Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen:
Beschluss vom 13. Juli 2010
Aktenzeichen: 13 B 676/10
(OVG Nordrhein-Westfalen: Beschluss v. 13.07.2010, Az.: 13 B 676/10)
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Be-schluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20. Mai 2010 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwer-deverfahrens.
Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 100.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I.
Mit Bescheid vom 8. August 2008 gab die Antragsgegnerin der in Malta ansässigen Antragstellerin auf,
"1. das Angebot auf den von Ihnen betriebenen Internetauftritten, insbesondere www. ... so einzuschränken, dass die von Ihnen angebotenen Glücksspiele nicht für Spieler im Bundesland Nordrhein-Westfalen veranstaltet werden.
Dazu wird Ihnen aufgegeben,
a) vor der Annahme von Glücksspielwünschen der Spieler diese zu befragen, ob der Aufenthaltsort zur Zeit der aktiven Spielteilnahme im Bundesland Nordrhein-Westfalen liegt,
b) die Annahme von Glücksspielwünschen zu verweigern, wenn der Spieler die Frage unter lit. a) bejaht. Das gleiche gilt, wenn der Spieler die Frage offensichtlich wahrheitswidrig verneint,
c) Spieler von der Teilnahme an Glücksspielen auszuschließen und die Spieler-Registrierung zu löschen, sobald Ihnen nachträglich bekannt wird, dass der Spieler von NRW aus spielt.
Zum Ausschluss wahrheitswidriger Angaben von Spielern mit dem "Standort NRW"
d) sind mit Hilfe der technischen Methode der Geolokalisation nach dem Stand der Technik Spieler aus dem Bundesland NRW von der Teilnahme an Ihrem Glücksspielangebot auszuschließen.
e) Soweit die Ergebnisse von a) und d) auseinanderfallen, ist entweder Spieler vom Spiel auszuschließen oder mit Hilfe der Handy- oder Festnetzortung der Standort des Spielers zu verifizieren. Nach Maßgabe des dann gefundenen Standortes ist über die Teilnahme des Spielers zu entscheiden.
2. Ihnen wird untersagt, unter Verstoß gegen Ziffer 1 abgeschlossene Verträge zu erfüllen, insbesondere an die Spielinteressenten bzw. Spieler aus NRW Gewinne auszuzahlen.
3. Ihnen wird aufgegeben, auf allen von Ihnen gehaltenen Internetseiten, insbesondere der Internetadresse www......, in sämtlichen Rubriken über allgemeine und/oder besondere Geschäfts- und Teilnahmebedingungen gleich welcher Art einen wörtlichen oder sinngemäßen Hinweis ("Disclaimer") einzufügen, dass
a) Ihnen die Vermittlung von Glücksspielen im Bundesland Nordrhein-Westfalen durch ordnungsbehördliche Verfügung verboten wurde,
b) Ihr Glücksspielangebot nicht für das Bundesland Nordrhein-Westfalen gilt,
c) die Teilnahme an Glücksspielen vom Bundesland Nordrhein-Westfalen aus unzulässig ist und entsprechende Aufträge von Spielinteressenten nicht ausgeführt werden,
d) Sie Verträge nicht erfüllen und insbesondere keine Gewinnauszahlungen vornehmen dürfen, wenn der Spieler sein Angebot von einem Ort im Bundesland Nordrhein-Westfalen abgegeben hat.
4. Die Anordnungen zu Ziffern 1 bis 3 sind innerhalb von sechs Wochen nach Bekanntgabe dieses Bescheids zu erfüllen.
..."
Durch der Antragstellerin per Einschreiben gegen Rückschein zugesandtem Bescheid vom 18. November 2009 drohte die Antragsgegnerin der Antragstellerin,
"für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen Ziffer 1 meiner Untersagungsanordnung vom 8. August 2008 … ein Zwangsgeld in Höhe von jeweils 50.000,- Euro (fünfzigtausend Euro) an, sofern die Anordnung nicht innerhalb von drei Tagen nach Zustellung dieses Bescheids befolgt wird."
