Landgericht Münster:
Urteil vom 4. September 2008
Aktenzeichen: 022 O 115/08

(LG Münster: Urteil v. 04.09.2008, Az.: 022 O 115/08)

Tenor

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 20.06.2008 - 22 O 115/08 - bleibt auf­rechterhalten.

Die Verfügungsbeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Verfügungskläger nimmt die Verfügungsbeklagte auf Unterlassung wettbewerbs­widrigen Verhaltens in Anspruch, §§ 8, 3, 4 UWG.

Der Verfügungskläger gehört unstreitig zu den nach § 8 UWG klagebefugten Verbän­den.

In einer Werbung im Westfälischen Anzeiger Hamm vom 03.06.2008 warb die Verfü­gungsbeklagte wie folgt:

Der Kläger ist der Auffassung, die Werbung verstoße gegen die Vorschriften des UWG.

Der Kläger ist der Auffassung, einerseits werde die Teilnahme an einem Gewinnspiel unzulässigerweise gekoppelt an die vorherige Inanspruchnahme einer entgeltlichen Leistung in Form eines Möbelkaufs. Der Kläger ist in diesem Rahmen der Ansicht, der mögliche Gewinn sei nicht unmittelbar mit der Vertragsleistung (Kaufpreiszahlung) ge­koppelt und daher unzulässig gemäß § 4 Nr. 6 UWG.

Der Kläger ist überdies der Auffassung, der durch das Angebot ausgeübte aleatorische Reiz im Zusammenhang mit dem Erringen der Europameisterschaft durch die deutsche Fußballnationalmann­schaft übe einen völlig unangemessenen und unsachlichen Einfluss auf die vom Käufer zu treffende Kaufentscheidung aus. Der Kläger ist der Auffassung, insoweit sei ein Verstoß gegen § 4 Nr. 1 UWG gegeben.

Auf Antrag des Klägers hat die Kammer unter dem 20.06.2008 eine einstweilige Verfü­gung folgenden Inhalts erlassen:

Die Antragsgegnerin hat bei Vermeidung eines für jeden Fall der Zuwider­handlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes (bis zu 250.000,00 €) oder einer Ordnungshaft (bis zu 6 Monaten, im Wiederho­lungsfall bis zu insgesamt 2 Jahren), zu vollziehen an ihrem gesetzlichen Vertreter, es zu unterlassen,

a) im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in Bezug auf ihren auf den Vertrieb von Möbel und Küchen gerichteten Geschäftsbetrieb eine Teilnahme an einem Gewinnspiel anlässlich eines Sportereignisses von einem Möbelkauf abhängig zu machen, insbesondere zu unterlassen, wie folgt zu werben:

"8 Tage lang alle Möbel und Küchen gratis, wenn wir Europameister werden! Wir garantieren: Für alle Einkäufe an diesen 8 Tagen zahlen wir den Kaufpreis komplett zurück, wenn die deutschen Herren-Fuß­ball-Nationalmannschaft bei der EM 2008 Europameister"

insbesondere wie in der Werbung im "Westfälischen Anzeiger" vom 03.06.2008 geschehen.

In dem auf Antrag der Beklagten durchgeführten Widerspruchsverfahren beantragt die Verfügungsklägerin,

die einstweilige Verfügung vom 20.06.2008 aufrechtzuerhalten.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

unter Aufhebung der einstweiligen Verfügung den Antrag des Verfügungs­klägers vom 19.06.2008 zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, die Voraussetzungen des § 4 Nr. 6 UWG seien nicht gegeben. Die fragliche Vorschrift sei eng auszulegen. Vorliegend sei ein vom Umsatz­geschäft getrenntes Gewinnspiel nicht gegeben. Schon zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Kaufvertrags­schlusses bestehe eine unmittelbare Auswirkung des mögli­chen Gewinnes auf die ver­tragliche Gegenleistung, nämlich den Kaufpreis.

Die Beklagte ist überdies der Auffassung, ein unzulässiges übertriebenes Anlocken im Sinne von § 4 Nr. 1 UWG sei nicht gegeben.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 20.06.2008 war aufrechtzerhalten, da der Kläger gegen die Beklagte einen Anspruch auf Unterlassung der streitgegenständlichen Werbung nach §§ 3, 4 Nr. 1, 8 UWG hat.

Die Klagebefugnis im Sinne des § 8 UWG wird von Seiten der Beklagten nicht in Zwei­fel gezogen.

