Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 13. Dezember 2007
Aktenzeichen: 11 L 1693/07
(VG Köln: Beschluss v. 13.12.2007, Az.: 11 L 1693/07)
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Der Antrag,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 16. November 2007 anzuordnen,
hat keinen Erfolg.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zulässig, obwohl die Antragstellerin nicht die Adressatin der angefochtenen Verfügung ist. Mit der Verfügung vom 16. November 2007 die Antragsgegnerin die J. GmbH & Co KG verpflichtet, die bei ihr geschalteten Rufnummern (0)900 0 000 000 und (0) 900 0 000 000 für eine Frist von sechs Monaten, also vom 26. November 2007 bis zum 26. Mai 2008, abzuschalten. Diese Rufnummern sind der Antragstellerin zugeteilt, und sie ist deshalb als Zuteilungsinhaberin und Inhalteanbieterin unmittelbar von der Verfügung betroffen.
Der Antrag ist aber nicht begründet. Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO kann das Verwaltungsgericht die gemäß § 137 Abs. 1 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) in der Fassung vom 22. Juni 2004, BGBl. I S. 1190, entfallende aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anordnen, wenn das Interesse der Antragstellerin am vorläufigen Aufschub der Vollziehung das öffentliche Interesse der Antragsgegnerin an der sofortigen Vollziehung des Bescheids überwiegt. Dies ist der Fall, wenn sich der Bescheid bei der im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen summarischen Prüfung als offensichtlich rechtswidrig erweist. Davon ist hier nicht auszugehen.
Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG kann die Antragsgegnerin im Rahmen der Nummernverwaltung Anordnungen treffen, um die Einhaltung gesetzlicher Vorschriften sicherzustellen. Nach § 43b Abs. 1 TKG in der Fassung vom 9. August 2003, BGBI. I S. 1590, der nach § 152 Abs. 1 Satz 2 TKG bis zum Inkrafttreten der §§ 66a - e TKG weitergalt, und nach dem am 1. September 2007 in Kraft getretenen § 66a TKG muss derjenige, der gegenüber Endnutzern unter der Rufnummer 0 900 für Premiumdienste wirbt, den für die Inanspruchnahme dieser Nummer zu zahlenden Preis zeitabhängig angeben.
Dies hat die Antragstellerin in zahlreichen Fällen nicht getan. Im November 2006 stellte die Antragsgegnerin auf Grund von Verbraucherbeschwerden fest, dass unter den Rufnummern 0 0000 000 000 und 0 000 000 0000 in einem persönlich gehaltenen Werbegespräch ohne vollständige Preisangabe auf die Telefonnummer (0)900 0 000 000 mit der Verlängerungsziffer 11 und auf die Nummer (0) 900 0 000 000 mit der Verlängerungsziffer 00 bzw. 00 hingewiesen wurde. Diese 0 900- Nummern sind der Antragstellerin als Diensteanbieterin zugeteilt; sie waren zunächst bei der T. N. GmbH und sind seit dem 1. November bei der J. GmbH & Co KG als Netzbetreiberin geschaltet. Auf Grund der Beanstandungen der Antragsgegnerin wurden in der folgenden Zeit dann Preisangaben gemacht, allerdings z. T. ohne Angabe der Währungseinheit oder ohne den Hinweis, dass es sich um den Preis pro Minute handle. Im März und Juni 2007 wurden weitere Verstöße festgestellt. Mit Schreiben vom 25. Juli 2007 wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin erneut schriftlich auf die Notwendigkeit vollständiger Preisangaben hin und drohte bei weiteren Verstößen Maßnahmen an.
Im August 2007 überprüfte die Antragsgegnerin die Preisangaben mit vier Testanrufen. Bei den beiden Anrufen unter der Rufnummer 0 0000 000 000 bzw. 0 0000 000 000 wurden die Preise korrekt genannt, bei den beiden Testanrufen unter der Rufnummer 0 000 000 0000 wurde der Preis für die Rufnummer (0)900 0000 00 mit der Verlängerungsziffer 00 jeweils ohne Hinweis auf den Minutentakt angegeben. Bei 21 Testanrufen am 9. und 12. Oktober 2007 wurden in allen Fällen entweder nur die Preise aus dem Festnetz oder nur aus dem jeweiligen Mobilfunknetz angegeben.
Damit hat die Antragstellerin gegen die Preisangabepflicht verstoßen. Die Gespräche, in denen auf die 0 900-Nummern hingewiesen wird, sind als Anbieten von Premiumdiensten gegenüber Endnutzern und als Werbung anzusehen. Dabei ist es unerheblich, ob es sich um ein persönliches Gespräch oder um eine Bandansage handelt. Denn in beiden Fällen ist es der Zweck des Anrufs, den Angerufenen dazu zu bewegen, die Premiumnummer anzuwählen.
Vgl. zu sog. Ping-Anrufen VG Köln, Urteil vom 28. 1. 2005 - 11 K 3734/04 -, NJW 2005, 1880 ff.
In solchen Fällen besteht nach § 43 b a. F. TKG und § 66a TKG eine Preisangabepflicht, deren Inhalt zum Schutz des Verbrauchers genau vorgegeben ist. So ist bei zeitabhängigen Tarifen der Preis mit dem Hinweis auf die Zeitdauer (Minute) anzugeben. Dies ist hier selbst nach der schriftlichen Mahnung vom 25. Juli 2007 noch im August 2007 bei zwei von vier Testanrufen nicht geschehen, obwohl die Antragstellerin beteuert hatte, dass die Mängel abgestellt würden. Damit hat die Antragstellerin erheblich gegen die Preisangabepflicht verstoßen. Denn erst der Hinweis auf die Zeitabhängigkeit des Preises ermöglicht es dem Kunden, den Gesamtpreis des Gesprächs abzuschätzen.