Am 26. August 2008 hat die Antragstellerin gegen die Untersagungsverfügung vom 8. August 2008 und am 23. Dezember 2009 gegen die Zwangsgeldandrohung vom 18. November 2009 Klage erhoben (27 K 6002/08 Verwaltungsgericht Düsseldorf). Am 1. Dezember 2009 hat sie um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nachgesucht.
Mit Beschluss vom 20. Mai 2010 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt.
Dagegen hat die Antragstellerin am 26. Mai 2010 Beschwerde eingelegt.
Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,
den Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 20. Mai 2010 zu ändern und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage (Az.: 27 K 6002/08 Verwaltungsgericht Düsseldorf) gegen die Ziffern 1 bis 4 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 8. August 2008 und gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 18. November 2009 anzuordnen.
Hilfsweise beantragt die Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage (27 K 6002/08) gegen Ziffern 1 bis 4 der Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 8. August 2008 und gegen die Ordnungsverfügung der Antragsgegnerin vom 18. November 2009 im Rahmen einer gerichtlichen Zwischenregelung bis zu einer Entscheidung des Gerichts über den Antrag zu Ziffer 1 anzuordnen.
Die Antragstellerin beantragt ferner hilfsweise für den Fall, dass dem Haupt- und dem Hilfsantrag nicht stattgegeben wird,
den Rechtsstreit bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Vorlagen der Verwaltungsgerichte Köln (C-409/06 - Winner Wetten), Gießen (C-316/07 Markus Stoß; C-409/07 Avalon Service-Online Dienste GmbH; C-410/07 Olaf Amadeus Wilhelm Happel), Stuttgart (C-358/07 Kulpa Automatenservice Asperg GmbH; C-359/07 SOBO Sport & Entertainment GmbH; C-360/07 Andreas Kunert) und Schleswig-Holstein (C-46/08 Carmen Media Ltd.) gemäß § 94 VwGO auszusetzen.
Die Antragstellerin beantragt vorsorglich,
das Verfahren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die vorbezeichneten Vorlagenverfahren zum Ruhen zu bringen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO nur im Rahmen der von der Antragstellerin dargelegten Gründe befindet, hat keinen Erfolg.
Das Verwaltungsgericht hat den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Ordnungsverfügungen der Antragsgegnerin vom 8. August 2008 und vom 18. November 2009 anzuordnen, zu Recht abgelehnt. Die im Rahmen von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Die streitigen Verfügungen sind im vorgegebenen Prüfungsrahmen rechtmäßig.
Rechtsgrundlage für die Ordnungsverfügung vom 8. August 2008 ist § 9 Abs. 1 GlüStV. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 GlüStV hat die Glücksspielaufsicht die Aufgabe, die Erfüllung der nach diesem Staatsvertrag bestehenden oder auf Grund dieses Staatsvertrags begründeten öffentlichenrechtlichen Verpflichtungen zu überwachen sowie darauf hinzuwirken, dass unerlaubtes Glücksspiel und die Werbung hierfür unterbleiben. Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 GlüStV kann die zuständige Behörde des jeweiligen Landes die erforderlichen Anordnungen im Einzelfall erlassen. Sie kann insbesondere die in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 bis 5 GlüStV aufgeführten Maßnahmen ergreifen.
Vgl. Art. 1 des Gesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen zum Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland vom 30. Oktober 2007 (GV. NRW. 2007, 445).
Diese Voraussetzungen erfüllt die von der zuständigen Antragsgegnerin (vgl. § 1 Abs. 2 des Telemedienzuständigkeitsgesetzes) erlassene Ordnungsverfügung.
