Landgericht Düsseldorf:
Urteil vom 9. November 2010
Aktenzeichen: 1 O 50/10
(LG Düsseldorf: Urteil v. 09.11.2010, Az.: 1 O 50/10)
Tenor
Das Versäumnisurteil der Kammer vom 01.06.2010, Az. 1 O 50/10, bleibt aufrecht erhalten. Die Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
Der Kläger kann die Vollstreckung aus dem Versäumnisurteil nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.500 € fortsetzen.
Tatbestand
Die Beklagte ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer KG. Gegenstand des Unternehmens ist der Erwerber, die Veräußerung von Grundbesitz und grundstücksgleichen Rechten, der Erwerb und die Errichtung von Gebäuden, deren Vermietung, Verwaltung und Veräußerung sowie der Erwerb und die Veräußerung von Wertpapieren und Schuldverschreibungen. Die Kommanditisten sind zum Teil unmittelbar an der Gesellschaft beteiligt, teilweise werden die Kommanditanteile treuhänderisch für Privatanleger gehalten. Nach § 5 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages werden die Treugeber im Verhältnis der Gesellschafter untereinander wie unmittelbar beteiligte Gesellschafter behandelt. Nach § 9 des Gesellschaftsvertrages haben die Kommanditisten/Treugeber das Recht, jederzeit die Bücher und Papiere der Gesellschafter selbst oder durch einen Beauftragten der rechts- und steuerberatenden Berufe einzusehen oder Auskünfte zu verlangen. § 9 des Gesellschaftsvertrages ist durch Beschluss im Umlaufverfahren im Verlauf des Rechtsstreits in der Weise ergänzt worden, dass die Mitgesellschafter über ein Herausgabeverlangen des Mitgesellschafters beziehungsweise der Adressaten zu unterrichten sind und ihre Zustimmung eingeholt werden muss. Für den weiteren Inhalt wird auf die zu den Akten gereichte Anlage des Gesellschaftsvertrages Bezug genommen.
Am 2. Mai 1994 zeichnete der Kläger in einem Umfang von 50.000 DM Kommanditanteile und entschied sich die Wahrnehmung seiner Rechte über einen Treuhänder auszuüben. Ein Markt für die Veräußerung der Fondsanteile besteht nicht. Nach Angaben des Klägers entwickelte sich in der Form nicht zufriedenstellend und nur mit geringer jährliche Ausschüttung.
Der Kläger forderte die Beklagte auf, ihm eine Liste der Gesellschafter auszuhändigen oder ihm die Namen und Anschriften zu nennen, hilfsweise ihm Einsicht in das Treugeber Gesellschafterregister zu gewähren. Die Beklagte lehnte die Herausgabe der Daten oder eine Einsichtnahme ab.
Der Kläger behauptet, eine objektive Information und ein unbeeinflusster Kontakt zu den anderen Gesellschaftern seien nur möglich, wenn die Geschäftsleitung keinen Einfluss auf den Informationsaustausch habe. Viele Gesellschafter nähmen die Möglichkeit war, sich in der Gesellschafterversammlung vertreten zu lassen. Etwaige erforderliche Mehrheiten könnten so nicht erzielt werden, wenn der Kläger nicht vor die Möglichkeit habe, wie andere Gesellschafter zu informieren. Der Kläger habe jedoch ein Interesse daran, den am Markt nicht veräußerbaren Anteil an etwaige Mitgesellschafter zum Einlagebetrag zu veräußern. Ein weiteres besonderes Interesse müsse durch den Kläger nicht dargelegt werden. Diese Information zu Recht könne auch nicht durch anderweitige Regelung im Gesellschaftsvertrag eingeschränkt werden.
Gegen die im Termin vom 1.6.2010 säumige Beklagte ist Versäumnisurteil ergangen wonach diese verurteilt worden ist, dem Kläger Namen und Anschriften der Mitgesellschafter beziehungsweise Treugeber der KG mitzuteilen Zug um Zug gegen Erstattung der hierfür erforderlichen Aufwendungen. Gegen das am 24.06.2010 zugestellte Versäumnisurteil hat die Beklagte Einspruch eingelegt, der bei Gericht am 8.7.2010 eingegangen ist.
