Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 4. Juli 2003
Aktenzeichen: WpÜG 4/03

(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 04.07.2003, Az.: WpÜG 4/03)

Tenor

Die Beschwerden der Beschwerdeführerinnen werden zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen haben die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Beschwerdewert: 54.500,00 €

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin zu 1) hat ihren Sitz in U. die Beschwerdeführerin zu 2) in G. Die Beschwerdeführerinnen treten als Kapitalanleger an deutschen Börsen auf. Sie halten zurzeit Vorzugsaktien der X-AG.

Die Y-GmbH mit Sitz in S. veröffentlichte am 18. März 2003 die Entscheidung, den Aktionären der X-AG ein freiwilliges Übernahmeangebot zu machen. Anschließend beantragte die Y-GmbH bei der Bundesanstalt für ..., die Veröffentlichung der Angebotsunterlagen zu gestatten. Das Angebot beinhaltete unter anderem, dass Y im Zeitraum vom 28. April 2003 bis zum 28. Mai 2003 X-Aktien kaufen wollte und zwar die Stammaktien zum Preis von jeweils 92,25 € Euro und die Vorzugsaktien zum Preis von 65 €. Die Bundesanstalt für ... gestattete die Veröffentlichung der Angebotsunterlagen durch Bescheid von 25. April 2003.

Die Beschwerdeführerinnen halten das Angebot von Y für zu niedrig. Sie haben sich deshalb gegen den Y erteilten Gestattungsbescheid der Bundesanstalt für ... gewendet und mit Schreiben vom 22. Mai 2003 Widerspruch erhoben. Außerdem haben die Beschwerdeführerinnen mit Schreiben vom 26.05.2003 beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main einstweiligen Rechtschutz begehrt. Diese Anträge hat der Senat durch Beschluss vom 28.05.2003 zurückgewiesen. Die Bundesanstalt für ... hat das Begehren beider Beschwerdeführerinnen jeweils durch Widerspruchsbescheid vom 03.06.2003 zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerinnen verfolgen ihr Rechtsschutzbegehren unter Vorlage eines Kurzgutachtens von Prof. Dr. S. zum Drittschutz im Übernahmeverfahren weiter. Sie bringen vor, gegen Verfügungen der Bundesanstalt Finanzdienstleistungsaufsicht sei für sie als Vorzugsaktionärinnen die Beschwerde statthaft. Die Gestattung der Angebotsunterlage sei ein Verwaltungsakt, der sich durch die Veröffentlichung der Angebotsunterlage nicht erledigt habe, ansonsten sei ein effektiver Rechtsschutz im Sinne von Art. 19 IV GG nicht gewährleistet.

Die Anfechtungsbefugnis sei auch nicht wegen § 15 WpÜG weggefallen. Die Bundesanstalt für ... müsse bei nicht gesetzeskonformer Angebotsunterlage die Gestattung versagen. Werde die Rechtswidrigkeit des Angebots erst nachträglich bekannt, setze die nachträgliche Untersagung in jedem Fall die Rücknahme der Gestattung voraus. Mit der Anfechtung der Gestattung sei die Wirkung des Angebots ausgesetzt. Das Übernahmeverfahren komme zum Stillstand. Damit sei dem Rechtsschutzziel der Beschwerdeführerinnen entsprochen. Das Argument, nur mit einer Verpflichtungsbeschwerde könne das Angebot zum Erliegen gebracht werden, sei nicht zutreffend.

Die Beschwerdeführerinnen seien in eigenen subjektiven Rechten verletzt. Sie hätten sich gegen die beanstandete Verfügung mit dem Widerspruch gewehrt. Eine Beteiligung am Ausgangsverfahren sei insoweit nicht erforderlich. Nach § 80 a VwGO sei anerkannt, dass auch Nichtadressaten durch einen Verwaltungsakt, der sich an einen Dritten richtet, verletzt sein könnten. Sie seien in ihrem Recht auf vollständige und richtige Information in der Angebotsunterlage (§§ 3 II, 11 I S. 2 und 3, 11 II Nr. 2, 11 II Nr. 4 i.V. m. § 3 WpÜG-AngVO) verletzt, ebenso in ihrem Recht im Rahmen eines öffentlichen Übernahmeangebots einen angemessenen Preis für die zum Erwerb angebotenen Vorzugsaktien zu erhalten (§ 15 I Nr. 2 ggf. i. V. m § 31 I S. 1 WpÜG), sowie in ihren Rechten auf Eigentum (Art. 14 GG) und auf freien Kapitalverkehr (Art. 56 EGV).

Die Beschwerdeführerinnen räumen ein, dass der Rechtsschutz Dritter, insbesondere von Aktionären der Zielgesellschaft im Übernahmeverfahren nicht hinreichend geklärt sei. Aus der Entstehungsgeschichte zum WpÜG ließe sich aber nicht ableiten, dass der Drittschutz ausgeschlossen werden sollte. Die Gesetzesmaterialien ließen einen gegenteiligen Befund zu. § 41 I S. 2 WpÜG ergebe nur dann einen Sinn, wenn man die Figur des Verwaltungsakts mit Drittwirkung anerkenne. Außerdem habe der Gesetzgeber die gescheiterte EU- Richtlinie weitgehend umsetzen wollen. Aus § 4 II WpÜG ließen sich keine Argumente gegen den Drittschutz herleiten. Diese Vorschrift sei von der Sorge des Gesetzgebers motiviert, die Bundesanstalt für ... könne Amtshaftungsansprüchen ausgesetzt sein. Das Argument, die Gesetzesbegründung zu § 4 II WpÜG gewähre keinen Drittschutz, stelle im Ergebnis einen klassischen Zirkelschluss dar. Wenn die Auslegung einer Norm ergebe, dass sie die subjektiven Rechte Dritter schütze, so könne sich der Gesetzgeber nicht durch den Ausschluss des Drittschutzes von jeder Verantwortung frei zeichnen. Eine solche Freizeichnung sei eine rechtsunwirksame Verwahrung. Der historische Wille des Gesetzgebers lasse sich nicht eindeutig dahingehend feststellen, dass ein Schutz der Aktionäre ausgeschlossen sein solle. Auch § 3 I und 2 WpÜG sprächen Schutzinteressen der Aktionäre an. Ebenso fänden sich im Wortlaut des Gesetzes Hinweise auf individualschützende Normen, so z. B. in § 11 WpÜG. Selbst für das Börsengesetz sei anerkannt, dass einzelne Normen drittschützenden Charakter hätten, so z.B. das Delisting. Das verfassungsrechtliche Gebot des effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 IV GG) bedinge, dass der Gesetzgeber den Drittschutz nicht ausschließen könne, wenn sich aus der materiellen Auslegung des Gesetzes ergebe, dass dieses individualschützenden Charakter habe.

Das von der Beschwerdegegnerin angeführte Argument der raschen Verfahrensdurchführung könne nur als erstaunlich bezeichnet werden. Soweit das WpÜG in den Fällen der Beschwerden betroffener Aktionäre hinsichtlich der verfahrensrechtlichen Regelungen lückenhaft sei, sei es Sache des Gesetzgebers dem Grundsatz der raschen Verfahrensdurchführung Rechnung zu tragen.

Der Beschwerdebefugnis könne auch nicht entgegengehalten werden, dass etwaige Konflikte mit der Bieterin zivilrechtlich zu lösen seien, denn grundsätzlich habe jeder in einem subjektiven Recht Betroffene Anspruch auf Abwehr rechtswidriger hoheitlicher Eingriffe. Nach h.M. sei eine Zweigleisigkeit öffentlich-rechtlicher und zivilrechtlicher Verfahren durchaus möglich. Ob ein effektiver zivilrechtlicher Rechtsschutz des Aktionärs gegen den Bieter bestehe, sei zweifelhaft. § 12 WpÜG stelle jedenfalls keine ausreichende Anspruchsgrundlage dar.

Es sei zwar denkbar, dass eine Vielzahl von Aktionären Widerspruch und Beschwerde erhebe. Aus Furcht vor Massenverfahren könne aber nicht jeder Rechtsschutz verneint werden. Korrekturen seien hier aber dem Gesetzgeber vorbehalten, der sich wiederum an die Vorgaben unserer Verfassung zu halten habe.