Der Einwand der Antragstellerin, die Verfügung vom 8. August 2008 verbiete die Glücksspielveranstaltung im Internet auch außerhalb Nordrhein-Westfalens, greife in die Verbandskompetenz anderer Staaten ein und sei damit völkerrechtswidrig, trifft nicht zu. Nach dem - in Ziffer 1 des Bescheidtenors unmissverständlich formulierten - Regelungsinhalt der Verfügung wird der Antragstellerin lediglich aufgegeben, durch die in den Ziffern 1 bis 3 im Einzelnen benannten Maßnahmen zu gewährleisten, dass sie in Nordrhein-Westfalen keine Glücksspiele mehr veranstaltet und damit in diesem Land die Möglichkeit der Teilnahme nicht mehr eröffnet (vgl. § 3 Abs. 4 GlüStV). Keine Geltung beansprucht der Bescheid hingegen für die Glücksspielveranstaltung in Gebieten außerhalb Nordrhein-Westfalens.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin ist die Ordnungsverfügung vom 8. August 2008 inhaltlich hinreichend bestimmt (§ 37 Abs. 1 VwVfG NRW). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die durch den Verwaltungsakt getroffene Regelung hinreichend klar, verständlich und in sich widerspruchsfrei ist. Davon ist auszugehen, wenn der Adressat und die mit dem Vollzug befasste Behörde und deren Organe aufgrund der Entscheidungssätze und der Begründung des Verwaltungsakts sowie der sonst für die Betroffenen erkennbaren Umstände ersehen können, was genau durch den Verwaltungsakt gefordert wird und gegebenenfalls zu vollstrecken ist. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden materiellen Rechts.
Vgl. BVerwG, Urteile vom 15. Februar 1990 4 C 41.87 -, BVerwGE 84, 335 und vom 20. April 2005 - 4 C 18.03 -, BVerwGE 123, 261; OVG NRW, Beschlüsse vom 30. Juni 2010 - 13 B 645/10 -, juris, vom 22. Februar 2010 - 13 B 1809/09 -, juris, vom 8. Dezember 2009 - 13 B 958/09 -, juris, vom 3. Dezember 2009 - 13 B 775/09 -, juris, vom 8. September 2009 - 13 B 894/09 -, juris, vom 26. September 2008 - 13 B 1395/08 -, NJW 2008, 3656 = juris und vom 26. September 2008 13 B 1397/08 -, juris; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl. 2010, § 37 Rdnr. 5 ff., insb. Rdnr. 12 m. w. N.; U. Stelkens, in: Stelkens/Bonks/Sachs, VwVfG, 7. Aufl. 2008, § 37 Rdnr. 27 ff. m. w. N.; Ruffert, in: Knack, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 37 Rdnr. 11 ff. und 30 ff. m. w. N.
Demnach ist ein Verwaltungsakt nicht schon dann unbestimmt, wenn seine Regelung für eine mit dem Glücksspielsektor nicht vertraute Person nicht ohne weiteres verständlich ist. Entscheidend ist vielmehr, ob der Adressat und die mit dem Vollzug befassten Behörden den Entscheidungsinhalt auf Grund der Gesamtumstände des Einzelfalls zutreffend erfassen und ihr künftiges Verhalten danach ausrichten können.
Vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 8. Dezember 2009 - 13 B 958/09 -, a. a. O. und vom 8. September 2009 - 13 B 894/09 -, a. a. O.; U. Stelkens, a. a. O., Rdnr. 6; BVerwG, Urteil vom 20. April 2005 - 4 C 18.03 -, a. a. O.
