Bundespatentgericht:
Urteil vom 22. November 2000
Aktenzeichen: 4 Ni 9/00
(BPatG: Urteil v. 22.11.2000, Az.: 4 Ni 9/00)
Tenor
Das europäische Patent 0 692 423 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland dadurch teilweise für nichtig erklärt, daß an die Stelle der angegriffenen, erteilten Patentansprüche 1 bis 5 und 8 bis 10 folgende in der mündlichen Verhandlung überreichte Ansprüche treten:
"Verwendung einer Platte, die aus zwei im Abstand voneinander angeordneten Sperrholzplatten (5,6) besteht, zwischen denen eine Kernplatte (7) aus Kork angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Platte als schalldämmende Fußbodenplatte (1,2,3,4) für Land- und Schienenfahrzeuge verwendet wird, wobei die Kernplatte (7), die ca. 3 mm bis 4mm dick ist, und die aus einem Kork mit einem Raumgewicht von ca. 260 kg/ m besteht, mit den Sperrholzplatten (5,6) fest verleimt ist.
Verwendung einer Fußbodenplatte nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß zwischen den mindestens zwei Sperrholzplatten (5,6) zwei Kernplatten (7) aus Kork angeordnet sind, zwischen denen eine Furnierplatte aus Schälfurnier oder dergleichen angeordnet und mit den Kernplatten (7) verbunden ist."
Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt 1/3, die Beklagte 2/3 der Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von DM 17.000,00 , für die Beklagte in Höhe von DM 9.000,00 vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des auch mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 0 692 423 (Streitpatent), das am 5. Juli 1995 unter Inanspruchnahme der Priorität des Gebrauchsmusters DE 94 10 972 vom 12. Juli 1994 angemeldet worden ist. Das in der Verfahrenssprache Deutsch veröffentlichte Streitpatent, das beim Deutschen Patent- und Markenamt unter der Nummer 595 01 628 geführt wird, betrifft die Verwendung einer schalldämmenden Fußbodenplatte für Fahrzeuge. Es umfaßt 10 Patentansprüche, von denen Anspruch 1 folgenden Wortlaut hat:
"1. Verwendung einer Platte, die aus zwei im Abstand voneinander angeordneten Sperrholzplatten (5,6) besteht, zwischen denen eine Kernplatte (7) aus Kork angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Platte als schalldämmende Fußbodenplatte (1,2,3,4) für Land- und Schienenfahrzeuge verwendet wird, wobei die Kernplatte (7) mit den Sperrholzplatten (5,6) fest verleimt ist."
Wegen der unmittelbar und mittelbar auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 10 wird auf die Streitpatentschrift verwiesen.
Mit der Behauptung, der Gegenstand des Steitpatents sei - soweit angegriffen - mangels erfinderischer Tätigkeit nicht patentfähig, verfolgt die Klägerin das Ziel, das Streitpatent mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland teilweise für nichtig zu erklären. Zur Begründung beruft sie sich auf folgende Druckschriften:
1. Prospekt "AGEPAN TEC , Zukunft in Holz" der Firma Glunz Deutschland AG, (Werk Uslar) aus Juni 1992 (Deckblatt, S. 3-5; 28-31; Rückseite)
2. DE 85 04 515 U1 3. GB 21 80 860 A 4. EP 0 354 526 A2 Die Klägerin beantragt, das europäische Patent 0 692 423 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland im Umfang der Ansprüche 1 bis 5 sowie 8 bis 10 für nichtig zu erklären.
Die Beklagte beantragt, die Klage mit der Maßgabe abzuweisen, daß die Patentansprüche die Fassung der in der mündlichen Verhandlung überreichten Ansprüche 1 bis 5 gemäß Hauptantrag, hilfsweise die Fassung der überreichten Ansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag erhalten.
Anspruch 1 gemäß dem Hauptantrag lautet:
"Verwendung einer Platte, die aus zwei im Abstand voneinander angeordneten Sperrholzplatten (5,6) besteht, zwischen denen eine Kernplatte (7) aus Kork angeordnet ist, dadurch gekennzeichnet, daß die Platte als schalldämmende Fußbodenplatte (1,2,3,4) für Land- und Schienenfahrzeuge verwendet wird, wobei die ca. 3 mm bis 4 mm dicke Kernplatte (7) mit den Sperrholzplatten (5,6) fest verleimt ist.