Der Kläger beantragt,
das Versäumnisurteil der Kammer aufrechtzuerhalten;
hilfsweise,
die Beklagte zu verurteilen, ihm Einsicht bei der Geschäftsführung des Fonds in die Liste der Namen und Anschriften der Mitgesellschafter/Treugeber der A zu gewähren sowie dem Kläger die Möglichkeit zur Anfertigung von Ablichtungen zu geben, Zug um Zug gegen Erstattung der hierfür anfallenden Kosten.
Die Beklagte beantragt,
das Versäumnisurteil der Kammer aufzuheben und hierauf gerichtete Klage insgesamt abzuweisen.
Sie hält schon die Zuständigkeit des angerufenen Landgerichts angesichts des Wertinteresses des Klägers, welches nur auf Zahlung des Abfindungsgutachtens gerichtet sei, für nicht gegeben. Sie ist der Ansicht, dem Kläger stünde weder ein Auskunfts- noch ein Einsichtsrecht in die Geschäftsunterlagen der KG zu. Denn die nicht weiter belegten Interessen des Klägers stünden den Geheimhaltungsinteressen der Mitgesellschafter beziehungsweise Treuegeber gegenüber. Insbesondere aufgrund des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung überwiege das Geheimhaltungsinteresse der nur mittelbar an der Gesellschaft beteiligten Kommanditisten.
Darüber hinaus würden die Adressen von Kommanditisten und Treugebern nicht zur Verfolgung der klägerischen Interessen benötigt, sondern um Interessen der klägerischen Prozessbevollmächtigten zu fördern. Denn diese ließen keine Gelegenheit aus, die KG in der Öffentlichkeit in Misskredit zu bringen. Es sei eine gezielte Verunsicherung der Gesellschafter und Anleger beabsichtigt, um hierdurch neue Mandate zu gewinnen. Im Übrigen verweist die Beklagte auf die Neufassung in § 9 des Gesellschaftsvertrages wie auch auf § 9 des Treuhandvertrages hin, nach deren etwaige Einsichtsrechte und Informationsrechte der einzelnen Gesellschafter von der Zustimmung der Mitgesellschafter abhingen und der Treugeber an einer Auskunftserteilung über Dritte gehindert sei.
Die hier vorhandene Rechtslage einer Kommanditgesellschaft, in welcher zum Teil die Kommanditanteile durch einen Treuhänder gehalten würden, sei auch nicht vergleichbar mit derjenigen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts.
Gründe
Der zulässige Einspruch hat in der Sache keinen Erfolg.
Aufgrund des zulässigen Einspruchs ist der Rechtsstreit in das Stadium vor Eintritt der Säumnis zurückversetzt. Maßgeblich ist damit, ob die Klage zulässig und begründet ist.
I.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht Düsseldorf zur Entscheidung über den Rechtsstreit berufen. Der Wert des Auskunftsbegehrens übersteigt 5000 €.
Maßgeblich für die Bewertung des Interesses im Rahmen einer Auskunftsklage ist gemäß § 3 ZPO das Interesse des Klägers, welches er mit der Auskunft durchsetzen möchte. Das Auskunftsinteresse liegt zwischen 1/10 und ein halb des eigentlichen Leistungsinteresses. Entscheidend ist hierbei, in welchem Maß die Durchsetzbarkeit des klägerischen Anspruchs von der Auskunft des Beklagten abhängt.
Das Interesse des Klägers im vorliegenden Fall wird durch das eingesetzte Kapital in Höhe von 25.564,59 € bestimmt. Dadurch, dass der Kläger Informationen über seine Mitgesellschafter begehrt, um mit diesen in Kontakt zu treten, gegebenenfalls seinen Anteil auch diese zu veräußern ist hier das Interesse mit ¼ des Leistungsinteresses anzugeben.
II.
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte aus § 9 S. 1 des Gesellschaftsvertrages in Verbindung mit §§ 161 Abs. 2,105 Abs. 3 HGB in Verbindung mit § 716 Abs.1 BGB Anspruch auf Auskunft in der beantragten Beweise.