Bei den als verletzt gerügten Rechten der Beschwerdeführerinnen handele es sich nach der Schutznormtheorie um subjektive Rechte. Soweit man nicht bereits § 15 I Nr. 2 WpÜG individualschützenden Charakter einräume, habe dies wenigstens in Verbindung mit dem Recht des Aktionärs auf einen angemessenen Preis (§ 31 I 1 WpÜG) zu erfolgen. Hier überwögen eindeutig die Individualinteressen.

Bei Versagung der drittschützenden Wirkung sei eine gerichtliche Überprüfung und damit letztlich auch eine Weiterentwicklung des Übernahmerechts nicht gewährleistet.

Wenn der hier vertretenen Auslegung des WpÜG zum individualschützenden Charakter einzelner Normen nicht gefolgt werde, komme eine Verletzung von Grundrechten (Art. 14 GG) und eine Verletzung von Art. 56 EGV in Betracht. Die Beschwerdeführerin zu 2) könne sich auf das europarechtliche Diskriminierungsverbot berufen, wonach sie hinsichtlich des Grundrechtsschutzes nicht schlechter gestellt werden dürfe als inländische juristische Personen.

Das Eigentum werde bereits beeinträchtigt, wenn in die Verkehrsfähigkeit der Aktien einer an der Börse zugelassenen Aktiengesellschaft eingegriffen werde. Ein erfolgreiches Übernahmeangebot stehe in seiner Wirkung einem Wegfall des Marktes durch ein Delisting gleich, denn die Liquidität in den Wertpapieren, die Gegenstand eines erfolgreichen Übernahmeangebotes gewesen seien, gehe in vielen Fällen in erheblichem Ausmaß zurück. Dieses Szenario werde auch durch die Angebotsunterlage und die Stellungnahme der X sehr deutlich beschrieben. Institutionelle Anleger würden sich oft gezwungen sehen, aus den betreffenden Werten auszusteigen, weil sie infolge des verringerten Streubesitzes nicht mehr Teil des Aktienindexes sei.

Wertpapiere fielen in den Anwendungsbereich von Art. 56 EGV. Unterschiedliche Bestimmungen in den verschiedenen EU-Mitgliedstaaten zur Behandlung von Stimmrechtsaktien und stimmlosen Aktien, beschränkten den freien Kapitalverkehr. So lasse der City Code on Takeovers and Mergers (Rule 14) und das österreichische Übernahmegesetz (§ 26 II) unterschiedliche Aufschläge in den Aktiengattungen nicht zu. Die Kapitalverkehrsfreiheit sei außerdem wegen der Möglichkeit der Illiquidität der X-Aktien nach einer erfolgreichen Übernahme betroffen. Die Möglichkeit des Verkaufs der Aktie könne dem nicht entgegengehalten werden, da hier gerade die Angemessenheit des Preises umstritten sei.

Den Beschwerdeführerinnen könne auch nicht entgegengehalten werden, sie könnten zivilrechtliche Schadenersatzansprüche gegen die Bieterin stellen, denn dies sei kein hinreichender Ausgleich. Abgesehen davon ermögliche die Zivilklage im Verhältnis zu dem hier eingeschlagenen Verfahren keine einfachere Rechtsdurchsetzung.

Die den Vorzugsaktionären angebotene Gegenleistung entspreche nicht dem Vorerwerbspreis, denn der von der Bieterin gezahlte Vorerwerbspreis für die Stammaktie betrage 92,25 €. Der Vorerwerbspreis für die Stammaktie übersteige mithin den für die Vorzugsaktie gezahlten Preis um nahezu 42 %. Aus § 4 S. 1 WpÜG-AngVO ergebe sich, dass hinsichtlich der Maßgeblichkeit des Vorerwerbspreises nicht zwischen Stamm- und Vorzugsaktien unterschieden werden dürfe. Im Referentenentwurf sei der Paketzuschlag auf maximal 15 % begrenzt gewesen. Dieser Entwurf sei aber wegen des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes nicht Gesetz geworden. Man habe Aktionäre an Paketzuschlägen teilhaben lassen wollen. Daraus ergebe sich, dass der Gesetzgeber die Einflussmöglichkeit auf die Zielgesellschaft nicht als ein maßgebliches Kriterium für die Preisfindung ansehe. Demzufolge könne es im Hinblick auf einen von der Bieterin gezahlten Vorerwerbspreis auch nicht darauf ankommen, ob die Aktien der Zielgesellschaft Stimmrechte vermittelten oder wie Vorzugsaktien regelmäßig stimmrechtslos ausgestaltet seien. Dies ergebe sich auch im Hinblick auf § 140 II AktG, wonach das Stimmrecht auflebe, wenn der Vorzugsbetrag in zwei aufeinander folgenden Jahren nicht oder nicht vollständig bezahlt werde.

Bei einer anderen Entscheidung ginge auch der übernahmerechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz des § 3 I WpÜG ins Leere. Nicht wenige vormalige Familiengesellschaften wie auch die X-AG hätten ausschließlich oder überwiegend Vorzugsaktien beim breiten Publikum platziert, um den Einfluss der Familienaktionäre zu wahren. Die Inhaber der Stammaktien könnten jetzt ihre Aktien zu einem hohen Preis veräußern. Das WpÜG habe nicht gewollt, dass der Erwerber nicht auch den Vorzugsaktionären einen Paketaufschlag vergüten müsse. Der Vorerwerbspreis müsse mindestens geboten werden, wenn er höher als der durchschnittliche Börsenpreis sei. Wenn die Aktie jedoch im Markt unterbewertet sei, was sich insbesondere an einem höheren Vorerwerbspreis zeige, dann müsse die Gegenleistung auch entsprechend höher bemessen werden. Ein Paketpreis dürfte immer auch den Unternehmenswert reflektieren. Ein Vorerwerbspreis, der weit von dem vom Erwerber nach seinen Methoden ermittelten Unternehmenswert abweiche, werde auch bei einem Verkauf eines Pakets von 50 % und mehr nicht zu erzielen sein. Bei der Behandlung der Vorzugsaktien könne nicht davon ausgegangen werden, dass die Vorzugsaktien von einer Teilnahme am Unternehmenswert der Zielgesellschaft ausgeschlossen sein sollten. Nicht jeder Gattungsunterschied rechtfertige einen Bewertungsunterschied.

Auch das von der ..., zu der auch die Beschwerdeführerinnen gehören, eingeholte und hier vorgelegte Gutachten der S. und Partner OHG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, H., komme für Stämme und Vorzüge auf der Basis einer Stand-alone-Betrachtung (d. h. ohne Synergie-Effekte der Übernahme) zu einem Wert pro Aktie, der zwischen 84 und 97 Euro liege. Dieser Wert werde in einer gutachterlichen Stellungnahme von Prof. Dr. R., Universität M., bestätigt.

Die Angebotsunterlage der Bieterin enthalte keine Ausführungen darüber, warum der für die Stammaktien gezahlte Vorerwerbspreis, der den für die Vorzugsaktien gebotenen Preis um ca. 42 % übersteige, nicht bei der Angemessenheit der Preisfindung der Vorzugsaktien Berücksichtigung finde. Da eine unzureichende Begründung der Angemessenheit des gebotenen Preises es den Beschwerdeführerinnen unmöglich mache, eine informierte Entscheidung über die Annahme oder Nichtannahme des Angebots zu treffen, seien die Beschwerdeführerinnen auch insoweit durch die rechtswidrige Gestattung in ihren Rechten verletzt.

Die Angebotsunterlage leide ferner auch unter dem Mangel, dass die Bieterin ihre Absichten im Hinblick auf die künftige Geschäftstätigkeit der Zielgesellschaft in der Angebotsunterlage nicht offen gelegt habe. Die Angebotsunterlage enthalte lediglich floskelhafte Angaben, lasse aber alle Möglichkeiten offen. Aus der Angabe der Bieterin, dass die Übernahme ein Synergiepotential von 300 Millionen Euro freisetze, lasse sich entnehmen, dass die Bieterin offensichtlich konkrete Maßnahmen bei der Zielgesellschaft ins Auge gefasst habe. In der Internet-Pressemitteilung der Bieterin vom 29.05.2003 sei von einem bereits angekündigten Business Plan die Rede, der den Aktionären nicht mitgeteilt worden sei.

Die Angebotsunterlage sei offensichtlich unvollständig, was die Bundesanstalt für ... auch ohne umfangreiche Nachforschungen hätte erkennen können und daher eine Nachbesserung der Angebotsunterlage verlangen oder das Angebot untersagen müssen.