Wegen der Unteransprüche zum Hauptantrag wird auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.
Die hilfsweise verteidigte Anspruchsfassung besteht aus den im Tenor wiedergegebenen Ansprüchen sowie den - im Antrag als Ansprüche 2 und 3 bezeichneten - nicht angegriffenen, erteilten Ansprüchen 6 und 7.
Die Beklagte hält das Streitpatent zumindest in der hilfsweise verteidigten Fassung für bestandsfähig.
Gründe
Die Klage, mit der der in Art II § 6 Absatz 1 Nr 1 IntPatÜG, Art 138 Absatz 1 lit a EPÜ iVm Artikel 54 Abs 1, 2 und Art 56 EPÜ vorgesehene Nichtigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist zulässig und auch teilweise begründet.
Das Streitpatent ist - soweit angegriffen - zunächst schon ohne Sachprüfung insoweit für nichtig zu erklären, als es über eine von der Beklagten in zulässiger Weise beschränkt verteidigte Fassung hinausgeht (vgl BGH GRUR 1962,294 - Hafendrehkran -; GRUR 1996, 857,858 - Rauchgasklappe -; Busse, PatG, 5. Aufl., § 83 Rdn 45 mwNachw). Als zulässige Beschränkung erweist sich im vorliegenden Falle zwar nicht die Fassung gemäß Hauptantrag, wohl aber die Fassung gemäß Hilfsantrag.
I. Die Beschränkung gemäß Hauptantrag erweist sich als unzulässig, denn die dort beanspruchte Verwendung geht über den Inhalt des Streitpatents und dessen am Anmeldetag beim Europäischen Patentamt eingereichte Fassung hinaus.
Das Streitpatent und dessen ursprüngliche Offenbarung wenden sich an einen Durchschnittsfachmann, der als Ingenieur der Fachrichtung Maschinenbau (Fahrzeugtechnik) mit speziellen Kenntnissen auf dem Gebiet der Aufbaukonstruktion von Fahrzeugen, insbesondere bei Verwendung schall- und wärmedämmender Ausstattungsmaterialien zu definieren ist. Als solcher kennt dieser Fachmann selbstverständlich die beiden grundsätzlichen Prinzipien der Schallisolierung, nämlich Dämmung (Reflexion) und Dämpfung (Absorption). Zu seinem Fachwissen zählt dabei, daß die Reflexionswirkung bei der Schalldämmung im wesentlichen von der Masse des Reflexionskörpers abhängt, (sogen. "Bergersches Massengesetz"). Im Unterschied dazu, wird - wie dieser Fachmann auch weiß - Schall bei der Schalldämpfung in dem Dämpfungsmaterial absorbiert, dh die Schallenergie wird durch innere Reibung in Wärme umgewandelt, wobei für die Dämpfungswirkung im wesentlichen die Dicke des Dämpfungsmaterials maßgeblich ist. Vor diesem Hintergrund konnte der Durchschnittsfachmann den ursprünglichen Unterlagen nicht entnehmen, daß für die Kernplatte aus Kork allein die Materialstärke von Bedeutung ist und es auf deren Raumgewicht nicht ankommt, wie mit dem geltenden Patentanspruch 1 des Hauptantrages beansprucht.
