Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 17. August 2010
Aktenzeichen: I-4 U 62/10

(OLG Hamm: Urteil v. 17.08.2010, Az.: I-4 U 62/10)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25. Februar 2010 verkündete Urteil der 14. Zivilkammer - Kammer für Handelssachen - des Landgerichts Bochum abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien vertreiben Bauheizer und Industriestaubsauger. Die Klägerin mahnte die Beklagte unter dem 20. Juli 2009 wegen mehrerer Wettbewerbsverstöße ab (vgl. Fotokopie des Abmahnschreibens als Anlage 2 zur Klageschrift Bl. 27 ff d.A.). Die Beklagte gab unter dem Datum des 3. August 2009 nicht die von der Klägerin vorformulierte, sondern eine modifizierte strafbewehrte Unterlassungserklärung ab (vgl. Fotokopie als Anlage 4 zur Klageschrift Bl. 38 d.A.). Sie zahlte nicht die nach einem Gegenstandswert von 30.000,00 € berechneten Anwaltskosten.

Am 8. August 2009 stellte die Klägerin fest, dass die Beklagte bei einem von ihr im Internet angebotenen Artikel weiterhin mit dem Hinweis "2 Jahre Garantie" warb, ohne nähere Hinweise zum Inhalt der Garantie zu geben.

Auf die erneute Abmahnung der Klägerin vom 17. August 2009 (vgl. Fotokopie als Anlage 6 zur Klageschrift Bl. 45 ff d.A.) gab die Beklagte keine erneute Unterlassungserklärung ab. Daraufhin erwirkte die Klägerin eine Beschlussverfügung des Landgerichts Bochum, in der der Streitwert auf 15.000,00 € festgesetzt wurde (vgl. Fotokopie der Beschlussverfügung als Anlage 7 zur Klageschrift Bl. 48 ff d.A.). Die Aufforderung der Klägerin vom 7. Oktober 2009, die Beklagte möge eine Abschlusserklärung abgeben (vgl. Fotokopie als Anlage 9 zur Klageschrift Bl. 51 ff d.A.), blieb erfolglos.

Die Klägerin macht mit ihren Klageanträgen die Kosten für die beiden Abmahnschreiben sowie für das Abschlussschreiben ebenso geltend wie den Unterlassungsanspruch im Hinblick auf die Werbung "2 Jahre Garantie".

Die Beklagte hat während des Rechtsstreits auf die Klageforderung im Hinblick auf die erste Abmahnung Abmahnkosten nach einem Gegenstandswert von 5.000,00 € und damit 411,30 € nebst Zinsen gezahlt. Insoweit haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt.

Die Antragstellerin hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei Fernabsatzverträgen über Reinigungsgeräte mit privaten Endverbrauchern mit dem Hinweis:

"2 Jahre Garantie"

zu werben, ohne anzugeben,

- was die Voraussetzungen der Garantieleistung sind,

- was die Garantiebedingungen sind,

- dass die gesetzlichen Rechte nicht eingeschränkt werden,

wie nachfolgend abgebildet

Industriesauger/Industriestaubsauger/Wassersauger 2000W

NEU mit 2 Jahre Garantie-Technische Fragen€ ............

auf dem Onlinemarktplatz F bei dem Artikel mit der Artikelnummer ......3 geschehen;

3.

die Beklagte zu verurteilen, an sie 911,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen sowie 911,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.10.2009.

Die Beklagte hat beantragt,

die über die Erledigung hinausgehende Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat gerügt, dass der Gegenstandswert der ersten Abmahnung mit 30.000,00 € weit übersetzt sei und lediglich 5.000,00 € angemessen seien. Der von der Klägerin am 8. August 2009 festgestellte Werbehinweis "2 Jahre Garantie" beruhe auf einem Irrtum der Beklagten. Irrtümlich habe sie im Gegensatz zu allen weiteren Angeboten hier eine Korrektur unterlassen. Da es somit an einem neuen Verstoß fehle, fehle es an der für den Unterlassungsanspruch erforderlichen Wiederholungsgefahr und damit am Rechtsschutzbedürfnis. Deshalb seien auch die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche für die zweite Abmahnung und das Abschlussschreiben nicht berechtigt.

