Finanzgericht Hamburg:
Urteil vom 19. Juni 2013
Aktenzeichen: 2 K 350/12
(FG Hamburg: Urteil v. 19.06.2013, Az.: 2 K 350/12)
Tatbestand
Streitig ist die Wirksamkeit einer Organschaft in den Streitjahren 2004 bis 2006.
Die Klägerin, eine AG, war zu 100 % beteiligt an der A ... GmbH (A GmbH). Mit notariellem Vertrag vom ... 2003 schloss die Klägerin als herrschendes Unternehmen mit der A GmbH als beherrschtes Unternehmen einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (EAV). Gemäß Gesellschaftsbeschlüssen vom 02. Februar 2007 und 16. April 2007 wurde die Firma der A GmbH in A-1 gGmbH und der Unternehmenszweck dahin geändert, dass die A GmbH nunmehr ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolge. Wegen des Eintritts in die Gemeinnützigkeit erklärten die Klägerin und die A GmbH gem. notarieller Urkunde vom ... 2008 die einvernehmliche Aufhebung des EAV "mit sofortiger Wirkung". Weiter heißt es in der Urkunde: "Im Innenverhältnis der Vertragsparteien wird die Aufhebung zurückbezogen auf den 01. Januar 2007". Nachdem das Registergericht die Eintragung abgelehnt hatte, erklärten die Vertragsparteien gem. weiterer notarieller Urkunde vom ... 2008, dass der EAV "mit Wirkung zum Ablauf des Geschäftsjahres (31. Dezember 2008, 24.00 h) einvernehmlich aufgehoben und beendet" wird.
In ihren Jahresabschlüssen auf den 31. Dezember 2007 und 2008 ließ die Klägerin den mit der A GmbH abgeschlossenen EAV unberücksichtigt.
Der Beklagte ging nach einer Außenprüfung von einer "verunglückten Organschaft" aus, weil der EAV 2007 und 2008 noch bestanden habe, aber nicht durchgeführt worden sei und zog daraus mit geänderten Körperschaftsteuerbescheiden vom 24.11.2011 für die Streitjahre die Konsequenzen dahingehend, dass die bislang mitgeteilten zuzurechnenden Einkommen aus der steuerlichen Bemessungsgrundlage bei der Klägerin ausschieden und die bisherigen Verlustausgleichsleistungen als verdeckte Einlagen bei der A GmbH berücksichtigt wurden und sich der Beteiligungsansatz bei der Klägerin erhöhte.
Hiergegen richteten sich die Einsprüche vom 06. Dezember 2011, die mit Entscheidung vom 22. November 2012 zurückgewiesen wurden. Am 19. Dezember 2012 hat die Klägerin Klage erhoben.
Die Klägerin ist der Ansicht, dass der EAV mit Wirkung ab 2007 wirksam gekündigt worden sei und das Organschaftsverhältnis dementsprechend in den Streitjahren zu berücksichtigen sei. Bereits bei der "Umwandlung" der A GmbH in eine gemeinnützige Gesellschaft sei den Beteiligten bewusst gewesen, dass das Organschaftsverhältnis nicht habe fortgeführt werden können und sei mündlich beendet worden. Insoweit sei zweifelhaft, ob die Kündigung der Schriftform bedürfe. Im Übrigen enthalte der für eine Kündigung aus wichtigem Grund maßgebliche § 297 des Aktiengesetzes (AktG) kein Rückwirkungsverbot, die Kündigung per 01.01.2007 sei daher wirksam.
Zudem stelle sich die Frage, ob die Nichtdurchführung des EAV ab 2007 auch dann zum Scheitern der gesamten Organschaft führe, wenn die Beteiligten einem Rechtsirrtum bzgl. der Formalien unterlegen seien. § 14 Abs. 1 Nr. 3 des Körperschaftsteuergesetztes (KStG) bezwecke, willkürliche Aufhebungen eines EAV zu verhindern. Im Streitfall liege aber unzweifelhaft wegen des Übergangs in die Gemeinnützigkeit des beherrschten Unternehmens ein wichtiger Grund für eine Kündigung vor. Deshalb müsse das wirklich Gewollte --Beendigung der Organschaft ab 2007-- bei der Steuerfestsetzung berücksichtigt werden.
Die Klägerin beantragt,
die Körperschaftsteuerbescheide für 2004, 2005 und 2006, jeweils vom 24. November 2011, und die Einspruchsentscheidung vom 22. November 2012 mit der Maßgabe zu ändern, dass das negative zuzurechnende Einkommen der Organgesellschaft berücksichtigt wird, und zwar
in 2004 von145.177,00 €, in 2005 von 28.832,00 € und in 2006 von 7.900,00 €. Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hält an seiner Auffassung fest, dass die Aufhebung des EAV nicht auf den 01. Januar 2007 zurückwirke. Nichts anderes habe zu gelten, wenn die Aufhebung als außerordentliche Kündigung angesehen werde; denn auch die Kündigung könne nicht mit Rückwirkung erfolgen. Die Beendigung der Organschaft greife daher frühestens ab ... 2008, dem Datum der ersten notariellen Urkunde.
Die die Klägerin betreffenden Steuerakten nebst Beiakten zur Steuernummer .../.../... haben vorgelegen.
Gründe
Der zulässigen Klage bleibt in der Sache der Erfolg versagt.
I.
Der Beklagte ist zu Recht von einer "verunglückten Organschaft" ausgegangen und hat das Einkommen der A GmbH in den Streitjahren nicht der Klägerin zugerechnet.
