Amtsgericht Coburg:
End-Urteil vom 24. November 2011
Aktenzeichen: 15 C 260/11

(AG Coburg: End-Urteil v. 24.11.2011, Az.: 15 C 260/11)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt(e) die Abgabe einer Unterlassungserklärung, wonach die Beklagte ohne seine ausdrückliche Einwilligung mit ihm keinen E-Mail-Kontakt herzustellen habe.

Der Kläger, ein auch auf das Internetrecht spezialisierter Rechtsanwalt, bestellte im Jahre 2010 bei der Beklagten, die einen Internethandel für Möbel betreibt, Stühle. Daraufhin wurde er ungefragt in den Verteiler für Newsletter bei der Beklagten eingetragen. Dem widersprach der Kläger mit E-Mail vom 22.11.2010 und trug sich somit aus dem Newsletter wieder aus.

Als dann den Kläger am 23.11.2010 die E-Mail der Beklagten erreichte mit der Mitteilung, dass seine Artikel am 19.11.2010 mit ... versendet wurden und er seine Produkte in den nächsten Tagen erhält, antwortete der Kläger mit E-Mail der Beklagten: "Sehr geehrte Damen und Herren, liefern Sie mir einfach die bestellten Stühle und verschonen Sie mich mit weiterer Werbung." Nach der Abwicklung des Kaufvertrags erreichte den Kläger am 21.01.2011 eine "Feedback-Anfrage" der Beklagten, in welcher diese sich nochmals für die Bestellung bedankte und um eine positive Bewertung nach Erhalt der Ware bat. Diese Feedback-Anfrage nahm der Kläger zum Anlass, mit Schriftsatz vom 21.01.2011 unter dem Anwaltsbriefkopf die Abgabe einer vorbereiteten Unterlassungserklärung und eigene Rechtsanwaltsgebühren von 338,50 Euro zu verlangen. Weil die Beklagte hierauf nicht reagierte, machte der Kläger seinen Anspruch mit dieser Klage anhängig.

Der Kläger beantragte demzufolge, der Beklagten es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung hiermit angedrohten Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, wobei die Ordnungshaft für die Beklagte zu 1) an den Geschäftsführern der Beklagten zu 1) zu vollziehen ist, zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Werbezwecken mit dem Kläger zur Aufnahme eines erstmaligen geschäftlichen Kontakts per E-Mail Kontakt aufzunehmen, ohne dass seine ausdrückliche Einwilligung vorliegt.

In der Klageerwiderung erkannte die Beklagte diesen Klageantrag zu 1) unter Protest gegen die Kostentragung an. Das Amtsgericht Coburg hat daraufhin am 19.04.2011 hierüber Teil-Anerkenntnisurteil erlassen.

Der Kläger vertritt die Rechtsansicht, dass ihm ein Unterlassungsanspruch zustehen würde. Er trägt vor, dass die Feedback-Anfrage der Beklagten nach dem abgewickelten Kaufvertrag Werbung darstelle. Solche müsse er nicht hinnehmen. Insbesondere sei nach Meinung des Klägers der Beklagten spätestens mit seinem Hinweis "Liefern Sie mir einfach die bestellten Stühle und verschonen Sie mich mit weiterer Werbung" bewusst gewesen, dass der Kläger ausdrücklich keine Werbung wünsche. Der Kläger meint daher, dass die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits ebenso zu übernehmen hätten wie seine eigenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren.

Der Kläger beantragt:

Die Beklagtenseite wird verurteilt, an die Klägerseite 338,50 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p. a. ab 08.03.2011 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Die Beklagte vertritt die Rechtsauffassung, dass die der Abmahnung des Klägers zugrunde liegende Feedback-Anfrage keine Werbung darstelle. Hierbei würde es sich um keine unzumutbare Belästigung im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG handeln. Die Beklagte meint daher, weder vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren noch die Gerichtskosten übernehmen zu müssen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Dem Kläger steht weder nach § 1004 BGB noch aus den Vorschriften über die Geschäftsführung ohne Auftrag gemäß §§ 683 ff. BGB noch aus anderen Rechtsgründen Anspruch auf eine strafbewehrte Unterlassungserklärung gegenüber der Beklagten zu.

Es war der Kläger selbst, der von sich aus aufgrund eines freien Willensentschlusses das Medium des Internets nutzte, um mit der Beklagten in Kontakt zu treten und mit dieser einen Kaufvertrag über Stühle zu schließen. Hierzu hat er zur Abwicklung des Kaufvertrags seine eigene E-Mail-Adresse bekannt gegeben. Bereits damit hat der Kläger eingewilligt, dass zur Abwicklung des Kaufvertrags die hierzu notwendigen Informationen auf elektronischem Wege übermittelt werden. Somit ist bereits der Ausgangssachverhalt nicht damit vergleichbar, wenn dem "user" die eigene Mailbox mit Spam-Mails "zugemüllt" wird und womöglich durch große werbeträchtige Dateianhänge die möglicherweise begrenzte Kapazität der Mailbox vollgefüllt wird, so dass andere wichtige private oder geschäftliche Mails nicht mehr Platz finden können.

Der Kläger hatte es selbst in der Hand, die Kontaktaufnahme zur Beklagten entweder auf bisher herkömmlicher Weise mittels Brief, Telefon oder Faxsendung herzustellen oder aber € wie von ihm gewählt € mittels Nutzung des elektronischen Mediums. Die Tatsache, dass er zunächst ungefragt bei der Beklagten in den Newsletter eingetragen wurde, was von der Beklagten eingeräumt und mit einem technischen Versehen begründet wurde, ließ der Kläger zunächst unbeanstandet und führte nicht zur Abmahnung und ist somit dieser Entscheidungsfindung nicht zugrundezulegen, zumal auch die Beklagte diese technische Schwachstelle behob und der Kläger vom Newsletter ausgetragen wurde.