Das Landgericht hat durch Urteil vom 25. Februar 2010 wie folgt für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt,

1. an die Klägerin 594,10 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.07.2009 zu zahlen,

2. es bei Meidung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten (im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren) zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs bei Fernabsatzverträgen über Reinigungsgeräte mit privaten Endverbrauchern mit dem Hinweis:

"2 Jahre Garantie"

zu werben, ohne anzugeben,

- was die Voraussetzungen der Garantieleistung sind,

- was die Garantiebedingungen sind,

- dass die gesetzlichen Rechte nicht eingeschränkt werden,

wie nachfolgend abgebildet

Industriesauger/Industriestaubsauger/Wassersauger 2000W

NEU mit 2 Jahre Garantie-Technische Fragen€ ............

auf dem Onlinemarktplatz F bei dem Artikel mit der Artikelnummer ......3 geschehen;

3. an die Klägerin 911,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.09.2009 zu zahlen sowie weitere 911,80 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.10.2009.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Wegen des Inhaltes des Urteiles im Einzelnen wird auf Blatt 131 ff der Akten verwiesen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Unter Ergänzung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages geht sie insbesondere erneut auf die ihrer Meinung nach überhöhte Festsetzung des Gegenstandswerts für die erste Abmahnung ein und rügt, dass sich das Landgericht weder mit der von ihr vorgetragenen Rechtsprechung des OLG Düsseldorf noch mit den von ihr vorgelegten Unterlagen zu den danach maßgeblichen Kriterien wie Größe des Marktes und Vielzahl der Marktteilnehmer auseinandergesetzt habe. Hinsichtlich des Unterlassungsanspruchs verweist die Beklagte auf die von ihr abgegebene Unterwerfungserklärung. Sie stellt den Wettbewerbsverstoß grundsätzlich nicht in Frage, verweist aber erneut darauf, dass bei einem von mehr als 40 Angeboten lediglich versehentlich eine Korrektur unterblieben sei. Auch insoweit bezieht sich die Beklagte auf die bereits erstinstanzlich vorgetragene Entscheidung des OLG Rostock zur fehlenden Wiederholungsgefahr und zum fehlenden Rechtsschutzbedürfnis für eine erneute Abmahnung und für ein Abschlussschreiben. Sie meint, es verstoße gegen Denkgesetze wenn das Landgericht annehme, das weitere Bestehen einer fehlerhaften Garantiewerbung erwecke den Eindruck, als wolle sie sich nicht an ihre eigene Unterlassungsverpflichtung halten.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil des Landgerichts Bochum vom 25. Februar 2010 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des Inhaltes der Parteivorträge im Einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Der Klägerin steht gegenüber der Beklagten keinerlei Zahlungsanspruch zu. Denn die Abmahnungen der Klägerin vom 20. Juli 2009 und 17. August 2009 sind rechtsmissbräuchlich. Auch der Unterlassungsantrag unterliegt diesem Verdikt.

Von einem Rechtsmissbrauch i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruches beispielsweise das Gebührenerzielungsinteresse ist. Dabei dient die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs vorwiegend dazu, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen über Kosten der Rechtsverfolgung oder Zahlung von Vertragsstrafen entstehen zu lassen. Von einem solchen Gebührenerzielungsinteresse ist auszugehen, wenn die konkreten Umstände des Einzelfalls aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers deutlich machen, dass der Gläubiger kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung in einem ganz bestimmten Umfang haben kann und deshalb allein oder ganz überwiegend nur ein Gebühreninteresse verfolgt haben muss.

