Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 20. Mai 2010
Aktenzeichen: L 5 KR 153/09

(LSG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 20.05.2010, Az.: L 5 KR 153/09)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.08.2009 wird zurückgewiesen. Die Anschlussberufung des Klägers wird als unzulässig verworfen. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu 1/3. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch auf Erteilung einer Auskunft über gespeicherte personenbezogene Sozialdaten der Jahre 2001 bis 2003.

Der 1972 geborene Kläger, der in der Zeit vom 01.02.2001 bis zum 13.02.2005 als Pflichtmitglied der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) bei der BKK H versichert war, wandte sich unter dem 30.05.2005 an die genannte Krankenkasse und bat um Auskunft, welche medizinischen Leistungen während seiner Mitgliedschaft für ihn abgerechnet worden seien. Er benötige diese Angaben, weil er bei der Beantragung einer Berufsunfähigkeitsversicherung Angaben zu den medizinischen Behandlungen der letzten fünf Jahre machen müsse.

Die Krankenkasse wandte sich daraufhin mit dem Begehren, dem Kläger Auskunft über die Arztbesuche und Abrechnungen der letzten fünf Jahre zu geben, an die Beklagte. Die Beklagte erteilte daraufhin eine Versichertenauskunft gemäß § 305 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) für das Jahr 2004. Die Daten für das 1. Quartal 2005 würden nach deren Vorliegen - voraussichtlich im September des Jahres - zugestellt. Daten für Zeiten vor 2004 könnten nicht übermittelt werden, da gemäß § 305 Abs. 1 SGB V nur die Verpflichtung bestehe, den Versicherten über in Anspruch genommene Leistungen und deren Kosten für das jeweils letzte Geschäftsjahr zu informieren.

Mit Schreiben vom 28.07. und 15.09.2005 wandte der Kläger sich gegen die Beschränkung der Auskunft auf die Zeit ab dem Jahr 2004. Die Beklagte habe selbst angegeben, dass sie auch aus dem Geschäftsjahr 2003 elektronische Behandlungsdaten gespeichert habe. Im Hinblick auf das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und § 810 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) habe er Anspruch darauf, dass sämtliche bei der Beklagten gespeicherten personenbezogenen Daten über seine Person bekanntgegeben würden. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass seine Versichertenkarte im Sommer 2003 zusammen mit weiteren Papieren in seiner Geldbörse kurzfristig verloren gegangen und im Fundbüro C später abgegeben worden sei. Es könne daher nicht ausgeschlossen werden, dass Dritte eventuell die Karte rechtswidrig gebraucht hätten und deren Behandlungen als die seinigen verbucht worden seien. Unter dem 25.08. und 04.10.2005 lehnte die Beklagte die Erteilung der Auskünfte erneut ab. Mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2008 hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurückgewiesen. Art und Umfang des Auskunftsanspruchs seien in § 305 SGB V abschließend geregelt und diesen Anspruch habe sie erfüllt.

Bereits am 20.07.2006 hat der Kläger Klage bei dem Sozialgericht (SG) Köln erhoben. Er hat vorgetragen, die Erteilung der Auskunft, auf die er als Ausfluss seines allgemeinen Persönlichkeitsrechtes und zugleich aus § 19 Abs. 1 BDSG einen Anspruch habe, sei von der Beklagten rechtswidrig verweigert worden. Außerdem bestehe der Anspruch auch gemäß § 83 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X). Diese Regelung werde nicht durch § 305 SGB V verdrängt. Vielmehr seien die Vorschriften des SGB V und SGB X verfassungskonform orientiert an dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht bzw. Anspruch auf informationelle Selbstbestimmung auszulegen.

Durch Beschluss vom 11.10.2006 hat das SG Köln den Rechtsstreit an das SG Düsseldorf verwiesen.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Abänderung der Bescheide vom 25.08.2005 und 04.10.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2008 zu verurteilen, ihm schriftlich Auskunft über sämtliche bei ihr gespeicherten personenbezogenen Daten über ihn aus den Jahren 2001 bis 2003 zu erteilen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat dargelegt, ein Anspruch des Klägers auf weitere Auskunft bestehe nicht. Ein Anspruch gemäß § 19 BSDG scheide aus, weil die Beklagte nicht dem Anwendungsbereich dieses Gesetzes unterfalle. Außerdem sei § 305 SGB V als Spezialregelung anzusehen, die weitergehende Ansprüche des Versicherten ausschließe. § 83 SGB X sei mithin nicht einschlägig. Außerdem sei für Zeiten vor 2003 keine vollständige Auskunft möglich, da es noch immer Mitglieder gegeben habe, die per Krankenschein abgerechnet hätten. Erst seit Januar 2003 seien diese Scheine eingescannt und so elektronisch erfasst worden; vorher habe dies nur für Diskettenabrechner gegolten. Aber auch für die Zeit ab dem Jahr 2003 sei keine vollständige Auskunft garantiert, weil die Krankenscheine nicht immer vollständig ausgefüllt seien.