In den am Anmeldetag 5. Juli 1995 beim Europäischen Patentamt hinterlegten Unterlagen sind die Materialkennwerte "Dicke ca. 3 bis 4 mm" und "Raumgewicht ca. 260 kg/m" einer Kernplatte aus Kork stets im Zusammenhang genannt, vgl insb den ursprünglichen Patentanspruch 12 sowie die ursprüngliche Beschreibung S 2 Z 9 bis 12 und identisch im Streitpatent den erteilten Patentanspruch 10 sowie die Beschreibung Sp 2 Z 23 bis 25. Wird eine derartige Kernplatte zwischen zwei 6,5 oder 9 mm starken Sperrholzplatten angeordnet, sind in der Beschreibung dafür konkrete Schalldämmwerte von 30 bis 31 db angegeben, wobei sich ein Gesamtraumgewicht dieser Verbundplatte von ca. 650 kg/m ergibt, vgl insb die ursprüngliche Beschreibung S 2 Z 12 bis 14 und identisch im Streitpatent Sp 2 Z 25 bis 27. Dieses Gesamtraumgewicht liegt ausweislich der weiteren Beschreibung aaO um bis zu 350 kg/m unter dem bislang verwendeter Verbundplatten (800-1000 kg/m) mit einer Kernplatte aus Schwerschichtfolie. In der Beschreibung der Ausführungsbeispiele ist dieser Gesamtraumgewichtsunterschied von ca. 400 kg/m nochmals aufgegriffen im Zusammenhang mit Ausführungen zum Unterschied der Schalldämmwerte bei einer 3 mm (31 db) bzw einer 4 mm (33 bis 34 db) starken Kernplatte aus Kork, vgl insb S 3 Abs 3 der ursprünglichen Beschreibung und identisch im Streitpatent Sp 2 Z 54 bis Sp 3 Z 10. Aus alledem ergibt sich für den Durchschnittsfachmann stimmig, daß das Wirkprinzip des Streitpatents im wesentlichen auf einer besonderen Kombination von Materialdicke und -gewicht der Kernplatte aus Kork beruht, die angegebenen Schalldämmwerte also nur zu erreichen sind, wenn die Kernplatte ca. 3 - 4 mm stark ist und ein Raumgewicht von ca. 260 kg/m aufweist. Wenn der verteidigte Anspruch 1 gemäß Hauptantrag statt auf diese Kombination nur auf die Dicke der Korkplatte Bezug nimmt, so liegt darin eine unzulässige Änderung.
II. Von diesem Mangel ist die Fassung des Hilfsantrages frei. Denn sie stützt sich auf die Kombination von Materialdicke und - gewicht der Kernplatte. Die so beschränkte Fassung ist also zulässig.
Die Klägerin hat den Senat auch nicht davon zu überzeugen vermocht, daß dem Streitpatent in dieser Fassung die Patentfähigkeit fehlt.
1. Es betrifft die Verwendung einer Platte, die aus zwei im Abstand voneinander angeordneten Sperrholzplatten besteht, zwischen denen eine Kernplatte aus Kork angeordnet ist.
In der Beschreibung bezieht sich die Streitpatentschrift auf eine aus der GB 2 180 860 bekannte Platte für den Trockenausbau von Gebäuden, bei der zwischen zwei Sperrholzplatten gepreßter Kork angeordnet sei. Weiter sei im Stand der Technik bekannt, im Waggon- und Fahrzeugbau die Innenböden der Fahrzeuge aus Sperrholz auszubilden. Zur Milderung der starken Fahrgeräusche verwende man dabei mit Salzen getränkte Sperrholzböden, die jedoch den Nachteil hätten, daß sie sehr schwer seien und nur schwierig entsorgt und recycelt werden könnten. Auch seien Fußbodenplatten für Land- und Schienenfahrzeuge bekannt, bei denen zwischen zwei Sperrholzplatten eine Schwerschichtmatte angeordnet sei, diese wiederum bestehend aus weichen Kunststoffolien, in die schwere anorganische Füllstoffe eingearbeitet seien. Bei diesen Platten werde die Schalldämmung im wesentlichen durch die Massewirkung der Schwerschichtmatte erzeugt, was wiederum ein hohes Gewicht und Probleme bei der Entsorgung nach sich ziehe.
2. Vor diesem Hintergrund formuliert die Streitpatentschrift die Aufgabe, für den Ausbau von Land- und Schienenfahrzeugen eine Fußbodenplatte zu verwenden, die bei vermindertem Gewicht ausreichend hohe Schalldämmwerte und auch die Erzielung verbesserter K-Werte für die Wärme-Kälte-Isolierung ermögliche.