Seit dem 1. September 2007 ist außerdem nach § 66a Abs. 1 Satz 4 TKG nicht nur der Preis für Anrufe aus dem Festnetz anzugeben, sondern es ist ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass die Preise für Anrufe aus dem Mobilfunk davon abweichen können. Auf diese Möglichkeit wurde bei keinem der Testanrufe im Oktober 2007 hingewiesen. Auch dadurch hat die Antragstellerin mehrfach gegen die Preisangabepflicht verstoßen.
Insgesamt liegt damit bei summarischer Prüfung ein Gesetzesverstoß vor, der die Antragsgegnerin nach § 67 Abs. 1 Satz 1 TKG dazu berechtigt, Anordnungen und andere geeignete Maßnahmen zu treffen, um das Einhalten der gesetzlichen Verpflichtungen zu sichern. Zu diesen Maßnahmen gehört nach §§ 67 Abs. 1 Satz 3 TKG ausdrücklich auch das Abschalten der Nummer, sofern gesicherte Kenntnis von dem Gesetzesverstoß vorliegt.
Hier besteht solch eine gesicherte Kenntnis durch die verschiedenen Testanrufe. Die Abschaltverfügung ist auch zu Recht unmittelbar an das Unternehmen gerichtet worden, in dessen Netz die Nummer geschaltet ist.
Vgl. Büning/Weißenfels, in: Beck´scher TKG-Kommentar, 3. Aufl. 2006, § 67 Rn. 10.
Der Antragsgegnerin ist nach § 67 TKG grundsätzlich ein Entschließungs- und Auswahlermessen eröffnet. Sie hat nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden, ob und wie sie vorgeht, und sie kann alle Anordnungen treffen, die zur Durchsetzung der Vorgaben der Nummernverwaltung erforderlich und angemessen sind.
Vgl. Begründung zu § 43c TKG, BT-Drs. 15/907, S.10.
Bei gesicherter Kenntnis von der rechtswidrigen Nutzung einer Rufnummer ist der Ermessensspielraum allerdings eingeschränkt. Denn bei der Neufassung des TKG ist das Wort kann" des früheren § 43 c TKG a. F. im neuen § 67 Abs. 1 Satz 3 TKG ausdrücklich durch ein soll" ersetzt worden.
Vgl. BT-Drucksache 15/907, S. 6 und Büning/Weißenfels a. a. O.
Damit ist nun im Regelfall die Abschaltung der Nummer anzuordnen. Denn allein das - gegebenenfalls befristete - Abschalten der Nummer kann die rechtswidrige Nutzung der Nummer verhindern.
Vgl. hierzu VG Köln, Beschluss vom 17. 1. 2007 - 11 L 1487/06 -.
Besondere Umstände, die eine andere Entscheidung rechtfertigen, liegen hier nicht vor. Die Antragstellerin hat vielmehr über einen langen Zeitraum hinweg, trotz mehrfacher Beanstandungen der Antragsgegnerin, immer wieder gegen die Preisansagepflicht verstoßen. Auch die Tatsache, dass die Preisangabepflicht erst am 1. September 2007 durch Inkrafttreten des § 66a TKG inhaltlich verschärft worden ist, rechtfertigt es nicht, von der Abschaltverfügung abzusehen. Der Inhalt des neuen § 66a TKG stand seit dem Inkrafttreten der Neufassung des TKG im Juli 2004 bzw. Februar 2007 fest, und der Antragstellerin war auch bekannt, dass die Neuregelung bevorstand. Denn sie hat nach ihrem eigenen Vortrag die Plattformbetreiberin mehrfach darauf hingewiesen und musste als Diensteanbieterin auch sachkundig sein. Damit ist davon auszugehen, dass hier auch im Oktober 2007 noch bekannte Pflichten vernachlässigt worden sind.
Es kommt auch nicht darauf an, ob die falschen Ansagen der Antragstellerin selbst vorzuwerfen sind oder nicht. Bei der Gefahrenabwehr im Ordnungsrecht sollen zukünftige Schäden wirksam verhindert werden, unabhängig davon, wer die Gefahrenlage verursacht oder verschuldet hat. Auch aus dem Wortlaut des § 67 Abs. 1 Satz 3 TKG wird deutlich, dass es allein auf die objektiv rechtswidrige Nutzung ankommt. Verantwortlich ist der Zuteilungsinhaber; er muss gegebenenfalls durch organisatorische Maßnahmen sicherstellen, dass die Nummer im Einklang mit den rechtlichen Vorschriften genutzt wird, und er muss bei Fehlern seiner Hilfspersonen umgehend für Abhilfe sorgen. Wenn Beanstandungen vorlagen, muss er auch selbst kontrollieren, ob seine Hilfsperson beanstandete Fehler beseitigt haben. Wenn es der Antragstellerin oder der Betreiberin der Plattform nicht möglich ist, sicherzustellen, dass die Preise bei den individuellen Gesprächen ordnungsgemäß angesagt werden, kann die Werbung für die Nummern nicht in der bisherigen Form fortgeführt werden. Die befristete Abschaltung ermöglicht es der Antragstellerin, ihre Organisation bei der Wiederaufnahme der Nutzung entsprechend zu ändern.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1 VwGO. Bei der Streitwertfestsetzung geht das Gericht gemäß §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG vom wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin an den beiden Nummern aus und hat diese Werte im vorliegenden Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert.
VG Köln:
Beschluss v. 13.12.2007
Az: 11 L 1693/07
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