Durch Urteil vom 12.08.2009 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger Auskunft über die bei ihr für das Jahr 2003 über den Kläger gespeicherten Sozialdaten zu geben und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Klage sei lediglich insoweit begründet, als die Beklagte dem Kläger die Auskunft über gespeicherte Sozialdaten aus dem Jahre 2003 verweigert habe. Der Auskunftsanspruch des Klägers ergebe sich aus § 83 SGB X. Dieser Anspruch werde nicht durch § 305 SGB V als die speziellere Regelung ausgeschlossen. Es sei dem Willen des Gesetzgebers gerade nicht zu entnehmen, dass § 305 SGB V die Auskunftsrechte des Versicherten abschließend abbilden solle. Das SGB X sei vielmehr das nach § 1 Abs. 3 Satz 1 BDSG maßgebliche bereichsspezifische Datenschutzrecht. Soweit § 83 SGB X als Ausfluss des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung einen Auskunftsanspruch normiere, bedürfe es zu dessen Ausschluss einer ausdrücklichen Regelung; diese sei jedoch weder nach dem Wortlaut des § 305 SGB V noch nach dessen Gesetzesbegründung gegeben. Der Auskunftsanspruch des Klägers bestehe jedoch im Hinblick auf die Vorgaben in § 83 Abs. 1 bis 4 SGB X nicht unbeschränkt, sondern es bedürfe in jedem Einzelfall einer Abwägung der privaten Interessen des Betroffenen mit den Interessen der betroffenen Behörde, speziell mit dem für sie mit der Auskunftserteilung verbundenen sachlichen und personellen Aufwand. Diese Verhältnismäßigkeitsprüfung ergebe, dass dem Anspruch des Klägers lediglich für das Jahr 2003 nachzukommen sei und auch nur insoweit, wie sich Sozialdaten mittels der EDV der Beklagten finden ließen. Soweit die Daten in der EDV der Beklagten nicht erfasst worden seien, sei unschwer vorstellbar, dass das Auffinden von personenbezogenen Daten des Klägers mit einem Aufwand verbunden sei, der völlig außer Verhältnis zu dem geltend gemachten Interesse stehe. Dies gelte umso mehr, als jeglicher Vortrag des Klägers fehle, warum ihm diese Daten nicht selbst erinnerlich sein sollten.

Gegen das am 28.08.2009 beiden Beteiligten zugestellte Urteil hat die Beklagte am 28.09.2009 Berufung und der Kläger am 17.12.2009 Anschlussberufung eingelegt.

Die Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, dem Kläger stehe kein Auskunftsanspruch zu und verweist im wesentlichen auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.08.2009 zu ändern und die Klage abzuweisen sowie die Anschlussberufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und im Wege der Anschlussberufung das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12.08.2009 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 25.08.2005 und 04.10.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2008 zu verurteilen, ihm auch schriftlich Auskunft über sämtliche bei der Beklagten gespeicherten personenbezogenen Daten über den Kläger aus den Jahren 2001 bis 2002 zu erteilen.

Er wiederholt sein erstinstanzliches Vorbringen und hält die Auskunftserteilung insbesondere aus verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten für geboten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachund Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.

Gründe

Der Senat konnten ohne mündliche Verhandllung durch Urteil entscheiden, nachdem die Beteiligten sich übereinstimmend schriftsätzlich damit einverstanden erklärt haben, § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) iVm § 124 Abs. 2 SGG.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das Sozialgericht hat der Klage zu Recht teilweise stattgegeben. Der Kläger hat Anspruch auf Auskunft in dem vom SG angenommenen Umfang. Die Anschlussberufung des Klägers ist unzulässig.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Anspruch auf Erteilung einer Auskunft über gespeicherte Sozialdaten des Klägers durch die Beklagte.

Der erkennende Senat ist zur Entscheidung dieses Rechtsstreits berufen, obwohl die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein als Beklagte am Verfahren beteiligt ist. Dies ergibt sich aus dem Geschäftsverteilungsplan für das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2009 Teil A Abschnitt I, wonach der 5. Senat u.a. für Streitsachen der Krankenversicherung zuständig ist. Die Streitigkeit wird wegen der Beteiligung der Kassenärztlichen Vereinigung nicht zu einer solchen des Vertragsarztrechtes i.S.v. §§ 10 Abs. 2, 40 Satz 2 SGG, für die der 11. Senat zuständig wäre.