Diesen Anforderungen genügen die in den Ziffern 1 bis 3 im Tenor des Bescheids vom 8. August 2008 verfügten Handlungsgebote. Die Antragstellerin und die mit dem Vollzug der Anordnung befassten Mitarbeiter der Antragsgegnerin verfügen über die erforderliche Sachkenntnis, um auf der Grundlage des Tenors und der Begründung des Bescheids sowie der ihnen sonst bekannten Umstände, insbesondere der aussagekräftigen und im Bescheid in Bezug genommenen Definition in § 3 Abs. 1 GlüStV, ersehen zu können, welche von der Antragstellerin auf ihren Internetseiten angebotenen Spiele als Glücksspiele einzuordnen und damit von der Ordnungsverfügung umfasst sind. Die Antragstellerin ist entgegen ihrer Auffassung durch die klaren und unmissverständlichen Formulierungen im Tenor und der Bescheidbegründung auch in die Lage versetzt zu erkennen, auf welche Weise die Untersagungsverfügung umgesetzt werden soll. Laut Ziffer 1 der Verfügung sollen die Spieler in erster Linie vor der Spielteilnahme befragt werden, ob sie sich in Nordrhein-Westfalen aufhalten. Zudem soll zum Ausschluss wahrheitswidriger Angaben von Spielern die technische Methode der Geolokalisation angewandt werden. Diese Aufforderung ist mit Blick auf die Bescheidbegründung ohne weiteres verständlich. Dort benennt die Antragsgegnerin die "drei grundlegenden methodischen Geolokalisationsansätze", die aus ihrer Sicht den Stand der Technik darstellen sollen und deren Anwendung sie deshalb (entweder einzeln oder in Kombination) akzeptieren würde. Auch die weiteren der Antragstellerin in Ziffer 1 der Verfügung auferlegten Maßnahmen sind hinreichend bestimmt. Danach soll das Auseinanderfallen der Ergebnisse der Befragung und der Geolokalisation entweder zum Ausschluss der Spieler von der Teilnahme führen oder es soll der Standort des Spielers durch Handy- oder Festnetzortung verifiziert werden, wobei die Absicherung der Standortbestimmung des Spielers mittels Handy- oder Festnetzortung ausweislich der Bescheidbegründung ausdrücklich ins Belieben der Antragstellerin gestellt und zudem mit dem Hinweis versehen ist, dafür sei die Mithilfe des Spielers erforderlich. Es wird von der Antragstellerin im Übrigen auch nicht verlangt, die Teilnahme an ihrem Glücksspielangebot im Internet von Nordrhein-Westfalen aus mit Sicherheit auszuschließen. Aufgegeben wird ihr vielmehr nur, die in den Ziffern 1 bis 3 im Einzelnen aufgeführten Maßnahmen innerhalb der in Ziffer 4 angeordneten Frist zu ergreifen und somit den Spielzugang von Nordrhein-Westfalen aus maßgeblich einzuschränken. Das folgt aus der Begründung des Bescheids, wonach sich die Antragsgegnerin bewusst ist, dass sich auch bei Umsetzung der aufgegebenen Maßnahmen einige sachkundige Spielinteressenten den Zugang zum Internet-Glücksspielangebot der Antragstellerin werden erschleichen können und damit ein Ausschluss sämtlicher Spielinteressenten derzeit nicht zuverlässig gewährleistet werden kann. Die Antragsgegnerin hat in der Ordnungsverfügung aber hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass sie im Falle eines erschlichenen Zugangs nicht von einer der Antragstellerin zurechenbaren Glücksspielveranstaltung ausgeht und solche erschlichenen Zugänge keine Zwangsmaßnahmen gegen die Antragstellerin nach sich ziehen werden (sofern die in den Ziffern 1 bis 3 genannten Maßnahmen in der in Ziffer 4 angeordneten Frist umgesetzt worden sind).
Die materiellen Tatbestandsvoraussetzungen der Rechtsgrundlage liegen ebenfalls vor.