Die Klägerin ist hier Mitbewerberin der Beklagten, weil beide Parteien Bauheizer und Industriestaubsauger im Internet an Endverbraucher verkaufen. Als eine solche Mitbewerberin kann die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Rechtsverfolgung haben, wenn sie durch unlautere Wettbewerbshandlungen des Konkurrenten beeinträchtigt werden kann. Das kann grundsätzlich der Fall sein, wenn wie hier Informationspflichten des Verbrauchers im Rahmen eines Fernabsatzvertrages nicht erfüllt werden. Zu beachten ist in diesem Zusammenhang allerdings auch, dass es insoweit aus der Sicht der Mitbewerberin um Verstöße von eher unterdurchschnittlichem Gewicht geht, die sie nicht besonders beeinträchtigen können (Senatsbeschluss vom 9. März 2010 - I4 W 22/10). Auf die nicht unerhebliche Beeinträchtigung der Verbraucher, die die Verstöße spürbar macht, kann es insoweit nicht ankommen. Da die Abmahnpraxis von Mitbewerbern und Verbänden aber auch dem Interesse der Allgemeinheit an der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs dient, können auch umfangreiche Abmahntätigkeiten für sich allein noch keinen Missbrauch belegen, wenn umfangreiche Wettbewerbsverstöße in Betracht kommen. Dagegen kann aber auch schon bei einer geringen Zahl von Abmahnungen oder auch schon bei einer einzigen Abmahnung auf einen Rechtsmissbrauch zu schließen sein, wenn ganz besonders gewichtige Umstände vorliegen, die auf sachfremde Motive schließen lassen.

Davon muss hier schon bei der Abmahnung der Klägerin vom 20. Juli 2009 ausgegangen werden. Diese besondere Art der Rechtsverfolgung lässt in ihrer Gesamtschau nur den Schluss zu, dass mit dieser Abmahnung in erster Linie Kosten und Vertragsstrafen generiert werden sollten.

Diese Abmahnung enthält in Bezug auf die gerügten Wettbewerbsverstöße eine vorformulierte Unterwerfungserklärung, in der für jeden Fall der Zuwiderhandlung eine Vertragsstrafe von 5.100,00 € vorgeschlagen wird. Diese Vertragsstrafe ist angesichts der hier in Rede stehenden Wettbewerbsverstöße schon für sich sehr hoch. Es kommt hinzu, dass diese Vertragsstrafe ungewöhnlicherweise auch schon bei fehlendem Verschulden verwirkt sein soll. Die Regelung zum Ausschluss des Verschuldens bei der Zuwiderhandlung ist auch so in die Unterwerfungserklärung eingefügt, dass sie ohne weiteres überlesen werden kann. Einer solchen für den Abgemahnten überraschenden Abbedingung des Verschuldenserfordernisses bedarf es zur Sicherung der Gläubigerinteressen nicht, was sich auch daraus ersehen lässt, dass dem Senat, der schon sehr viele Abmahnungen zu Gesicht bekommen hat, eine solche Ausgestaltung einer vorgefertigten Unterlassungserklärung noch nicht begegnet ist, wenn man von Abmahnungen anderer Mandanten des jetzigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin einmal absieht. Das Verlangen, die erhebliche Vertragsstrafe unabhängig von einem Verschulden für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu versprechen, deutet vielmehr eindeutig darauf hin, dass die Generierung möglicher Vertragsstrafenansprüche in erheblicher Höhe, die der Klägerin zufließen und die Mitbewerberin empfindlich treffen, hier im Vordergrund steht. Dafür spricht insbesondere auch, dass für den Abgemahnten gerade auch die fehlende Exkulpationsmöglichkeit eine Haftungsfalle darstellt. Die unterbliebenen oder fehlerhaften Informationen sind häufig nicht von einem Tag auf den anderen einzufügen oder zu korrigieren. Insbesondere bei kleineren oder unerfahreneren Internetanbietern ist für die Korrektur der Widerrufsbelehrung oder der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in der Regel eine Kontaktaufnahme mit Dritten erforderlich. Sehr häufig wird gerade wegen der drohenden gerichtlichen Inanspruchnahme die Unterlassungserklärung schon abgegeben, bevor alle fehlerhaften Angaben aus dem Internetauftritt entfernt sind, was insbesondere bei vielfältigen Angeboten Zeit braucht. Werden Internetauftritte der Abgemahnten nach der Abgabe der Unterlassungserklärung alsbald kontrolliert und ist dem Schuldner der Pflicht zur Unterlassung der Einwand abgeschnitten, den Verstoß so kurzfristig nicht abstellen zu können, kann er vielfach der Verwirkung einer Vertragsstrafe nur schwer entgehen. Es kommt jedenfalls zu Zwangslagen, die zum Schutz des lauteren Wettbewerbs erkennbar nicht erforderlich sind. Dabei kommt noch hinzu, dass sich auch die Vertragsstrafe wegen der Rüge von meist verschiedenen Verstößen und verschiedenen Angeboten stark und für den Schuldner sogar bedrohlich vervielfältigen können. Zumindest können mehrfach Verstöße zunächst geltend gemacht werden, um den Druck zu erhöhen, jedenfalls eine Vertragsstrafe in der nicht unbeträchtlichen Höhe von 5.100,00 € zu zahlen.

