempfänger erbringen, wären nach § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG von der Umsatzsteuer befreit.
aa) Denn insoweit würde es sich um Umsätze von Theatern i. S. des § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG handeln. Dieser Vorschrift lässt sich nicht entnehmen, dass die Steuerbefreiung auf Leistungen im Rahmen von Aufführungen beschränkt wäre. Im Hinblick auf Artikel 13 Teil A Abs. 2 Buchstabe b der 6. EG-Richtlinie ist die Vorschrift zwar richtlinienkonform dahin gehend auszulegen, dass es sich um €typische Theaterleistungen€, also kulturelle Dienstleistungen handeln muss, so dass z. B. Verpflegungsleistungen nicht von der Steuerbefreiung umfasst sind (BFH, Urteile vom 14.05.1998 V R 85/97, BFHE 186, 151, BStBl. II 1999, 145; vom 18.08.2005 V R 20/03, BFHE 211, 85, BStBl. II 2005, 910). Die Durchführung von Regieleistungen bei anderen Kultureinrichtungen von der Umsatzsteuer freizustellen, steht jedoch nicht im Widerspruch zu Wortlaut und Zweck der Richtlinie. Sie ist eine kulturelle Dienstleistung i. S. des Artikels 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe n der 6. EG-Richtlinie. Dem entsprechend hat auch das FG Rheinland-Pfalz die Personalgestellung als nach § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG steuerbefreit angesehen (Urteil vom 11.04.2003 3 K 2834/00, EFG 2003, 1736; die gegen das Urteil des FG Rheinland-Pfalz eingelegte Revision hat sich in der Hauptsache erledigt, BFH, Beschluss vom 14.02.2006 V R 57/03, BFH/NV 2006, 1121; a. A. Oberfinanzdirektion € OFD € Magdeburg, Verfügung vom 22.05.2000, UR 2000, 395; OFD Berlin, Verfügung vom 22.08.2000, UR 2001, 178; Verweyen in Hartmann/Metzenmacher, UStG, E § 4 Nr. 20 Tz. 28 a. E.).
Für einen ähnlich gelagerten Fall € nämlich die Gestellung von Lehrkräften € hat der EuGH die Steuerbefreiung allerdings davon abhängig gemacht, dass die Gestellung der Lehrkräfte i. S. des Artikels 13 Teil A Abs. 2 Buchstabe b der 6. EG-Richtlinie zur Ausübung der steuerbefreiten Tätigkeit unerlässlich war, etwa, weil andernfalls keine Gleichwertigkeit des Unterrichts der Zieleinrichtung gewährleistet wäre, und dass die Personalgestellung nicht im Wesentlichen dazu bestimmt war, der Einrichtung zusätzliche Einnahmen durch Tätigkeiten zu verschaffen, die in unmittelbarem Wettbewerb mit Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer unterliegenden gewerblichen Unternehmen durchgeführt werden (EuGH, Urteil vom 14.06.2007 C-434/05 € Horizon College, UR 2007, 587, Rz. 38 ff.).
Diese Entscheidung betraf jedoch mit dem Schulunterricht eng verbundene Dienstleistungen i. S. des Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe i der 6. EG-Richtlinie, nicht den Schulunterricht als solchen, der den Kernbereich der Befreiung nach Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe i der 6. EG-Richtlinie ausmacht. Demgegenüber erfasst Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe n der 6. EG-Richtlinie dem Grunde nach unbegrenzt alle kulturellen Dienstleistungen der in dieser Vorschrift genannten Einrichtungen. Die Erbringung von Regieleistungen durch eigenes Personal bei anderen Kultureinrichtungen betrifft daher den Kernbereich der Befreiung nach Artikel 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe n der 6. EG-Richtlinie.
Für diesen Kernbereich ist anerkannt, dass darauf Artikel 13 Teil A Abs. 2 Buchstabe b 2. Gedankenstrich der 6. EG-Richtlinie keine Anwendung findet, weil die Steuerbefreiung sonst weitgehend leer liefe (vgl. BFH, Urteile vom 03.04.2008 V R 74/07, UR 2008, 698; vom 30.07.2008 XI R 61/07, juris).
Übertragen auf die Durchführung von Regiearbeiten folgt daraus, dass es allein darauf ankommt, dass die Durchführung der Regiearbeiten für die Ausübung der steuerbefreiten Tätigkeit unerlässlich wäre.