Verpflichtet sich eine GmbH zur Gewinnabführung, so verlangen §§ 17 Satz 1, 14 Nr. 3 Satz 1 KStG für die steuerliche Anerkennung der Organschaft, dass der Gewinnabführungsvertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt wird. Eine vorzeitige Beendigung des Vertrages durch Kündigung ist unschädlich, wenn ein wichtiger Grund die Kündigung rechtfertigt. Die Kündigung oder Aufhebung des Gewinnabführungsvertrages auf einen Zeitpunkt während des Wirtschaftsjahrs der Organschaft wirkt auf den Beginn dieses Wirtschaftsjahrs zurück.
1.) Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht sämtlich erfüllt. Der EAV ist nicht während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt worden. Tatsächlich durchgeführt wird ein EAV i. S. von § 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG, wenn er entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen vollzogen wird, also die nach den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung ermittelten Gewinne tatsächlich vertragsgemäß an den Organträger abgeführt werden (vgl. z. B. Bundesfinanzhof (BFH) vom 05. April 1995 I R 156/93, BB 1995, 1626). Ab 01. Januar 2007 ist das Einkommen der Organgesellschaft A GmbH nicht mehr an die Klägerin als Organträgerin abgeführt worden; damit ist die Mindestgeltungsdauer von fünf Jahren für den gem. notarieller Urkunde vom ... 2003 geschlossenen EAV unterschritten worden.
Nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 KStG ist eine vorzeitige Beendigung des Vertrages allerdings unschädlich, wenn sie auf einer Kündigung aus wichtigem Grund beruht. Im Streitfall ändert dies aber nichts daran, dass die Organschaft "verunglückt" ist und damit keine Wirkung entfalten kann.
Ausdrücklich berufen haben sich die Vertragsparteien nicht auf ein Kündigungsrecht. Gem. notarieller Urkunde vom ... 2008 haben sie die "einvernehmliche Aufhebung mit sofortiger Wirkung" vereinbart mit der Maßgabe, dass die Aufhebung "im Innenverhältnis" auf den 01. Januar 2007 zurückwirken sollte. Diese Vereinbarung war zivilrechtlich nichtig, weil nach § 296 Abs. 1 Satz 2 AktG eine rückwirkende Aufhebung unzulässig ist. Dies ist auch der Grund dafür, dass das Registergericht die Eintragung abgelehnt hat. Der weitere Aufhebungsvertrag gem. notarieller Urkunde vom ... 2008 sieht dementsprechend eine Aufhebung des EAV zum Ablauf des Geschäftsjahres 2008 vor; dieser Zeitpunkt ist auch in das Handelsregister eingetragen worden.
Aber selbst wenn davon ausgegangen wird, dass der Eintritt der Organgesellschaft in die Gemeinnützigkeit ein Recht zur außerordentlichen Kündigung gem. § 297 Abs. 1 AktG ausgelöst haben sollte und sich die Vertragsparteien auf dieses Recht zur außerordentlichen Kündigung berufen wollten, obwohl dies in beiden notariellen Urkunden keinen Anklang gefunden hat, ergibt sich keine rückwirkende Beendigung des EAV zum 01. Januar 2007. Denn die Kündigung wirkt zivilrechtlich ex nunc, d. h. im Falle der außerordentlichen Kündigung mit Zugang der Kündigungserklärung (vgl. z. B. Langenbucher in Schmidt/Lutter, AktG, 2. Aufl. 2010, § 297 Rz. 38; Hüffer, AktG, 9. Aufl. 2010, § 297 Rz. 3), eine rückwirkende außerordentliche Kündigung ist nicht möglich. Steuerrechtlich würde einer Rückwirkung auf den 01. Januar 2007 zudem § 14 Abs. 1 Nr. 3 Satz 3 KStG entgegenstehen. Danach wirkt die Kündigung auf einen Zeitpunkt während des Wirtschaftsjahres der Organgesellschaft auf den Beginn dieses Wirtschaftsjahres zurück.
Unabhängig hiervon wäre die außerordentliche Kündigung auch zu spät erfolgt. Nach allgemeiner Ansicht kann eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund nach § 314 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nur innerhalb einer angemessenen Frist nach Kenntnis des Kündigungsgrundes ausgesprochen werden (z. B. Oberlandesgericht München vom 21. März 2011 31 Wx 80/11, DB 2011, 927 m. w. N.). Der Eintritt in die Gemeinnützigkeit der A GmbH war seit Anfang 2007 bekannt, die Kündigung/Aufhebung des Vertrages ist erst über ein Jahr später erfolgt.
Soweit sich die Klägerin darauf berufen hat, bereits 2007 seien sich die Beteiligten bewusst gewesen, dass der EAV nicht habe fortgeführt werden können, und deshalb sei er bereits zu diesem Zeitpunkt mündlich aufgehoben worden, ist dies insoweit unbeachtlich, als sowohl die Aufhebung des EAV (§ 296 Abs. 1 Satz 3 AktG) als auch die Kündigung (§ 297 Abs. 3 AktG) der Schriftform bedürfen. Die Heilung eines Formfehlers durch Neuvornahme der rechtlichen Handlung entfaltet keine Rückwirkung, § 141 BGB.
Schließlich ist auch ein eventueller Rechtsirrtum über die Formalien für die Beurteilung der Wirksamkeit der Organschaft unerheblich, maßgeblich ist vielmehr allein die objektive Rechtslage.
2.) In wieweit die fehlerhafte Durchführung des EAV durch Aufstellung geänderter Bilanzen korrigiert werden könnte, bedarf hier keiner Entscheidung. Denn die Änderung hätte jedenfalls nicht für die Streitjahre, sondern den Zeitraum danach zu erfolgen. Soweit ersichtlich, hat die Klägerin bislang auch keine geänderten Bilanzen für 2007 und 2008 beim Beklagten eingereicht.
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Revision ist gem. § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.
FG Hamburg:
Urteil v. 19.06.2013
Az: 2 K 350/12
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