Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 14. Oktober 2003
Aktenzeichen: 28 U 88/03

(OLG Hamm: Urteil v. 14.10.2003, Az.: 28 U 88/03)

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - das am 06.03.2003 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Pa-derborn abgeändert:

Der Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klägerin 40.765,60 &.8364; nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 29.517,27 &.8364; seit dem 10.04.2002 und aus weiteren 11.248,33 &.8364; seit dem 18.11.2002 zu zahlen. Die weitergehende Klage und die Klage gegen den Beklagten zu 2) bleiben abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt:

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Kläge-rin und der Beklagte zu1) je zu ½. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) trägt die Klägerin. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) werden diesem selbst auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin und den Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweils andere Teil vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

A.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf die Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Gegen das Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie ihr Ziel der Verurteilung der Beklagten entsprechend ihren erstinstanzlichen Anträgen weiterverfolgt. Soweit i.ü. Ergänzungen des Sachverhalts erforderlich sind, ergeben sich diese aus der nachfolgenden Begründung (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Ergänzend wird auf den Berichterstattervermerk zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 14.10.2003, in der alle tragenden Erwägungen der nachfolgenden Gründe im Einzelnen dargelegt und mit den Parteien erörtert wurde, Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache teilweise Erfolg; denn der Klägerin steht gegen den Beklagten zu 1. ein Schadensersatzanspruch in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang nach den Grundsätzen der pVV iVm § 128 HGB analog zu, während ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 2. infolge wirksamer Erhebung der Verjährungseinrede gemäß § 214 Abs. 1 BGB nicht durchsetzbar ist.

I.

Da es um eine Pflichtverletzung aus einem im Jahre 1999 zustandegekommenen Geschäftsbesorgungsvertrag iSd §§ 675, 611 BGB geht, war gemäß Art. 229 § 5 S. 1 EGBGB das BGB in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung anzuwenden. Somit waren die Grundsätze der pVV als Anspruchsgrundlage für den begehrten Schadensersatz wegen einer Verletzung anwaltlicher Pflichten aus dem Anwaltsvertrag heranzuziehen.

II.

Die Klägerin, gemäß §§ 114, 164, 161 Abs. 2 HGB vertreten durch ihren Komplementär, hat die aus den Beklagten bestehende Sozietät (vgl. hierzu Heinemann/Vollkommer, Anwaltshaftungsrecht, 2. Aufl., RN 69) Ende Februar 1999 mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche aus den Kaufverträgen mit der Fa. X GmbH mandatiert. Ende Febr. 1999 hat nämlich der Beklagte zu 2. bereits unstreitig diesbezüglich ein Beratungsgespräch mit dem klägerischen Komplementär geführt, das mit dem Vorschlag endete, die Kaufpreisforderung gerichtlich durchzusetzen. Somit handelte es sich um ein unbeschränktes Mandat, das der Sozietät erteilt wurde; denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist davon auszugehen, dass ein Rechtsanwalt, der einer Anwaltssozietät angehört, ein ihm angetragenes Mandat in der Regel im Namen dieser Sozietät annimmt, d.h. nicht nur sich persönlich, sondern auch den oder die mit ihm zur gemeinsamen Berufsausübung verbundenen Kollegen verpflichtet. Sowohl der Auftraggeber als auch der Rechtsanwalt haben nämlich grundsätzlich den Willen, das Mandatsverhältnis mit der Sozietät zu begründen (so auch Vollkommer/Heinemann, aaO, RN 69 mwN sowie BGHZ 124, 47, 48 f. mwN; BGH, NJW 1995,1841, jeweils zur Rechtslage vor Anerkennung der Rechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft).

Soweit die Beklagten geltend machen, im Laufe des Mandates habe der klägerische Komplementär darauf bestanden, dass die Ferkel herauszuverlangen seien, führt dies nicht zur Annahme eines nur beschränkten Mandats.

Der Vertragsinhalt und damit der Umfang des Mandats richtet sich nach den Vereinbarungen der Parteien (vgl. Sieg in Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung, RN 40), die bei Streit über den Mandatsumfang der Auslegung nach §§ 133, 157 BGB bedürfen (vgl. BGH, NJW 1997, 2168). Für die Abgrenzung, ob ein unbeschränktes Mandat mit bestimmter Weisung vorliegt oder aber ein (von vorneherein) nur beschränkter Auftrag erteilt wurde, ist letztlich entscheidend, ob der Rechtsanwalt davon befreit sein sollte, selbstständig zu prüfen, ob durch die vom Mandanten gewünschte Vorgehensweise diesem Nachteile drohen, oder ob von ihm erkennbar erwartet wurde, auf (erkennbare) Risiken und Nachteile auch insoweit hinzuweisen .

Unstreitig hat der Beklagte zu 2. zunächst über die Möglichkeiten zur Realisierung der Kaufpreisforderungen und damit im Rahmen eines unbeschränkten Mandates beraten. Vor diesem Hintergrund konnten die Beklagten nicht davon ausgehen, die Klägerin erwarte hinsichtlich des von ihrem Komplementär favorisierten Verlangens nach Herausgabe der Ferkel keine Aufklärung über die damit verbundenen Risiken und Nachteile. Somit machen die Beklagten lediglich die Erteilung einer konkreten Anweisung im Rahmen eines unbeschränkten Mandates geltend.

2.

Der Beklagte zu 1. hat die ihm als Rechtsanwalt obliegende Pflicht zur Beratung und Belehrung des Mandanten verletzt, weil er den klägerischen Komplementär nicht ausreichend darüber aufgeklärt und beraten hat, dass eine gerichtliche Durchsetzung des Kaufpreisanspruchs gemäß § 433 Abs. 2 BGB a.F. in jedem Fall der schnellere, sicherere und erfolgversprechendere Weg zur Realisierung der klägerischen Ansprüche war, wobei parallel - nach Aufklärung über die fehlenden Erfolgsaussichten - zur Erfüllung der Einzelweisung zur Sicherung der Ferkel ein dinglicher Arrest gemäß den §§ 916 f. ZPO hätte beantragt werden können.