Die zur streitgegenständlichen Abmahnung und der Unterlassungserklärung des Klägers führende "Feedback-Anfrage" der Beklagten mittels E-Mails stellt sich in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht als üblicherweise zur Abwicklung des Kaufvertrags gehörender nachwirkender Umstand dar. So entspricht es vielfältiger Gepflogenheit beispielsweise bei Internetverkaufsplattformen wie Amazon oder eBay, bei denen ganz überwiegend bereits kraft der vereinbarten Allgemeinen Geschäftsbedingungen nach Durchführung des Versandhandels oder eines privaten Veräußerungsgeschäftes eine Bewertung des jeweils anderen Vertragspartners erfolgen soll. Dieser zum auch unter Privatleuten mutierte Handelsbrauch soll immerhin der Sicherheit anderer potentieller späterer Geschäftspartner dienen, die sich in dem ansonsten anonymen Internet einen Überblick über die bisherige Qualität der Produkte oder der Abwicklung seitens des ins Auge gefassten Vertragspartners und der Zufriedenheit der bisherigen Kunden verschaffen sollen. Bereits aus diesem Grunde und der üblich gewordenen Usance handelt es sich bei einer Feedback-Anfrage nicht um Werbung im klassischen Sinne, sondern dient ganz überwiegend zur Qualitätskontrolle als Annex des durchgeführten Geschäftes wie vorliegend des vom Kläger mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrags. Der einer solchen Mail-Anfrage auch innewohnende zusätzliche Werbeeffekt im Sinne einer Erinnerung an den bisherigen Vertragspartner ist demgegenüber von untergeordneter Bedeutung.

Auch hat der Kläger keinesfalls der Beklagten unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass er von dieser trotz der von ihm gewählten online durchgeführten Bestellform keinerlei weiteren online-Kontakt oder generellen Mailverkehr wünscht. Solches würde im Übrigen einem venire contra factum proprium gleichkommen, da es widersprüchlich ist, einerseits eine Bestellung online aufzugeben und umgekehrt die auch für den Geschäftspartner kostengünstige Art der Abwicklung wie beispielsweise durch Übersendung einer Online-Rechnung dann zu vereiteln, wenn keinerlei weiterer Online-Verkehr gewünscht wird. Aber auch das eigene E-Mail des Klägers vom 22.11.2010 mit dem Satz "Liefern Sie mir einfach die bestellten Stühle und verschonen Sie mich mit weiterer Werbung" ist gerade kein Hinweis darauf, dass der Kläger ab sofort keinerlei E-Mail von der Beklagten mehr wünscht. Solches hätte der Kläger deutlich zum Ausdruck bringen müssen, zumal der Kläger insofern als Rechtsanwalt juristisch bewandert und sogar darüber hinaus als ausgewiesener Kenner des Internetrechts auftritt.

Selbst wenn die Vorschriften des UWG vorliegend für den Kläger keine eigenen Unterlassungsansprüche begründen lassen, da er nicht zu den Anspruchsberechtigten nach § 8 Abs. 3 UWG gehört, sind gleichwohl die Grundgedanken der dortigen Kodifikation heranzuziehen. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG ist eine unzumutbare Belästigung stets anzunehmen bei Werbung unter Verwendung einer automatischen Anrufmaschine, eines Faxgerätes oder elektronischer Post, ohne dass eine vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adressaten vorliegt. Die von den drei Alternativen einzig in Betracht kommende elektronische Post (E-Mail) ist vom Anwendungsbereich vorliegend bereits fraglich, da der Kläger mit der eigenständigen Kontaktaufnahme zur Beklagten und Aufgabe einer Bestellung von Stühlen zumindest insoweit konkludent eingewilligt hat, als die Vertragsabwicklung auf elektronischem Verkehr durchgeführt wird. Nach Absatz 3 Nr. 1 vorstehender Vorschrift ist jedoch abweichend von Absatz 2 Nr. 3 eine unzumutbare Belästigung (auch) bei einer Werbung unter Verwendung elektronischer Post nicht anzunehmen, wenn ein Unternehmer (vorliegend also die Beklagte) im Zusammenhang mit dem Verkauf einer Ware oder Dienstleistung von dem Kunden (also dem Kläger) dessen elektronische Postadresse erhalten hat.

Die bloße E-Mail mit der Frage nach der Zufriedenheit des Klägers mit der Vertragsabwicklung begründet jedenfalls keinen Anspruch auf die vom Kläger begehrte Unterlassungserklärung. Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn der Kläger € wie vorliegend € sowohl aus dem Newsletter ausgetragen war und für die Beklagte erkennbar deutlich klar gemacht hätte, dass er nunmehr nach der Vertragsdurchführung ausdrücklich keinerlei E-Mails der Beklagten mehr wünscht. Solches ist € wie ausgeführt € jedenfalls in dem klägerischen Mail vom 22.11.2010 nicht erkennbar hervorgetreten. Die von der Beklagten daher geübte Handhabung des Zusendens auf elektronischem Wege zur Feedback-Anfrage ist daher nicht zu beanstanden.

Aus vorstehenden Überlegungen und der ursprünglich vom Kläger bei seiner Bestellaufgabe ergriffenen Initiative vermag das Gericht auch einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb € der Anwaltskanzlei des Klägers € nicht zu erkennen.

Mangels Hauptsacheanspruchs scheidet auch ein Anspruch auf eigene vorgerichtliche Anwaltsgebühren aus.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.






AG Coburg:
End-Urteil v. 24.11.2011
Az: 15 C 260/11


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