Dies wäre bei Verhältnissen wie im Streitfall zu bejahen. Unterstellt eine i. S. des § 4 Nr. 20 Buchstabe a Satz 2 UStG anerkannte Einrichtung, z. B. eine Schauspielbühne, hätte durch den bei ihr angestellten Kläger beim Nationaltheater Y gegen Entgelt Regiearbeiten ausgeführt, wäre dies unter Einbeziehung der €Zieleinrichtung€ Nationaltheater Y zu bejahen. Zwischen den Beteiligten bestand in der mündlichen Verhandlung Einigkeit darüber, dass die Verpflichtung von Gastregisseuren für den Bestand und die Funktionsfähigkeit der Theater unverzichtbar ist, weil dadurch künstlerische Impulse gegeben werden, die in gleicher Weise mit dem auf Dauer verpflichteten Personal nicht möglich sind. Ferner können auf diese Art und Weise die besonderen Qualifikationen, über die einzelne Regisseure, wie z. B. der Kläger, verfügen, einer Vielzahl von Einrichtungen zu Gute kommen. Auch die künstlerische Vielfalt wird dadurch gefördert. Schließlich verschafft die Beschäftigung von Gastregisseuren den Theatern eine größere finanzielle Flexibilität als die Beschäftigung von fest angestellten Kräften.
bb) Ein sachgerechter Grund, den Kläger trotz dieses Befundes von der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG auszuschließen, ist nicht ersichtlich. Die Tätigkeit des Klägers beim Nationaltheater Y unterscheidet sich nicht von der, die er ausgeübt hätte, wenn er als Angestellter eines Theaters i. S. des § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG die Regieleistung erbracht hätte. Es kann dahin gestellt bleiben, ob einer Steuerbefreiung des Klägers Einschränkungen nach Artikel 13 Abs. 2 Buchstabe a der 6. EG-Richtlinie entgegen stehen könnten. Denn der deutsche Gesetzgeber hat von der in dieser Vorschrift enthaltenen Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht (vgl. EuGH, Urteil vom 03.04.2003 C-144/00 € Hoffmann, BStBl. II 2003, 679).
Die Ausschlusskriterien des Artikels 13 Teil A Abs. 2 Buchstabe b der 6. EG-Richtlinie sind aus den unter C.III.2. b) aa) genannten Gründen nicht erfüllt.
Es kann dahin stehen, ob der Kläger € wie der Beklagte meint € nicht fähig ist, sein Kunstwerk zu transportieren oder sich künstlerisch auszudrücken (in diesem Sinne Finanzministerium Niedersachsen, Erlass vom 05.02.2004, UR 2005, 43; OFD Erfurt, Verfügung vom 11.08.2005 S 7177 A € 08 € L 243, sis-Datenbank). Nach den zuvor angestellten Erwägungen kommt es darauf nicht an. Das Gericht sieht es jedenfalls nicht als zweifelhaft an, dass die vom Kläger vorgenommene Inszenierung der Oper die künstlerische Handschrift des Klägers trägt. Dies ergibt sich aus den in der mündlichen Verhandlung erörterten öffentlich zugänglichen Berichten über die Aufführung. Auch der Beklagte hat keine dahin gehenden Zweifel geäußert.
3. Der Kläger kann sich unmittelbar auf die Regelung des Artikels 13 Teil A Abs. 1 Buchstabe n der 6. EG-Richtlinie berufen. Diese Regelung ist hinreichend genau und unbedingt (vgl. EuGH, Urteile vom 10.09.2002 C-141/00 € Kügler, UR 2002, 513, Rz. 51 ff.; vom 28.06.2007 C-363/05 € JP Morgan, UR 2007, 727, Rz. 58 ff.).
D. Sollten - entgegen der Auffassung des erkennenden Gerichts - die Regieleistungen des Klägers der Umsatzsteuer unterliegen, wäre darauf entgegen der Auffassung des Beklagten und diverser Verwaltungsanweisungen (vergleiche z. B. OFD Hannover, Verfügung vom 21.10.2005, Deutsches Steuerrecht € DStR € 2006, 611) der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a UStG 2004 anzuwenden.
I. Nach dieser Vorschrift in der im Streitjahr geltenden Fassung ermäßigte sich die Umsatzsteuer auf 7 vom Hundert für die Leistungen der Theater, Orchester, Kammer- und Musikensembles, Chöre und Museen sowie die Veranstaltung von Theatervorführungen und Konzerten durch andere Unternehmer. Sie beruht auf Artikel 12 Abs. 3 Buchstabe a Unterabs. 3 in Verbindung mit Anlage H, Kategorie 8 der 6. EG-Richtlinie. Danach können die Mitgliedstaaten auf Lieferungen und Dienstleistungen der in Anhang H genannten Kategorien einen ermäßigten Steuersatz anwenden. Anhang H, Kategorie 8 nennt Werke bzw. Darbietungen von Schriftstellern, Komponisten und ausübenden Künstlern sowie deren Urheberrechte (heute: Artikel 98 Abs. 2 der MwStSystRL in Verbindung mit Anhang III, Ziffer 9).