Da der Beklagte zu 1. als Sozius tätig wurde, ist der aus den Beklagten bestehenden Sozietät als rechtsfähiger Gesellschaft bürgerlichen Rechts (vgl. BGH, NJW 2001, 1056) über die §§ 278, 31 BGB das Handeln des Beklagten zu 1. als eigenes Handeln zuzurechnen. Als Sozien haften sodann beide Beklagte gemäß § 128 S. 1 HGB analog der Klägerin persönlich als Gesamtschuldner für die Verbindlichkeiten der Sozietät.

a.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (so schon BGH, VersR 1960, 932, 933 mwN; vgl. auch BGH, NJW 1974, 1865; WM 1986, 199, NJW 1988, 1079, 1080; 1994, 1211, 1212; 1996, 1824, 1825; zuletzt MDR 2003, 928, 929 jeweils mwN) ist ein Rechtsanwalt zur allgemeinen, umfassenden und möglichst erschöpfenden Belehrung des Mandanten verpflichtet. Er hat die Interessen seines Auftraggebers nach jeder Richtung und umfassend wahrzunehmen. Er muss sein Verhalten so einrichten, dass er Schädigungen seines Auftraggebers, mag deren Möglichkeit auch nur von einem Rechtskundigen vorausgesehen werden können, vermeidet. Er muss den Mandanten auch über mögliche wirtschaftliche Gefahren des beabsichtigten Geschäfts belehren und ihn über die erforderlichen Vorsichtsmaßregeln aufklären. Er hat zudem, wenn mehrere Maßnahmen in Betracht kommen, diejenige zu treffen, die die sicherste und gefahrloseste ist, und, wenn mehrere Wege möglich sind, um den erstrebten Erfolg zu erreichen, den zu wählen, auf dem dieser am sichersten erreichbar ist.

b.

In Befolgung dieser Grundsätze hatten sowohl der Beklagte zu 2. bei der Annahme des Mandates als auch der Beklagte zu 1., der das Mandat weiterbearbeitete, den klägerischen Komplementär rechtlich darüber zu beraten, dass unter dem zusätzliche Aspekt einer möglichst zügigen Vorgehensweise grundsätzlich folgende Möglichkeiten zur Realisierung der klägerischen Ansprüche bestanden:

Die Kaufpreisforderungen konnten per Klage mit dem Ziel eines Versäumnisurteils oder per Mahnbescheid mit dem Ziel eines Vollstreckungsbescheides geltend gemacht werden. Auf diesem Wege konnte die volle Kaufpreisforderung ohne zu erwartende Probleme tituliert werden, da keine Anhaltspunkte für ein Wandelungsrecht der Fa. X GmbH als Käuferin mangels Existenz von Hauptmängeln im Sinne der kaiserlichen Verordnung (vgl. § 482 BGB a.F.) ersichtlich waren. Um dem hartnäckigen Verlangen der Klägerin nach einer Sicherung der Ferkel nachzukommen, bestand parallel zur Geltendmachung der Kaufpreisforderungen grundsätzlich die Möglichkeit zur Beantragung eines dinglichen Arrestes gemäß den §§ 916, 917 ZPO. Da der klägerische Komplementär jedoch keinerlei objektive Anhaltspunkte für ein über die vertragswidrige Nichterfüllung der Kaufpreisforderungen hinausgehendes unlauteres Verhalten der Käuferin hatte und auch deren schlechte Vermögenslage lediglich vermutete, waren die Chancen für eine Anordnung eines dinglichen Arrestes allerdings schon mehr als gering, worauf der Komplementär hinzuweisen gewesen wäre.

Alternativ bestand die Möglichkeit, nach § 326 BGB a.F. vorzugehen, um sich nach fruchtlosem Fristablauf neben dem Anspruch auf Rückgabe der Ferkel gemäß § 985 BGB Schadensersatzansprüche wegen Nichterfüllung offenzuhalten. Nachteil dieser Vorgehensweise war zum einen der Zeitverlust infolge der Erforderlichkeit, der Käuferin zunächst eine angemessene Nachfrist zur Erfüllung zu setzen, bevor Herausgabe- und Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden konnten. Es bestand das Risiko, dass die Käuferin während des Fristlaufs die Ferkel veräußerte, wozu sie aufgrund des verlängerten Eigentumsvorbehaltes berechtigt war. In diesem Fall standen der Klägerin zwar Wertersatzansprüche gemäß §§ 989, 990 BGB zu, denen allerdings ein Zurückbehaltungsrecht wegen der Fütterungsaufwendungen gemäß den §§ 100, 994 BGB gegenüberstand. Zum anderen führte der Fristablauf zum Untergang der Kaufpreisforderungen, wobei Verluste aufgrund der Reduzierung der klägerischen Ansprüche auf eine Wertersatzforderung, über den Nichterfüllungsschadensersatz bis zur Höhe der Kaufpreisforderungen aufgefangen werden konnten.

Schließlich bestand noch die vom Beklagten zu 1. umgesetzte Möglichkeit, anstatt nach § 326 BGB a.F. vorzugehen, zur Eliminierung des Besitzesrechtes der Käuferin nach § 986 BGB aufgrund der Kaufvertrages den Rücktritt nach § 455 BGB a.F. zu erklären, um sofort die Ferkel nach § 985 BGB herausverlangen zu können. Nachteile dieser Vorgehensweise waren der rücktrittsbedingte unumgängliche Verlust der Kaufpreisforderung und die Reduzierung der klägerischen Ansprüche auf Herausgabe- bzw. Wertersatzansprüche, gegenüber denen wegen der zwangsläufig angefallenen Fütterungskosten mit der berechtigten Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechtes nach §§ 1000, 994 BGB zu rechnen war.

c.

Obwohl der Beklagte zu 2. bereits Ende Februar 1999 zur Durchsetzung der Kaufpreisforderungen geraten und damit grundsätzlich pflichtgemäß beraten hatte, wurden mit Schreiben des Beklagten zu 1. vom 10.03.1999 der Rücktritt vom Kaufvertrag gegenüber der Käuferin erklärt und mit Schriftsatz vom 11.03.1999 der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung auf Herausgabe der Ferkel beim LG Halle (3 O 108/99) gestellt. Dadurch hat der Beklagte zu 1. den für die Klägerin ungünstigsten und -auch wirtschaftlich- riskantesten Weg gewählt und so seine Verpflichtung zur Wahl des sichersten Weges und zur Vermeidung möglicher Schädigungen seiner Mandantin verletzt.