Die Außerachtlassung des Vorerwerbspreises bei der Ermittlung des für Vorzugsaktien anzubietenden Mindestpreises missachte auch Art. 56 EGV. Dieser sei betroffen, da den Beschwerdeführerinnen die in anderen Mitgliedstaaten geltenden Mindestpreisregelungen infolge der Auslegung des § 4 WpÜG-AngVO durch die Bundesanstalt für ... verwehrt bleibe. Nach der Note on Rule 14-UK City Code müsse der Bieter den Inhabern von Vorzugsaktien bei Vorerwerben zu höheren Preisen den prozentual gleichen Aufschlag bieten. Ähnliches gelte im österreichischen Übernahmegesetz. Die fragwürdige Auslegung der Bundesanstalt für ... nehme einem ausländischen Investor jedoch die Gelegenheit, seine Aktien im Fall der Kontrollerlangung durch den Bieter zu einem angemessenen Preis veräußern zu können. Das Verweigern einer angemessenen Gegenleistung verwehre diesen Investoren den Zugang zum inländischen Markt, weil der übliche Schutz im Fall einer Kontrollerlangung fehle. Gesichtspunkte, die diese Ungleichbehandlung rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich. Es sei ständige Rechtsprechung des EuGH und der Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission, dass die Verschlechterung von Rechten bestimmter Gesellschaftsgruppen, die ausländische Investoren von einer Investition in die Gesellschaft abschrecke, den freien Kapitalverkehr beeinträchtige. Einschlägig seien insoweit die jüngst ergangenen EuGH-Entscheidungen zu den €Goldenen Aktien€. Hier sei auch an das am 19. März 2003 wegen des Volkswagen-Gesetzes von der Europäischen Kommission gegen die Bundesrepublik Deutschland eingeleitete Verfahren zu denken. Wenn eine Regelung Vorzugsaktien wirtschaftlich schlechter stelle als Stammaktien würden damit die Rechte der Inhaber von Vorzugsaktien beschnitten. Da tendenziell ausländische Aktionäre eher der Gruppe der Vorzugsaktionäre angehörten, läge insoweit eine mittelbare Benachteiligung ausländischer Aktionäre vor. Art. 56 EGV könne damit direkt auf den hier zu beurteilenden Fall angewendet werden. Falls der Senat gleichwohl Zweifel an der Anwendung des Art. 56 EGV habe, werde die Vorlage an den EuGH erforderlich. Insoweit werde angeregt, die dem EuGH vorzulegende Rechtsfrage sinngemäß wie folgt zu formulieren: €Verstößt eine nationale Vorschrift, die es im Rahmen eines öffentlichen Übernahmeangebots erlaubt, dass einem Inhaber von stimmrechtslosen Aktien (Vorzugsaktien) die vom Bieter für den Erwerb der Kontrolle an die Inhaber der stimmrechtsvermittelnden Stammaktien gezahlte Prämie vorenthalten wird, gegen Art. 56 EGV€€

Hilfsweise machen die Beschwerdeführerinnen geltend, dass sie einen Anspruch gegen die Beschwerdegegnerin auf deren Einschreiten gegen die Bieterin hätten. Einerseits sei ihnen eine Entscheidung über das Angebot nicht zumutbar, andererseits bestehe für sie die Gefahr, dass mit Vollzug der Abwicklung des Angebots die Liquidität der X-AG dermaßen stark absinke, dass die Beschwerdeführerinnen auch über die Börse ihre Aktien an der X-AG nicht mehr zu angemessenen Konditionen veräußern könnten.

Die Beschwerdeführerinnen bringen weiter vor, die Bieterin habe die Transaktion bei der EU-Kommission noch nicht einmal angemeldet. Offenbar versuche die Bieterin durch den von ihr gesetzten Kartellvorbehalt das von ihr veröffentlichte Übernahmeangebot in der Schwebe zu halten. § 18 I WpÜG untersage aber, dass ein Angebot von Bedingungen abhängig gemacht werde, die die Bieterseite selbst herbeiführen könne. Auch wegen dieser Verfahrensverschleppung hätten die Beschwerdeführerinnen einen Anspruch auf Untersagung des Angebots.

Die Beschwerdeführerinnen beantragen,

die Gestattung der Veröffentlichung des freiwilligen öffentlichen Übernahmeangebots der Y-GmbH an die Aktionäre der X Aktiengesellschaft, D., durch die Bundesanstalt für ... gemäß Bescheid vom 25. April 2003 (Gz.: WA 16 € W 2902 € 2/2003) aufzuheben;

hilfsweise,

die Bundesanstalt für ... zu verpflichten, das gemäß Bescheid vom 25. April 2003 gestattete freiwillige öffentliche Übernahmeangebot der Y-GmbH an die Aktionäre der X Aktiengesellschaft, ..., gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 und 2 WpÜG zu untersagen;

hilfsweise

gleichwertig mit dem anderen Hilfsantrag, festzustellen, dass die Gestattung der Veröffentlichung rechtswidrig war.

Die Bundesanstalt für ... beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie nimmt Bezug auf ihre Ausführungen in den beiden Widerspruchsbescheiden. Sie verweist insbesondere darauf, dass öffentlich-rechtliche Pflichten der Bieterin nicht Rechte der Aktionäre seien. Es gehe um die Abwicklung eines Übernahmeverfahrens, die prozessuale Kodifizierung sehe hier keinen Individualschutz vor. Die Bundesanstalt für ... werde nur im öffentlichen Interesse zum Zweck der Vertrauensbildung und nicht im Interesse der einzelnen Aktionäre tätig. Das WpÜG sehe im Übrigen kein Verfahren vor, um die Angemessenheit der Preise zu kontrollieren.

Der Senat hat die Bieterin auf deren Antrag am Beschwerdeverfahren beteiligt. Die Bieterin beantragt ebenfalls die Zurückweisung der Beschwerde. Sie verteidigt die angefochtenen Entscheidungen der Bundesanstalt für ... und ihre Angebotsunterlagen. Sie hält unter Vorlage der Rechtsgutachten von Professor B. und von Prof. H. ihre Angebotsunterlage für rechtmäßig. Sie meint, Vorzugsaktionäre hätten kein Recht auf Gleichbehandlung mit Stammaktionären. Darüber hinaus hält sie den Angebotspreis für die Vorzugsaktien auch für angemessen. Sie bringt vor, der Drei-Monats-Durchschnittskurs, den die Bundesanstalt für ... ermittelt habe, habe für die W.-Vorzugsaktie 57,00 Euro betragen. Am 11.10.2002 habe der Kurs der Vorzugsaktie bei 41,89 Euro und am 17.03.2002 bei 61,35 Euro gelegen. Die Kursentwicklung sei erheblich durch die Übernahmespekulationen beeinflusst worden. Es gebe Anhaltspunkte, dass Hedgefonds während des Übernahmeverfahrens Aktienpakete erworben hätten, um Druck in Richtung Erhöhung des Angebotspreises auszuüben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen verwiesen.

II.

Die Beschwerde hat insgesamt keinen Erfolg. Die Beschwerdeführerinnen haben zwar ein Recht auf gerichtliche Überprüfung des ihnen jeweils erteilten Widerspruchsbescheids der Bundesanstalt für ..., denn sie sind Beteiligte des auf ihren Antrag in Gang gesetzten Verwaltungsverfahrens (§ 48 Abs. 2 WpÜG), das zu den angegriffenen Widerspruchsbescheiden vom 03.06.2003 geführt hat. Die Widerspruchsbescheide sind jedoch rechtmäßig. Der Senat folgt im Ergebnis der Ansicht der Bundesanstalt für ..., dass die Beschwerdeführerinnen keinen zulässigen Widerspruch gegen den der Bieterin erteilten Gestattungsbescheid erheben können, da sie insoweit keine Antragsbefugnis haben. Fraglich ist allerdings die Ansicht der Bundesanstalt für ..., die Beschwerdeführerin zu 2) könne sich als ausländische Gesellschaft nicht auf Art. 14 GG berufen, denn aufgrund des EG-Vertrags sind juristische Personen aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union inländischen juristischen Personen gleichzustellen (Stumpf, Grundrechtsschutz im Aktienrecht, NJW 2003, 9 ff, 10). Eine Entscheidung hierzu ist jedoch nicht erforderlich, denn auch wenn man der Beschwerdeführerin zu 2) den gleichen Grundrechtsschutz wie inländischen juristischen Personen zubilligt (vgl. Art. 19 Abs. 3 GG), wird davon das Ergebnis der Entscheidung nicht beeinflusst.