Maßgeblich für die Zuordnung von Streitigkeiten ist, ob die begehrte Rechtsfolge nach ihren einschlägigen materiellrechtlichen Grundlagen dem Bereich der Krankenversicherung oder des Vertragsarztrechts zuzuordnen ist (vgl. BSG Beschluss vom 18.11.2009 - B 1 KR 74/08 B -; BSG Urteil vom 12.08.2009 - B 1 KR 10/07 R -; a.A. BSG Urteil vom 06.05.2009 - B 6 A 1/08 R -). Soweit die begehrte Rechtsfolge im SGB V wurzelt, handelt es sich grundsätzlich um eine Angelegenheit der Krankenversicherung. Die Zuordnung von Streitigkeiten des Leistungs- und des Leistungserbringerrechts zu den Spruchkörpern für Krankenversicherung ist der Regelfall. Nur ausnahmsweise geht es dennoch um Vertragsarztrecht, soweit nämlich Streitigkeiten aufgrund der Beziehungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten, Psychotherapeuten, Vertragsärzten einschließlich ihrer Vereinigungen und Verbände betroffen sind, § 10 Abs. 2 SGG. Streitigkeiten aus diesem Teilbereich des Leistungserbringerrechts begründen eine abweichende Besetzung der Richterbank mit ehrenamtlichen Richtern gegebenenfalls aus den Kreisen der Krankenkassen und jedenfalls der Vertragsärzte, Vertragszahnärzte und Psychotherapeuten (§ 12 Abs. 3, 31 Abs. 2, 33, 40 Satz 2 SGG). Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang eine bloß mittelbare Betroffenheit von Vertragsärzten als Systembeteiligten. Dies gilt erst recht, wenn gar keine vertragsärztliche Leistungserbringung im Streit steht (vgl. BSG Urteil vom 12.08.2009 a.a.O.). Da der Kläger vorliegend letztlich Ansprüche aus seinem Krankenversicherungsverhältnis geltend macht, indem er Auskunft über die Sozialdaten begehrt, die der Beklagten aufgrund seiner Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung bekannt geworden sind, handelt es sich mithin um eine Angelegenheit der Krankenversicherung.

Das SG hat zutreffend entschieden, dass der Kläger einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der gespeicherten Sozialdaten des Jahres 2003 hat.

Anspruchsgrundlage des Auskunftsanspruchs ist § 83 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB X, wonach dem Betroffenen auf Antrag Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Sozialdaten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen, zu erteilen ist. Diese Auskunftsverpflichtung besteht für alle in § 35 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) genannten Stellen (vgl. Rombach in: Hauck/Haines, Sozialgesesetzbuch, § 83 SGB X Rdn. 5). Dass die Beklagte zu den in § 35 SGB I genannten Stellen gehört , hat das SG in seinem Urteil zutreffend dargelegt und wird auch von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen.

§ 83 SGB X wird entgegen der Ansicht der Beklagten nicht durch die Regelung gemäß § 305 SGB V verdrängt. Dass § 305 SGB V die Rechte des Versicherten gemäß § 83 SGB X unberührt lässt, folgt aus dem Wortlaut sowie Sinn und Zweck der jeweiligen Regelungen,wie das SG zutreffend und ausführlich dargelegt hat. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat hierauf gemäß § 153 Abs.2 SGG Bezug, zumal die Beklagte im Berufungsverfahren im wesentlichen pauschal auf ihr erstinstanzliches Vorbringen verwiesen hat, mit dem das SG sich jedoch hinreichend auseinander gesetzt hat. Soweit die Beklagte sich in ihrer Berufungsbegründung nochmals ausdrücklich auf das Urteil des BSG vom 10.12.2008 (- B 6 KA 37/07 R -,SozR 4-2500 § 295 Nr.2) bezieht, rechtfertigt diese Entscheidung die Auffassung der Beklagten gerade nicht.