Diese Haftungsverschärfung durch den Verfall einer Vertragsstrafe auch bei schuldloser Zuwiderhandlung, die zum Schutze des lauteren Wettbewerbs nicht erforderlich ist, da die Anforderungen an eine Entlastung des Schuldners ohnehin schon hochgeschraubt sind (vgl. Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche und Verfahren Kap. 20 Rz. 15 m.w.N.), wird hier noch dadurch verstärkt, dass neben den konkret abgemahnten Verstößen als Fall der Zuwiderhandlung hier unter c) der vorformulierten Unterlassungserklärung jedwede gesetzwidrige Belehrung des Verbrauchers festgesetzt wird. Dies stellt eine zusätzliche Belastung dar, dass die Klägerin in der vorgefertigten Unterlassungserklärung das Verbot unter c) teilweise unter Wiederholung des Gesetzestextes so weit formuliert hat, dass unter die Unterlassungsverpflichtung auch gänzlich andere Verstöße als die abgemahnten fallen können. Je weiter die mit der Unterlassungserklärung eingegangene Verpflichtung ist, um so größer ist die Gefahr von Verstößen (vgl. Senatsurteil vom 29. Juni 2010 - I4 U 24/10). Auch diese weite Fassung der Unterlassungsverpflichtung unter c) ist zum Schutze des lauteren Wettbewerbs nicht erforderlich. Wie § 8 Abs. 1 UWG formuliert, setzt der Schutz des lauteren Wettbewerbs bei bereits begangenen oder konkret drohenden Verstößen ein. Da mit Hilfe der Kerntheorie auch kerngleiche Verstöße im nachfolgenden Verletzungsfall erfasst werden, schießt eine umfassende Pflichtenstellung über das erforderlicher Sicherheitsmaß hinaus. In Verbindung mit der einheitlich geforderten hohen Vertragsstrafe von 5.100,00 € auch bei Verstößen von geringerem Gewicht spiegelt die mit der Abmahnung vorgeschlagene strafbewehrte Unterlassungserklärung hinreichend deutlich das vorherrschende Interesse der Klägerin wider, sich über den schnell gegebenen Verfall einer Vertragsstrafe eine Einnahmequelle zu verschaffen.