3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in der hilfsweise verteidigten Fassung Folgendes vor:
a) Verwendung einer Platte, b) die aus zwei im Abstand voneinander angeordneten Sperrholzplatten besteht, c) zwischen den Sperrholzplatten ist eine Kernplatte aus Kork angeordnet, d) die Platte wird als schalldämmende Fußbodenplatte für Land- und Schienenfahrzeuge verwendet, e) die Kernplatte ist ca. 3 mm bis 4 mm dick undf) besteht aus einem Kork mit einem Raumgewicht von ca. 260 kg/ m, g) die Kernplatte ist mit den Sperrholzplatten fest verleimt.
4. Neuheit, gewerbliche Anwendbarkeit Die ohne Zweifel gewerblich anwendbare Verwendung einer Platte gemäß dem Hilfsantrag ist unbestritten neu, denn aus den im Verfahren berücksichtigten, vorveröffentlichten Druckschriften ist - wie die nachstehenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit zeigen - keine Verwendung einer Platte mit sämtlichen beanspruchten Merkmalen bekannt.
5. Erfinderische Tätigkeit Allein mit der Kenntnis der am Prioritätstag des Streitpatents im einschlägigen Stand der Technik bekannten Platten konnte der Fachmann die beanspruchte Lösung nicht verwirklichen. Dazu bedurfte es vielmehr einer erfinderischen Tätigkeit.
In dem unbestritten vorveröffentlichten Prospekt "AGEPAN TEC" ist die Verwendung von Mehrschichtplatten für Innenverkleidungen, Trennwände, Böden und schalldämmende Einbauteile in verschiedenen Einsatzbereichen beschrieben. Auf dem Titelblatt und den Seiten 3 bis 5 sind die Einsatzbereiche Fahrzeug- und Industriebau ausdrücklich bezeichnet. Bevorzugte Anwendungsgebiete der AGEPAN-Schalldämmplatten mit zwei im Abstand voneinander angeordneten Sperrholzplatten, die mit einer Mittelschicht aus biegeweicher Kunstoff-Schwerfolie fest verbunden sind, sind der Hoch- und Industriebau, der Maschinen- und Apparatebau sowie der Fahrzeugbau, vgl insb S 29. Die dabei zum Einsatz kommende Kunststoff-Schwerfolie hat Flächengewichte von 7,5 kg/m bei 3 mm bzw 12 kg/m bei 5 mm Folienstärke, vgl insb S 29 oben rechts. Daraus leitet sich ein Raumgewicht der Folie von 2.500 bzw 2.400 kg/m ab. Außer Variationen der Materialdicke des Sperrholzes bzw der Mittelschicht sind dem Prospekt keinerlei Hinweise auf Alternativen zu der Kunststoff-Schwerfolie als Mittelschicht der bekannten Schalldämmplatte entnehmbar.
Das DE 85 04 515 U1 beschreibt ein Wandelement aus einer natürlichen, gekochten Korkplatte von 70 bzw 100 mm Dicke mit beidseitig aufgeklebten Nut- und Feder Spanplatten (V 100 E 1), die jeweils 13 mm stark sind. Einer aus derartigen Wandelementen aufgebauten Wand werden "sehr hohe Schall- und Wärmewerte" zugeschrieben, ohne daß dazu nähere Angaben über Raumgewicht, Schall- oder Wärmedämmwerte gemacht werden, vgl insb Beschreibung S 1 Abs 1. Aus der Zeichnung und der weiteren Beschreibung geht noch hervor, daß diese Mehrschichtplatte im Baubereich Verwendung finden soll, denn es ist die Rede von der problemlosen Anbringung von Regalen, Sockelleisten, Bildern sowie von der Möglichkeit, die Wand zu tapezieren, zu streichen, zu bekleben oder zu bespannen.