Da die Bundesanstalt für ... die von Y eingereichte Angebotsunterlage genehmigt hat, ist das Verfahren vor der Bundesanstalt für ... mit einer Y begünstigenden Entscheidung abgeschlossen worden. Das WpÜG sieht dagegen kein Antrags- oder sonstiges Beschwerderecht der Beschwerdeführerinnen vor. Nach dem Wortlaut des § 48 II WpÜG steht die Beschwerde nur den am Verfahren vor der Bundesanstalt Beteiligten zu. Die Frage, welcher Kreis von Personen diesen gerichtlichen Rechtsschutz in Anspruch nehmen kann, hängt also von der vorherigen Beteiligung am Verwaltungsverfahren ab (Schnorbus, Rechtsschutz im Übernahmeverfahren, Teil I, WM 2003, 616 ff, 620). Die Beschwerdeführerinnen waren an dem von der Bieterin eingeleiteten Gestattungsverfahren indessen nicht beteiligt (§§ 41, 48 WpÜG). Die Einlegung ihres Widerspruchs gegen die Gestattung der Angebotsunterlage durch Bescheid vom 25.04.2003 änderte daran nichts. Die formelle Beschwerdebefugnis des § 48 Abs. 2 WpÜG wäre eine sinnlose Regelung, wenn Dritten freistünde, allein durch Einlegung eines Widerspruchs gegen die an einen anderen gerichtete Entscheidung der Bundesanstalt selbst die Voraussetzungen für die Beschwerdebefugnis herbeizuführen. Es muss vielmehr bei dem allgemeinen beschwerderechtlichen Grundsatz für multipolare Konflikte bleiben, dass der Beschwerdeführer nur dann beschwerdebefugt ist, wenn er durch die vorausgegangene Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist (§§ 42 Abs. 2 VwGO, 20 FGG; vgl. Schnorbus, Rechtsschutz im Übernahmeverfahren, WM 2003, 657; a. A. Cahn, Verwaltungsbefugnisse der Bundesanstalt für ... im Übernahmerecht und der Rechtsschutz Betroffener, ZHR 167 (2003), S. 262 ff, 296).

Das WpÜG gibt den Beschwerdeführerinnen weder einen Anspruch auf Beteiligung an dem Verfahren der Bieterin vor der Bundesanstalt für ... noch ein Beschwerderecht. Ein etwaiger Beteiligungsanspruch der Beschwerdeführerinnen im Verfahren der Bieterin vor der Bundesanstalt für ... ergibt sich auch nicht aus dem Verwaltungsverfahrensgesetz, das für die Bundesanstalt für ... grundsätzlich anwendbar ist (§§ 1 ff VwVfG). Die Beschwerdeführerinnen gehören weder zu den €geborenen€ Beteiligten im Sinne von § 13 Abs. 1 Nr. 1 € 3 VwVfG, noch liegt ein Fall des § 13 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG vor, denn die Bundesanstalt für ... hat die Beschwerdeführerinnen gerade nicht zu dem Übernahmeverfahren beigeladen.

Nach § 13 Abs. 2 S. 2 VwVfG hat die Behörde einen Dritten auf Antrag hinzuzuziehen, wenn der Ausgang des Verfahrens rechtsgestaltende Wirkung für den Dritten hat. Eine rechtsgestaltende Wirkung hat die Entscheidung der Bundesanstalt für ... nicht, denn die Beschwerdeführerinnen bleiben unabhängig von der Entscheidung der Bundesanstalt für ... Aktionärinnen der X-AG.

Auch sonst ist keine Anspruchsgrundlage ersichtlich, auf den die Beschwerdeführerinnen einen im Verfahren nach dem WpÜG durchsetzbaren Widerrufs- bzw. Untersagungsanspruch stützen könnten.

Die Voraussetzungen, unter denen Gesetze subjektive öffentliche Rechte begründen, werden in der Rechtsprechung üblicherweise in der Schutznormlehre dahingehend zusammengefasst, dass das Gesetz eine Person objektiv begünstigen muss, diese individuelle Begünstigung muss als solche vom Gesetz bezweckt sein und die Durchsetzbarkeit der Rechtsfolge für die gezielt begünstigte Person muss vom Gesetz intendiert sein (Sachs, Grundgesetz, 3. Aufl. 2003, Art. 19 Rn 129; auch Schmidt-Aßmann in Maunz-Dürig, Komm. zum GG, Art. 19 Rn 128).

Soweit die Beschwerdeführerinnen meinen, dass sie ein subjektiv-öffentliches Recht auf das beantragte Tätigwerden der Bundesanstalt für ... aus § 31 Abs. 1 WpÜG in Verbindung mit § 15 Abs. 1 Nr. 2 WpÜG herleiten können, vermag der Senat ihnen nicht zu folgen. Nach diesen Vorschriften hat die Bundesanstalt für ... das Angebot zu untersagen, wenn die angebotene Gegenleistung nicht angemessen ist (Geibel/Süßmann, WpÜG, § 31 Rn 26). Weder § 31 WpÜG noch sonstige Vorschriften des WpÜG oder der WpÜG-AngVO sehen aber ein Verfahren vor, mit dessen Hilfe die Angemessenheit der Gegenleistung für die Aktionäre der Zielgesellschaft überprüfbar wäre (Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 31 Rn 86). Die Aktionäre sind vielmehr darauf verwiesen, ihre etwaigen Ansprüche auf eine angemessene Gegenleistung vor den Zivilgerichten durchzusetzen (KK-WpÜG/Kremer/Oesterhaus, § 31 Rn 105; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 31 Rn 88).

Entgegen der Annahme der Beschwerdeführerinnen lässt sich aus der Entstehungsgeschichte zum WpÜG ableiten, dass das Verwaltungsverfahren vor der Bundesanstalt für ... und die insoweit von der Bundesanstalt für ... zu beachtenden gesetzlichen Vorschriften keine drittschützende Wirkung mit der Folge eigener Antrags- und Beschwerderechte der Antragstellerin im Verwaltungs- bzw. im Beschwerdeverfahren haben sollten. Ziel des Gesetzes war es vielmehr, Rahmenbedingungen bei Unternehmensübernahmen und anderen öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren in Deutschland zu schaffen, die den Anforderungen der Globalisierung und der Finanzmärkte angemessen Rechnung tragen und hierdurch den Wirtschaftsstandort und Finanzplatz Deutschland auch im internationalen Wettbewerb weiter stärken (Pötsch, Das neue Übernahmerecht, S. 16). Das WpÜG ist beschlossen worden, weil die Selbstregulierung in Deutschland nicht im gleichen Umfang zu einer Kapitalmarktusance geworden ist, wie in anderen Ländern (BT-Drucksache 14/7034, S. 1, 27). Der Bundesanstalt für ... obliegt damit eine allgemeine Missstandsaufsicht über den Ablauf des öffentlichen Übernahmeverfahrens. Das WpÜG gibt der Bundesanstalt für ... spezialgesetzliche Eingriffsbefugnisse (Schnorbus, Drittklagen im Übernahmeverfahren, ZHR 166 (2002), 72 ff, 74). Der Gesetzgeber eröffnete für die Minderheitenaktionäre mit dem WpÜG ein geregeltes Verfahren, ihre Beteiligungen außerbörslich zu veräußern. Die Übernahmefreiheit des Bieters wird eingeschränkt. Der einzelne Aktionär soll danach die Möglichkeit einer Desinvestitionsentscheidung erhalten. Daraus resultiert aber noch kein Anspruch des einzelnen Aktionärs auf einen Eingriff der Bundesanstalt für ..., sofern er die Angemessenheit des Angebots bezweifelt. Vertrauensschutz durch ein verbindliches geregeltes Verfahren der Eingriffsverwaltung gegenüber dem Bieter bedeutet noch nicht Individualschutz und Teilhabe an diesem Kontrollverfahren. Der Gesetzgeber ist dabei möglicherweise in Richtung Vertrauensschutz auf halbem Weg stehen geblieben. Weiterzugehen war er aber nicht verpflichtet.