Neben der Erzielung von Vertragsstrafen steht erkennbar für die Klägerin auch die Erstattung der Abmahnkosten im Vordergrund. Denn bei der Abmahnung wird der unzutreffende Eindruck erweckt, Unterwerfung und Kostenerstattung gehörten zusammen. Beide werden bei der Frage der Fristverlängerung miteinander verquickt, ohne dass dies erforderlich ist. Wenn sich bei der Abgabe der Unterlassungserklärung im Regelfall wegen der Dringlichkeit eine Fristverlängerung verbietet, kann das für die Frist, die für die Erstattung der Kosten gesetzt wird, nicht gelten. Es ist bemerkenswert, dass im Rahmen der vorformulierten Unterlassungserklärung in großer Schrift und unterstrichen die Fälligkeit der an den Anwalt zu zahlenden Gebühren hervorgehoben wird. Für den Schuldner muss dies den Eindruck erwecken, dass er die Gefahr gerichtlicher Anspruchnahme nur dadurch verhindern kann, dass er neben der Unterlassungserklärung auch die Abmahnkosten umgehend erstattet. In diesen Eindruck fügt sich ein, dass die Erstattung der Abmahnkosten gleichrangig wie die Unterwerfungserklärung unter Ziffer 2. der vorformulierten Unterlassungserklärung aufgeführt wird. Diese besondere Behandlung, die die Klägerin ihrer Erstattungsforderung hinsichtlich der Abmahnkosten angedeihen lässt, zeigt ebenfalls, dass nicht die Bekämpfung des lauteren Wettbewerbs, sondern die Erzielung von Geldeinkünften im Vordergrund steht. Es wird für den Abgemahnten hier nicht deutlich, dass er die Unterlassungsklage schon durch die bloße Abgabe der Unterwerfungserklärung vermeiden kann, auch wenn er nicht bereit ist die Abmahnkosten zu erstatten.

Schließlich fügt sich in dieses Bild auch noch die Gerichtsstandsvereinbarung Bochum ein, dem Sitz des Prozessbevollmächtigten der Klägerin, die selbst ihren Sitz in F, also im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Münster hat. Auch der Sitz der Beklagten ist nicht C, sondern X. Diese Gerichtsstandsvereinbarung lässt sich mithin nur so erklären, dass dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin die Arbeit erleichtert werden soll. Auch dies hat mit der besseren Verfolgungsmöglichkeit von Wettbewerbsverstößen durch die Klägerin nichts mehr zu tun.

Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die Beklagte an diese vorgeschlagene Unterwerfungserklärung rechtlich nicht gebunden war. Sie hat dann ja auch eine Unterwerfungserklärung mit einer deutlich reduzierten Vertragsstrafe abgegeben. Für den Missbrauch nach § 8 Abs. 4 UWG ist aber allein entscheidend, dass die Klägerin mit der Abmahnung es zunächst einmal versucht hat, ihre missbräuchlichen Gelderzielungsinteressen durchzusetzen. Demgemäß ist auch die Belehrung in der Abmahnung über die mögliche Abgabe modifizierter Erklärungen so unpräzise gefasst, dass die abgemahnte Beklagte den Eindruck gewinnen musste, es tunlichst bei der vorgeschlagenen Unterwerfungserklärung zu belassen.

Allerdings greift im vorliegenden Fall keine Amtsprüfung ein. Denn § 8 Abs. 4 UWG betrifft nur den Unterlassungsanspruch selbst. Wenn Nebenansprüche wie hier der Erstattungsanspruch der Abmahnkosten in Rede stehen, kann der Missbrauchseinwand nur als materiellrechtliches Hindernis dem Anspruch des Klägers entgegengehalten werden (Fezer UWG § 8 Rz. 283, 297; Harte/Henning UWG § 8 Rz. 309 ff; Teplitzky a.a.O. Kap. 13 Rz. 50 ff).

Der Senat kann hier diesen Missbrauch der Klägerin bei der Abmahnung vom 20. Juli 2009 auch berücksichtigen, obwohl sich die Beklagte ausdrücklich nicht auf § 8 Abs. 4 UWG berufen hat, sondern die Klageforderung nur allgemein als unbegründet erachtet hat. Denn es handelt sich bei § 8 Abs. 4 UWG um einen Einwand, der von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wenn der unstreitige Sachverhalt einen Missbrauch i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG aufzeigt. Dies ist hier der Fall. Denn der Missbrauchseinwand leitet sich hier allein schon aus der Abmahnung der Klägerin vom 20. Juli 2009 her, deren Inhalt unstreitig ist.