Eine ebenfalls im Baubereich als Boden-, Wand- und Dachelement einsetzbare Mehrschichtplatte offenbart die GB 21 80 860 A. Diese Platte besteht aus einer ähnlich starken, nämlich 60 oder 104 mm starken Kork-Mittelschicht, die beidseitig mit 4 mm starken, wasserfesten Sperrholzplatten verklebt ist, vgl insb S 2 Z 26 bis 35. Das Flächengewicht der Platte mit einer 60 mm Kork-Mittelschicht ist mit 10,3 kg/m angegeben, vgl insb S 2 Z 55 bis 58. Daraus läßt sich unter Zugrundelegung der im AGEPAN-Prospekt auf den Seiten 30/31 angegebenen Flächengewichte von 7,95 kg/m für 10 mm bzw 11,1 kg/m für 15 mm starkes Buchensperrholz ohne weiteres ein Raumgewicht der verwendeten Kork-Mittelschicht von 66 bzw 73 kg/m bestimmen.
In den beiden letztgenannten Druckschriften findet sich objektiv keine Anregung, die einen Fachmann veranlassen könnte, die beschriebenen Kork-Mittelschichten abzuwandeln, insbesondere auf nur noch ... % der in den Druckschriften ange gebenen Dicken zu reduzieren, wie dies im Streitpatent beansprucht ist. Gleiches gilt für das Raumgewicht der jeweiligen Kork-Mittelschicht, welches nach dem Streitpatent mehr als dreimal so groß sein soll wie der GB 21 80 860 A entnehmbar ist.
Bei einer Zusammenschau einer oder mehrerer der vorstehend erläuterten Druckschriften mag sich zwar Kork grundsätzlich als Kernplattenmaterial angeboten haben, dessen patentgemäße Dimensionierung war dadurch allerdings nicht nahegelegt.
Seiner Beurteilung legt der erkennende Senat zugrunde, daß dem vorstehend definierten Durchschnittsfachmann die werkstoffbedingten Nachteile der bislang im Fahrzeugbau verwendeten Schalldämmplatten mit einer Kernplatte aus Kunststoff-Schwerfolie selbstverständlich bekannt waren. Aufgrund ihrer verschiedenartigen Materialzusammensetzung sind diese Platten schwierig zu entsorgen bzw zu recyceln und haben außerdem ein relativ hohes Gewicht. Wenn diese Nachteile vermieden werden sollten und gleichzeitig ein Material mit besseren Wärme-Kälte-Isoliereigenschaften gesucht wurde, wie in der streitpatentgemäßen Aufgabe ausgeführt ist, entsprach es der üblichen fachmännischen Vorgehensweise, sich zunächst nach geeigneten Lösungsmöglichkeiten im Stand der Technik, dh im Bereich der zur Schall- und Wärmeisolierung verwendeten Mehrschichtplatten umzusehen. Falls erforderlich, mußte sich der Durchschnittsfachmann dabei des Fachwissens eines auf Dämmplatten spezialisierten Zulieferers bedienen. Das Hauptaugenmerk einer derartigen Recherche wäre in nächstliegender Weise darauf gerichtet gewesen, ob bereits Mehrschichtplatten bekannt waren, welche die vorstehend erwähnten Nachteile der bekannten Platten vermieden. Dabei konnte der Durchschnittsfachmann die aus den Druckschriften GB 21 80 860 A und DE 85 04 515 U1 bekannten Mehrschichtplatten mit einer Kernschicht aus Kork nicht übersehen. Denn diese Platten wurden im Baubereich verwendet, einem Bereich, welcher in der Recherche schon deshalb nicht vernachlässigt werden durfte, weil in ihm auch die vorbekannte AGEPAN-Schalldämmplatte Anwendung fand. Dabei mußte dem Fachmann auffallen, daß der Werkstoff Kork grundsätzlich alle Probleme der zugrundegelegten Aufgaben löst, denn er hat bekanntlich ein relativ niedriges spezifisches Gewicht, sehr gute wärme- und schallisolierende Eigenschaften und ist als ursprüngliche Baumrinde im Verbund mit Holzdeckplatten ein gleichartiger organischer Werkstoff, der entsprechend einfach zu entsorgen bzw zu recyceln ist.