Das WpÜG enthält zwar etliche Normen, die sich für die Aktionäre vorteilhaft auswirken können, so z.B. die §§ 11, 14, 15, 20, 22, 26, 27, 35, 36, 37 WpÜG. Damit ist jedoch noch nicht gesagt, dass der Gesetzgeber insoweit dem einzelnen Aktionär eine geschützte, im Verwaltungs- bzw. im Beschwerdeverfahren durchsetzbare Rechtsposition einräumen wollte (vgl. hierzu auch Geibel/Süßmann, WpÜG, § 4 Rn 13; KK-WpÜG/Giesberts, § 4 Rn 50 ff; Steinmeyer/Häger, WpÜG, § 41 Rn 18), vielmehr ist mit der Einführung eines geordneten Verfahrens durch das WpÜG schon eine Verbesserung der Rechtsstellung der Aktionäre einhergegangen. Einen Schutz der Aktionäre der Zielgesellschaft soll, ähnlich dem Schutz der Zeichner von Wertpapieren aufgrund eines Verkaufsprospekts, die Haftung für das Angebotsdokument schaffen (§ 12 WpÜG, Geibel/Süßmann, Erwerbsangebote nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, BKR 2002, 52 ff, 56). Dieser Schutz ist jedoch nicht im Verwaltungs- sondern im Zivilverfahren einzufordern.

Ein darüber hinausgehender gesetzgeberischer Wille zur Schaffung drittschützender Normen, die im Verwaltungsverfahren zu beachten sind, ergibt sich weder in teleologischer Hinsicht aus weiteren Regelungen des WpÜG noch aus seiner Entstehungsgeschichte. Zwar war im Entwurfsstadium des WpÜG die Beteiligungsmöglichkeit Dritter im Verwaltungsverfahren und daraufhin auch im gerichtlichen Verfahren breiter angelegt. Dem korrespondierte auch eine Missbrauchsklausel. Danach lag der Gedanke nahe, der Gesetzgeber habe drittschützende Normen schaffen und auch den Aktionären Rechte gewähren wollen, die diese im Verfahren vor und im gerichtlichen Verfahren gegen die Bundesanstalt für ... auch durchsetzen könnten. Der Regierungsentwurf ist jedoch so nicht Gesetz geworden, sondern hat gerade bezüglich des Verfahrens beträchtliche Einschränkungen erfahren. Im Lichte dieser Einschränkungen ist auch die Begründung des ursprünglichen Regierungsentwurfs (BT-Ds 14-7034) zu lesen. Der Senat hält es deswegen nicht für zulässig, zur Begründung von drittschützenden Wirkungen umstandslos auf die Begründung des ursprünglichen Regierungsentwurfs zurückzugreifen.

Im Ergebnis wird durch die hier vertretene Auslegung des WpÜG zwar die Rechtsprechung zum WpÜG nicht beim Wertpapiererwerbs- und Übernahmesenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main konzentriert, wie es für die Anfechtungs- und Verpflichtungsbeschwerde hinsichtlich beantragter oder unterlassener Verfügungen der Bundesanstalt für ... in § 48 WpÜG vorgesehen ist. Eine Konzentration aller sich aus dem WpÜG ergebender Ansprüche vor dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmesenat ist aber im WpÜG ohnehin nicht vorgesehen, vielmehr sind für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die sich aus dem WpÜG ergeben, die Landgerichte zuständig (§ 66 I WpÜG). Entgegen dem Vorbringen der Beschwerdeführerinnen kann ein Drittschutz sich deshalb nicht auf den Konzentrationsgedanken stützen. Es mag auch sein, wie die Beschwerdeführerinnen vorgebracht haben, dass die hier diskutierten Fragen vom Gesetzgeber nicht mehr gelöst werden konnten, weil das WpÜG zum 1.1.2002 in Kraft treten sollte. Dies ist indessen hinzunehmen, da die gesetzgeberische Entscheidung zur Engführung der Individualrechte der Aktionäre hinreichend deutlich geworden ist.

An den Regelungen des § 4 Abs. 2 WpÜG, der Entwicklungsgeschichte des § 52 WpÜG und dem Wegfall des im Regierungsentwurf noch vorgesehenen § 42 wird deutlich, dass der Gesetzgeber eine Beschränkung der Verfahrensbeteiligten im Verwaltungsverfahren gewollt hat und damit notwendigerweise jedenfalls in den das Verwaltungsverfahren betreffenden Regelungen nicht von einer drittschützenden Wirkung ausgegangen ist (vgl. zur bürgerlich-rechtlichen Natur mancher Normen des WpÜG, Pötzsch, Das neue Übernahmerecht, S. 51).

§ 4 Abs. 2 WpÜG stellt ausdrücklich fest, dass die Bundesanstalt für ... die ihr nach diesem Gesetz zugewiesenen Aufgaben und Befugnisse nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt. Während das WpÜG die Beteiligtenstellung für das Verfahren vor dem Beschwerdegericht nur schlicht dahingehend regelt, dass an dem Beschwerdeverfahren der Beschwerdeführer und die Bundesanstalt für ... beteiligt sind (§ 52 WpÜG), lautete der Regierungsentwurf zum WpÜG (damals § 53) noch dahingehend, dass neben dem Beschwerdeführer und dem Bundesaufsichtsamt (jetzt: Bundesanstalt für ...) auch die Personen und Personenvereinigungen beteiligt seien, die vom Bundesaufsichtsamt hinzugezogen worden seien. In der Begründung zum Regierungsentwurf heißt es weiter dazu, dass damit die Beteiligung derjenigen Personen und Personenvereinigungen geregelt sei, die das Bundesaufsichtsamt hinzugezogen habe, weil ihre rechtlichen Interessen berührt worden seien. Der Begriff der Hinzuziehung verweise auf § 13 Abs. 1 Nr. 4 VwVfG. Eine allein wirtschaftliche Betroffenheit durch das Übernahmeverfahren sei hingegen nicht ausreichend für eine Beteiligung. Durch die Beteiligung der Personen und Personenvereinigungen, die vom Bundesaufsichtsamt hinzugezogen worden seien, solle sichergestellt werden, dass im Verwaltungsverfahren wie im Beschwerdeverfahren die gleichen Beteiligten erfasst seien (BT-Drucksache 14/7034, S. 66). Dieser Entwurf ist aber nicht Gesetz geworden. Der Finanzausschuss hat zu seinem Abänderungsvorschlag, der dem heutigen § 52 WpÜG entspricht, ausgeführt, die Neufassung der Vorschrift berücksichtige, dass in dem Verfahren vor dem Bundesaufsichtsamt ausschließlich der Adressat einer Verfügung beteiligt sei, bzw. derjenige, der geltend mache, einen Anspruch auf den Erlass einer Verfügung zu haben. Dementsprechend erfolge auch keine Hinzuziehung von Personen und Personenvereinigungen durch das Bundesaufsichtsamt (BT-Drucksache 14/7477, S. 52).

Ein besonderes Gewicht bei der Beurteilung dessen, was der Gesetzgeber durch das WpÜG an einklagbaren Individualrechten schaffen wollte, hat die Streichung des § 42 WpÜG-RegE. § 42 WpÜG-RegE sah eine Schadensersatzpflicht für den Missbrauch des Widerspruchs- oder Beschwerderechts vor, wenn sich Widerspruch oder Beschwerde als von Anfang an ungerechtfertigt herausstellen sollten. An Missbrauchsbeispielen nannte der Entwurf dabei insbesondere das Erwirken der Untersagung des Angebots durch vorsätzlich oder grob fahrlässig vorgetragene falsche Angaben, die Stellung eines Überprüfungsantrags mit dem Ziel, das Angebotsverfahren zu behindern oder Konkurrenten zu schädigen oder die Einlegung von Widerspruch bzw. Beschwerde in der Absicht, diese später gegen Geld oder andere Vorteile zurückzunehmen. Dieser Entwurf ist im Bundesrat kritisiert worden, u. a. weil unklar sei, wer anspruchsberechtigt sei. Daraufhin ist diese Missbrauchsklausel fallen gelassen worden, weil sie keinen praktischen Anwendungsbereich habe, da Dritte durch Verfügungen des Bundesaufsichtsamts nicht in ihren Rechten verletzt sein und demzufolge keinen Widerspruch oder Beschwerde einlegen können, der als missbräuchlich zu qualifizieren wäre (Pötzsch, Das neue Übernahmerecht, S. 265, 266).