Hintergrund seiner Vorgehensweise war zwar, dass der Komplementär am oder kurz vor dem 10.03.1999 dem Beklagten zu 1. seine Befürchtung, die Fa. X GmbH befinde sich in Zahlungsschwierigkeiten mitgeteilt und zudem darauf hingewiesen hatte, dass die Ferkel in ca. 2 Wochen schlachtreif seien und verarbeitet würden. Der für die Klägerin handelnden Komplementär befürchtete, die Kaufpreisforderung sei nach Verkauf der Schweine nicht mehr nicht realisierbar. Zwar hat er im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat gemäß § 141 ZPO die an ihn hierzu gerichteten Fragen nur zögerlich und ausweichend beantwortete; im Kern hat er jedoch überzeugend und nachvollziehbar dargetan, dass es ihm als Endziel darauf angekommen sei, die Klägerin vor dem Verlust der Kaufpreise zu bewahren. Aus seiner Sicht war das nur möglich, indem ein Weiterverkauf und eine Schlachtung der Schweine vor Kaufpreiszahlung durch Herausgabe der Tiere verhindert wurden. Nicht aber ging es dem Komplementär der Klägerin etwa darum, einen über den Kaufpreisansprüchen liegenden Wert der Schweine für sich zu realisieren. Auch die Beklagten haben nicht behauptet, dass er ein solches Interesse bekundet hätte und sie deshalb den Herausgabeanspruch durch Rücktritt nach § 455 BGB a.F. vorbereitet hätten.

Auf der Basis dieses klägerischen Begehrens hatte der Beklagte zu 1. jedoch den Komplementär dahingehend zu beraten, dass wegen der Fütterungskosten unzweifelhaft ein Zurückbehaltungsrecht gemäß §§ 1000, 994 BGB bestand, der Herausgabeanspruch somit auch nach sofortigem Rücktritt vom Kaufvertrag schon deshalb nicht problemlos durchsetzbar war. Hinsichtlich der Möglichkeit, die Ferkel per einstweiliger Verfügung herauszuverlangen, war der Beklagte zu 1. verpflichtet, den Komplementär darauf hinzuweisen, dass, wenn überhaupt, nur eine Herausgabe an einen Sequester gemäß § 538 Abs. 2 ZPO, was mit weiteren Kosten verbunden gewesen wäre (vgl. Zöller-Vollkommer, § 938 RN 10), realistischerweise wegen des Verbotes der Vorwegnahme der Hauptsache und im Hinblick auf das Zurückbehaltungsrecht in Betracht kam und zudem als Verfügungsgrund weder eine bloß auf die Tatsache der Nichtzahlung der Kaufpreise gestützte schlechte Vermögenslage der Käuferin und Besitzerin (so der erste Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung) noch ein begonnener Weiterverkauf (so der zweite Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung) mangels Anhaltspunkten für ein Verschleudern der Vorbehaltsware ausreichten (vgl. Zöller-Vollkommer, § 935 RN 13).

Im Hinblick auf die aus der unzweifelhaften Existenz des Zurückbehaltungsrechtes gemäß den §§ 1000, 994 BGB resultierenden Unwägbarkeiten bei der Durchsetzung von Herausgabe- oder Wertersatzansprüchen war der Beklagte zu 1. gehalten, dem klägerischen Komplementär, dem es -wie dargelegt- im Ergebnis um den Zufluss der Kaufpreise ging, zu raten, die unproblematisch durchzusetzenden Kaufpreisforderungen zu titulieren und -soweit trotz Risikoaufklärung gewünscht- einen Antrag auf dinglichen Arrest als Eilantrag zu stellen, der zwar nicht erfolgversprechender als ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war, aber wenigstens im Falle der Anordnung die Möglichkeit zur Versteigerung der Schweine gemäß § 930 Abs. 3 ZPO eröffnet hätte.

d.

Die Beklagten sind ihren Hinweis- und Beratungspflichten in diesem Sinne nicht nachgekommen. Sie können sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, wegen der Befolgung einer konkreten Weisung nicht pflichtwidrig gehandelt zu haben.

aa.

Die Beklagten, die nach dem Grundsatz der modifizierten Substantiierungslast konkret die erteilte Rechtsbelehrung darzulegen haben (vgl. Vollkommer/Heinemann, RN 676), behaupten hierzu, der Beklagte zu 2. habe dem Komplementär abgeraten, die Herausgabe der Ferkel per einstweiliger Verfügung geltendzumachen und die Geltendmachung der Kaufpreisforderung per Mahnbescheid und für den Fall, dass mit einem Widerspruch zu rechnen sei, eine sofortige Klage empfohlen. Der Komplementär sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass im Falle des Rücktritts kein Kaufpreisanspruch mehr bestehe. Beide Beklagten haben im Rahmen ihrer erstinstanzlichen Parteivernehmung diesen Vortrag zur Belehrung bestätigt.

Weder behauptet noch bestätigt haben sie damit eine Aufklärung über das Zurückbehaltungsrecht gemäß §§ 1000, 994 BGB und die daraus resultierenden Konsequenzen und Schwierigkeiten bei der Realisierung der Herausgabe- und Wertersatzansprüche, die bei einem Festhalten an den Erfüllungsansprüchen aus den Kaufverträgen und einem Versuch der einstweiligen Sicherung durch (dinglichen) Arrest nicht auftreten konnten.

Eine solche Beratung konnte und durfte der klägerische Komplementär erwarten, auch wenn er schließlich von dem Beklagten zu 1. sofortigen Rat und sofortiges Handeln verlangt und diesen so unter "Zugzwang" gesetzt hatte.

Ein Rechtsanwalt muss sich die für die sachgerechte Mandatsbearbeitung notwenige Rechts- und Gesetzeskenntnis, wenn er sie nicht präsent hat, verschaffen. Dies gilt umso mehr, als Hauptgebiete des Rechts -wie hier das BGB und die ZPO- betroffen sind (vgl. Vollkommer/Heinemann, Anwaltshaftungsrecht, 2. Aufl., RN 192). Dementsprechend war der Beklagte zu 1. verpflichtet, sich die zur Bearbeitung des Mandats erforderlichen Rechtskenntnisse, wenn er sie nicht präsent hatte, zu verschaffen, wofür ihm ein angemessener Zeitraum zuzubilligen war (vgl. so bereits RGZ 115, 185, 187).

Der Beklagte zu 1. war somit zwar grundsätzlich nicht verpflichtet, ad hoc die Rechtslage und die unterschiedlichen Möglichkeiten eines Vorgehens bzw. die daraus jeweils resultierenden Vor- und Nachteile zu beurteilen. Aber er war gehalten, dies dem klägerischen Komplementär zu offenbaren und entweder die Beratung zurückzustellen, um zuvor die Rechtslage prüfen zu können, oder er musste den klägerischen Komplementär darauf hinweisen, dass er aus dem Stand heraus nur vorläufig und unter Vorbehalt abschließender, u.U. zu einem anderen Ergebnis führender Prüfung berate; denn die Erklärungen des Rechtsanwalts müssen dem Mandanten, der verläßlich über bestimmte rechtliche Folgen unterrichtet werden will, um darauf seine Entscheidung gründen zu können, eine annähernd zutreffende Vorstellung von dem Wagnis vermitteln, über das er aufgeklärt werden wollte (so auch BGH, WM 2003, 1138, 1140 zur Steuerberaterhaftung). Da der Beklagte zu 1. den klägerischen Komplementär nicht unter Vorbehalt aufgeklärt hat, bleibt das Verlangen des klägerischen Komplementärs nach sofortigem Handeln somit ohne Auswirkung auf die dem Beklagten zu 1. zur Last fallende Pflichtverletzung.

bb.