Eine Gefahrenlage, die die Behörde zum ordnungsbehördlichen Einschreiten berechtigt, ist entgegen der ausführlich begründeten Auffassung der Beschwerde zu bejahen. Die Antragstellerin veranstaltet unter ihrer Domain www.J. .com (auch) in Nordrhein-Westfalen Glücksspiele i. S. v. § 3 Abs. 1 Satz 1 GlüStV. Nach dieser Vorschrift liegt ein Glücksspiel vor, wenn im Rahmen eines Spiels für den Erwerb einer Gewinnchance ein Entgelt verlangt wird und die Entscheidung über den Gewinn ganz oder überwiegend vom Zufall abhängt. Hiervon ausgehend sind auch die von der Antragstellerin angebotenen Pokerspiele Glücksspiele. Denn auch bei diesen Spielen hängt die Entscheidung über den Gewinn jedenfalls bei einem Durchschnittsspieler überwiegend vom Zufall ab. Ein überdurchschnittlich befähigter und erfahrener Spieler mag sich im Einzelfall durch geschicktes Taktieren in gewissem Umfang Vorteile gegenüber seinen Mitspieler verschaffen können. Das ändert aber nichts daran, dass der Erfolg beim Pokerspiel maßgeblich (d. h. überwiegend) von der Qualität der erst nach mehreren Geldeinsatz- und Austeilungsrunden zufällig erhaltenen oder aufgedeckten Karten abhängt.
Vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 3. Dezember 2009 - 13 B 775/09 -, a. a. O.; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 20. April 2009 - 1 S 203.08 -, ZfWG 2009, 190; OVG NRW, Beschluss vom 10. Juni 2008 - 4 B 606/08 -, GewArch 2008, 407 = NWVBl 2009, 109, jeweils m. w. N.
Diese Feststellung wird auch nicht durch den Hinweis der Antragstellerin auf den von ihr zitierten Erlass der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main vom 22. April 2010 (Az. S-2240 A - 37 - St 210) in Frage gestellt. Danach geht die Finanzdirektion unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
- vgl. Urteil vom 11. November 1993 - XI R 48/91 -, juris -
davon aus, dass Pokergewinne steuerbar und zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu rechnen seien, wenn sie berufsmäßig erzielt würden; der Berufsspieler werde nämlich mit Gewinnungserzielungsabsicht tätig und beteilige sich auch am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr, da er u. a. auf Grund des Umfangs seiner Spielertätigkeit und der erforderlichen Geschicklichkeit nicht nur einer Freizeitbeschäftigung nachgehe. Das Pokerangebot der Antragstellerin spricht aber jedermann an, für den das Pokerspiel in der Regel Freizeitbeschäftigung und Glücksspiel ist und nicht (nur) den Berufsspieler, der das Pokerspiel als wirtschaftliche Tätigkeit auf Dauer mit der Absicht der Gewinnerzielung betreibt und für den es Geschicklichkeitsspiel sein mag.
Die Ordnungsverfügung ist ermessensfehlerfrei erlassen worden. Die Antragsgegnerin hat von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens nicht überschritten (§ 114 Satz 1 VwGO). Der Verwaltungsakt ist insbesondere verhältnismäßig.
Es bedarf aus Anlass des diesem Beschwerdeverfahren zugrunde liegenden Falls keiner Entscheidung, ob sich eine auf den Glücksspielstaatsvertrag gestützte Untersagungsverfügung mangels Inlandsbezugs eines Internetangebots für unerlaubte Glücksspiele als unverhältnismäßig erweisen könnte. Denn an einem solchen Bezug fehlt es entgegen dem Beschwerdevorbringen der Antragstellerin offensichtlich nicht. Das Glücksspielangebot der Antragstellerin ist gezielt (auch) auf den deutschen und damit den nordrheinwestfälischen Nutzer gerichtet. Beim Aufruf der Internetseite der Antragstellerin wird der Nutzer automatisch zum deutschsprachigen Angebot geführt. Sodann kann er zudem die Sprache "Deutsch (DE)" neben den Sprachen "Deutsch (AT)" und "Deutsch (CH)" anwählen. Zur Verdeutlichung, dass die Sprache "Deutsch (DE)" speziell für den deutschen Nutzer vorgesehen ist, ist neben dem Sprachlink das Symbol für die Deutschlandflagge abgebildet und entsprechend neben den beiden anderen Links die Symbole für die Flaggen der Schweiz bzw. Österreichs.