Ein solcher Ausschluss der Aktionäre vom Verwaltungsverfahren und der anschließenden gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeit ist aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit allerdings nur möglich (Art. 19 Abs. 4, 20 GG), wenn die Verwaltungsentscheidung nicht unmittelbar in verfassungsrechtlich abgesicherte Positionen des Aktionärs eingreift. Wäre eine Grundrechtsposition des Aktionärs durch die Entscheidung unmittelbar betroffen, dann könnte sich ein verfassungsrechtlicher Anspruch auf Verfahrensteilhabe ergeben (Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 6. Auf. 2001, § 13 Rn 39; v. Münch, Grundgesetz-Kommentar, Vorb. 1 € 19, Rn 27). Damit wäre notwendigerweise auch ein Anspruch auf gerichtliche Überprüfung der das Rechtsgut verletzenden Verwaltungsentscheidung (Art. 19 IV GG) verknüpft. Gibt das Entscheidungsprogramm des Gesetzes der Behörde auf, bei der Ermessenausübung auch rechtlich geschützte Interessen des Betroffenen zu berücksichtigen, so greift die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 IV GG (BVerfG, NJW 1997, 3013 ff, 3014).

Einfachgesetzlich sieht das Entscheidungsprogramm wie vorstehend ausgeführt und in § 4 Abs. 2 WpÜG manifestiert, nur ein Tätigwerden der Bundesanstalt für ... im öffentlichen Interesse vor. In verfassungsrechtlich abgesicherte Positionen der Beschwerdeführerinnen hat die Bundesanstalt für ... nicht eingegriffen. Anteilseigner bzw. Aktionäre sind durch eine Entscheidung der Bundesanstalt für ... zwar möglicherweise in ihren wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt, Art. 14 Abs. 1 GG ist jedoch nicht verletzt. Schutzgut des Art. 14 Abs. 1 GG ist das Eigentum und nicht das Vermögen. Als Anteilseigentum unterfällt die Aktie zwar dem Schutz des Art. 14 Abs. 1 GG. Der Schutz erstreckt sich auf die mitgliedschaftliche Stellung in einer Aktiengesellschaft, die das Aktieneigentum vermittelt. Aus dieser erwachsen dem Aktionär im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften und der Gesellschaftssatzung sowohl Leitungsbefugnisse als auch vermögensrechtliche Ansprüche (DAT/Altana, BVerfG, ZIP 1999, 1436 ff, 1439). Dabei ist die herrschaftsrechtliche Seite für die Beschwerdeführerinnen als Vorzugsaktionäre wegen der grundsätzlichen Stimmlosigkeit ihrer Vorzugsaktien sehr begrenzt. Die Vermögenskomponente steht im Vordergrund. Das Interesse der Beschwerdeführerinnen konkurriert außerdem mit dem ebenfalls durch Art. 14 Abs. 1 GG geschützten Interesse der Mehrheitsaktionäre an der Verwertung und Verwertbarkeit der von ihnen gehaltenen Stammaktien. Das Anteilseigentum wird mithin durch Art. 14 Abs. 1 GG nur in dem Umfang geschützt, wie es in seiner im Wesentlichen gesellschaftsrechtlichen Ausgestaltung erworben wurde. Nur neue gesetzliche Inhalts- und Schrankenbestimmungen, die die bisherigen Befugnisse des Anteilseigentümers abstrakt und generell beschneiden oder mit ihm neue Pflichten verbinden, stellen Eingriffe in das Anteilseigentum dar. Als solche müssen sie zu ihrer Rechtfertigung im Rahmen von Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG dem Verhältnismäßigkeitsprinzip sowie der Institutsgarantie des Eigentums und dem rechtsstaatlichen Prinzip des Vertrauensschutzes Rechnung tragen (Jung, Individualschutz durch Wirtschaftsgrundrechte im Gesellschaftsrecht, JZ 2001, 1004 ff, 1012).

Das Eigentum der Beschwerdeführerinnen an ihren Vorzugsaktien ist vorliegend nicht verletzt worden, da die Entscheidung der Bundesanstalt für ... das Eigentum an den Aktien der Beschwerdeführerinnen nicht berührt. Die Beschwerdeführerinnen werden durch das Übernahmeangebot aus ihrer Eigentümerstellung nicht herausgedrängt. Der Verlust ihrer Eigentümerstellung hängt vielmehr derzeit ausschließlich von ihrem Entschluss ab, ob sie die Vorzugsaktien zu den angebotenen Bedingungen verkaufen wollen oder nicht. Soweit die Beschwerdeführerinnen mit der von der Bieterin angebotenen Gegenleistung nicht einverstanden sind, weil sie die Gegenleistung für zu niedrig halten, ist dieser Konflikt gesellschaftsrechtlich und nicht über das WpÜG zu lösen (so im Ergebnis auch KK€WpÜG/Giesberts, § 4 Rn 80).

Der Gesetzgeber hat durch das WpÜG die Übernahme von Aktienpaketen nicht erst ermöglicht, sondern € wie dargelegt € nur einer gesetzlichen Regelung zugeführt, um so auch eine Schutzwirkung für die Aktionäre im öffentlichen Interesse herbeizuführen. Die Einführung eines Verfahrens zur Regelung von Übernahmen ist nicht von Verfassungs wegen geboten gewesen. Der Rechtszustand vor Erlass des Übernahmegesetzes war mit den Grundrechten vereinbar (Cahn, Verwaltungsbefugnisse der Bundesanstalt für ... im Übernahmerecht und der Rechtsschutz Betroffener, ZHR 167 (2003), S. 262 ff, 286, 287). Es gibt auch keine übergeordneten Vorschriften des EG-Rechts die es erfordern würden, dass der Gesetzgeber Normen mit Drittwirkung für den Schutz der Aktionäre, insbesondere der Vorzugsaktionäre erlässt. Von den Fällen der Grundrechte und sonstiger verfassungsmäßiger bzw. übergeordneter Rechte abgesehen, bestimmt der Gesetzgeber, unter welchen Umständen dem Bürger ein Recht zusteht und welchen Inhalt es hat (BVerfG, NJW 1991, 1878 ff; BVerfG, NJW 1989, 666 ff, 667; vgl. auch Jarras/Pieroth, Grundgesetz, 6. Aufl. 2002, Vorb. Vor Art. 1 Rn 30, 51; Stumpf, Grundrechtsschutz im Aktienrecht, NJW 2003, 9 ff).

Vergleichbare Gründe wie sie Papier (Papier in Maunz/Dürig, Grundgesetz, Art. 34, Rn 188 ff) für die verfassungsrechtlichen Bedenken im Bereich der Banken- und Versicherungsaufsicht vorbringt, liegen hier nicht vor. Bei der Bankenaufsicht hat der Gesetzgeber vorhandene Haftungstatbestände abgestellt, wohingegen er beim WpÜG aufsichtsrechtlich in einen bislang nicht gesetzlich ausgefüllten Raum vorgestoßen ist. Dabei geht es ebenfalls um grundrechtlich geschützte Rechte des Bieters. Der Gesetzgeber musste auch die Belastung für die Zielgesellschaft so gering wie möglich halten (vgl. hierzu Aha, Rechtsschutz der Zielgesellschaft bei mangelhaften Übernahmeangeboten, AG 2002, 160 ff). Es ist denkbar, dass einige Aktionäre im Übernahmeverfahren sich von ihren vermögensrechtlichen Interessen leiten lassen, so dass diese während des Übernahmeverfahrens mit den unternehmerischen Interessen und letztlich dann auch verfassungsrechtlich geschützten Interessen der Zielgesellschaft konfligieren könnten. Öffentliche Angebote, insbesondere wenn sie auf Übernahme gerichtet sind, entfalten gravierende Auswirkungen auf die Zielgesellschaft und belasten diese in nicht unerheblichem Maße (BT-Drucksache 14/7034, S. 29). Insbesondere kommt es zu einer Konzentration der Verwaltung auf das Übernahmeverfahren und damit zu einer außergewöhnlich starken Bindung von Kräften und Ressourcen des Managements der Zielgesellschaft. Der Vorstand muss sich in verstärktem Maß um die Kommunikation mit dem Kapitalmarkt, den Aktionären und den Mitarbeitern und deren Vertretungen bemühen. Aufgrund dieses Schwebezustandes besteht auch die Gefahr, dass qualifizierte Mitarbeiter den Arbeitsplatz wechseln und interessante Bewerber absagen (vgl. auch Aha, Rechtsschutz der Zielgesellschaft bei mangelhaften Übernahmeangeboten, AG 2002, 160 ff). Es könnte eine Verletzung der Zielgesellschaft in ihrem Grundrecht aus Art. 14 I GG sein, wenn dieser Zustand durch ein von einigen Aktionären eingeleitetes Verwaltungs- und Gerichtsverfahren so lange andauern würde, dass die Verhältnisse im Unternehmen so kompliziert würden, dass Entscheidungen kaum oder kaum mehr getroffen werden könnten (vgl. BVerfGE 50, 290 ff, 352; Papier in Maunz-Dürig, Komm. zum GG, Art. 14 Rn 196). Es ist nicht unverhältnismäßig, wenn der Gesetzgeber vor diesem Hintergrund diesen für ihn einfacheren Weg des Haftungsausschlusses gegenüber Dritten gewählt hat, mag es auch andere Möglichkeiten gegeben haben.