Eine einfache Übernahme der in den Druckschriften GB 21 80 860 A und DE 85 04 515 U1 angegebenen Kernplatten aus Kork mit Dicken von 60, 70, 100 oder 104 mm als Ersatz der Mittelschicht aus Kunststoff-Schwerfolie für die im AGEPAN-Prospekt angegebene Verwendung als mehrschichtiger Boden im Fahrzeug-, insbesondere im Schienenfahrzeugbereich konnte jedoch nicht erfolgen, denn dort bestehen Randbedingungen (zBsp feststehende Lichtraumprofile, vorgeschriebene Innenraum- und Einstieghöhen, Stabilitätskriterien, Crashbedingungen, etc), welche dem Einsatz derart starker Bodenplatten in den meisten Anwendungsfällen entgegenstehen. Der Durchschnittsfachmann hatte auch keine Veranlassung, die Kernplattendicke versuchsweise einfach zu korrigieren, etwa gar auf das erfindungsgemäße Maß herabzusetzen. Denn für diesen Fall mußte er nach allgemeinem fachmännischem Verständnis mit einer entsprechenden Verschlechterung der Dämmwerte für Schall und Wärme rechnen. Ähnliches gilt auch in Bezug auf das Raumgewicht. Bei der GB 21 80 860 A wird die Schalldämmung unter anderem durch die Ausbildung einer leichten Korkschicht (Raumgewicht ca. 66 bis 73 kg/m3) erreicht. Davon abzugehen und eine Korkschicht mit einem deutlich größeren Raumgewicht, zB mit dem streitpatentgemäßen Raumgewicht von ca. 260 kg/ m3 auszubilden, bestand für den Fachmann keine Veranlassung, wenn es darum ging, eine gute Schall- und Wärmedämmung und zugleich ein möglichst geringes Plattengewicht zu erzielen.
Die von der Klägerin noch genannte EP 0 354 526 A2 offenbart lediglich ein Trittschall dämmendes, einschichtiges Panel und dessen Herstellung, welches aus einer formbaren Masse hergestellt wird, in die Korkbestandteile gemischt werden, vgl insb S 1 Z 1 bis 8. Damit steht diese Druckschrift dem Beanspruchten ferner und hat deshalb zu Recht in der mündlichen Verhandlung zum Hilfsantrag keine Rolle mehr gespielt.
Wie vorstehend aufgezeigt, war die spezielle Ausgestaltung und die erfindungsgemäße Verwendung der beanspruchten Platte durch die Kenntnis des in Betracht gezogenen Standes der Technik am Prioritätstag nicht ohne weiteres zu erreichen. Da sie sich unter Berücksichtigung des allgemeinen Fachwissens eines Durchschnittsfachmannes auch nicht ohne weiteres ergibt, beruht sie auf einer erfinderischen Tätigkeit.
6. Das Streitpatent hatte deshalb - soweit angegriffen - mit den im Tenor genannten Ansprüchen Bestand.
Über die erteilten Ansprüche 6 und 7 hatte der Senat nicht zu befinden, weil sie nicht angegriffen worden sind. Sie bestehen in ihrem Rückbezug auf die erteilten Ansprüche 1 bzw 3 fort. Der Senat hat davon abgesehen, sie - dem Wortlaut des Hilfsantrags entsprechend - als Ansprüche 2 und 3 in den Tenor zu übernehmen. Denn in der mündlichen Verhandlung ist deutlich geworden, daß die Beklagte keinerlei Interesse daran hatte, neben der nicht angegriffenen erteilten (weiteren) Fassung dieser Unteransprüche auch noch eine engere auf (den beschränkten Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag zurückbezogene) Fassung zu schützen. Dies zeigt sich auch daran, daß der erteilte Anspruch 7 (von der Beklagten im Hilfsantrag als Anspruch 3 beziffert) in seinem Rückbezug ("... nach Anspruch 3") nicht an die Ansprüche gemäß Hilfsantrag angepaßt worden ist.
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 84 Abs 2 PatG iVm § 92 Abs 1 Satz 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709 ZPO.
Dr. Schwendy Winklharrer Sperling Müllner Borkprö
BPatG:
Urteil v. 22.11.2000
Az: 4 Ni 9/00
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