Bundespatentgericht:
Beschluss vom 26. April 2001
Aktenzeichen: 17 W (pat) 17/00

(BPatG: Beschluss v. 26.04.2001, Az.: 17 W (pat) 17/00)

Tenor

Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Prüfungsstelle für Klasse H01H des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. November 1999 aufgehoben und das nachgesuchte Patent 198 56 678 unter der Bezeichnung "Elektrische Schaltvorrichtung " mit folgenden Unterlagen erteilt:

Patentansprüche 1 bis 6, Beschreibung Seiten 1 bis 5, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung, ursprünglich eingereichte 6 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 6.

Gründe

I.

1. Die am 4. Dezember 1998 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung 198 56 678.6 - 34 mit der Bezeichnung

"Kontaktelement"

wurde durch die Prüfungsstelle für Klasse H01H mit Beschluß vom 3. November 1999 mit der Begründung zurückgewiesen, der im Patentanspruch 1 ausgewiesene Gegenstand sei nicht neu. Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie ihr Patentbegehren auf der Grundlage der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen weiterverfolgt.

Der geltende Patentanspruch 1 hat folgenden Wortlaut:

"Elektrische Schaltvorrichtungmit einem Gehäuse (2) mit Basis- und Deckelteil (8, 10), mit zwei innerhalb des Gehäuses (2) angeordneten, beidseitig mit Kontaktstücken (12) versehenen elektrischen Festkontakten (4) mit Anschlüssen für elektrische Leiter, mit einem Betätigungsstößel (20) zur Aufnahme einer Kontaktbrücke (24), die zum Verbinden beziehungsweise Unterbrechen der elektrischen Verbindung zwischen den beiden Festkontakten (4) dient, wobei der Betätigungsstößel (20) derart ausgebildet ist, daß die Kontaktbrücke (24) in zwei unterschiedlichen, axial voneinander beabstandeten, Positionen (A, B) an dem Betätigungsstößel (20) anordenbar ist und daß1 ohne Wechseln der Festkontaktposition bei Anordnung der Kontaktbrücke (24) in der einen Position (A) eine Öffnerfunktion und bei Anordnung der Kontaktbrücke (24) in der anderen Position (B) eine Schließerfunktion gewährleistet wird, der Betätigungsstößel (20) über ein erstes Federmittel (28) am Gehäuse (2) zwecks Rückstellung abgestützt und axial beweglich angeordnet ist, durch Drehung der Betätigungsstößelanordnung (20, 24, 26, 28) um 180¡ um deren Querachse (Y) eine entgegengesetzte Betätigungsrichtung des Betätigungsstößels (20) gewährleistet und damit die Schaltvorrichtung anstatt für die rückseitige Montage für die frontseitige Montage einsetzbar ist und umgekehrt, wobeider Betätigungsstößel (20) im Längsschnitt gesehen eine Doppel-H-Form, bestehend aus zwei Längsschenkelteilen (30, 31) und zwei Querschenkelteilen (32, 33), aufweist, die beiden gegenüberliegenden Flächen des Querschenkelteils (32) je eine Anlagefläche für die Kontaktbrücke (24) bilden, die Kontaktbrücke (24) in der ersten Position (A) zwischen offenen Enden der Längsschenkelteile (30, 31) anordenbar und über das erste Federmittel (28) gegen das Gehäuse (2) abstützbar ist, und in der zweiten Position (B) zwischen den beiden Querschenkelteilen (32, 33) anordenbar und über ein weiteres Federmittel (29) gegen eines der Querschenkelteile (33) abstützbar ist. "

1 mit Korrektur des offensichtlichen Schreibfehlers "das"

Wegen der abhängigen Patentansprüche 2 bis 6 wird auf die Akte Bezug genommen.

2. Im Prüfungsverfahren wurden folgende Druckschriften entgegengehalten:

[1] DE-AS 1 085 218

[2] US 5 075 517

[3] DE 693 02 599 T2

[4] US 3 238 341

[5] FR 2 423 852 A1 Im Beschwerdeverfahren wurde außerdem folgende, von der Anmelderin selbst genannte Druckschrift in Betracht gezogen:

[6] FR-PS 1 359 204 3. Die Anmelderin stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und das nachgesuchte Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:

- Patentansprüche 1 bis 6,

- Beschreibungsseiten 1 bis 5, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung;

- ursprünglich eingereichte 6 Blatt Zeichnungen mit Figuren 1 bis 6.

Sie macht geltend, der Schalter nach Patentanspruch 1 sei sowohl für front- als auch für rückseitige Montage jeweils als Öffner oder Schließer und somit universell einsetzbar, weise dabei aber einen besonders einfachen Aufbau mit einer geringen Anzahl von Bauteilen auf. So sei nur ein einziges Festkontaktpaar erforderlich, und in jeweils einer der beiden Schalterkonfigurationen bilde die Schließerfeder zugleich die Kontaktandruckfeder, so daß ein gesondertes Bauteil hierfür entfalle. Im Vergleich mit dem Stand der Technik gebe es für diese Lehre kein Vorbild. Der angemeldete Gegenstand sei deshalb sowohl neu als auch erfinderisch.