Es trifft auch nicht zu, dass § 41 I S. 2 WpÜG nur dann einen Sinn ergibt, wenn man die Figur des Verwaltungsakts mit Drittwirkung anerkennt. Eine erstmalige Beschwer ergibt sich bereits dann, wenn die Bundesanstalt für ... für den Bieter andere Auflagen macht als zuvor.

Beteiligungsrechte für Aktionäre am Verwaltungsverfahren wären auch nur schwerlich mit dem Bestreben des Gesetzgebers zu vereinbaren, die Durchführung des Wertpapiererwerbs- und Übernahmeverfahrens in möglichst kurzer Zeit zu ermöglichen (vgl. § 14 Abs. 1 und 2, § 3 Abs. 4 WpÜG). Angesichts der divergierenden Interessen der Aktionäre, wäre eine rasche Durchführung des Verwaltungsverfahrens oder des möglichen anschließenden Beschwerdeverfahrens kaum darstellbar (Cahn, Verwaltungsbefugnisse der Bundesanstalt für ... im Übernahmerecht und der Rechtsschutz Betroffener, ZHR 167 (2003), S. 262 ff, 293; Möller, Rechtsmittel und Sanktionen nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, AG 2002, 170). Dies zeigen auch die Erfahrungen mit den sich mitunter lange hinziehenden Spruchstellenverfahren nach §§ 304 ff AktG.

Auch unter dem Blickwinkel des EG-Rechts ergibt sich kein anderes Ergebnis; denn das WpÜG steht zum derzeit geltenden Europarecht insoweit nicht in Widerspruch (vgl. Ihrig, Rechtsschutz Drittbetroffener im Übernahmerecht, ZHR 167 (2003), 315 ff, 326; Möller, Das Verwaltungs- und Beschwerdeverfahren nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz unter besonderer Berücksichtigung der Rechtsstellung Dritter, ZHR 167 (2003), 301 ff, 305, Habersack, Reformbedarf im Übernahmerecht, ZHR 166 (2002) 619 ff, 621; Hopt, Grundsatz- und Praxisprobleme nach dem Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, ZHR 166 (2002) 383, 388; vgl. auch K-K- WpÜG/Giesberts, § 4 Rn 6; K-K zum WpÜG/Pohlmann, § 48 Rn 70). Ein Vorlagefall an den EuGH (Art. 234 EGV) ist deshalb nicht gegeben.

Nach Art. 234 EGV (vormals Art. 177 EGV) entscheidet der Gerichtshof im Weg der Vorabentscheidung über die Auslegung des EG-Vertrags. Nach allgemeinem Verständnis geht es bei der Auslegung des Vertrags i. S. v. Art. 234 EGV um die Ermittlung des Inhalts und der Tragweite einer bestimmten Rechtsnorm oder eines bestimmten Rechtsgrundsatzes. Der Begriff Auslegung umfasst auch die Schließung von Lücken im Gemeinschaftsrecht sowie die Beantwortung der Frage nach dem Bestehen oder dem Inhalt der in die Gemeinschaftsrechtsordnung rezipierten allgemeinen Grundsätze (Groeben/Thiesing/Ehlermann, Kommentar zum EU-/EG-Vertrag, 5. Aufl. 1997, Art. 177 Rn 37, 38).

Der von den Beschwerdeführerinnen angesprochene Art. 56 EGV, der im Kapitel über den Kapital- und Zahlungsverkehr steht, bestimmt, dass im Rahmen dieses Kapitels alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten sind. Die Beschwerdeführerinnen haben darauf verwiesen, dass Art. 56 EGV die Freiheit des Kapitalverkehrs gebietet und sich jeder auf diese Vorschrift berufen kann. Dies ist unbestritten. Hätte die Bundesrepublik Deutschland hier eine beschränkende Vorschrift erlassen, dann könnte sich die Frage nach der Auslegung des EG-Primärrechts mit der Folge stellen, dass ein Vorlagefall nach Art. 234 EGV jedenfalls hinsichtlich der Beschwerdeführerin zu 2) gegeben sein könnte. Dies ist jedoch nicht der Fall.

Die Kapitalverkehrsfreiheit schützt € wie auch die übrigen Grundfreiheiten € grenzüberschreitende Vorgänge vor einer Benachteiligung im Vergleich zu innerstaatlichen Vorgängen (Ress/Ukrow in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 56 Rn 39). Diese Verbotsnorm ist unbedingt und ohne weitere Konkretisierung anzuwenden. Sie ist auch geeignet, unmittelbare Wirkungen in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und der ihrem Recht unterworfenen Personen zu erzeugen. Art. 56 EGV verpflichtet die Mitgliedstaaten unmittelbar und berechtigt ebenso unmittelbar die der jeweiligen Hoheitsgewalt des Mitgliedstaates ausgesetzten Personen. Diese erlangen also subjektive Rechte auf Einhaltung der Verbote. Regelungen, die mit Art. 56 EGV nicht in Einklang stehen, dürfen von den Behörden und Gerichten nicht angewendet werden (Ress/Ukrow in Grabitz/Hilf, Das Recht der Europäischen Union, Art. 56 Rn 70).

Der Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts mit dem die Bundesanstalt für ... im aufsichtsbehördlichen Verfahren einem Bieter die Gestattung zur Veröffentlichung einer Angebotsunterlage erteilt und die in dem Gestattungsverfahren gleichermaßen sowohl für in- und ausländische Stamm- als auch für Vorzugsaktionäre nicht eröffnete verfahrensrechtliche Beteiligung bedeutet keine europarechtsrelevante Beschränkung im Sinne des Art. 56 EGV. Die Beschwerdeführerinnen fordern vielmehr hinsichtlich der Bildung des angemessenen Angebotspreises, dass Stämme und Vorzüge bei dem vorliegenden Kontrollwechsel annähernd gleich zu behandeln und deswegen der Angebotspreis für die Vorzüge zu erhöhen sei. In der unterschiedlichen Behandlung sehen sie im Falle der Desinvestition einen unzulässigen Nachteil, denn die Vorzugsaktionäre könnten im Fall eines Übernahmeangebots deutlich niedrigere Zahlungen für ihre Aktien erhalten als die Inhaber von Stammaktien, obwohl die Vorzugsaktionäre außerhalb der Übernahme mit ihrer Investition das gleiche unternehmerische Risiko trügen wie die Stammaktionäre. Die Beschwerdeführerinnen erstreben damit im Kern eine positive Preisbildungsregulierung im Übernahmefall zugunsten der Vorzugsaktien und wehren sich nicht gegen eine Restriktion. Der Umstand, dass das österreichische und das britische Recht alle Aktionäre tendenziell an der Kontrollprämie teilhaben lässt, wie die Beschwerdeführerinnen vorbringen (vgl. hierzu auch Habersack, Auf der Suche nach dem gerechten Preis € Überlegungen zu § 31 WpÜG, ZIP 2003, 1123 ff, 1128/1129; vgl. für den City Code on Takeovers, abgedruckt bei Hirte, WpÜG, 349 ff; zum österreich. und schweiz. Recht Fleischer/Kalss, Das neue Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz, 145 ff, 1057 ff), vermag die Rechtsstellung der Beschwerdeführerinnen nicht zu verbessern. Entsprechendes gilt hinsichtlich ihres Vorbringens zum Schweizer Recht.

Der Senat lässt es dahinstehen, ob Angleichungs- also Partizipationsregelungen für Vorzugsaktien im Fall der Übernahme- wenn sie in der Bundesrepublik Deutschland vorhanden wären € im Sinne von Art. 56 EGV unbedenklich wären. Es könnte hier immerhin die Gefahr bestehen, dass die Freiheit des Kapitalverkehrs eingeschränkt würde, weil einem potentiellen Übernehmer dadurch für die Vorzugsaktie ein Preis aufgezwungen werden könnte, der auf dem Markt vorher nicht zu erzielen war und den der Übernehmer deshalb für die stimmrechtslosen Aktien auch nicht zu zahlen bereit ist, so dass ein solches Junktim einen potentiellen Übernehmer abschrecken könnte.