Die Werbung der Beklagten verstößt jedenfalls gegen § 4 Nr. 1 UWG in Form eines übertriebenen Anlockens. Das Versprechen von Preisnachlässen oder sonstigen Wert­zuwendungen ist ein grundsätzlich zulässiges und tragendes Werbemittel zur Förde­rung des Leistungswettbewerbs. Mit den guten Sitten im Wettbewerb sind solche Prak­tiken nur dann nicht zu vereinbaren, wenn der umworbene Verbraucher in unsachlicher Weise verleitet wird, seine Kaufentscheidung statt nach Preiswürdigkeit und Qualität der angebotenen Ware danach zu treffen, ob ihm beim Kauf besondere zusätzliche Vergünstigungen gewährt werden. Die insoweit zu ziehende Grenze ist nach Auffassung der Kammer unter Würdigung aller Umstände vorliegend überschrit­ten.

Soweit es für diese Beurteilung auf die Wirkung der Werbung auf den angesprochenen Verkehrskreis ankommt, vermochte die Kammer dies selbst zu beurteilen, weil seine Mitglieder dem maßgeblichen Adressatenkreis selbst angehören. Beurteilungsmaßstab ist das Leitbild eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers unter Berücksichtigung der gebotenen differenzierten Wertung nach an­gebotenem Produkt, der Art und Weise des Angebots und der Wahrnehmungssituation. Die Gewährung von Rabatten, auch in der Form der teilweisen Erstattung des Kaufprei­ses, hat für sich allein im Normalfall keine so starke Anlockungswirkung, dass dadurch bei einem nicht ganz unwesentlichen Teil der angesprochenen Verbraucher die Ratio­nalität der Nachfrageentscheidung vollständig in den Hintergrund tritt. Das ist vorliegend jedoch deswegen anders zu beurteilen, weil vorliegend in der besonderen Situation übermäßige Anreizwirkung gegeben ist. Die Anlockungswirkung ist vorliegend unter Berücksichtigung aller Umstände so stark, dass die Rationalität der Nachfrageentschei­dung des Verbrauchers vollständig in den Hintergrund tritt. Die Rationalität der Verbrau­cherentscheidung ist dann ausgeschaltet, wenn auch der durchschnittlich informierte situationsadäquat aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher durch die Werbung davon abgehalten wird, Preis und Qualität des Gesamtangebotes kritisch zu überprüfen, insbesondere Vergleiche mit Konkurrenzangeboten vorzunehmen und er seine Entscheidung nur noch danach trifft, wie er in den Genuss der Vergünstigung ge­langt. Bei der gebotenen Abwägung ist vorliegend zu berücksichtigen, dass nach der fraglichen Werbung die Zahl der zu erwerbenden Möbel und der mögliche Kaufpreis nicht nach oben begrenzt ist. Der Anreiz für den Kunden besteht darin, Ware im Wert von mehreren 10.000,00 € oder sogar 100.000,00 € nicht bezahlen zu müssen, wenn die deutsche Fußballnationalmannschaft Europameister wird. Bei derartigen Beträgen ist die Anreizwirkung, eine irrationale Kaufentscheidung zu treffen, in erheblichem Maße gegeben, da der Anlockeffekt, der von den unter Umständen versprochenen Werten ausgeht, sehr groß ist. Hinzu kommt, dass die Werbung der Beklagten in einem Zeit­punkt erfolgt ist, in dem auch ansonsten rational geprägte Personen sich von einem durch Presse und Fernsehen verstärkten Fußballfieber anstecken lassen, das zu einem überwiegend ungerechtfertigten Vertrauen in die Stärke der eigenen Mannschaft führt und daher geeignet ist, eine rationale Kaufentscheidung zu verhindern, und zwar insbe­sondere unter Berücksichtigung des Wertes des mit der Werbung verbundenen Anreizes.

Das Unterlassungsbegehren des Klägers scheitert auch nicht am Fehlen der erforderli­chen Wiederholungsgefahr. Bei an konkrete Ereignisse geknüpften Werbemaßnahmen kommt es für die Wiederholungsgefahr darauf an, ob in Zukunft weitere im Kern gleich­artige Verstöße zu erwarten sind. Solange die Beklagte keine anders lautende strafbe­währte Unterlassungserklärung abgibt, erscheint es nämlich keineswegs ausgeschlos­sen, dass sie in absehbarer Zeit Aktionen durchführt, die der streitbefangenen im Kern gleichartig sind, indem sie bei anderen attraktiven überregionalen Publikumsveranstal­tungen ähnliche Vergünstigungen auslobt. Aus dem Bereich des Sports sind in näherer Zukunft andere vergleichbare Großereignisse wie z. B. die Fußballweltmeisterschaft 2010 in Südafrika in greifbare Nähe gerückt.

Nach allem ist der Widerspruch unbegründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.






LG Münster:
Urteil v. 04.09.2008
Az: 022 O 115/08


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