Das BSG hat in dem genannten Urteil entschieden, die Weitergabe von Patientendaten durch Leistungserbringer an private Dienstleistungsunternehmen zwecks Leistungsabrechnung sei nicht erlaubt, da es insoweit an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage fehle (vgl. insoweit nunmehr §§ 120 Abs. 6, 295 Abs.1b Satz 5-8 SGB V); die Regelungen des BDSG kämen insoweit nicht zur Anwendung, da sie durch das sog. bereichsspezifische Datenschutzrecht im Sozialgesetzbuch verdrängt würden. Die datenschutzrechtlichen Bestimmungen des SGB I und SGB X fänden -so das BSG weiter- auf Leistungserbringer keine Anwendung. Vorliegend ist die Beklagte jedoch kein Leistungserbringer sondern eine von § 35 Abs.1 Satz 4 SGB I erfasste öffentlichrechtliche Vereinigung, für die die bereichsspezifischen Datenschutzregelungen des Sozialgesetzbuches gerade gelten. Dass § 305 SGB V die Rechte des Versicherten gemäß § 83 SGB X einschränken wollte, ist der Regelung weder nach ihrem Wortlaut noch nach ihrem Sinn und Zweck zu entnehmen, wie das SG ausführlich dargelegt hat. Während § 305 SGB V die Transparenz der Leistungserbringung und Leistungsabrechung erhöhen und hierdurch einen Beitrag zur Steigerung des Kostenbewusstseins der Versicherten leisten soll, ist es Zweck des § 83 SGB X, dem Betroffenen die Kenntnis der Verarbeitung seiner Sozialdaten zu ermöglichen, um die Zulässigkeit der Verarbeitung und Richtigkeit der Daten überprüfen zu können. Auch in der Literatur wird durchgängig die Auffassung vertreten, dass der Auskunftsanspruch gemäß § 305 SGB V die Auskunftspflicht über gespeicherte Daten nach § 83 SGB X unberührt lässt (Waschull in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 305 SGB V Rdn. 4; Kranig in: Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch, § 305 SGB V Rdn.2; Hess in: Kasseler Kommentar § 305 Rdn. 3, Berstermann in: Handbuch der Krankenversicherung, § 305 SGB V Rdn. 6).

Es ist auch nicht ersichtlich, dass die Auskunft über die gespeicherten Sozialdaten des Jahres 2003 einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert, dies wird auch von der Beklagten nicht geltend gemacht. Die entsprechenden Daten sind vielmehr, wie die Beklagte selbst einräumt, eingescannt und dann in der EDV erfasst worden; sie wurden auch noch nicht gelöscht. Auch Gründe gemäß § 83 Abs. 4 SGB X sind weder von der Beklagten vorgetragen noch ersichtlich.

Nach alledem hat das SG die Beklagte zu Recht verurteilt, dem Kläger Auskunft über die zu seiner Person gespeicherten Sozialdaten für das Jahr 2003 zu erteilen.

Die vom Kläger nach Ablauf der Berufungsfrist erhobene unselbständige Anschlussberufung ist unzulässig.

Die unselbständige Anschlussberufung (§ 202 SGG iVm § 556 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO)) ist nicht eigentlich ein Rechtsmittel, sondern nur ein angriffsweise wirkender Antrag, mit dem sich der Gegner (hier: der Kläger) innerhalb des Rechtsmittels des Berufungsklägers (hier: der Beklagten) an dieses Rechtsmittel anschließt. Sie bietet die Möglichkeit, die vom Berufungskläger angefochtene Entscheidung des SG auch zu seinen, des sich Anschließenden, Gunsten ändern zu lassen (vgl BSG SozR Nr 12 zu § 521 ZPO; SozR 1750 § 521 Nr 3 mwN). Mit ihr können aber nicht die Teile des sozialgerichtlichen Urteils zur Prüfung des Berufungsgerichts gestellt werden, die von der Berufung (hier: der Beklagten) nicht erfasst werden (vgl BSG SozR 3-5050 § 15 Nr 5 zur vergleichbaren Situation bei der Anschlußrevision). Für die Zulässigkeit der unselbständigen Anschlussberufung ist es deshalb erforderlich, dass die selbständige Berufung des Gegners (hier: der Beklagten) zulässig ist und die Anschlussberufung den gleichen prozessualen Anspruch betrifft (vgl BSG SozR Nr 12 zu § 521 ZPO; BSG, Urteil vom 23.06.1998 -B 4 RA 33/97-). Hieran fehlt es.

Die Berufung der Beklagten betraf allein die Verurteilung durch das SG zur Auskunftserteilung über gespeicherte Daten für das Jahr 2003. Der Kläger begehrt demgegenüber mit der Anschlussberufung Auskunft auch für die Daten der Jahre 2001 und 2002. Dieses Begehren hält sich nicht mehr im Rahmen des durch die Berufung der Beklagten vorgezeichneten Streitgegenstandes. Das hinsichtlich der Jahre 2001 und 2002 abweisende Urteil ist vielmehr rechtskräftig und die Bescheide insoweit bestandskräftig.

Im Übrigen wäre die Anschlussberufung des Klägers auch unbegründet. Das SG hat gut begründet dargelegt, dass kein Auskunftsanspruch für die Jahre 2001 und 2002 besteht, da dies mit einem unverhältnismäßigen Aufwand gemäß § 83 Abs. 1 Satz 3 SGB X verbunden wäre. Letztlich wird dies vom Kläger auch gar nicht in Abrede gestellt, jedenfalls hat er die Anschlussberufung nicht näher begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nr.1 SGG zugelassen.






LSG Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 20.05.2010
Az: L 5 KR 153/09


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/05e74acc51b0/LSG-Nordrhein-Westfalen_Urteil_vom_20-Mai-2010_Az_L-5-KR-153-09




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share