Soweit die Beklagten weiterhin behaupten, der Komplementär habe darauf bestanden, nach Rücktritt vom Kaufvertrag die Herausgabe der Ferkel per einstweiliger Verfügung, hinsichtlich derer auf eine voraussichtliche Erfolglosigkeit hingewiesen worden sei, geltend zu machen, entlastet sie dies allenfalls im Hinblick auf die Kosten der Eilverfahren, die aber nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind.

Die Beklagten machen die Erteilung einer konkreten Anweisung geltend, die der Rechtsanwalt grundsätzlich zu befolgen hat (§§ 675 Abs. 1, 665 BGB), und zwar auch dann, wenn dies für den Mandanten nachteilig ist oder sein kann (vgl. hierzu BGH, NJW 1985, 42, 43 = VersR 1984, 658, 659 = WM 1984, 1024, 1025; VersR 1985, 83, 84 = VersR 1984, 658, 659; NJW 1997, 2168, 2169 = WM 1997, 1392, 1393 f.; Zugehör in: Zugehör, aaO, RN 977). Eine Pflichtverletzung entfällt bei drohenden oder gar sicheren Nachteilen allerdings nur, wenn der Mandant vor Befolgung einer derartigen Weisung eingehend über die damit verbundenen Risiken (vgl. BGH, NJW 1985, 42, 43 = VersR 1984, 658, 659 = WM 1984, 1024, 1026) belehrt wird (vgl. BGH, NJW 1997, 2168, 2169 = WM 1997, 1392, 1394; NJW 1998, 1486 = WM 1998, 301, 303 (Steuerberater); NJW-RR 1992, 1110, 1115 (Steuerberater); NJW- RR 1990, 1241, 1243 = WM 1990, 1917, 1920 =VersR 1991, 422; VersR 1985, 83, 84; VersR 1974, 488, 489; Zugehör in: Zugehör, aaO, RN 624, 981) und ihm andere weniger nachteilige oder nicht so riskante Wege zur Erreichung des Auftragsziels aufgezeigt worden sind (vgl. BGH, VersR 1985, 83, 84 mwN; Zugehör in: Zugehör, aaO, RN 981). Nur wenn der Mandant trotz einer solchen Belehrung auf seiner (unvernünftigen) Weisung beharrt, verstößt der Anwalt mit deren Befolgung gemäß §§ 675, 665 BGB nicht gegen seine Vertragspflichten (so BGH, NJW-RR 1990, 1241, 1243 = WM 1990, 1917, 1920 = VersR 1991, 422 ff.).

Abgesehen davon, dass die Beklagten für eine solche von der Klägerin bestrittene Weisung und nachträgliche Änderung und Einschränkung des ursprünglich unbeschränkten Mandats beweispflichtig sind (vgl. hierzu BGHZ 126, 217, 221 = NJW 1994, 3295, 3297 = WM 1994, 2113, 2117 zur nachträglichen Änderung einer Weisung; BGH WM 1994, 1114, 1118 = NJW 1994, 1472, 1474 zur späteren Einschränkung sowie auch Fischer, in: Zugehör, aaO, RN 1010 f.), fehlt es jedenfalls schon an einer Darlegung, dass sie den Komplementär vor bzw. nach Erteilung der Weisung über die Nachteile und Risiken der Rücktrittslösung im Hinblick auf das Zurückbehaltungsrecht nach den §§ 1000, 994 BGB aufgeklärt haben.

Bei allen Weisungen, deren Befolgung für den Mandanten schädlich sein kann, muss sich ein Rechtsanwalt zudem über die Ernsthaftigkeit und Endgültigkeit der Weisung vergewissern (vgl. BGH NJW 1985, 42, 43 = VersR 1984, 658, 659 = WM 1984, 1024, 1026). Wird eine Weisung nur unklar, unverständlich oder missverständlich oder in Verkennung der zuvor dargelegten tatsächlichen Verhältnisse oder der bereits erläuterten rechtlichen Situation erteilt, ist es Aufgabe des Anwalts, zunächst einmal, den Sinn der erteilten Weisung zu ermitteln, um damit dem Mandanten nicht durch äußerlich zwar dem Auftrag entsprechende, zur Erreichung des von dem Auftraggeber erstrebten rechtlichen Erfolges aber nicht gebotene Schritte Schaden zuzufügen (so BGH, VersR 1985, 83, 84). Somit hatte der Beklagte zu 1. jedenfalls auch den Hintergrund der Weisung zu erforschen. Dabei hätte sich -wie auch im Rahmen der persönlichen Anhörung des klägerischen Komplementärs vor dem Senat- herausgestellt, dass es dem Komplementär darum ging, die Kaufpreisforderung durchzusetzen, bevor die Schweine weiterverkauft wurden, was aber -wie dargelegt- nicht zu erreichen war. Dafür, dass dem Komplementär letzteres bewusst war bzw. wurde, hatte der Beklagte zu 1. vor Ausführung der Weisung zu sorgen. Dass er insoweit seinen Pflichten nachgekommen ist, ist ebenfalls weder dargetan noch sonst ersichtlich, da insbesondere im Schreiben des Beklagten zu 1. vom 10.03.1999, mit dem dem Komplementär der Entwurf des ersten Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und die vorbereitete eidesstattliche Versicherung übermittelt wurden, jeglicher Hinweis auf ein Handeln entgegen anwaltlichen Rates fehlt.

3.

Mangels entgegenstehender Anhaltspunkte indiziert die Pflichtwidrigkeit die Rechtswidrigkeit.

4.

Die Pflichtverletzung der Beklagten beruht mangels gegenteiliger Anhaltspunkte in Anwendung des § 282 BGB a.F. analog auf Fahrlässigkeit (§ 276 BGB a.F.).