Nach dem Wortlaut des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchstabe a UStG hat der Kläger keinen Anspruch auf die Steuerermäßigung, da er kein Theater darstellt oder betreibt (s. o. C.II.).
II. Der Kläger kann sich aber unmittelbar auf die Regelung des Artikels 12 Abs. 3 Buchstabe a Unterabs. 3 in Verbindung mit Anlage H, Kategorie 8 der 6. EG-Richtlinie berufen.
1. Bei der Anwendung dieser Richtlinienregelung ist zu beachten, dass es zwar im Ermessen der Mitgliedstaaten steht, ob sie neben dem Regelsteuersatz auch einen ermäßigten Steuersatz einführen, ebenso, für welche Kategorien des Anhangs H sie den ermäßigten Steuersatz einführen. Wenn jedoch ein Mitgliedstaat von einer durch die Richtlinie eingeräumten Ermächtigung Gebrauch macht, ist er im Interesse einer einheitlichen Anwendung verpflichtet, diese in vollem Umfange umzusetzen. Sein Ermessen beschränkt sich also auf das €Ob€ und erstreckt sich nicht auf das €Wie€ (vergleiche EuGH, Urteile vom 08.06.2000 C€400/98 € Breitsohl, UR 2000, 329, Rz. 48, zu der durch Artikel 28 Abs. 3 Buchstaben b und c der 6. EG-Richtlinie eingeräumten Möglichkeit ein Optionsrecht einzuführen; vom 27.11.2003 C-497/01 € Zita Modes, UR 2004, 19 zu der durch Artikel 5 Abs. 8 der 6. EG-Richtlinie eingeräumten Möglichkeit, Geschäftsveräußerungen nicht steuerbar zu belassen; vom 22.05.2008 C€162/97 € Ampliscientifica und Amplifin, UR 2008, 534, Rz. 19 f. zu der durch Artikel 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der 6. EG-Richtlinie eingeräumten Möglichkeit, die Rechtsfigur der Organschaft einzuführen). Daraus folgt, dass die Bundesrepublik Deutschland sämtliche Werke und Darbietungen von Schriftstellern, Komponisten und ausübenden Künstlern sowie deren Urheberrechte dem ermäßigten Steuersatz unterwerfen oder diese Waren bzw. Dienstleistungsgruppen komplett unter dem allgemeinen Steuersatz belassen muss.
2. Es kann daher dahinstehen, ob die Tätigkeit des Klägers mit den in § 12 Abs. 2 Nr. 7 a UStG 2004 aufgeführten Tätigkeiten gleichartig ist, wie dies der EuGH (Urteil vom 23.10.2003 C € 109/02 Kommission/Deutschland, BStBl. II 2004, 482) für Leistungen von Solisten im Verhältnis zu Musikensembles bejaht hat. Jedenfalls hat der Kläger mit den streitbefangenen Regieleistungen Darbietungen als ausübender Künstler i. S. des Anhangs H, Kategorie 8 zur 6. EG-Richtlinie erbracht.
3. Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Kläger ausübender Künstler im Sinne des Anhangs H zur 6. EG-Richtlinie. Der Beklagte kann sich für seine gegenteilige Auffassung nicht auf die Rechtsprechung zu Artikel 17 des OECD-MA (vergleiche BFH, Urteil vom 18.07.2001 I R 26/01, BFHE 196, 135, BStBl. II 2002, 410) berufen. Zwar ist danach ein Regisseur kein Künstler im Sinne des Artikels 17 des OECD-MA. Dies beruht jedoch darauf, dass seine Erfassung nicht mit Sinn und Zweck der Abkommensregelungen, die Artikel 17 OECD-MA entsprechen, vereinbar wäre. Insbesondere bieten Künstler, die nicht auf einer Bühne auftreten, sondern über längere Zeiträume hinweg an einem Werk arbeiten, u. U. keinen eindeutigen territorialen Bezugspunkt für die Besteuerung. Wegen der Einzelheiten nimmt das Gericht auf das zitierte BFH-Urteil Bezug. Dieser Einwand verfängt für die Einbeziehung des Klägers in den ermäßigten Steuersatz nicht. Da die Ermäßigung des Steuersatzes € entsprechend dem Sinn und Zweck des ermäßigten Steuersatzes € geeignet ist, kulturelle Dienstleistungen zu verbilligen, insbesondere wenn sie - wie im Streitfall - gegenüber nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten Leistungsempfängern erbracht werden, ist eine Einbeziehung des Klägers bzw. der von ihm ausgeübten freiberuflichen Regietätigkeit in die Steuersatzermäßigung geboten.