Die Aufforderung, keine Glücksspiele im Internet in Nordrhein-Westfalen zu veranstalten und dafür die in den Ziffern 1 bis 3 des Bescheidtenors aufgeführten Maßnahmen zu ergreifen, ist geeignet, um den Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV auszuräumen. Die Ordnungsverfügung ist ein taugliches Mittel zur Umsetzung des in Rede stehenden Veranstaltungsverbots.
Durch sie wird von der Antragstellerin weder tatsächlich noch rechtlich Unmögliches verlangt.
Der Senat hält an seiner Auffassung fest, dass es sich bei Geolokalisation um eine taugliche und technisch umsetzbare Methode zur Ermittlung des Aufenthalts der Besucher der Interseite der Antragstellerin innerhalb oder außerhalb Nordrhein-Westfalens handelt.
Vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 8. Dezember 2009 - 13 B 958/09 - , a. a. O. unter Hinweis auf TÜV Rheinland, Gutachten zum Thema Geolokalisation von IP-Hosts vom 12. August 2008 und Stellungnahme vom 22. April 2009; Hoeren, "Gutachten IP-Geolokalisation" vom 1. Oktober 2008 sowie "Geolokalisation und Glücksspielrecht" vom 24. April 2008 sowie zur Anwendung der Geolokalisationstechnologie: Bay. VGH, Beschlüsse vom 19. Mai 2010 - 10 CS 09.2672 -, juris, vom 12. März 2010 10 CS 09. 1734 -, juris und vom 22. November 2008 - 10 CS 08.2399 -, ZfWG 2008, 455 = NVwZ-RR 2009, 202; OVG Berlin-Bbg., Beschluss vom 16. März 2009 - 1 S 224.08 , juris.
Soweit die Antragstellerin meint, die Geolokalisation sei insbesondere auch wegen bestehender Umgehungsmöglichkeiten wie etwa durch Anonymisierung der IP-Adressen unzuverlässig und schon deshalb zur Ermittlung des Aufenthaltsorts des Spielers ungeeignet, denn anonymes Surfen führe dazu, dass der Teilnehmer nicht mehr geortet werden könne, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Eine Geolokalisation ist trotz einer Kürzung der aus 32-Bit-Zahlen bestehenden IP-Adresse um die acht niedrigstwertigen Bits, die eine ausreichende Anonymisierung gewährleistet, ohne einen größeren Qualitätsverlust möglich. Sogar eine stärkere Kürzung um bis zu sechzehn Bits führt, wenn es bei Lokalisierung allein auf das Land des Nutzers und nicht auf dessen exakten Aufenthaltsort ankommt, noch zu hinnehmbaren Genauigkeitsverlusten.
Vgl. hierzu Ulrich Kühn, Geolokalisation mit anonymisierten IP-Adressen, DuD 12/2009 m. w. N.; s. i. d. S. auch: Webanalyse und Datenschutz, www.econda.de; Webtrekk Web Analytics: Datenschutz, www.webtrekk.com; NET.THINKS, Piwik mit anonymisierter IP-Adresse, www.blog.netthinks.com.
Auch die von der Antragstellerin angeführte Umgehungsmöglichkeit durch sog. "Geospoofing" kann die Geeignet der Geolokalisationstechnik nicht in Frage stellen. Diese Umgehung ist nicht nur, wie die Antragstellerin meint, "mit wenigen Klicks" durchführbar (vgl. hierzu etwa das Angebot von PickAProxy.com unter www.consumingexperience.com). Darüber hinaus wird der Dienst nach einer entsprechenden Anzahl von "Klicks" nur für eine beschränkte Zeit (s. das Angebot von PickAProxy.com, das sich auf die Nutzung von einer Stunde bezieht) oder aber entgeltlich (s. hierzu z. B. das Angebot von Spoofmyip.com) angeboten. Außerdem wird z. B. bei PickAProxy.com ausdrücklich darauf hingewiesen, dass durch "Geospoofing" nur der Ausgangspunkt ausgeblendet wird, nicht aber die personenbezogenen Daten zugleich anonymisiert werden. Demzufolge ist ein sich dieser Methode bedienender Nutzer aus Nordrhein-Westfalen jedenfalls dann, wenn es zur Registrierung bei der Antragstellerin oder zum Vertragsschluss kommt, lokalisierbar, es sei denn, er macht bewusst wahrheitswidrige Angaben über seinen Wohn- oder Aufenthaltsort.