Dass das mit drei Berufsrichtern besetzte Landgericht Paderborn in 1. Instanz angenommen hat, der Beklagte zu 1. habe keine ihm der Klägerin gegenüber obliegenden Pflichten verletzt, vermag den Beklagten zu 1. nicht zu entlasten; denn ein Entschuldigungsgrund dergestalt, dass ein Verschulden des Rechtsanwalts regelmäßig ausscheidet, wenn ein mit mehreren Rechtskundigen besetztes Kollegialgericht sein Verhalten als objektiv rechtmäßig gebilligt hat, scheidet nach der seit BGHZ 85, 252, 261 = NJW 1983, 820, 822 ständigen Rechtsprechung des BGH und des Senats aus (so auch Vollkommer/Heinemann, aaO, RN 432 mwN).

Ebenso wenig kommt die Annahme eines Mitverschuldens der Klägerin gemäß § 254 Abs. 2 BGB unter dem von den Beklagten vorgebrachten Aspekt in Betracht, dass ihr Komplementär den Beklagten zu 1. mit Unterstützung des Zeugen H und dem Hinweis auf eine Auskunft der Rechtsabteilung einer Bank auf eine "falsche Fährte" gelockt habe; denn es war gerade die vertragliche Pflicht des für die mandatierte Sozietät handelnden Beklagten zu 1., die Rechtsaussichten eines solchen Vorgehens zu überprüfen und darüber zu beraten. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann nämlich derjenige, der seine Vertragspflicht zur Erteilung richtiger Auskunft verletzt hat, gegenüber dem Ersatzanspruch des Geschädigten nach Treu und Glauben grundsätzlich nicht geltend machen, diesen treffe ein Mitverschulden, weil er der Auskunft vertraut und dadurch einen Mangel an Sorgfalt gezeigt habe (BGH, WM 1965, 287, 288; WM 1971, 74, 77; NJW 1977, 1536, 1537; BB 1997, 175 = BGHZ 134, 100 = JR 1997, 456 = MDR 1997, 506 = NJW 1997, 661 = NJW-RR 1997, 630 = VersR 1997, 754 = WM 1997, 78 = ZIP 1997, 65; WM 2003, 1138, 1140).

5.

Da die Pflichtverletzung der Beklagten grundsätzlich geeignet ist, einen Vermögensschaden bei der Klägerin zu verursachen, ist die haftungsbegründende Kausalität gegeben (vgl. BGH, NJW 1983, 998, 999).

III.

Die Beklagte haben der Klägerin infolgedessen diejenigen Vermögensnachteile zu ersetzen, die ihr durch die Pflichtwidrigkeit des Beklagten zu 1. entstanden sind.

1.

Für diesen haftungsausfüllenden Ursachenzusammenhang zwischen der anwaltlichen Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden ist darauf abzustellen, welchen Verlauf die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten genommen hätten und wie die Vermögenslage des Betroffenen sein würde, wenn der Pflichtverstoß nicht begangen, sondern pflichtgemäß gehandelt worden wäre (BGH, WM 1988, 906, 907; NJW 1990, 2882, 2883; WM 1995, 398, 401; sowie Rinsche, Die Haftung des Rechtsanwalts und Notars, 6. Aufl., RN I 212 mwN).

Nach gefestigter Rechtsprechung verbleibt es im Anwaltsregress bei dem Grundsatz, dass der Geschädigte den Ursachenzusammenhang zwischen der Vertragsverletzung und dem Schaden als anspruchsbegründende Voraussetzung darzulegen und nachzuweisen hat (vgl. BGH, NJW 1997, 1008, 1011; NJW 1994, 3295, 3298). Da die Frage der haftungsausfüllenden Kausalität für den durch die haftungsbegründende Pflichtverletzung bewirkten Schaden zu beantworten ist, unterliegt die gesamte Feststellung des für den Ausgang des Vorprozesses entscheidungserheblichen Sachverhaltes der Beurteilungsnorm des § 287 ZPO (vgl. BGH, NJW 2000, 2814, 2815; 2000, 1572, 1573; NJW 1996, 2501 ff.). Nach § 287 ZPO reicht für die richterliche Überzeugung eine überwiegende, freilich auf gesicherter Grundlage beruhende Wahrscheinlichkeit. Das wirkt sich auch diese mindernd auf die Darlegungslast des Geschädigten aus. Es genügt, wenn dieser Tatsachen vorträgt und unter Beweis stellt, die für eine Beurteilung nach § 287 ZPO ausreichende greifbare Anhaltspunkte bieten (vgl. insoweit Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 287 RN 2; BGH, NJW 2000, 2814, 2815; NJW 2000, 509 f.; NJW 2000, 1572, 1573; NJW-RR 1999, 19; NJW 1993, 1320; WM 1993, 610; NJW-RR 1992, 997).

2.

Zu Gunsten der Klägerin ist vorliegend davon auszugehen, dass sie bzw. ihr für sie handelnder Komplementär sich beratungsgemäß verhalten und der Empfehlung, die Kaufpreisforderungen zu titulieren, anstatt sich den Risiken des Zurückbehaltungsrechts aufgrund von berechtigten Verwendungsersatzansprüchen und der Anspruchsreduzierung auf bloße Wertersatzansprüche auszusetzen.

Es greift nämlich zu Gunsten des Mandanten die Vermutung, dass er bei pflichtgemäßer Beratung des Anwalts dessen Hinweisen gefolgt wäre, sofern für ihn bei vernünftiger Betrachtungsweise aus damaliger Sicht nur eine Entscheidung nahe gelegen hätte (BGH, NJW 93, 3259; NJW 2002, 593 und 292, 294; NJW-RR 2003, 1212,1213 = WM 2003, 1628-1631 = MDR 2003, 928, 929, m.W.N, Fischer in Zugehör, aaO, RN 1054; Vollkommer/Heinemann, RN 688). Der Anscheinsbeweis zu Gunsten des Mandanten kommt nicht nur in Betracht, wenn der Anwalt eine bestimmte Empfehlung zu geben hatte, sondern auch dann, wenn der Anwalt seinen Auftraggeber lediglich umfassend über die Rechtslage zu belehren hatte, für den Mandanten jedoch bei vertragsgerechter Information nur eine sinnvolle Entscheidung verblieb (Fischer in Zugehör, aaO, RN 1057; Vollkommer/Heinemann, RN 688).

Die vorgenannte Vermutung bewirkt keine Beweislastumkehr, sondern bildet einen Anwendungsfall des Anscheinsbeweises. Der rechtliche Berater kann ihn daher entkräften, indem er Tatsachen beweist, die für ein atypisches Verhalten des Mandanten sprechen (vgl. hierzu Fischer in Zugehör, aaO, RN 1055; Vollkommer/Heinemann, aaO, RN 688).