Für die Frage des missbräuchlichen Vorgehens nach § 242 BGB gilt dies uneingeschränkt (Palandt BGB § 242 Rz. 15, 96 jeweils m.w.N.). Auch der Einwand der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB ist von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn der Sachverhalt genügend Anhaltspunkte für ein solches Verdikt ergibt, ohne dass sich der Schuldner ausdrücklich darauf berufen muss.

Anders ist es nur bei echten Einreden wie etwa der Verjährung, auf die sich der Schuldner ausdrücklich berufen muss, wenn das Gericht sie berücksichtigen soll, vgl. § 214 Abs. 1 BGB.

Der Missbrauchseinwand nach § 8 Abs. 4 UWG ist aber nicht der Kategorie der Einreden zuzurechnen, auf die sich der Schuldner ausdrücklich berufen muss. Er ist vielmehr als ein echter Einwand zu behandeln, der von Amts wegen zu berücksichtigen ist, wenn der Sachverhalt die Voraussetzungen des Einwandes erfüllt. Denn bei den Einreden handelt es sich um Gestaltungsrechte des Schuldners, die ihm die Rechtsverteidigung erleichtern sollen. Sie betreffen aber keine Umstände, die das Vorgehen des Gläubigers als solches missbilligen, wie beim Einwand der Sittenwidrigkeit nach § 138 BGB oder denen des Rechtsmissbrauches nach § 242 BGB.

§ 8 Abs. 4 UWG hat aber nicht einen solchen Schuldnerschutz im Auge, dem Wettbewerber die Verteidigung gegenüber wettbewerbsrechtlichen Ansprüchen zu erleichtern. Es steht nicht der Schuldnerschutz im Vordergrund, sondern es soll ein Verhalten unterbunden werden, das den Zielen des Wettbewerbsrechts zuwiderläuft. Er soll die Instrumentalisierung des Wettbewerbsrechts zu gesetzesfremden Zwecken, nämlich insbesondere dem des Gebührenerzielungsinteresses verhindert werden. Das verlangt aber, dass § 8 Abs. 4 UWG auch dann berücksichtigt werden muss, wenn sich der Beklagte nicht ausdrücklich auf diesen Einwand beruft. Andernfalls müsste sich das Gericht zum Handlanger des missbräuchlich handelnden Wettbewerbers als Klägers machen lassen.

Mithin kann die Klägerin aus ihrer missbräuchlichen Abmahnung vom 20. Juli 2009 keinerlei Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend machen, erst recht nicht die hier verlangten Abmahnkosten.

Dieser Missbrauchseinwand erfasst auch nicht nur die erste Abmahnung vom 20. Juli 2009, sondern auch die zweite Abmahnung vom 17. August 2009. Denn diese Abmahnung baut auf der ersten Abmahnung auf und teilt so deren missbräuchlichen Charakter. Diese Abmahnung nimmt ausdrücklich auf die erste Abmahnung Bezug und versteht sich als Fortsetzung dieses Abmahngeschäftes. Eine Vertragsstrafe, die ja auf der ersten Abmahnung beruht, und die Kosten für die zweite Abmahnung werden kumulativ verlangt. Auch die in der Abmahnung zusätzlich geforderte Vertragsstrafe wird auf der Basis der ursprünglich verlangten Vertragsstrafenhöhe berechnet. Wiederum werden Unterlassungserklärung und Kostenerstattung dergestalt miteinander verkoppelt, dass die Beklagte als Schuldnerin den Eindruck gewinnen muss, auch einer Unterlassungsklage nur dann entgehen zu können, wenn sie zusätzlich zu der Unterwerfungserklärung auch die Kosten erstattet.

Auch die Kosten des Abschlussschreibens vom 7. Oktober 2009 kann die Klägerin nicht erstattet verlangen. Ist die Abmahnung nämlich wie hier missbräuchlich gewesen, die dem Verfügungsverfahren vorausgegangen ist, ist es auch das nachfolgende Verfügungsverfahren gewesen (Köhler/Bornkamm UWG § 8 Rz. 4.7 m.w.N.). Eine Abschlusserklärung lag dann nicht mehr im Interesse der Beklagten.