Auch die von der Antragstellerin angeführten datenschutzrechtlichen Bedenken teilt der Senat nicht. Soweit bei der Anwendung der Geolokalisationstechnologie Daten der Internetnutzer verwendet werden, findet ein unzulässiger Eingriff in datenschutzrechtliche Vorschriften - wie etwa in solche des TMG oder BDSG - nicht statt. Bei der Geolokalisation werden personenbezogene Daten nicht unzulässig erhoben oder verwendet; sie werden insbesondere weder gespeichert, verändert noch übermittelt (vgl. §§ 12 TMG, 28 Abs. 1 BDSG), sondern allein für die jeweils aktuelle Internetkommunikation benötigt (vgl. §§ 14 Abs. 1, 15 Abs. 1 TMG). Die Verbindungsaufnahme im Internet erfolgt mit Hilfe der IP-Adresse des Nutzers (diese entspricht der "Telefonnummer des Anrufers"). Die Abfrage der Geolokalisation geschieht durch "Verwerfen" der IP-Adresse, wenn der Aufruf etwa aus Nordrhein-Westfalen erfolgt (vergleichbar mit der Nichtannahme eines Telefonanrufs mit einer Ortkennzahl aus Nordrhein-Westfalen). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass eine Speicherung oder ein sonstiger Vorgang von datenschutzrechtlicher Bedeutung durch die Geolokalisation von vornherein nicht ausgelöst wird. Auch der mit der "Verwerfung" der IP-Adresse verbundene Ausschluss der Nutzung durch den Aufrufenden stößt auf keine Bedenken. Dieser ist vielmehr zur Wahrung des berechtigten Interesses des Internetglücksspielanbieters erforderlich (vgl. § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BDSG). Denn ein Spielvertragsschluss des Internetglücksspielanbieters mit einem Teilnehmer aus Nordrhein-Westfalen verstieße gegen das in § 4 Abs. 4 GlüStV vorgegebene (und strafrechtlich über § 284 StGB abgesicherte) Verbot der Veranstaltung von Internetglücksspielen in Nordrhein-Westfalen.
Der Einwand der Antragstellerin, die ihr aufgegebene Handy- und Festnetzortung verstoße gegen Datenschutzrecht, bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Die Antragsgegnerin hat die zur Absicherung der Standortbestimmung des Spielers in Betracht kommende Möglichkeit der Handy- und Festnetzortung zum einen ausdrücklich in das Belieben der Antragstellerin gestellt und zum anderen darauf hingewiesen, dass dafür aus datenschutzrechtlichen Gründen - die Mithilfe des Spielers gefragt sei.
Die aufgegebenen Maßnahmen sind auch angemessen. Sie führen nicht zu einem Nachteil, der zu dem erstrebten Erfolg erkennbar außer Verhältnis steht. Die aufgegebenen Handlungen sind der Antragstellerin auch in Ansehung der daraus resultierenden empfindlichen wirtschaftlichen Auswirkungen zumutbar, um das verfassungs- und gemeinschaftsrechtlich nicht zu beanstandende und damit für jedermann verbindliche Verbot der Veranstaltung von Internet-Glücksspiel durchzusetzen. Im Übrigen ist es ordnungsrechtlich nicht zu beanstanden, wenn die Ordnungsbehörde dem Pflichtigen eines von mehreren in Betracht kommenden effektiven Mitteln aufgibt, um das Glücksspielveranstaltungsverbot im Internet in Nordrhein-Westfalen umzusetzen (vgl. § 21 Satz 1 OBG NRW). Sofern der Ordnungspflichtige meint, dem Veranstaltungsverbot durch ihn weniger belastende, aber ebenso geeignete Mittel nachkommen zu können, mag er der Behörde diese Alternative fristgerecht als Austauschmittel anbieten (vgl. § 21 Satz 2 und 3 OBG NRW). Andernfalls bleibt er verpflichtet, die geeignete, erforderliche und angemessene Ordnungsverfügung zu befolgen, um dem in § 4 Abs. 4 GlüStV vorgegebenen Veranstaltungsverbot zur Wirkung zu verhelfen.