II.

Die zulässige Beschwerde ist im Umfang des gestellten Antrags begründet, weil der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 die Kriterien der Patentfähigkeit gemäß §§ 1 bis 5 PatG erfüllt.

1. Der Fachmann, ein Fachhochschulabsolvent der Elektrotechnik mit Berufserfahrung in der Entwicklung von Schaltern, entnimmt der Anmeldung einen elektrischen Schalter, der wahlweise als "Öffner" oder als "Schließer" betreibbar ist. Hierzu sind gemäß Patentanspruch 1 in einem Gehäuse mit Basis- und Deckelteil zwei elektrische Festkontakte mit Anschlüssen für elektrische Leiter, sowie ein Betätigungsstößel vorgesehen, der über eine Feder im Gehäuse axial beweglich gelagert ist und eine Kontaktbrücke aufnimmt, mit der wahlweise die elektrische Verbindung zwischen den beiden Festkontakten hergestellt (Schließer) oder unterbrochen (Öffner) werden kann. Um den Schalter als Öffner oder Schließer verwenden zu können, ist die Kontaktbrücke in zwei unterschiedlichen, axial von einander beabstandeten, Positionen am Betätigungsstößel anordenbar. Der Betätigungsstößel besitzt zu diesem Zweck im Längsschnitt eine Doppel-H-Form, bestehend aus zwei Längs- und zwei Querschenkeln, wobei die Kontaktbrücke in der einen Position an einem Querschenkel anliegt und dort über die Rückstellfeder angedrückt wird, während in der zweiten Position die Kontaktbrücke zwischen den beiden Querschenkeln liegt und dort von einer eigenen Andruckfeder beaufschlagt wird.

Durch Drehen der Betätigungsstößelanordnung um 180¡ sind außerdem zwei entgegengesetzte Betätigungsrichtungen realisierbar, so daß der Schalter wahlweise in rückseitiger oder frontseitiger Montage angebracht werden kann.

2. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 ist neu, denn im nachgewiesenen Stand der Technik ist kein Schalter mit allen in diesem Anspruch angegebenen Merkmalen beschrieben. Er beruht zudem auf erfinderischer Tätigkeit, weil er sich für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergibt.

Aus der Druckschrift [6] ist ein als Öffner und Schließer verwendbarer Schalter mit mit zwei zusammensetzbaren Tragekörpern (1, 1a) aus Kunststoff bekannt (Figur 1), die insoweit dem anmeldungsgemäßen Gehäuse mit Deckel entsprechen. Der Schalter besitzt ausweislich der Figuren 7 bis 7b und 8 bis 8b iVm den zugehörigen Beschreibungen U-förmig gebogene Festkontakte (14) mit Anschlüssen (15) für elektrische Leiter, einen Drücker (10), sowie eine an diesem in zwei axial beabstandeten Positionen anordenbare Kontaktbrücke (16), die bei Betätigung des Drückers (10) jeweils gegenüberliegende Schenkel der U-förmigen Festkontakte elektrisch verbindet (Figur 7a) oder - in der Anordnung als Öffner (Figur 7b) - voneinander trennt. Die Kontaktbrücke wird dabei jeweils durch einen Anschlag (20) und eine Feder (18) in Position gehalten, die beide zwischen Öffner- und Schließerausführung umgesetzt werden müssen (Figuren 9, 10).

Der Betätigungsstößel (10) selbst ist über eine Rückstellfeder (10b) gegen den Tragekörper abgestützt und wahlweise in zwei um 180¡ versetzten Positionen einsetzbar (Druckschrift [6], Seite 1, re Spalte, Abs. 10), so daß die Bedienung des Schalters sowohl in Schließer- als auch in Öffnerfunktion jeweils von zwei Seiten aus möglich ist und sich entsprechende Freiheitsgrade für die Montage ergeben.

Von diesem Stand der Technik unterscheidet sich der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 im wesentlichen durch die Doppel-H-Form des Drückers, wobei die Kontaktbrücke für die Schließerfunktion außen an einem der Querschenkel anliegt und für die Öffnerfunktion zwischen den Querschenkeln angeordnet wird. Damit ergibt sich ein einfacherer, kompakter Aufbau, wobei in der Öffnerausführung die Rückstellfeder zugleich die Funktion der Kontaktandruckfeder übernimmt.

Die Druckschrift [6] gibt für eine solche Ausbildung des Schalters keine Anregung. Der Fachmann müßte hierzu nicht nur den Drücker als Doppel-H ausbilden sondern auch das Konstruktionsprinzip mit den doppelschenkligen Festkontakten insgesamt aufgeben, wozu aus der Lehre der Druckschrift [6] heraus aber kein Anlaß besteht.