Diese Auslegung ist auch mit dem Wortlaut der Kategorie 8 im Anhang H der 6. EG-Richtlinie vereinbar. Denn der Begriff des ausübenden Künstlers entstammt dem Urheberrecht und zwar auch dem internationalen Urheberrecht (vergleiche Internationales Abkommen über den Schutz der ausübenden Künstler, der Hersteller von Tonträgern und der Sendeunternehmen vom 26.10.1961 € das sog. Rom-Abkommen, dem die Bundesrepublik Deutschland mit Gesetz vom 15.09.1965, BGBl. II 1965, 1243 mit einigen Vorbehalten zugestimmt hat). Nach Artikel 3 Buchstabe a dieses Abkommens sind unter ausübenden Künstlern die Schauspieler, Sänger, Musiker, Tänzer und anderen Personen, die Werke der Literatur oder der Kunst aufführen, singen, vortragen, vorlesen, spielen oder auf irgendeine andere Weise darbieten zu verstehen. Im Gefolge dieses Abkommens wurde § 73 UrhG geschaffen, wonach ausübender Künstler im Sinne dieses Gesetzes ist, wer ein Werk oder eine Ausdrucksform der Volkskunst aufführt, singt, spielt oder auf eine andere Weise darbietet oder an einer solchen Darbietung künstlerisch mitwirkt. Wie der Kläger zutreffend vorgetragen hat, ist in der Urheberrechtsliteratur unumstritten, dass Regisseure regelmäßig ausübende Künstler im Sinne des § 73 UrhG sind (vgl. Kroitzsch in Möhring/Nicolini, 2. Auflage 2000, § 73 UrhG, Rz. 9; Büscher in Wandtke/Bullinger, 2. Auflage 2006, § 73 UrhG, Rz. 14). Zwar ist der Begriff des ausübenden Künstlers in Artikel 12 Abs. 3 Buchstabe a Unterabs. 3 in Verbindung mit Anlage H, Kategorie 8 der 6. EG-Richtlinie ein eigenständiger umsatzsteuerlicher Begriff, der nach dem umsatzsteuerlichen Sachzusammenhang auszulegen ist, jedoch zeigt das urheberrechtliche Begriffsverständnis, dass es mit dem Wortlaut der Richtlinienvorschrift vereinbar ist, Regisseure als ausübende Künstler i. S. der Richtlinienvorschrift anzusehen.
4. Der Kläger kann sich unmittelbar auf die Regelung des Artikels 12 Abs. 3 Buchstabe a Unterabs. 3 in Verbindung mit Anlage H, Kategorie 8 der 6. EG-Richtlinie berufen (s. o. C.III.3.).
E. Gegen die vom Kläger vorgenommene Aufteilung der Vorsteuer hat der Beklagte keine Einwendungen erhoben. Diese sind auch nach Aktenlage nicht ersichtlich.
F. Da der Kläger auf die Anwendung des § 19 Abs. 1 UStG verzichtet hat und in vollem Umfang obsiegt, bedarf es insoweit keiner Erörterungen.
G. Der Streitfall weist zwar eine Vielzahl von Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts auf. Das Gericht sieht jedoch in Ausübung des ihm gemäß Artikel 234 Abs. 3 EG-Vertrag eingeräumten Ermessens davon ab, den Rechtsstreit dem EuGH vorzulegen, weil der Rechtsstreit darüber hinaus auch Fragen des nationalen Rechts aufwirft, die höchstrichterlich nicht geklärt sind, wie insbesondere zur Auswirkung des § 175 Abs. 2 Satz 2 AO auf die rückwirkende Berücksichtigung von Bescheinigungen im Sinne des § 4 Nr. 20 Buchstabe a Satz 2 UStG (vergleiche BFH, Urteil vom 24.01.2008 V R 3/05, UR 2008, 552 unter II.3) oder zur Anwendung des § 4 Nr. 20 Buchstabe a UStG auf Personalgestellungen. Dementsprechend hat das Gericht gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision zugelassen.
H. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 135 Abs. 1, 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.
I. Die Entscheidungen über die vorläufige Vollstreckbarkeit und die Abwendungsbefugnis folgen aus §§ 151 Abs. 3, 155 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO analog.
FG Berlin-Brandenburg:
Urteil v. 04.11.2008
Az: 7 K 2310/06 B
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/051b4bc761b4/FG-Berlin-Brandenburg_Urteil_vom_4-November-2008_Az_7-K-2310-06-B