Dem Komplementär ging es - wie er auch im Rahmen seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat zum Ausdruck gebracht hat - erkennbar darum, so schnell wie möglich einen Titel gegen die Käuferin zu bekommen, um ihre Ansprüche aus dem Kaufvertrag zu sichern und durchzusetzen. Hätte der Beklagte zu 1. dem Komplementär erläutert, dass das Einschlagen und Verfolgen des Weges eines Herausgabeanspruches zusätzliche und bei einem Festhalten an den Kaufpreisansprüchen vermeidbare Risiken barg und hätte er dies klar und verständlich dahingehend verdeutlicht, dass bei einer Realisierung des auf § 985 BGB gestützten Herausgabeanspruchs wegen der Fütterungskosten mit der Geltendmachung eines berechtigten Zurückbehaltungsrechts gemäß § 1000 BGB zu rechnen war und im Falle einer zu erwartenden Veräußerung der schlachtreifen Schweine lediglich Wertersatzansprüche bestanden, deren Höhe zumindest ungewiss war, hätte sich der Komplementär bei vernünftiger Betrachtungsweise für den sinnvollen, da unproblematischen Weg der Titulierung der Kaufpreisforderungen und gegen einen Rücktritt vom Vertrag entschieden. Soweit die Beklagten den Komplementär als beratungsresistent darstellen und behaupten, er habe unbeirrt an der Herausgabeforderung festgehalten, bringt dieser Vortrag den Anscheinsbeweis nicht zu Fall; denn insoweit ist zu berücksichtigen, dass dieses Beharren im Zusammenhang mit der unzureichenden Aufklärung zu den Vor- und Nachteilen der Rücktrittssausübung steht. Dass der Komplementär aus anderen Motiven (z.B. Unbelehrbarkeit, Querulantentum- vgl. Vollkommer/Heinemann, RN 688) trotz ausreichender Aufklärung an seiner Forderung festgehalten hätte, ist anhand konkreter Umstände (z.B. Verhalten im Rahmen anderer Mandate) seitens der Beklagten jedenfalls hinsichtlich der zu vermutenden Entscheidung gegen einen Rücktritt nicht dargetan. Dass sich der Komplementär trotz eines Hinweises auf die fehlenden Erfolgsaussichten gleichwohl für die parallele Beantragung eines dinglichen Arrestes gemäß den §§ 916, 917 ZPO entschieden hätte, liegt durchaus nahe, kann aber letztlich dahinstehen, da die Kosten der einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem LG Halle nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sind. Entscheidend ist nur, dass bei Vornahme der von den Beklagten geschuldeten umfassenden und richtigen Belehrung über die Handlungsalternativen mit ihren Vor- und Nachteilen bzw. Risiken der Rücktritt gemäß § 455 BGB a.F. nicht erklärt worden wäre.

3.

Wäre Kaufpreisklage erhoben worden, hätte die Klägerin von der Käuferin 112.681,70 DM Kaufpreis anstatt 54.950,94 DM Wertersatz erlangt. Dementsprechend beträgt der kausale Schaden insoweit 57.730,76 DM = 29.517,27 &.8364;.

a.

Der Anspruch der Klägerin auf Kaufpreiszahlung gemäß § 433 Abs. 2 BGB a.F. bestand unzweifelhaft. Die Wandelung des Vertrages wegen der Existenz von Hauptmängeln iSd kaiserlichen Verordnung (vgl. § 482 BGB a.F.) hat die Käuferin nicht erklärt. Konkrete Anhaltspunkte für ein Wandelungsrecht haben die Beklagten auch nicht dargetan. Somit ist von einer Durchsetzbarkeit und Titulierung der Forderungen in unstreitiger Höhe von 112.681,70 DM auszugehen.

b.

Zweifel, dass die Käuferin nicht auf den Titel gezahlt hätte bzw. dass die Klägerin aus einem Titel über die Kaufpreisforderungen nicht erfolgreich hätte vollstrecken können, bestehen nicht.

aa.

Wer durch einen Anwaltsfehler einen Anspruch verloren hat, muss grundsätzlich (nach § 287 ZPO) nachweisen, dass er ohne den Anwaltsfehler Leistungen erhalten hätte, d. h. die Forderung auch im Wege einer Vollstreckung erfolgreich hätte beitreiben können (BGH, NJW 1986, 246, 247; VersR 1974, 906, 907; vgl. auch NJW 1993, 734 = WM 1993, 382; OLG Hamm, NJW-RR 1996, 505, 506 (unter 4.) = OLGR 1995, 214; OLG Köln, VersR 1988, 601 (LS); vgl. auch Fischer, in: Zugehör, aaO, RN 1092 sowie Vollkommer/Heinemann, aaO, RN 567). Wegen der Beweislast des Mandanten kann der in Anspruch genommene Rechtsanwalt sich grundsätzlich darauf beschränken, den Schaden zu bestreiten und muss grundsätzlich nicht in allen Einzelheiten dartun, dass der frühere Schuldner zahlungsunfähig (gewesen) sei. Vielmehr hat seine Verteidigung schon dann Erfolg, wenn nicht von der Hand zu weisende Zweifel an der Zahlungsfähigkeit verbleiben. Es genügt daher, dass er Umstände dargelegt hat, die solche Zweifel begründen können (BGH, NJW 1986, 246, 247). Kann der Regresskläger ein diesen Grundsätzen entsprechend hinreichendes Vorbringen des beklagten Anwalts nicht ausräumen, der Regressrichter also nach dem verringerten Beweismaß des § 287 ZPO nicht feststellen, dass die verlorengegangene Forderung hätte realisiert werden können, kann eine Verurteilung des Anwalts zur Leistung von Geldersatz nicht erfolgen. Der Mandant würde durch einen Leistungstitel gegen den Rechtsanwalt, hinter dem regelmäßig eine Berufshaftpflichtversicherung steht, sonst ungerechtfertigt wirtschaftlich besser gestellt, als er bei pflichtgemäßem Anwaltsverhalten gestanden hätte.

bb.

Aus dem Bestreiten der Beklagten resultieren vorliegend keine von der Hand zu weisenden Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Käuferin.