Ebensowenig führt der übrige im Verfahren befindliche Stand der Technik zu der beanspruchten Lösung.

Der Schiebeschalter gemäß Druckschrift [1] besitzt einen Betätigungsstößel, an dem zwar ebenfalls für die Schaltfunktionen "Öffnen" und "Schließen" an verschiedenen Stellen Kontaktbrücken einsetzbar sind (Figuren 1 bis 3). Hierzu ist aber ein U-förmiger Schieber (4) mit quer zu seiner Längsrichtung verlaufenden Ausnehmungen (10) vorgesehen, welche die Kontaktbrücken (11) aufnehmen, die ihrerseits in Schließstellung an die Festkontakte (18, 19, 20) und in Offenstellung gegen die Wandung der jeweiligen Ausnehmung durch Federn (13) angedrückt werden. Die Bedienung des Schalters erfolgt auch nicht über einen Drücker mit Rückstellfeder wie beim angemeldeten Gegenstand, sondern durch ein "Betätigungsorgan" (8), das durch einen Schlitz im Boden des Gehäuses in eine Ausnehmung (7) an der Unterseite des Schiebers greift (Fig.3). Aus dieser abweichenden Konstruktion heraus ergibt sich für den Fachmann kein Hinweis auf einen Drücker in Doppel-H-Form der im Patentanspruch 1 beschriebenen Art.

Dies gilt auch für die Druckschrift [2]. Diese betrifft einen Drehschalter (Figur 1), bei dem von den Nocken (15A) einer Drehwelle (14) ein Stößel (16) betätigt wird, der die Kontaktbrücke (7) gegen die Kraft einer Rückstellfeder (6) von Festkontakten (10, 11) abhebt. Die einander gegenüberliegenden Schenkel des U-förmigen Stößels (16) weisen Schlitze auf, die zur Führung entsprechender Fortsätze der längs der Schlitze beweglichen Kontaktbrücke (7) dienen. Auch diesem Schalter liegt somit ein abweichendes Konstruktionsprinzip zugrunde, das nicht zum angemeldeten Gegenstand führt.

Druckschrift [3] betrifft einen Trennschalter mit einem Drücker (20), der eine Kontaktbrücke (17) mit den beweglichen Kontakten (15, 16) von den Festkontakten (11, 12) trennt. Gemeinsamkeiten mit der anmeldungsgemäßen Lehre bestehen darüberhinaus nicht, vielmehr befaßt sich diese Druckschrift mit anderen Problemen, insbesondere mit der Löschung des bei Schaltvorgängen entstehenden Lichtbogens. Hierzu wird die Kontaktbrücke in einem Käfig (21) geführt, der seitlich isolierende Flügel aufweist und so ein den Lichtbogen begrenzendes Volumen vorgibt.

Ebensowenig kann sich für den Fachmann aus der Druckschrift [4] eine Anregung ergeben, den Drücker in Doppel-H-Form mit an den Querstegen vorgesehenen Anlageflächen für die Kontaktbrücke gemäß geltendem Patentanspruch 1 auszubilden, denn um diesen bekannten Schalter von einem Öffner zu einem Schließer umzurüsten (Figuren 3 und 4), müssen nicht nur Teile des Drückers (15, 16) sondern auch die Festkontakte samt Zuführung (6, 7) umgedreht werden. Ebenso müssen Ober- (15) und Unterteil (16) des (hier mehrteiligen) Drückers vertauscht und samt der innen liegenden Kontaktandruckfeder (21) umgesetzt werden, ohne daß sich dabei aber im Hinblick auf die Montage eine zweite (front- bzw. rückseitige) Einbaumöglichkeit ergibt.

Druckschrift [5] schließlich zeigt eine zur Betätigungsrichtung schiefwinklig anliegende Kontaktbrücke (Figur 3), die in den beiden Schalterstellungen eines von zwei Kontaktpaaren wahlweise verbindet. Ansonsten bestehen jedoch keinerlei Gemeinsamkeiten mit dem Gegenstand vorliegender Anmeldung.

Die Überprüfung weiterer, von der Beschwerdeführerin selbst genannter Druckschriften hat ergeben, daß sie nach Überzeugung des Senats ebenfalls deutlich abliegen. Sie haben in der mündlichen Verhandlung auch keine Rolle mehr gespielt.

3. Die Unteransprüche 2 bis 6 betreffen sinnvolle, nichttriviale Weiterbildungen der im Anspruch 1 ausgewiesenen elektrischen Schaltvorrichtung. Sie werden vom gewährbaren Patentanspruch 1 mitgetragen.

Bertl Greis Püschel Schuster Bb






BPatG:
Beschluss v. 26.04.2001
Az: 17 W (pat) 17/00


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