Durch die Regelung in § 9 des Gesellschaftsvertrages wird jedem Kommanditisten/ Treugeber das Recht eingeräumt, jederzeit Einsicht in die Papiere der Gesellschaft entweder selbst oder durch einen Beauftragten zu nehmen oder Auskunft zu verlangen. Wie der Bundesgerichtshof in seinem Beschluss vom 21 09.2009 klargestellt hat, folgt daraus das Recht auf Auskunft über seine Mitgesellschafter auch bei Publikumsgesellschaften. Weil § 9 die Auskunft gleichrangig neben die Einsicht in die Geschäftspapiere stellt, bleibt dem Kläger überlassen, welchen Weg er im konkreten Fall gehen will.
Dass im durch den BGH entschiedenen Verfahren die Entscheidung zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ergangen ist, steht der Übertragung auf den vorliegenden Rechtsstreit nicht entgegen. Auch die Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft sind aufgrund des Gesellschaftsvertrages zur Förderung und Verwirklichung des gemeinsamen Zweckes verpflichtet.
Als Mitglied der Gesellschaft hat jeder Gesellschafter ein unmittelbares schützenswertes Interesse daran, seine Mitgesellschafter zu kennen. Dies gilt im vorliegenden Fall auch insoweit, als die Namen und Adressen von Anlegern betroffen sind, deren Anteile durch einen Treuhänder gehalten wird. Denn die Treuhänder sind nach dem Gesellschaftsvertrag im Innenverhältnis wie Gesellschafter zu behandeln.
Das Auskunftsrecht hinsichtlich der Namen und Adressen der Gesellschafter wird nicht wirksam durch die nunmehr erweiterte Fassung des § 9 des Gesellschaftsvertrages eingeschränkt oder sogar ausgeschlossen. Denn diese Regelung führt zu einer Beschränkung der Gesellschafterrechte in der wesentlichen Kern und ist somit unwirksam. Denn mit der Einschränkung der zu erteilten Auskunft verstoßen die Mitgesellschafter gegen ihre Treuepflichten. Aufgrund der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht sind die Gesellschafter verpflichtet, alle Maßnahmen zu unterlassen, die es dem einzelnen Mitgesellschafter unmöglich machen, seine elementaren gesellschaftsrechtlichen Mitgliedschaftsrechte auszuüben. Die Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung, die Abstimmung über den Verkauf von Immobilien oder die Auflösung des Fonds sind solche elementaren Mitgliedschaftsrechte, welche der Kläger ohne die Kenntnis der anderen Gesellschafter/Treugeber ihrer Kontaktdaten faktisch nicht mehr ausüben könnte.
Diese Auskunft kann der Kläger nicht durch Einsicht in das Handelsregister gewinnen. Denn dort sind nur die ursprünglichen Kommanditisten, nicht aber die nachträglich eingetretenen Kommanditisten sowie diejenigen Anleger aufgeführt, die nur Treugeber sind. Zudem müsse die Kommanditisten nicht mit der aktuellen Adresse aufgeführt.
Weder das Recht in der Mitgesellschafter auf informationelle Selbstbestimmung noch datenschutzrechtliche Gründe stehen der Auskunft entgegen. Die Auskunftserteilung durch die KG ist hier jedenfalls nach § 28 Abs.1 S. 1 Nr.1 BDSG durch die Wahrung berechtigter Interessen gerechtfertigt.
Entgegen der Darstellung der Beklagten sind auch keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür erkennbar und vorgetragen, dass mit der Auskunft sachfremde Zwecke verfolgt werden. Soweit die Beklagte behauptet, der Kläger sei offenbar über den Rechtsstreit nicht informiert, reichen die mitgeteilten Umstände nicht aus, um von einem willkürlichen, schikanösen, oder sachfremden Auskunftsbegehren ausgehen zu können.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 2 ZPO.
Streitwert: 6.391,15 Euro.
LG Düsseldorf:
Urteil v. 09.11.2010
Az: 1 O 50/10
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