Die Beklagten haben erstinstanzlich lediglich einfach bestritten, dass die Käuferin zur Begleichung der Kaufpreisforderungen in der Lage gewesen sei und beziehen sich erst in der Berufung insoweit auf den Jahresfehlbetrag in Höhe von 669.494,92 DM laut der Zwischenbilanz bzw. der Gewinn- und Verlustrechnung der Käuferin zum 31.12.1998, die die Käuferin im Rechtstreit 16 O 397/99 LG Osnabrück eingereicht hat. Abgesehen davon, dass sich hinsichtlich des neuen Vorbringens die Zulässigkeitsfrage gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO stellt, ergeben sich auch daraus keine vernünftigen Zweifel an der Zahlungsfähigkeit der Käuferin. Zunächst sind in dem Fehlbetrag reine Abschreibungsposten in Höhe von 143.739,93 DM enthalten. Darüberhinaus datiert die Zwischenbilanz zum 31.12.1998 und lässt somit keine Aussagen zur finanziellen und wirtschaftlichen Situation der Käuferin nach Ablauf des hier maßgeblichen ersten Quartals 1999 zu. Vor dem Hintergrund, dass die Käuferin lediglich umfirmiert hat, aber bis heute immer noch werbend wirtschaftlich tätig und nicht in Insolvenz geraten ist, was von den Beklagten nicht in Abrede gestellt wird, bedurfte es zur Begründung von Zweifeln an der Zahlungsfähigkeit der Käuferin zumindest der Darlegung von Anhaltspunkten dafür, dass wegen des Bestehens weiterer nicht unerheblicher Verbindlichkeiten und fehlender Vermögenswerte eine Zwangsvollstreckung aussichtslos gewesen wäre. Dies gilt nicht zuletzt auch deshalb, weil die Käuferin die Schweine zu einem die der Klägerin geschuldeten Kaufpreise übersteigenden Betrag weiterveräußert hatte und ein Betrag in Höhe von 58.967,58 DM zu Gunsten der Klägerin und der Fa. X GmbH auf Intervention der Klägerin von der Fa. G GmbH, die die schlachtreifen Schweine von dem Zeugen Wecks gekauft hatte, bereits beim AG Weimar (HL 26/99) hinterlegt war. Infolgedessen war die Realisierung der Kaufpreisforderungen zur Hälfte bereits relativ sicher. Dementsprechend ist der um die Zustimmung zur Auszahlung des Hinterlegungsbetrages geführte Rechtsstreit im Vergleichswege dergestalt zu Ende gebracht worden, dass der Auszahlung des hinterlegten Betrages an die Klägerin zur Erfüllung ihres Wertersatzanspruches gegen die Fa. X GmbH zugestimmt wurde. Vor diesem Gesamthintergrund besteht lediglich die rein theoretische und nie auszuschließende Möglichkeit einer Zahlungsunfähigkeit und Vermögenslosigkeit der Fa. X GmbH, die aber allein noch keine von der Hand zu weisenden Zweifel in dieser Hinsicht begründet. Sofern die Beklagten nunmehr erstmals in der Berufungsinstanz den Zeugen Wecks und ein Sachverständigengutachten für eine Zahlungsunfähigkeit anbieten, handelte es sich deshalb im Falle einer Beweiserhebung um reine unzulässige Ausforschung - abgesehen davon, dass diese neuen Verteidigungsmittel gemäß § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO ausgeschlossen sind.

4.

Nicht entstanden wären der Klägerin im Falle pflichtgemäßer Beratung zudem die von ihr nach dem Urteil des OLG Oldenburg vom 20.09.2000 (3 U 11/00 = 16 = 397/99 LG Osnabrück) anteilig zu tragenden Kosten des Vorprozesses; denn die Kosten einer Titulierung der Kaufpreisforderungen hätte die Käuferin, also die Fa. X GmbH, gemäß § 91 ZPO als unterliegende Partei tragen müssen und wie dargelegt auch ausgleichen können. Daher sind der Klägerin durch die Pflichtwidrigkeit des Beklagten zu 1. im Einzelnen folgende Schäden entstanden:

An Kosten der 1. Instanz hatte die Klägerin zu tragen (vgl. Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Osnabrück vom 05.12.2000):

Gerichtskosten (2/3) : 2.710,00 DM, außergerichtliche Kosten (2/3): 7.279,93 DM

= 9.989,93 DM

Von den Kosten des Berufungsverfahrens sind ihr auferlegt worden:

Gerichtskosten (1/2) : 3.626,15 DM, eigene außergerichtliche Kosten: 10.383,74 DM

= 14.009,89 DM

Damit ergibt sich ein kausaler Kostenschaden in Höhe von insgesamt 23.999,82 DM = 12.270,91 &.8364;.

Da die Klägerin jedoch nur 21.999,82 DM = 11.248,33 &.8364; diesbezüglich geltend gemacht hat, war gemäß § 308 Abs. 1 ZPO nur dieser Betrag zuzusprechen.

Soweit die Beklagten den Ausgleich der Kosten durch die Klägerin bestritten haben, ist dieses Bestreiten schon deshalb unerheblich, weil die Klägerin infolge der Zahlungsverweigerung seitens der Beklagten gemäß § 250 S. 2 BGB analog Zahlung und nicht nur Freistellung von den Verbindlichkeiten verlangen kann.

IV.

Durchsetzen kann die Klägerin ihren Regressanspruch nur gegenüber dem Beklagten zu 1., der Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten zu 2. ist nach § 214 Abs. 1 BGB nicht durchsetzbar, da er wirksam die Einrede der Verjährung erhoben hat.

1.

Soweit in der Berufungsinstanz auch hinsichtlich des Beklagten zu 1. die Verjährungseinrede erhoben wurde, kann dahinstehen, ob dies in 2. Instanz vor dem Hintergrund der §§ 529, 531 Abs. 2 ZPO zulässig ist; denn jedenfalls ist die Verjährung der Ansprüche gegen den Beklagten zu 1. rechtzeitig durch die Erhebung der vorliegenden Klage unterbrochen worden.

Gemäß § 51b BRAO verjährt der Schadensersatzanspruch des Auftraggebers aus dem zwischen ihm und dem Rechtsanwalt bestehenden Vertragsverhältnis in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist, spätestens in drei Jahren nach der Beendigung des Auftrags. Maßgeblich ist für § 51b 1. Alt. BRAO der Zeitpunkt der Schadensentstehung (vgl. BGHZ 119, 69, 73; BGH, WM 1996, 1832, 1833). Der Schaden entstand, als sich die Vermögenslage der Klägerin durch die Pflichtverletzung objektiv verschlechterte:

Im vorliegenden Fall kann, da die Verjährung jedenfalls durch Klageerhebung gegen den Beklagten zu 1. rechtzeitig unterbrochen wurde, dahinstehen, ob sich bereits durch das Rücktrittsschreiben vom 10.03.1999, dessen Zugang der Beklagte zu 1., gemäß § 141 ZPO befragt, mit dem 11.03.1999 angegeben hat, oder erst durch die Geltendmachung von Verwendungsersatzsprüchen per Zurückbehaltungsrecht gemäß den §§ 1000, 994 BGB mit Zugang des Schreiben vom 16.03.1999 am 17.03.1999 die Vermögenslage der Klägerin objektiv verschlechtert hatte (vgl. hierzu BGH, WM 2000, 959, 960; MDR 2002, 695 = NJW 2002, 1421 = WM 2002, 1073). Primärverjährung gemäß § 51b 1. Alt. BRAO ist damit frühestens mit Ablauf des 11.03.2002, spätestens aber mit Ablauf des 17.03.2002 eingetreten. Die vorliegende Regressklage wurde jedenfalls zuvor unter dem 08.03.2002 anhängig gemacht. Der Kostenvorschuss wurde nach Aufforderung vom 14.03.2002, die nach der Rechtsprechung des BGH (NJW 1993, 2811) abgewartet werden durfte, am 27.03.2002 und damit innerhalb der nach der Rechtsprechung des BGH (aaO) unter Verzögerungsgesichtspunkten unschädlichen 14-Tage-Zahlungsfrist gezahlt. Die Zahlungsanzeige ging beim LG Paderborn am 04.04.2002 ein, worauf die Zustellung der Klage am 10.04.02 erfolgte. Da die Klage innerhalb der Verjährungsfrist anhängig gemacht wurde und die Zahlung des Kostenvorschusses nicht zu einer schädlichen Verzögerung der Klagezustellung nach Ablauf der früheren Verjährungsfrist mit dem 11.03.2002 geführt hat, wirkt die Zustellung auf den Zeitpunkt der Klageeinreichung zurück (§§ 270 Abs. 3, 207 ZPO a.F.; jetzt § 167 ZPO), so dass die Verjährung gemäß § 209 Abs. 1 BGB a.F. gegen den Beklagten zu 1., für den § 425 BGB gilt, wirksam unterbrochen wurde.

2.

Die gerichtliche Geltendmachung des Schadensersatzanspruches durch Klageerweiterung auf den Beklagten zu 2. im vorliegenden Rechtsstreit erst im August 2002 konnte vor dem Hintergrund, dass -wie dargelegt- Verjährung entweder mit Abaluf des 11. oder des 17.03.2002 eingetreten ist, keine Unterbrechungswirkung mehr entfalten. Ob die nur dem Beklagten zu 1. gegenüber erfolgte Streitverkündung im Vorprozess des Klägers gegen die Käuferin auch Wirkung gegenüber dem Beklagten zu 2. entfaltet hat, kann dahinstehen, da eine Unterbrechung der Verjährung jedenfalls gemäß § 215 Abs. 2 BGB a.F., der gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 S. 2 EGBGB einschlägig ist, nicht als erfolgt gilt; denn der Vorprozess wurde durch das Urteil des OLG Oldenburg vom 20.09.2000 beendet, so dass die 6-Monats-Frist des § 215 Abs. 2 BGB a.F. weit vor Erhebung der vorliegenden Regressklage im Jahre 2002 abgelaufen ist. Anhaltspunkte für die Annahme einer zur Sekundärverjährung führenden Verletzung von Hinweis- und Aufklärungspflichten seitens des Beklagten zu 2. bestehen nicht. Ein sog. begründeter Anlass für einen Sekundärhinweis wegen einer (möglichen) Pflichtverletzung durch die Erklärung des Rücktritts gemäß § 455 BGB in der Zeit des bereits durch die Kündigung der Klägerin vom 08.04.1999 beendeten Mandats ist weder dargetan noch sonst ersichtlich. Auch hatte die Klägerin bereits im April 1999 andere Rechtsanwälte mit der Durchsetzung ihrer Ansprüche gegen die Käuferin mandatiert. Aus der Tatsache der Streitverkündung am 06.07.2000 gegenüber dem Beklagten zu 1. resultiert, dass die Klägerin durch ihre neuen Bevollmächtigten über mögliche Regressansprüche gegenüber den Beklagten informiert war, ihre neuen Anwälte also rechtzeitig vor Ablauf der Primärverjährungsfrist gerade auch wegen der Regressfrage mandatiert waren, so dass es ebenfalls an der erforderlichen Schutzbedürftigkeit der Klägerin für eine Sekundärhaftung mangelt (vgl. dazu BGH, NJW 2003, 822 = WM 2003, 928).

Da die Regressklage somit nicht in verjährungsfreier Zeit gegen den Beklagten zu 2. erhoben wurde und hinsichtlich der Verjährung § 425 BGB greift, sind Ansprüche gegen den Beklagten zu 2. verjährt.

V.

Der geltend gemachte Zinsanspruch ist gerechtfertigt unter dem Gesichtspunkt des Verzuges in gesetzlicher Höhe ab Rechtshängigkeit. Da der Prozesskostenschaden erst im Laufe des Rechtsstreits beziffert wurde und Rechtshängigkeit der Zahlungsansprüche erst mit Zustellung des Schriftsatzes vom 08.11.2002, die auf den 18.11.2002 zu datieren ist, eingetreten ist, war die Klage hinsichtlich des darüberhinaus geltend gemachten Zinsanspruchs abzuweisen. Soweit ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 14.10.2003 der Zinsbeginn mit dem 18.11.2003 tenoriert ist, handelt es sich um einen offensichtlichen Schreibfehler, der wie geschehen gemäß § 319 Abs. 1 ZPO zu berichtigen war.

VI.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits beruht auf den §§ 92, 97, 100 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

VII.

Die Revision ist vom Senat nicht zugelassen worden. Die Voraussetzungen einer solchen Zulassung gemäß § 543 ZPO liegen nicht vor. Der Rechtsstreit besitzt keine grundsätzliche Bedeutung. Es war lediglich über die Besonderheiten eines Einzelfalls zu entscheiden. Eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist auch nicht zum Zwecke der Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten. Der Senat weicht nicht von Entscheidungen anderer Oberlandesgerichte oder von einer höchstrichterlichen Rechtsprechung ab; die vom Senat entschiedenen Rechtsfragen werden auch sonst in der Literatur nicht streitig erörtert. Der vorliegende Einzelfall gibt auch keine Veranlassung, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen oder des Verfahrensrechts aufzuzeigen oder eine entsprechende Leitentscheidung zu erlassen (vgl. dazu Zöller-Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 543 RN 12; Thomas-Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 511 RN 21).






OLG Hamm:
Urteil v. 14.10.2003
Az: 28 U 88/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/05a0f8a8d9ee/OLG-Hamm_Urteil_vom_14-Oktober-2003_Az_28-U-88-03




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