Der Klägerin steht auch der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nicht zu. Ein gesetzlicher Unterlassungsanspruch nach §§ 3, 4 Ziff. 11 UWG i.V.m. § 477 BGB scheitert hier an § 8 Abs. 4 UWG. Insoweit ist diese Vorschrift hier unmittelbar anwendbar, dergestalt, dass sie das Unterlassungsbegehren der Klägerin bereits unzulässig macht, was von Amts wegen zu prüfen ist (Piper/Ohly/Soßnitzer UWG § 8 Rz. 157 m.w.N.).

Die Klägerin kann sich aber auch nicht auf die Unterwerfungserklärung der Beklagten vom 3. August 2009 stützen. In dieser Unterwerfungserklärung hat sich die Beklagte zwar verpflichtet, es zu unterlassen, mit Garantieangaben zu werben, ohne den Anforderungen des § 477 BGB zu genügen. Auch aus diesem Vertrag kann die Klägerin im Hinblick auf § 8 Abs. 4 UWG keine Rechte herleiten. Denn auch dieser Vertrag beruht auf einer rechtsmissbräuchlichen Rechtsverfolgung durch die Klägerin. Denn er beruht auf der vorangegangenen Abmahnung, die, wie dargelegt, als rechtsmissbräuchlich zu betrachten ist. Ein solcher Rechtsmissbrauch gibt dem Schuldner regelmäßig ein Kündigungsrecht im Hinblick auf die nachfolgende Unterwerfungserklärung. Dem Schuldner steht aber auch schon vor Ausspruch dieser Kündigung der Einwand des Rechtsmissbrauches aus § 242 BGB bzw. analog § 8 Abs. 4 UWG entgegen (Münchener Kommentar UWG § 8 Rz. 479 m.w.N.).

Darüber hinaus kann sich die Klägerin hier aber unabhängig vom Rechtsmissbrauchseinwand auch schon deshalb nicht auf die strafbewehrte Unterlassungserklärung wegen des hier in Rede stehenden Verstoßes stützen. Denn es ist nicht ersichtlich, dass der entsprechende Unterwerfungsvertrag bereits am 8. August zustande gekommen ist, als die Klägerin den gerügten Verstoß festgestellt hat. Denn die Klägerin hatte wie dargelegt eine schuldlose Vertragsstrafe von 5.100,00 € in ihrer vorformulierten Unterlassungserklärung gefordert. Die Beklagte hat aber nur eine schuldhafte Vertragsstrafe nach neuem Hamburger Brauch versprochen. Wegen dieser Abweichung bei der Bemessung der Vertragsstrafe hätte die Klägerin die Unterwerfungserklärung der Beklagten ihrerseits annehmen müssen, um den Vertrag zustande zu bringen, § 150 Abs. 2 BGB. Zudem hätte der Beklagten diese Annahme wiederum zugehen müssen, § 151 BGB (Fezer UWG § 8 Rz. 171). Vorliegend ist aber zunächst einmal weder eine Annahmeerklärung der Klägerin noch deren Zugang ersichtlich. Es ist nicht vorgetragen, ob und wann und wie die Klägerin auf die Unterwerfungserklärung der Beklagten vom 3. August 2009 reagiert hat. Die erste Reaktion der Klägerin erfolgt erst in der zweiten Abmahnung vom 17. August 2009. Danach will der Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin die Unterwerfungserklärung der Beklagten an die Klägerin weitergeleitet haben. Das ist aber noch keine Annahme, jedenfalls fehlt der Zugang bei der Beklagten. Der gerügte Verstoß datiert aber wie dargelegt bereits vom 8. August 2009 (vgl. Bl. 39 d.A.). Rechte können aus einer Unterwerfungsvereinbarung aber erst dann hergeleitet werden, wenn diese Vereinbarung zustande gekommen ist. Vorherige Verstöße bleiben sanktionslos.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Ziff. 10, 711 ZPO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 543 ZPO.






OLG Hamm:
Urteil v. 17.08.2010
Az: I-4 U 62/10


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