Soweit die Beschwerdeführerinnen darüber hinaus meinen, aus den von ihnen angeführten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für sich ganz allgemein Ansprüche oder auch nur Ansprüche auf Beteiligung am behördlichen Aufsichtsverfahren herleiten zu können, sind die Ausführungen nicht zielführend. Der Senat kann bereits nicht nachvollziehen, dass die Schlechterstellung von Vorzugs- gegenüber Stammaktien mindestens genauso schwerwiegend sei wie der Effekt bei Goldenen Aktien. In den von den Beschwerdeführerinnen insoweit angeführten Entscheidungen des EuGH (Urteile vom 4. Juni 2002 in den Rechtssachen C-367/98, Kommission/Portugal, C-483/99, Kommission/Frankreich, und C-503/99, Kommission/Belgien = NJW 2002, 2303- 2307) stehen die Sonderrechte staatlicher Stellen in Aktiengesellschaften, die durch Privatisierung aus staatlichen Unternehmen hervorgegangen sind, im Mittelpunkt. Durch die Sonderrechte sind die Verwaltungsrechte der Aktionäre beschnitten, der Grundsatz €one share one vote€ ist durchbrochen worden. Es ging in den den Entscheidungen zugrunde liegenden Fällen um die Verhinderung von ausländischem Kontrollerwerb in den inländischen Gesellschaften. Dabei übersieht der Senat nicht, dass der EuGH auch auf die faktische Versperrung des Zugangs zu einer Kapitalanlage abgestellt hat, bis hin zu einer Verminderung der Attraktivität der Kapitalanlage (vgl. auch Grundmann/Möslein, ECLR, Die Goldene Aktie, ZGR 2003, 318 ff). Auch in den von den Beschwerdeführerinnen weiter angeführten Entscheidungen des EuGH geht es um nationale Restriktionen. In der Rechtssache C €222/97 hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 16. März 1999 ausgeführt, dass Art. 73 b des Vertrages (jetzt Art 56) dem österreichischen Verbot entgegenstehe, eine Hypothek in ausländischer Währung zu begründen. Die EuGH- Entscheidung vom 14. Dezember 1995 (C- 163/94, C-165/94 und C-250/94, Strafverfahren gegen Sanz de Lera u. a.) beschäftigte sich mit dem Genehmigungsvorbehalt für Devisenausfuhren in Spanien. Die weiter vorgelegte jüngste Entscheidung des EuGH vom 13. Mai 2003 (C-98/01, Kommission gegen Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland) hinsichtlich der Rechte, die mit der vom Vereinigten Königreich gehaltenen Sonderaktie der BAA plc verbunden sind, ist wiederum dem Komplex der Staatskontrollrechte zuzuordnen.

Auf die oben genannten drei Golden Shares- Entscheidungen des EuGH hat sich auch die Europäische Kommission bei der Begründung ihres Vorschlag vom 02.10.2002 für eine EG-Richtlinie bezüglich einheitlicher Mindeststandards für Übernahmegebote und Übernahmebeschränkungen ausdrücklich bezogen (vgl. BT-Drucksache 15/606, S. 1 ff, 10 m. w. N.). Der Richtlinienvorschlag geht dabei davon aus, dass die Entscheidung darüber, ob Rechte vorzusehen seien, die in Verwaltungs- oder Gerichtsverfahren gegen ein Aufsichtsorgan (das wäre für die Bundesrepublik Deutschland die Bundesanstalt für ...) oder zwischen den Parteien des Angebots geltend gemacht werden können, den Mitgliedstaaten überlassen bleiben sollen. In diesem Rahmen sollten die Mitgliedstaaten die notwendigen Schritte unternehmen, um Wertpapierinhaber, insbesondere Wertpapierinhaber mit Minderheitsbeteiligungen, nach einem Kontrollwechsel in ihrer Gesellschaft zu schützen, wobei alle Inhaber von Wertpapieren einer Zielgesellschaft, die der gleichen Gattung angehören, in gleichwertiger Weise zu behandeln sind (Art. 3 Nr. 1 a des Richtlinienvorschlags). Art. 5 Nr. 4 des Richtlinienvorschlags sieht dabei vor, dass als angemessener Preis der höchste Preis gilt, der vom Bieter oder einer mit ihm gemeinsam handelnden Person sechs bis zwölf Monate vor dem Angebot gemäß Absatz 1 für die gleichen Wertpapiere gezahlt worden ist. Wie in den Gründen zum Richtlinienvorschlag weiter ausgeführt ist, soll die Verpflichtung zur Abgabe eines Angebots nicht für den Erwerb von Wertpapieren, die kein Stimmrecht in der ordentlichen Hauptversammlung verleihen, gelten. Den Mitgliedstaaten wird allerdings die Möglichkeit gelassen, ein Pflichtangebot auch für Wertpapiere vorzusehen, die unter bestimmten Umständen Stimmrechte verleihen oder überhaupt nicht mit Stimmrechten ausgestattet sind (BT-Drucksache 15/606, S. 20, 24). Der Richtlinienvorschlag zeigt, dass insoweit europarechtlich keine zwingenden Schutzrechte im Aufbau begriffen sind, die die Beschwerdeführerinnen in ihren Rechtsausführungen stützen könnten.

Schließlich gibt auch der Vorlagebeschluss des BGH vom 16.05.2002 (III ZR 48/01 = ZIP 2002, 1136 ff) keine die Ansicht der Beschwerdeführerinnen stützenden Anhaltspunkte. Die Vorlage bezieht sich ausschließlich auf bankenaufsichtsrechtliche Fragen, auch soweit Wertpapierdienstleistungen erwähnt sind. Der BGH hat angesichts des mit § 4 II WpÜG vergleichbaren § 6 IV KWG, der ebenfalls vorsieht, dass die Bundesanstalt für ... die ihr nach diesem Gesetz und anderen Gesetzen zugewiesenen Aufgaben nur im öffentlichen Interesse wahrnimmt, seine Vorlagefragen vor dem Hintergrund etlicher EG-Richtlinien formuliert, die es möglich erscheinen lassen, dass durch die Richtlinien auch Rechte der Sparer und Anleger begründet worden sind, wonach die Bankenaufsicht auch in ihrem Interesse durchzuführen ist.

Damit lässt sich insgesamt entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerinnen auch aus den derzeit geltenden europarechtlichen Bestimmungen ein subjektives Recht der Inhaber von Vorzugsaktien auf Beteiligung am behördlichen Aufsichtsverfahren nach dem WpÜG nicht ableiten.

Sofern die Beschwerdeführerinnen Nachteile befürchten, weil die Bieterin die Zielgesellschaft beherrschen könnte, ist dies aktienrechtlich (§§ 305 ff AktG; vgl. hierzu auch Tarkett/Pegulan und Sen/KHS, BVerfG, AG 1999, 217 ff: Moto Meter, BVerfG, ZIP 2000, 1670; Atlanta DAT, BVerfG, ZIP 1999, 1436 ff) und nicht aufsichtsrechtlich zu berücksichtigen.

Nicht zu entscheiden ist hier die Frage, ob die Bundesanstalt für ... den Hinweisen der Beschwerdeführerinnen im Interesse des Kapitalmarkts von Amts wegen nachgehen muss oder musste. Mit einer solchen etwaigen Amtspflicht wäre jedenfalls kein klagbarer Anspruch der Beschwerdeführerinnen im Sinne der geltend gemachten Anträge verbunden. Ebenfalls unberührt bleibt die Frage, ob die Beschwerdeführerinnen gegenüber der Bieterin zivilrechtliche Ansprüche geltend machen können.

Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens haben die Beschwerdeführerinnen als die unterliegenden Beteiligten zu tragen. Ihnen auch die außergerichtlichen Kosten der Bundesanstalt für ... und der hinzugezogenen Bieterin zu überbürden hat der Senat keinen Anlass gesehen.

Die Wertfestsetzung entspricht dem von den beiden Beschwerdeführerinnen erstrebten Vermögensvorteil.






OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 04.07.2003
Az: WpÜG 4/03


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/urteilsdatenbank/05fc1e9b842c/OLG-Frankfurt-am-Main_Beschluss_vom_4-Juli-2003_Az_WpUeG-4-03




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