Die von der Antragsgegnerin gesetzte Frist zur Beseitigung des gesetzeswidrigen Zustands von sechs Wochen nach Bekanntgabe des Bescheids begegnet keinen Bedenken.
Der Senat hält daran fest, dass das Veranstaltungs-, Vermittlungs- und Werbeverbot für Glücksspiele im Internet (§ 4 Abs. 4 und § 5 Abs. 4 GlüStV) mit höherrangigem Recht, namentlich dem Verfassungs- und Gemeinschaftsrecht, vereinbar ist.
Vgl. hierzu eingehend Senatsbeschlüsse vom 8. Dezember 2009 - 13 B 958/09 - , a. a. O., vom 3. Dezember 2009 - 13 B 775/09 -, a. a. O., vom 12. November 2009 - 13 B 959/09 - , a. a. O. und vom 30. Oktober 2009 - 13 B 736/09 -, juris, jeweils m. w. N.
Dem sinngemäß von der Antragstellerin erhobenen Willkürvorwurf (Art. 3 Abs. 1 GG) vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Soweit die Antragstellerin darauf verweist, dass staatliche Lotteriegesellschaften ihr (erlaubtes) Glücksspielangebot unter Verstoß gegen den Glücksspielstaatsvertrag bewerben würden, ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin gegen die unzulässige (Internet-)Werbung solcher Anbieter einschreitet und deshalb für den Einwand kein Raum ist, durch die Antragsgegnerin werde "mit zweierlei Maß gemessen".
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass die der Antragstellerin zugestellte Zwangsgeldandrohung wirksam ist. Es ist richtig davon ausgegangen, dass die Zustellung dieser Verfügung unter Verletzung der sich aus den §§ 63 Abs. 6 Satz 1 VwVG NRW, 7 Abs. 1 Satz 2 LZG NRW ergebenden zwingenden Zustellungsvorschriften erfolgt ist, der daraus resultierende Zustellungsmangel aber geheilt worden ist. Das Verwaltungsgericht hat für die Beurteilung der Frage, ob Heilung eingetreten ist, zu Recht § 8 LZG NRW herangezogen, denn auf etwaige völkerrechtliche Zustellungsübereinkommen kommt es - anders als die Antragstellerin dies meint - für den hier im Inland eingetretenen Zustellungsmangel nicht an.
Die Zwangsgeldandrohung findet ihre Grundlage in den §§ 55 Abs. 1, 60, 63 VwVG NRW und stellt sich - wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat - als rechtmäßig dar.
Angesichts der Entscheidung über den Hauptantrag ist eine Entscheidung über den hilfsweise gestellten Antrag auf Zwischenregelung nach § 173 VwGO i. V. m. § 570 Abs. 3 ZPO entbehrlich.
Dem weiteren Hilfsantrag auf Aussetzung des Verfahrens und dem vorsorglich gestellten Antrag auf dessen Ruhen ist nicht nachzugehen. Vor dem Hintergrund der obigen Feststellungen hat der Senat keine Veranlassung, das Verfahren nach § 94 VwGO auszusetzen oder nach § 173 VwGO i. V. m. § 251 ZPO zum Ruhen zu bringen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
OVG Nordrhein-Westfalen:
Beschluss v. 13.07.2010
Az: 13 B 676/10
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